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Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Gründe:
2Der Einzelrichter ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes für die Entscheidung zuständig (§ 76 Abs. 4 Satz 1 des Asylgesetzes (AsylG)).
3I.
4Der am 27.12.2024 gestellte Antrag,
5die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen,
6hat keinen Erfolg. Er ist zulässig, aber unbegründet.
71.Der Antrag ist zulässig.
8Er ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft, da der in der Hauptsache erhobenen Klage gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 75 Abs. 1 Satz 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung zukommt.
9Entgegen der Regelung einer Abschiebungsandrohung mit einer Ausreisefrist von 30 Tagen nach Unanfechtbarkeit in Ziff. 3 des angegriffenen Bescheides sowie der dem Bescheid beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung mit einer Klagefrist von 2 Wochen nach Zustellung des Bescheides hat die Klage keine aufschiebende Wirkung. Denn nach § 75 Abs. 1 Satz 1 AsylG hat die Klage nur aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 38 Abs. 1 AsylG sowie bei § 73b Abs. 7 Satz 1 AsylG – also vor allem bei einer „schlichten“ Ablehnung eines Asylantrages als unbegründet im nationalen Verfahren. Hier liegt hingegen eine Ablehnung als unzulässig wegen der Zuständigkeit Frankreichs gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 a) AsylG vor. Dieser ist regelmäßig gem. § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG eine Abschiebungsanordnung in den zuständigen Mitgliedstaat beizufügen. Ausnahmsweise darf das Bundesamt eine Abschiebungsandrohung beifügen, wenn eine Abschiebungsanordnung nicht ergehen kann, § 34a Abs. 1 Satz 4 AsylG. Dies ist hier – wohl wegen der für den 05.12.2024 erwarteten Niederkunft der Antragstellerin zu 1. mit ihrem zweiten Kind – von der Antragsgegnerin so geregelt worden. Richtigerweise hätte in diesem Fall bei der Abschiebungsandrohung nach Frankreich eine Ausreisefrist von einer Woche gem. § 36 Abs. 1 AsylG angeordnet werden müssen und die Rechtsbehelfsbelehrung hätte auf Klage und Eilantrag binnen einer Woche festgesetzt werden müssen, § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG.
10Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 25.10.2024 – 11 A 1029/20.A -, S. 6 des Umdrucks.
11Dieser Fehler führt nach Auffassung des Gerichts nicht dazu, dass die Abschiebungsandrohung entgegen der Entscheidung des Gesetzgebers in §§ 36 Abs. 3 Satz 1, 75 AsylG aufschiebende Wirkung hat. Mithin ist der Eilantrag statthaft, weil die Klage 21 K 11209/24.A keine aufschiebende Wirkung hat.
12Ferner ist die in § 34a Abs. 2 Satz 1 und 3 AsylG für einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsandrohung sowie gegen die Anordnung eines befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbotes bestimmte Antragsfrist von einer Woche nach Bekanntgabe des streitgegenständlichen Bescheids gewahrt. Denn der streitgegenständliche Bescheid vom 29.11.2024 gilt am 20.12.2024 an die Antragstellerin zu 1. in der ZUE P. als ausgehändigt. Der Bescheid ging bei der ZUE am 17.12.2024 ein und ist ihr tatsächlich am 23.12.2024 ausgehändigt worden. Gem. § 10 Abs. 4 Satz 4 AsylG gilt der Bescheid jedoch 3 Tage nach Eingang bei der ZUE als ausgehändigt, also am 20.12.2024. Ab diesem Zeitpunkt ist die Wochenfrist bis zu Klageerhebung und Antragstellung am 27.12.2024 nicht abgelaufen.
13Es kann bei dieser Sachlage offenbleiben, ob die Antragsfrist nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG auch insoweit gilt, als der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die übrigen Regelungen des streitgegenständlichen Bescheids betrifft. Im Übrigen dürfte es auf diese Frage regelmäßig nicht ankommen, da ein isoliert gegen eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) AsylG gerichteter Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage bei gleichzeitiger Vollziehbarkeit der im gleichen Bescheid enthaltenen Abschiebungsanordnung ungeachtet einer Antragsfrist unzulässig sein dürfte. Für einen solchen Antrag dürfte es an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse fehlen, weil die Unzulässigkeitsentscheidung als solche nicht vollziehbar ist.
14Vgl. VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 8. April 2024 - 21 L 745/24.A -, und vom 15. Februar 2024 ‑ 21 L 191/24.A -.
15Wird – wie hier – der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf alle Regelungen des Bescheids bezogen, ist das erforderliche Rechtsschutzinteresse gegeben. Dies gilt insbesondere auch in Bezug auf die Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1 des Bescheids und die Negativfeststellung zu Abschiebungsverboten in Ziffer 2 des Bescheids. Insoweit gewährleistet der Antrag den gerichtlichen Rechtsschutz, dass die dort getroffenen Feststellungen im Falle einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung der hiergegen gerichteten Klage einstweilen keine Rechtswirkungen gegenüber den Antragstellern entfalten.
16Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Januar 2024 - 22 L 3411/23.A -, juris, Rn. 14 f.
172.Der Antrag ist jedoch unbegründet.
18Die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage 21 K 11209/24.A vom 27.12.2024 gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 29.11.2024 nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO liegen in dem gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht vor.
19Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag im Rahmen einer eigenen Ermessensentscheidung die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn das Interesse des Antragstellers an der beantragten Aussetzung der Vollziehung das durch § 75 AsylG gesetzlich angeordnete öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzbarkeit des Verwaltungsaktes überwiegt. Die dabei vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse und dem privaten Aussetzungsinteresse der Antragsteller hat sich maßgeblich – wenn auch nicht ausschließlich – an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren, wie diese sich bei der im Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung im vorliegenden Verfahren abschätzen lassen.
20Vgl. zu diesem Maßstab: VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 12. August 2016 - 12 L 2625/16.A -, juris, Rn. 7, und vom 7. Dezember 2015 - 12 L 3592/15.A -, juris, Rn. 5.
21Die Interessenabwägung fällt hier zu Lasten der Antragsteller aus, denn die in den Ziffern 1 bis 4 enthaltenen Regelungen des in der Hauptsache angefochtenen Bescheides des Bundesamtes vom 29.11.2024 begegnen bei Anlegung dieses Maßstabes derzeit keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
22a)Das Bundesamt hat den Asylantrag der Antragsteller vom 31.10.2024 mit Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids zu Recht als unzulässig abgelehnt. Die Unzulässigkeitsentscheidung findet ihre Rechtsgrundlage in § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) AsylG. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-Verordnung) für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
23Vorliegend ist Frankreich nach den Bestimmungen der Dublin III-Verordnung für die Asylanträge der Antragsteller zuständig.
24Die Zuständigkeit Frankreichs ist begründet worden. Sie ist im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens nach Art. 23 ff. Dublin III-Verordnung – wie hier – nicht nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-Verordnung, sondern anhand der Voraussetzungen der Art. 20 Abs. 5 und Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) bis d) Dublin III-Verordnung zu bestimmen.
25Vgl. EuGH, Urteil vom 2. April 2019 - C-582/17 und C-583/17 -, juris, Rn. 57 ff.
26Danach folgt die Zuständigkeit Frankreichs daraus, dass die Antragsteller dort ausweislich des am 19.10.2024 ermittelten EURODAC-Treffers sowie ihrer Angaben in den Anhörungen vor dem Bundesamt am 31.10. und 06.11.2024 einen Asylantrag gestellt haben und die französischen Behörden dem Wiederaufnahmegesuch des Bundesamtes mit Schreiben vom 25.11.2024 unter Bezugnahme auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. d) Dublin III-Verordnung zugestimmt haben.
27Die Antragsgegnerin hat Frankreich rechtzeitig gemäß Art. 23 Abs. 2 Unterabsatz 1 Dublin III-Verordnung um Wiederaufnahme der Antragsteller ersucht. Nach Art. 23 Abs. 2 Unterabsatz 1 Dublin III-Verordnung ist ein Wiederaufnahmegesuch so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von zwei Monaten nach der EURODAC-Treffermeldung zu stellen. Diese Frist ist im vorliegenden Fall eingehalten. Das Bundesamt hat Frankreich am 11.11.2024 und damit innerhalb von zwei Monaten nach der EURODAC-Treffermeldung vom 19.10.2024 um Wiederaufnahme der Antragsteller ersucht. Die französischen Behörden haben hierauf fristgerecht innerhalb von zwei Wochen (vgl. Art. 25 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-Verordnung) mit Schreiben vom 25.11.2024 geantwortet und ihre Zuständigkeit gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. d) Dublin III-Verordnung erklärt.
28Die Zuständigkeit Frankreichs ist auch noch nicht gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-Verordnung wegen Ablaufs der Überstellungsfrist auf die Antragsgegnerin übergegangen. Nach dieser Vorschrift gilt: Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durchgeführt, ist der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat über. Diese Frist war zu dem Zeitpunkt, als die Antragsteller den vorliegenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (auch) im Hinblick auf die in Ziffer 1 des Bescheids enthaltene Unzulässigkeitsentscheidung gestellt haben, noch nicht abgelaufen und ist seitdem unterbrochen. Die Annahme des Wiederaufnahmegesuchs durch die französischen Behörden am 25.11.2024 lag bei Antragstellung am 27.12.2024 weniger als sechs Monate zurück. Bei einem – wie hier – rechtzeitig gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage wird die Überstellungsfrist kraft Gesetzes unterbrochen (vgl. auch § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG) und erst mit dem ablehnenden Beschluss im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes erneut in Lauf gesetzt.
29Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2016 - 1 C 15/15 -, juris, Rn. 11; OVG NRW, Urteil vom 7. Juli 2016 ‑ 13 A 2238/15.A -, juris, Rn. 24 ff.
30Eine Zuständigkeit der Antragsgegnerin ergibt sich auch nicht aus Art. 3 Abs. 2 Unterabsätze 2 und 3 Dublin III-Verordnung. Nach diesen Vorschriften gilt: Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Schutzsuchende in der Situation des Antragstellers systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta (EU-GRCh) mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann. Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.
31Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs können systemische Mängel in diesem Sinne erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Art. 4 EU-GRCh bzw. Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) entsprechenden Schwere nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Diese müssen aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein, ihm also nicht unbekannt sein können.
32Vgl. EuGH, Urteile vom 10. Dezember 2013 - C-394/12 -, juris, Rn. 60, und vom 14. November 2013 ‑ C-4/11 -, juris, Rn. 33 ff., sowie vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 -, juris, Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 - 30696/09 -, NVwZ 2011, 413; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6/14 -, juris, Rn. 9.
33Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die Annahme, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden. Die insoweit grundsätzlich bestehende Vermutung, dass jeder Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat ist und die Grundrechte von Asylbewerbern einschließlich des Refoulement-Verbotes hinreichend beachtet, ist zwar nicht unwiderleglich. Eine Widerlegung der Vermutung ist aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die EU-Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers in den zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Vielmehr müssen das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im jeweiligen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelmäßig so defizitär sein, dass Antragstellern mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-GRCh bzw. Art. 3 EMRK droht (systemische Mängel).
34Vgl. EuGH, Urteile vom 10. Dezember 2013 - C-394/12 -, juris, Rn. 60, und vom 14. November 2013 ‑ C-4/11 -, juris, Rn. 33 ff., sowie vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 -, juris, Rn. 96; BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6/14 -, juris, Rn. 9.
35In Bezug auf Frankreich ist nach aktuellem Kenntnisstand nicht davon auszugehen, dass den Antragstellern im Falle ihrer Überstellung in dieses Land eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im eben beschriebenen Sinne droht. Dem Gericht liegen keine Erkenntnisse vor, die den Schluss rechtfertigen könnten, dass in Frankreich systemische Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber respektive Dublin-Rückkehrer bestehen.
36Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 12. April 2022 - 12 L 827/22.A -; Urteil vom 10. November 2020 ‑ 22 K 6941/18.A -, juris, Rn. 137 und 152 f. m. w. N.;vgl. auch VG Ansbach, Beschluss vom 16. Juni 2023 - AN 17 S 23.50371 -, juris; Urteil vom 17. August 2020 - AN 17 K 19.51230 -, juris; ebenso VG Karlsruhe, Beschluss vom 27. Januar 2021 ‑ A 8 K 1948/20 -, juris, Rn. 6 und 12; VG München, Beschlüsse vom 10. August 2023 ‑ M 10 S 23.50817 -, juris, Rn. 17, und vom 3. Februar 2021 - M 30 S 21.50012 -, juris, Rn. 18 m. w. N.; VG Würzburg, Beschlüsse vom 15. Juni 2020 - W 8 S 20.50166 -, juris, Rn. 15 ff. m. w. N., und vom 2. März 2020 - W 8 S 20.50081 -, juris, auch für eine Mutter eines knapp drei Monate alten Säuglings; VG Köln, Beschluss vom 24. Mai 2023 - 23 L 791/23.A -, juris, Rn. 10.
37Vielmehr existiert in Frankreich ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit, werden Dublin-Rückkehrer genauso behandelt wie alle anderen Asylbewerber, erhalten alle Schutzsuchenden grundsätzlich materielle Versorgung in Form von Unterbringung und finanziellen Beihilfen und haben Zugang zu medizinischer Versorgung. Zwar kann sich im Einzelfall der Zugang von Dublin-Rückkehrern zum Asylverfahren in Frankreich als sehr schwer darstellen und wird ihnen dort ein hohes Maß an Eigeninitiative abverlangt, um – jedenfalls im Zeitraum bis zu einer Registrierung bei einer Einrichtung bzw. zumindest einer Vorsprache bei der Vor-Registrierungsorganisation – Unterkunft zu finden und Zugang zu medizinischer Versorgung zu erhalten. Das begründet aber unter Beachtung der hohen Anforderungen an eine Verletzung des Art. 3 EMRK, Art. 4 EU-GRCh kein regelhaft defizitäres Verfahren oder ein systemisches Versagen, zumal der französische Staat auf die diesbezügliche Situation von Schutzsuchenden nicht mit Gleichgültigkeit, sondern mit entsprechenden Maßnahmen reagiert.
38Vgl. VG Köln, Beschluss vom 16. Dezember 2022 - 12 L 1920/22.A -, juris, Rn. 13.
39Was Unterkunft und Versorgung anbelangt, werden Dublin-Rückkehrer – wie vorstehend ausgeführt – gleich normalen Asylbewerbern behandelt. Die zunächst sehr knappen Unterbringungskapazitäten für Asylbewerber in Frankreich wurden in den letzten Jahren kontinuierlich und mit erheblichen Anstrengungen ausgebaut. Frankreich hat damit auf eine Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte,
40vgl. EGMR, Urteil vom 2. Juli 2020 - 28220/13 -,
41und auf größere informelle Camps, die sich gebildet hatten, reagiert. Für Ende 2023 wird berichtet, dass 2,65 % der Unterbringungsplätze nicht belegt waren,
42Asylum Information Database (AIDA), Country Report: France, 2023 Update, Seite 122; vgl. auch VG Ansbach, Beschluss vom 16. Juni 2023 - AN 17 S 23.50371 -, juris, Rn. 24 f., m. w. N.
43Besonders Schutzbedürftige (vulnerable Gruppen), zu denen (unbegleitete) Minderjährige, Schwangere, behinderte Personen, ältere Personen, alleinerziehende Eltern mit minderjährigen Kindern, Personen, welche Folter, Vergewaltigung oder anderen Formen schwerer psychischer, physischer oder sexueller Gewalt ausgesetzt waren sowie Opfer von Menschenhandel gehören, haben Anspruch auf besondere Aufnahmebedingungen. Sie werden einer Aufnahmeeinrichtung zugewiesen, die den Bedürfnissen der Person entsprechen sollte,
44vgl. Raphaelswerk e.V., Informationen für Geflüchtete, die nach Frankreich rücküberstellt werden, November 2021, Seite 14,
45meist einer CADA-Einrichtung (Centre d’Accueil pour Demandeurs d’Asile). Vulnerable Personen werden, wie ausgeführt, bei der Unterbringung priorisiert.
46Vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich (BFA), Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Frankreich, Stand: 25. Juni 2021, Seite 9.; vgl. auch VG Würzburg, Beschluss vom 2. März 2020 - W 8 S 20.50081 -, juris, Rn. 17.
47Außerdem kann die Asylbehörde OFPRA (Office Français de Protection des Réfugiés et Apatrides) informiert werden, damit entsprechende Vorkehrungen getroffen werden können. Gegebenenfalls kann es dennoch zu Problemen kommen, etwa wenn eine Schutzbedürftigkeit nicht erkannt wird. Ein Monitoring für die Berücksichtigung spezieller Unterbringungsbedürfnisse ist nicht vorgesehen, allerdings stehen die Sozialarbeiter in den Unterbringungen in ständigem Austausch mit den zu Versorgenden und können die Behörden gegebenenfalls informieren.
48Vgl. BFA, a.a.O., Seite 9; Raphaelswerk e.V., a.a.O., Seite 14.
49Darüber hinaus haben die Antragsteller keine aktuellen Erkenntnisse benannt, die die vorstehenden Ausführungen zu den Lebensbedingungen von Asylbewerbern und Personen mit internationalem Schutzstatus in Frankreich in Frage stellen könnten.
50Vgl. VG Würzburg, Beschluss vom 2. März 2020 - W 8 S 20.50081 -, juris, Rn. 17.
51Etwas Anderes folgt auch nicht daraus, dass nach dem Vortrag der Antragstellerin zu 1. im Verfahren vor dem Bundesamt und der Mitteilung der französischen Behörden der Asylantrag der Antragsteller in Frankreich bestandskräftig abgelehnt worden sei. Dass bestandskräftig abgelehnte Asylbewerber mit ihrer Abschiebung in ihr Herkunftsland zu rechnen haben, ist hier kein relevanter Mangel des Asylverfahrens und auch im Übrigen nicht menschenrechtswidrig. Vielmehr ist – wie ausgeführt – davon auszugehen, dass in Frankreich ein rechtstaatliches Erst- und gegebenenfalls auch Folgeverfahren durchgeführt wird. Ein Asylbewerber hat nach der Systematik sowie nach dem Sinn und Zweck der Dublin-Regelungen insbesondere kein Wahlrecht, sich den Mitgliedstaat auszusuchen, in dem er sich bessere Chancen oder angenehmere Aufenthaltsbedingungen erhofft, oder nach Ablehnung eines Asylantrages in einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat weiterzureisen, um eine weitere Prüfung seines Asylantrages mit einem für ihn günstigen Ergebnis zu erreichen. Relevant sind allein die Regelungen zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates nach der Dublin III-Verordnung.
52Vgl. VG Würzburg, Beschluss vom 2. März 2020 - W 8 S 20.50081 -, juris, Rn. 17.
53Auch der Umstand, dass sich der – bisher auch nach ihren Angaben nicht ehelich mit der Antragstellerin zu 1. verbundene – Partner (Az. 10707600‑1-457, anhängige Verfahren beim erkennenden Gericht 21 K 11018/24.A und 21 L 3817/24.A –, negativ entschieden im Eilverfahren m. Beschluss vom 08.01.2024) im Bundesgebiet befindet, begründet keine Zuständigkeit der Antragsgegnerin. Durch das Verfahren und die Vorkehrungen der Antragsgegnerin in Abstimmung mit den französischen Behörden lässt sich sicherstellen, dass die Gruppe der drei Personen (einschließlich eines eventuell mittlerweile geborenen weiteren Kindes) gemeinsam ohne Auflösung ihrer Verbindung nach Frankreich überstellt werden oder freiwillig zur Erhaltung der Zusammengehörigkeit ausreisen kann – oder im Bundesgebiet gemeinsam verbleibt bis alle gemeinsam überstellt werden können.
54b)Auch die Feststellung in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen, wäre auf den im Hauptantrag der Klage sinngemäß enthaltenen statthaften isolierten Anfechtungsantrag,
55vgl. zur Statthaftigkeit der Anfechtungsklage, die gegen einen Asylbescheid mit Unzulässigkeitsentscheidung insgesamt gerichtet ist: BVerwG, Urteile vom 14. Dezember 2016 - 1 C 4/16 -, juris, Rn. 16 f., und vom 27. Oktober 2015 - 1 C 32/14 -, juris, Rn. 13 ff.; OVG NRW, Urteile vom 16. September 2015 - 13 A 800/15.A -, juris, Rn. 22 ff. m. w. N., und vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 28 ff.,
56nach der in dem vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung nicht aufzuheben.
57Die Feststellung findet ihre Ermächtigungsgrundlage in § 31 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. AsylG. Danach ist in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen. Mit Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids ist in diesem Sinne festgestellt, dass die Asylanträge der Antragsteller unzulässig sind.
58Einer Überstellung der Antragsteller nach Frankreich stehen nach derzeitigem Kenntnisstand keine zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote entgegen. Für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG fehlt es aus den obenstehend genannten Gründen an einer unmenschlichen Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK.
59Vgl. VG Trier, Beschluss vom 5. April 2019 - 7 L 977/19.TR -, juris, Rn. 38 (für den Fall einer Abschiebung nach Italien).
60Es liegt auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Nach § 60a Abs. 2c AufenthG wird zudem vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.Anhaltspunkte dafür, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sein könnten, sind nicht ersichtlich.
61Zur Zusammengehörigkeit mit dem nichtehelichen Partner ist zuvor schon ausgeführt worden. Das Gericht geht davon aus, dass die Antragsgegnerin die Antragsteller nicht ohne den Partner überstellen wird. Soweit die Antragstellerin zu 1. mittlerweile das für 05.12.2024 ausgerechnete zweite Kind geboren hat, folgt daraus für die analog anwendbaren Mutterschutzfristen ein zeitweiliges Abschiebungshindernis, welches die Antragsgegnerin nach dem an die Antragsteller gerichteten Bescheid zu berücksichtigen beabsichtigt. Auch dem Partner gegenüber ist eine negative Dublin-Entscheidung ergangen. Nach Ablauf etwaiger Schutzfristen kann die Antragsgegnerin die Gruppe der (dann) 2 Erwachsenen und 2 Kinder nach Frankreich überstellen und dabei die Bedürfnisse der Mutter (im Wochenbett) sowie eines Säuglings berücksichtigen.
62c)Der Erlass der Abschiebungsandrohung nach Frankreich mit einer Ausreisefrist von 30 Tagen nach Unanfechtbarkeit in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids erweist sich nach dem oben zu 1. Ausgeführten zwar als rechtswidrig.
63Rechtsgrundlage für die Abschiebungsandrohung ist § 34a Abs. 1 Satz 4 AsylG. Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Kann diese Abschiebungsanordnung nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung an (Satz 4). Nach dem oben Dargestellten ist dann jedoch die Ausreisefrist auf eine Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) festzusetzen und die Rechtsbehelfsbelehrung hat ebenfalls für die Klage (oder einen Eilantrag) auf eine Woche zu lauten (§ 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG). Weil beides hier falsch geregelt wurde, ist der Bescheid insofern in Ziff. 3 sowie der Rechtsbehelfsbelehrung rechtswidrig.
64Dies kann jedoch nicht zum Erfolg der Klage 21 K 11209/24.A führen, weil gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO neben der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes auch die Verletzung der Kläger (und Antragsteller) in ihren Rechten voraussetzt. Eine Ausreisefrist von 30 Tagen nach Unanfechtbarkeit ist gegenüber einer Ausreisefrist von einer Woche „ein Geschenk“ – ein rechtlicher Vorteil. Gleiches gilt für die Rechtsbehelfsbelehrung, die die Antragsteller bzw. Kläger nicht belastet, weil sie – zum Glück – die Wochenfrist gewahrt haben. Mithin kann auch der Eilantrag keinen Erfolg haben, weil ernstliche Zweifel i. S. v. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG nicht festgestellt werden können.
65Hier liegt ein Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) AsylG vor, denn Frankreich ist nach dem Vorstehenden für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Der Durchführung der Abschiebung der Antragsteller nach Frankreich stehen aus Sicht des Bundesamtes anscheinend – wohl wegen der unmittelbar bevorstehenden Niederkunft der Antragstellerin zu 1. – tatsächliche oder rechtliche Gründe im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG entgegen.
66Eine generelle Reiseunfähigkeit machen die Antragsteller weder hinreichend geltend noch ist eine solche im Übrigen ersichtlich. Auf die Bedürfnisse der Mutter und eines etwaigen neugeborenen Kindes wird die Antragsgegnerin Rücksicht zu nehmen haben.
67d)Die in dem streitgegenständlichen Bescheid in Ziffer 4 enthaltene Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 AufenthG begegnet schließlich ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Sie beruht auf § 75 Nr. 12, 2. Alt. AufenthG, wonach dem Bundesamt im Fall einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG die Aufgabe der Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 AufenthG zukommt. Die Antragsgegnerin kann das Einreise- und Aufenthaltsverbot grundsätzlich auf bis zu fünf Jahren befristen (§ 11 Abs. 3 AufenthG). Die Befristung auf 60 Monate ab dem Tag der Abschiebung lässt im vorliegenden Fall Ermessensfehler nicht erkennen.
68Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung des angefochtenen Bescheids Bezug genommen (§ 77 Abs. 3 AsylG).
69II.
70Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
71Der Gegenstandswert folgt aus § 30 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG).
72Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).