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1. Im Wege der einstweiligen Anordnung wird festgestellt, dass es sich bei der durch die Antragstellerin angezeigten Wahlkampfkundgebung auf dem O.-Platz in K. am 15. Februar 2025 von 14.00 Uhr bis 16.00 Uhr um eine dem Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG unterfallende Versammlung handelt, und wird dem Antragsgegner im Weiteren aufgegeben, unverzüglich nach Maßgabe seiner üblichen Verwaltungspraxis hinsichtlich der angezeigten Versammlung vorzugehen.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
3. Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
2Der am 13. Februar 2025 (Eingang bei Gericht um 14.30 Uhr) wörtlich gestellte Antrag,
3die Antragsgegnerin mittels einstweiliger Verfügung dazu zu verpflichten, die Durchführung der Wahlkampfkundgebung des Antragstellers auf dem O.-Platz im Umfang der Anmeldung als Versammlung zu bestätigen wie folgt:
4- Tag/Datum/Uhrzeit: 15.02.2025, 14.00 Uhr bis 16.00 Uhr
5- Sammelphase: ab 13.30 Uhr
6- Versammlungsort: O.-Platz
7- Teilnehmer: ca. 250
8- Hilfsmittel: Plakate, Banner, Fahnen, Flyer, Lautsprecher, Megafon, Fahrzeug, Pavillon, Schirm, Tisch
9und zu diesem Zweck
10den ungehinderten Zu- und Abgang zu der Veranstaltung und das Freihalten der Rettungswege zu ermöglichen sowie dem verantwortlichen Versammlungsleiter die zur friedlichen Durchführung der Versammlung und der Sicherheit der Teilnehmer die dazu notwendigen Informationen zukommen zu lassen und bis spätestens diesen Samstag um 9.00 Uhr einen zuständigen Ansprechpartner einschließlich einer durchgängigen telefonischen Erreichbarkeit zu benennen,
11hat in dem tenorierten Umfang Erfolg.
12Soweit die anwaltlich vertretene Antragstellerin wörtlich die Verpflichtung des Antragsgegners im Wege der einstweiligen Anordnung beantragt hat, die ihrerseits angezeigte Veranstaltung in dem vorstehend benannten Umfang zu bestätigen, ist der Antrag unzulässig. Der Antragstellerin fehlt das für den insoweit begehrten vorbeugenden vorläufigen Rechtsschutz auf „Erlass der Bestätigung“ in dem genannten Umfang erforderliche qualifizierte Rechtschutzbedürfnis. Die begehrte Bestätigung der angezeigten Veranstaltung stellt zwar – soweit keine Gründe für ein Verbot bzw. für Beschränkungen nach § 13 VersG NRW bestehen – die nach Kenntnis der Kammer bestehende Verwaltungspraxis des Antragsgegners dar. Die versammlungsrechtliche Bestätigung ist aber originäre Aufgabe der Versammlungsbehörde und nicht des erkennenden Gerichts. Ob nämlich die Bestätigung der angezeigten Veranstaltung ohne Weiteres erfolgt oder – insbesondere im Hinblick auf die angezeigten Hilfsmittel sowie etwaig stattfindende Gegendemonstrationen – beschränkende Verfügungen nach § 13 Abs. 1 Satz 1 VersG NRW erlassen werden, steht im pflichtgemäßen Ermessen des Antragsgegners nach Durchführung entsprechender Kooperationsgespräche.
13Der wörtlich gestellte Antrag ist jedoch auslegungsfähig. Er beinhaltet bei am wirklichen Willen der Antragstellerin ausgerichteter, sachgerechter Auslegung ihres Antrags (§§ 88, 122 Abs. 1 VwGO) als „Minus“ jedenfalls auch das Begehren, im Wege der einstweiligen Anordnung gerichtlich feststellen zu lassen, dass es sich bei der durch sie angezeigten Wahlkampfkundgebung um eine dem Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG unterfallende Versammlung handelt und dem Antragsgegner im Weiteren aufzugeben, unverzüglich nach der Maßgabe seiner üblichen Verwaltungspraxis hinsichtlich der angezeigten Versammlung vorzugehen.
14Der so verstandene Antrag hat Erfolg. Er ist zulässig und begründet.
15Der auf die vorbeugende vorläufige Feststellung gerichtete Antrag nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist mangels Rechtsschutzmöglichkeit nach den vorrangigen §§ 80, 80a VwGO (vgl. § 123 Abs. 5 VwGO) wegen des Gebots effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) insbesondere statthaft.
16Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 11. April 2005 - 13 B 1959/04 -, juris, Rn. 18 ff.; SaarOVG, Beschluss vom 2. September 2024 - 1 B 56/24 -, juris, Rn. 8 f.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 4. Dezember 2024 - 18 L 2925/24 -, juris, Rn. 62 f.; a.A. gegen die Statthaftigkeit eines Antrags nach § 123 VwGO bei einstweiligen Feststellungsbegehren noch OVG NRW, Beschluss vom 25. April 1996 - 15 B 2786/95 -, juris, Rn. 13 m.w.N.
17In der Hauptsache ist eine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Bei der streitgegenständlichen Frage, ob die unter dem Motto „Wahlkampfkundgebung AfD Kreisverband K. Bundestagswahl 2025“ angezeigte Veranstaltung auf dem O.-Platz am 15. Februar 2025 von 14.00 Uhr bis 16.00 Uhr eine Versammlung darstellt, handelt es sich um ein nach § 43 Abs. 1 VwGO feststellungsfähiges Rechtsverhältnis.
18Die Feststellungsklage ist vorliegend auch nicht gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO subsidiär. Das Antwortschreiben des Antragsgegners vom 13. Februar 2025 auf eine Anfrage des Sprechers des AfD Kreisverbands K., in dem nach der Beantwortung von Fragen u.a. ausgeführt wird, dass es sich bei der geplanten Wahlkampfveranstaltung nicht um eine Versammlung handele und daher keine Anzeigebestätigung erfolge, stellt keinen Verwaltungsakt i.S.d. § 35 Satz 1 VwVfG NRW dar. Ihm fehlt insoweit der Regelungscharakter,
19vgl. hierzu statt vieler etwa BVerwG, Urteil vom 20. März 2024 - 6 C 8/22 -, juris, Rn. 74; VG Düsseldorf, Beschluss vom 4. Dezember 2024 - 18 L 2925/24 -, juris, Rn. 20 ff.
20weil er auch nach dem objektiven Empfängerhorizont nicht darauf ausgelegt ist, eine verbindliche Rechtsfolge zu setzen.
21Aufgrund der Umstände des Einzelfalls ist auch das für das vorbeugende vorläufige Feststellungsbegehren erforderliche qualifizierte Rechtsschutzinteresse anzunehmen. Ein solch qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis ist dann gegeben, wenn schon die kurzfristige Hinnahme der befürchteten behördlichen Handlungsweise geeignet ist, den Betroffenen in seinen Rechten in besonders schwerwiegender Weise zu beeinträchtigen und zu befürchten ist, dass anderenfalls vollendete, nicht mehr ohne Weiteres rückgängig zu machende Tatsachen geschaffen werden oder ein nicht wiedergutzumachender Schaden entsteht.
22Vgl. hierzu etwa BVerwG, Beschluss vom 29. April 2019 - 6 B 141/18 -, juris, Rn. 8 m.w.N., und Urteil vom 23. Juni 2016 - 2 C 18/15 -, juris, Rn. 20; OVG NRW, Beschluss vom 19. Juli 2024 - 13 B 106/24 -, juris, Rn. 108 ff. m.w.N., Urteil vom 24. Mai 2024 - 4 A 2508/22 -, juris, Rn. 134 f. m.w.N.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 4. Dezember 2024 - 18 L 2925/24 -, juris, Rn. 44 ff. m.w.N.
23So liegt der Fall mit Blick auf den Eingriff in die grundrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG bzw. das gleichermaßen tangierte Parteienprivileg der Antragstellerin gemäß Art. 21 GG (s. dazu sogleich) hier.
24Vor diesem Hintergrund ist in Bezug auf die Antragstellerin auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung nach § 43 Abs. 1 VwGO sowie entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO die Möglichkeit einer Verletzung in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten – namentlich in Art. 8 Abs. 1 GG bzw. Art. 21 GG – anzuerkennen.
25Vgl. in einem ähnlich gelagerten Fall auch VG Augsburg, Beschluss vom 19. September 2024 - Au 8 S 24.2280 -, juris, 20 ff.
26Der Antrag ist auch begründet.
27Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Die Notwendigkeit der einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte materielle Anspruch (Anordnungsanspruch) sind in diesem Fall von der Antragstellerin glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Geht es, wie hier, um eine Feststellung, die die Hauptsache faktisch vorwegnimmt, ist dies im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO nur ausnahmsweise aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) gerechtfertigt, nämlich dann, wenn das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache für die Antragstellerin schlechthin unzumutbar wäre. Dies setzt unter dem Gesichtspunkt der Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs voraus, dass das Rechtsschutzbegehren in der Hauptsache schon aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes lediglich anzustellenden summarischen Prüfung bei Anlegung eines strengen Maßstabes an die Erfolgsaussichten erkennbar Erfolg haben wird. Außerdem muss die Antragstellerin – im Rahmen des Anordnungsgrundes – glaubhaft machen, dass ihr ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstehen, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre.
28Vgl. zu diesem Maßstab etwa OVG NRW, Beschluss vom 8. November 2024 - 5 B 1049/24 -, juris, Rn. 10 f. m.w.N.; SaarOVG, Beschluss vom 2. September 2024 - 1 B 56/24 -, juris, Rn. 9.
29Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
30Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch in dem vorstehenden Sinne glaubhaft gemacht. Bei der unter dem Motto „Wahlkampfkundgebung AfD Kreisverband K. Bundestagswahl 2025“ angezeigten Veranstaltung auf dem O.-Platz am 15. Februar 2025 von 14.00 Uhr bis 16.00 Uhr handelt es sich rechtlich um eine dem Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG, § 2 Abs. 3 VersG NRW unterfallende Versammlung.
31Nach § 2 Abs. 3 VersG NRW ist eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes NRW eine örtliche Zusammenkunft von mindestens drei Personen zur gemeinschaftlichen, überwiegend auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung. Die vom Gesetzgeber definierten Anforderungen an den Zweck einer Versammlung entsprechen dem in der Rechtsprechung insbesondere des Bundesverfassungsgerichtes verwendeten engen Versammlungsbegriff.
32Vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung - Gesetz zur Einführung eines nordrhein-westfälischen Versammlungsgesetzes und zur Änderung weiterer Vorschriften (VersammlungsgesetzEinführungsgesetz NRW - VersGEinfG NRW), LT-Drs. 17/12423, S. 47 f.
33Danach ist eine Versammlung eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zu gemeinschaftlicher, auf die Teilhabe an der Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung.
34Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 17. April 2020 - 1 BvQ 37/20 -, juris, Rn. 17, vom 24. Oktober 2001 - 1 BvR 1190/90 -, juris, Rn. 41 und vom 12. Juli 2001 - 1 BvQ 28/01, 1 BvQ 30/01 -, juris, Rn. 19; OVG NRW, Beschluss vom 15. Juli 2022 - 15 B 845/22 -, juris, Rn. 2.
35Entscheidend ist, dass die Meinungsbildung und -äußerung mit dem Ziel erfolgt, auf die Öffentlichkeit dem Anliegen der Versammlung entsprechend einzuwirken. Die Erörterung und Kundgebung muss dabei Angelegenheiten betreffen, die zur öffentlichen Meinungsbildung bestimmt und geeignet sind.
36Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2007 - 6 C 23.06 -, juris, Rn. 15; OVG NRW, Beschluss vom 15. Juli 2022 - 15 B 845/22 -, juris, Rn.4.
37Der Schutz der Versammlungsfreiheit umfasst nicht nur das gewählte Thema der Veranstaltung, sondern auch die Entscheidung, welche Maßnahmen der Veranstalter zur Verfolgung seines Anliegens einsetzen will.
38St. Rspr. des BVerfG, vgl. etwa Urteil vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 -, BVerfGE 128, 226, Rn. 62 (Fraport); OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Mai 2024 - 1 S 30/24 -, juris, Rn. 4; OVG NRW, Beschluss vom 30. April 2024 - 15 B 398/24 -, juris, Rn. 8 f. m.w.N.; VG Düsseldorf, Urteil vom 10. April 2024 - 18 K 4729/21 -, juris, Rn. 285 f. (zum Selbstbestimmungsrecht des Versammlungsleiters); VG Arnsberg, Beschluss vom 10. Dezember 2020 - 6 L 1076/20 -, juris, Rn. 9.
39Die vom Versammlungsrecht geschützten Veranstaltungen sind nicht auf Zusammenkünfte traditioneller Art beschränkt, sondern umfassen vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens. Enthält eine Veranstaltung sowohl Elemente, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sind, als auch solche, die diesem Zweck nicht zuzurechnen sind, richtet sich die rechtliche Beurteilung danach, ob sich die Veranstaltung aus der Sicht eines durchschnittlichen Betrachters ihrem Gesamtgepräge nach als Versammlung darstellt oder ob andere Zwecke im Vordergrund stehen.
40Vgl. BVerwG, Urteile vom 22. August 2007 - 6 C 22.06 u.a., juris, Rn. 14, und vom 16. Mai 2007 - 6 C 23/06 -, juris, Rn. 15 f.; vgl. zu sogenannten gemischten Veranstaltungen auch OVG NRW, Beschlüsse vom 15. Juli 2022 - 15 B 845/22 -, juris, Rn. 6, vom 7. Mai 2021- 15 B 840/21 -, juris, Rn. 10 ff., und vom 11. Dezember 2020 - 15 B 1971/20 -, juris, Rn. 13 ff.
41Dazu ist eine Gesamtschau aller relevanten tatsächlichen Umstände unter Berücksichtigung des besonderen verfassungsrechtlichen Gewichts der Versammlungsfreiheit vorzunehmen. In einem ersten Schritt sind dabei zunächst die Modalitäten zu erfassen, die aus Sicht eines durchschnittlichen Betrachters auf die Teilnahme an der öffentlichen Meinungsbildung zielen. Einzubeziehen ist zum einen das vor Ort für Außenstehende erkennbare Geschehen, aber auch vor Ort nicht wahrnehmbare Umstände, wie etwa Äußerungen der Veranstalter im Vorfeld. Dabei sind allerdings solche Bestandteile zu vernachlässigen, bei denen erkennbar ist, dass mit ihnen nicht ernsthaft die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung bezweckt wird, die mithin nur vorgeschoben sind, um den Schutz der Versammlungsfreiheit zu beanspruchen. In einem zweiten Schritt sind diejenigen Modalitäten der Veranstaltung, die nicht auf die Meinungsbildung abzielen, zu würdigen und zu gewichten. In einem dritten Schritt sind die jeweiligen Elemente zueinander in Beziehung zu setzen und zu vergleichen. Überwiegen die auf die öffentliche Meinungsbildung zielenden Bestandteile, liegt eine Versammlung vor; im umgekehrten Fall besteht kein versammlungsrechtlicher Schutz. In Zweifelsfällen ist die Veranstaltung wie eine Versammlung zu behandeln.
42Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2007 - 6 C 23/06 -, juris, Rn. 17 f.; OVG NRW, Beschluss vom 11. Dezember 2020 - 15 B 1971/20 -, juris, Rn. 15 f.
43Gemessen daran handelt es sich bei der von der Antragstellerin unter dem Motto „Wahlkampfkundgebung AfD Kreisverband K. Bundestagswahl 2025“ angezeigten Veranstaltung auf dem O.-Platz am 15. Februar 2025 von 14.00 Uhr bis 16.00 Uhr unzweifelhaft um eine Versammlung im Sinne des § 2 Abs. 3 VersG NRW und Art. 8 Abs. 1 GG.
44Als Modalitäten der geplanten Veranstaltung, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung zielen, ist bereits das angezeigte Versammlungsmotto „Wahlkampfkundgebung AfD Kreisverband K. Bundestagswahl 2025“ sowie eine geplante Versammlungsgröße von ca. 250 Teilnehmern anzusehen. Zudem fallen für die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung und das gemeinsame Kommunikationsanliegen die von der Antragstellerin ausweislich des übersandten Verwaltungsvorganges geplanten, die Veranstaltung begleitenden politischen Reden mehrerer Redner, auch von Bundestagskandidaten, ins Gewicht. Auch die von ihr angegebenen Hilfsmittel wie Plakate, Banner, Fahnen, Flyer, Lautsprecher, Megaphon sowie ein zu allen Seiten hin geöffneten Pavillon weisen darauf hin, dass die Antragstellerin eine öffentlichkeitswirksame Veranstaltung mit einem für Außenstehende wahrnehmbaren Forum zur Diskussion und Meinungskundgabe beabsichtigt und diese gerade auf die öffentliche Meinungsbildung gerichtet ist.
45Dass es sich bei der geplanten Veranstaltung um eine Wahlkampfveranstaltung der Antragstellerin handelt, steht der Einordnung als Versammlung – anders als der Antragsgegner meint – nicht entgegen. Wahlkampfveranstaltungen politischer Parteien stellen vielmehr regelmäßig Versammlungen dar, weil die anwesenden Parteimitglieder und Besucher nicht nur politische Informationen einholen, sondern mit ihrer Teilnahme gerade Zustimmung oder Ablehnung gegenüber dem Redner bzw. der veranstaltenden Partei zum Ausdruck bringen wollen.
46So ausdrücklich Kniesel, in: Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetze, 18. Aufl. 2019, Teil I Rn. 85; vgl. zum Schutz von Wahlkampfveranstaltungen durch Art. 8 Abs. 1 GG auch BVerfG, Einstweilige Anordnung vom 24. März 2018 - 1 BvQ 18/18 -, juris, Rn. 5; Kammerbeschluss vom 25. Juli 1998 - 1 BvQ 11/98 -, juris, Rn. 12; VG Köln, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 20 K 6466/08 -, juris, Rn. 16 ff.
47So liegt der Fall hier. Die Antragstellerin beabsichtigt mit ihrer Veranstaltung gerade, mit Passanten ins Gespräch zu kommen. Insbesondere ist vorliegend in besonderem Maße zu berücksichtigen, dass die angezeigte Kundgebung nur eine Woche vor dem Wahltag der vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar 2025, d.h. im „Endspurt“ des Bundestagswahlkampfes, und somit zur öffentlichkeitswirksamen Werbung für die politischen Ziele der Antragstellerin als politische Partei, zur Kritik der Vorstellungen ihrer politischen Gegner und zur Mobilisierung ihrer Anhänger dienen soll.
48Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 25. Juli 1998 - 1 BvQ 11/98 -, juris, Rn. 12
49Dafür, dass demgegenüber nur das bloße Aufstellen eines Informationsstandes beabsichtigt wäre, an dem vorbeigehenden Passanten nur ein einseitiges Informationsangebot der Partei gemacht werden sollte und der lediglich auf individuelle Kommunikation mit zufällig des Weges kommenden Einzelpersonen abzielte,
50vgl. hierzu etwa Ullrich/Roitzheim, in: Ullrich/Braun/Roitzheim, VersG NRW, 2022, § 2 Rn. 24,
51ist vorliegend angesichts der geplanten Veranstaltungsgröße, der Redebeiträge unterschiedlicher Redner sowie der angezeigten Hilfsmittel nichts ersichtlich.
52Vor diesem Hintergrund ist auch ein Anordnungsgrund gegeben. Der Antragstellerin ist das Abwarten des Hauptsacheverfahrens mit Blick auf die geplante Versammlung am 15. Februar 2025 unzumutbar. Die hier von Seiten des Antragsgegners faktisch vorgenommene Behinderung einer – nicht verbotenen – Partei im Wahlkampf und im Zusammenhang mit einer von ihr geplanten Versammlung ist als schwere Einbuße anzusehen.
53BVerfG, Kammerbeschluss vom 25. Juli 1998 - 1 BvQ 11/98 -, juris, Rn. 12
54Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht der noch erforderlichen Abstimmungen mit der Antragstellerin (§ 3 Abs. 3 VersG NRW) war dem Antragsgegner zudem aufzugeben, hinsichtlich der angezeigten Versammlung unverzüglich, insbesondere ohne weitere Verkürzung des Rechtsschutzes nach Maßgabe seiner üblichen Verwaltungspraxis vorzugehen.
55Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, da der Teil, zu dem die Antragstellerin unterlegen ist, als gering zu bewerten ist.
56Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG und trägt der Tatsache Rechnung, dass die Entscheidung in der Hauptsache, die mit dem Auffangstreitwert zu bewerten wäre,
57vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24. Mai 2024 - 15 B 480/24 -, juris, Rn. 12,
58faktisch vorweggenommen wird.
59Rechtsmittelbelehrung
60Gegen die Entscheidung über den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist eingeht bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster. Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
61Die Beschwerde ist einzulegen und zu begründen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder eine diesen gleichgestellte Person als Bevollmächtigten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Auf die besonderen Regelungen in § 67 Abs. 4 Sätze 7 und 8 VwGO wird hingewiesen.
62Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens ist nicht selbstständig anfechtbar.
63Gegen die Festsetzung des Streitwerts kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem diese Entscheidung Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls das Verwaltungsgericht ihr nicht abhilft. Hierfür besteht kein Vertretungszwang. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes zweihundert Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zulässt.