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1. Die im Land Nordrhein-Westfalen geltende Mindestabstandsregelung des § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW, wonach Wettvermittlungsstellen regelmäßig einen Mindestabstand von 350 Metern zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe einhalten müssen, ist mit Verfassungs- und Unionsrecht vereinbar.
2. Die Mindestabstandsregelung des § 13 Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW, die für sog. Bestandswettvermittlungsstellen die Einhaltung eines reduzierten Mindestabstandes von 100 Metern vorschreibt, begegnet gleichfalls keinen verfassungs- und unionsrechtlichen Bedenken.
3.Die Einführung der Mindestabstandsregelung des § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW, einschließlich des reduzierten Mindestabstandes für Bestandswettvermittlungsstellen gemäß § 13 Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW, verstößt nicht gegen das unions- und verfassungsrechtliche Gebot des Vertrauensschutzes. Weitergehender Bestandsschutzregelungen als der in § 13 Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW enthaltenen Reduzierung des regelmäßig einzuhaltenden Mindestabstandes von 350 Metern auf 100 Meter für solche Wettvermittlungsstellen, die am Stichtag des 22. Mai 2019 bestanden und zu diesem Zeitpunkt über eine bestandskräftige Baugenehmigung verfügt haben, bedurfte es nicht, weil den bisherigen Betreibern von Wettvermittlungsstellen bewusst sein musste, dass das von ihnen betriebene Gewerbe jedenfalls mittelfristig einem ihre Betätigung einschränkenden Regelungsregime unterworfen würde.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin zu 1 und die Klägerin zu 2 tragen die Kosten des Verfahrens je zu 1/2.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
2Die Klägerin zu 1, eine in Malta ansässige Limited, die ausweislich der amtlichen Liste gemäß § 9 Abs. 8 des Staatsvertrages zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag 2021 – GlüStV 2021) vom 29. Oktober 2020, bekannt gemacht am 28. April 2021 (GV. NRW. S. 459), in Kraft getreten am 1. Juli 2021 (im Folgenden: GlüStV 2021), der sog. Whitelist, aktuell über eine bundesweite Erlaubnis für die Veranstaltung von Sportwetten verfügt, ist Veranstalterin von Sportwetten. Die Klägerin zu 2 ist Vermittlerin von Sportwetten. Die Klägerinnen wenden sich gegen die Versagung einer Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle für Sportwetten am Standort I.-straße 0 in 00000 Y. durch die Bezirksregierung K. des Beklagten (im Folgenden: Bezirksregierung).
3Die nach §§ 4a bis 4e i.V.m § 10a des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag – GlüStV) vom 15. Dezember 2011 in der Fassung des Dritten Staatsvertrages zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (Dritter Glücksspieländerungsstaatsvertrag – 3. GlüÄndStV), bekannt gemacht am 3. Dezember 2019 (GV. NRW. S. 911), gültig bis 30. Juni 2021 (im Folgenden: GlüStV a.F.), erforderliche Konzession für die bundesweite Veranstaltung von Sportwetten wurde der Klägerin zu 1 nach Inkrafttreten des Dritten Glücksspieländerungsstaatsvertrages mit seinen Änderungen im Sportwettkonzessionsverfahren zum 1. Januar 2020 (Entfallen der Obergrenze von 20 zulassungsfähigen Sportwettveranstaltern) am 2. November 2020 erteilt. Die nunmehr nach §§ 4 bis 4d i.V.m. § 21 Abs. 7 GlüStV 2021 erforderliche Erlaubnis zur Veranstaltung von Sportwetten im Internet sowie zur terrestrischen Veranstaltung von Sportwetten wurde der Klägerin zu 1 durch das Regierungspräsidium P. am 15. Dezember 2022 erteilt.
4Am 1. Juli 2021 sind der GlüStV 2021 und das zur Umsetzung der Ziele des GlüStV 2021 geänderte Gesetz zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrages (Ausführungsgesetz NRW Glücksspielstaatsvertrag – AG GlüStV NRW) vom 13. November 2012 (GV. NRW. S. 524) in der Fassung vom 23. Juni 2021 (GV. NRW. S. 772, ber. S. 1102) (im Folgenden: AG GlüStV NRW) in Kraft getreten.
5Für den Standort I.-straße 0 in 00000 Y. wurde eine wirksame Baugenehmigung für die Nutzung der Örtlichkeit als Wettbüro bzw. Wettannahmestelle seitens der Klägerinnen im hiesigen Verwaltungs- und Klageverfahren nicht vorgelegt. Die insoweit zuständige Stadt Y. teilte der Bezirksregierung diesbezüglich mit Schreiben vom 12. Juli 2021 mit, ursprünglich sei für den Standort am 15. Juli 2015 eine Baugenehmigung zur Nutzungsänderung einer Spielhalle zu einem Wettbüro erteilt worden. Die Gültigkeit der Baugenehmigung vom 15. Juli 2015 sei allerdings nach Ablauf der Geltungsdauer von drei Jahren erloschen, da mit der Bauausführung nicht begonnen und eine Fertigstellungsanzeige nicht eingereicht worden sei.
6Die Klägerin zu 1 beantragte mit Schreiben vom 22. Januar 2020 (zugegangen am 27. Januar 2020) die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für den Betrieb einer Wettvermittlungsstelle am Standort I.-straße 0 in 00000 Y. (im Folgenden: Wettvermittlungsstelle) durch die Klägerin zu 2 als Wettvermittlerin.
7Mit Schreiben vom 26. Juni 2020 und 15. Juni 2021 wandte sich die Bezirksregierung an die Stadt Y., informierte diese über den von der Klägerin zu 1 gestellten Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zum Betreiben einer Wettvermittlungsstelle am Standort I.-straße 0 in 00000 Y. und bat unter Hinweis u.a. auf die für Wettvermittlungsstellen geltenden gesetzlichen Mindestabstandsvorgaben zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sowie die bestehenden Abweichungsmöglichkeiten unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standortes um Stellungnahme, ob eine Abstandskollision zwischen der Wettvermittlungsstelle und den vorgenannten Einrichtungen bestehe und bejahendenfalls, ob etwaige Ausnahmetatbestände für eine Abweichung von den Mindestabstandsvorgaben einschlägig seien, sowie, ob aus kommunaler Sicht sonstige Bedenken gegen die Erteilung einer Erlaubnis bestünden.
8Daraufhin teilte die Stadt Y. unter dem 12. Juli 2021 u.a. mit, es ergäben sich aus ihrer Sicht keine für oder gegen die Erteilung der begehrten Erlaubnis sprechenden Umstände. Zudem informierte sie die Bezirksregierung unter Beifügung entsprechender Unterlagen über die Baugenehmigungssituation des Standortes. Zu städtebaulichen Besonderheiten hinsichtlich des Standortes äußerte sich die Stadt Y. nicht.
9Mit inhaltsgleichen Bescheiden vom 6. Oktober 2022 (aufgegeben zur Post am 7. Oktober 2022) lehnte die Bezirksregierung nach vorherigen Anhörungen der Klägerinnen den von der Klägerin zu 1 gestellten Antrag auf Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für den Betrieb einer Wettvermittlungsstelle am Standort I.-straße 0 in 00000 Y. sowohl gegenüber der Klägerin zu 1 als Veranstalterin als auch gegenüber der Klägerin zu 2 als Wettvermittlerin ab und setzte zugleich gegenüber der Klägerin zu 1 als Veranstalterin eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 375,00 Euro fest. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Wettvermittlungsstelle unterschreite den nach § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GIüStV NRW einzuhaltenden Mindestabstand von 350 Metern Luftlinie zu öffentlichen Schulen bzw. zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe in vier Fällen:
10- Gemeinschaftsgrundschule, Q.-straße 00, 00000 Y. (Abstand Luftlinie: 90,8 Meter; Abstand Fußweg: 400 Meter)
11- Förderzentrum Y.-Süd, M.-straße, 00000 Y. (Abstand Luftlinie: 321,6 Meter; Abstand Fußweg: 600 Meter)
12- Jugendtreff F. Y.-C., T.-straße 00, 00000 Y. (Abstand Luftlinie: 315,3 Meter; Abstand Fußweg: 500 Meter)
13- Kinder- und Jugendeinrichtung N. Y., E.-straße 00, 00000 Y. (Abstand Luftlinie: 149,5 Meter; Abstand Fußweg: 260 Meter)
14Die Grundschule, das Förderzentrum, der Jugendtreff F. und die Kinder- und Jugendeinrichtung N. unterfielen als öffentliche Schulen bzw. als Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe allesamt dem sachlichen Anwendungsbereich der gesetzlichen Mindestabstandsregelung des § 13 Abs. 13 Sätze 2 und 3 AG GIüStV NRW. Bei dem Förderzentrum Y.-Süd handele es sich um einen Zusammenschluss unterschiedlicher Förderschulen mit den Schwerpunkten Lernen, emotionale und soziale Entwicklung sowie Sprache, an denen Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf unterrichtet würden und einen Abschluss im jeweiligen Förderschwerpunkt bzw. des Bildungsganges der allgemeinen Schule absolvieren könnten. Es handele sich hierbei – ebenso wie bei der Gemeinschaftsgrundschule – unzweifelhaft um eine öffentliche Schule im Sinne der Mindestabstandsregelung. Der Jugendtreff F. biete unterschiedliche Freizeitangebote (z.B. Malen, Musik hören, Gesellschaftsspiele, Tischtennis, Kicker und gemeinsames Backen) für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 6 bis 21 Jahren an. Der Kinderbereich sei montags bis freitags von 13:30 bis 17:00 Uhr geöffnet, der Jugendbereich für Kinder ab 11 Jahre montags, dienstags und freitags bis 19:00 Uhr und der Jugendbereich für Kinder ab 13 Jahren an den vorgenannten Tagen bis 21:00 Uhr. Die Kinder- und Jugendeinrichtung N. biete für Kinder und Jugendliche unterschiedliche Freizeitgestaltungsmöglichkeiten an (z.B. kreatives Gestalten, Tonarbeit, Nähen, Kochen, Schwimmen, Kegeln, Fußball) und sei montags und freitags von 14:00 bis 20:00 Uhr, dienstags von 9:00 bis 22:00 Uhr, mittwochs von 9:00 bis 20:00 Uhr und donnerstags von 9:00 bis 19:00 Uhr geöffnet. Bei beiden Einrichtungen handele es sich um Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe im Sinne der Mindestabstandsregelung. Der reduzierte Mindestabstand von 100 Metern Luftlinie gemäß § 13 Abs. 15 Satz 1 und 2 AG GlüStV NRW finde schon mangels Vorliegen einer wirksamen Baugenehmigung keine Anwendung. Die Mindestabstandsregelung sei verfassungs- und unionsrechtskonform. Es sei höchstrichterlich geklärt, dass der Gesetzgeber befugt sei, aus monopolunabhängigen Gründen – namentlich dem Jugend- und Spielerschutz – Mindestabstände zu Schulen, Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen oder anderen Glücksspielstätten festzulegen. Bei Anwendung pflichtgemäßen Ermessens seien im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse im Umfeld des Standortes keine Umstände ersichtlich, die eine Unterschreitung des gesetzlich vorgegebenen Mindestabstandes gemäß § 13 Abs. 13 Satz 4 AG GIüStV NRW rechtfertigen könnten.
15Die Klägerinnen haben am 19. Oktober 2022 Klage erhoben.
16Zur Begründung führen sie im Wesentlichen aus, die inhaltsgleichen Ablehnungsbescheide des Beklagten seien rechtswidrig.
17Grundschulen seien in Ansehung des Entwicklungsstandes von Kindern im Alter von 6 bis 10 Jahren von vornherein nicht vom Anwendungsbereich der Mindestabstandsregelung erfasst. Bei den übrigen Einrichtungen sei nicht dargelegt, dass es sich um öffentliche Einrichtungen handele. Es handele sich um eine sog. Bestandswettvermittlungsstelle, sodass der reduzierte Mindestabstand von 100 Metern Luftlinie zur Anwendung gelange.
18Die Versagung der beantragten Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle sei ermessensfehlerhaft. Der Beklagte habe keine Ermessenserwägungen dazu angestellt, ob anstatt der Erlaubnisversagung auch mildere Mittel in Gestalt von Auflagen hinsichtlich des konkreten Wettangebotes und der Werbung hierfür bzw. zur Vermeidung von Anreizwirkungen auf Kinder und Jugendliche in Betracht kämen. Das insoweit bestehende Auflagenermessen habe der Beklagte vollständig verkannt. Dem Kinder- und Jugendschutz hätte der Beklagte durch den Erlass entsprechender Nebenbestimmungen zur Erlaubnis Rechnung tragen müssen. Das Ermessen sei insoweit auf Null reduziert, als eine Auflage insbesondere zur Schaufenstergestaltung eine Versagung der Erlaubnis verdränge. Eine Auflage zur Gestaltung des Schaufensters, zu den Öffnungszeiten oder zur Begrenzung des jeweiligen Wettangebots in der Wettvermittlungsstelle sei gegenüber der auf einen Verstoß gegen die Mindestabstandsregelung gestützten Erlaubnisversagung ein milderes und gleich geeignetes Mittel.
19Das Mindestabstandsgebot des § 13 Abs. 13 Sätze 2 und 3 AG GlüStV NRW einschließlich des für sog. Bestandswettvermittlungsstellen gemäß § 13 Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW geltenden reduzierten Mindestabstandes verstoße gegen Verfassungs- und Unionsrecht und sei daher nicht anwendbar. Die Verfassungs- und Unionsrechtswidrigkeit der Mindestabstandsregelung folge aus einer insgesamt und aus verschiedensten Gründen nicht folgerichtigen und inkohärenten Regulierung der unterschiedlichen Glücksspielsegmente.
20Im Übrigen sei die begehrte Erlaubnis zu erteilen, weil der Wettvermittlungsstellenstandort als Bestandsbetrieb Bestands- und Vertrauensschutz genieße.
21Die Klägerinnen beantragen schriftsätzlich sinngemäß,
22den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide der Bezirksregierung K. vom 6. Oktober 2022 zu verpflichten, den Klägerinnen zu 1 und 2 die beantragte Erlaubnis zum Betreiben der Wettvermittlungsstelle unter der Anschrift I.-straße 0 in 00000 Y. zu erteilen,
23hilfsweise,
24den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide der Bezirksregierung K. vom 6. Oktober 2022 zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zum Betreiben der Wettvermittlungsstelle unter der Anschrift I.-straße 0 in 00000 Y. zu entscheiden.
25Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
26die Klage abzuweisen.
27Zur Begründung seines Klageabweisungsantrages wiederholt und vertieft der Beklagte sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Ergänzend führt er aus, die Klägerinnen hätten jeweils keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Erlaubnis.
28Grund- und Förderschulen seien nicht vom Anwendungsbereich der Abstandsregelung ausgenommen, weil insbesondere auch Kinder im Alter von 6 bis 10 Jahren vom Schutzzweck der Mindestabstandsregelung erfasst würden. Bei der innerhalb des geltenden Mindestabstandes belegenen Grund- und Förderschule handele es sich jeweils um öffentliche Schulen im Sinne des § 13 Abs. 13 Sätze 2 und 3 AG GlüStV NRW, weil diese jedenfalls auch von minderjährigen Schülern besucht würden. Der Jugendtreff F. sowie die Kinder- und Jugendeinrichtung N. seien relevante Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe im Sinne des § 13 Abs. 13 Sätze 2 und 3 AG GlüStV NRW. Der Wettvermittlungsstellenstandort könne sich demgegenüber nicht auf Bestandsschutz berufen.
29Das Absehen vom Abweichen vom gesetzlichen Mindestabstand entspreche pflichtgemäßer Ermessensausübung. Der Beklagte habe im Rahmen der Ablehnungsentscheidung sämtliche Möglichkeiten einer Abweichung vom Mindestabstand in Erwägung gezogen und geprüft. Da es sich bei der Mindestabstandsregelung um eine Sollvorschrift handele, könne nur in atypischen Fällen vom Mindestabstandsgebot abgewichen werden. Ein derartiger atypischer Fall sei hinsichtlich der streitbefangenen Wettvermittlungsstelle indes weder vorgetragen noch ersichtlich. Soweit die Klägerinnen meinten, der Beklagte habe sein Ermessen dergestalt ausüben müssen, anstelle einer Erlaubnisversagung als milderes Mittel eine Erlaubniserteilung unter Anordnung konkreter Auflagen zur Vermeidung einer Anreizwirkung für Kinder und Jugendliche in Erwägung zu ziehen, so bestehe hierfür angesichts des klaren Gesetzeswortlautes und den mit der Mindestabstandsregelung vom Gesetzgeber verfolgten Zielen kein Raum.
30Das Mindestabstandsgebot des § 13 Abs. 13 Sätze 2 und 3 AG GlüStV NRW einschließlich des für sog. Bestandswettvermittlungsstellen gemäß § 13 Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW geltenden reduzierten Mindestabstandes sei mit Verfassungs- und Unionsrecht vereinbar.
31Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 23. Mai 2023 / 10. September 2023 (Klägerinnen) und vom 30. Mai 2023 / 14. Juli 2023 (Beklagter) mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
32Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen.
33Entscheidungsgründe
34Die Klage, über die der Berichterstatter als Einzelrichter und mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, bleibt ohne Erfolg.
35A. Die zulässige Klage ist unbegründet.
36Die Klägerinnen haben weder einen Anspruch darauf, dass der Beklagte ihnen – was mit dem Hauptantrag geltend gemacht wird – die begehrten Erlaubnisse für den Betrieb der Wettvermittlungsstelle am Standort I.-straße 0 in 00000 Y. erteilt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) noch darauf, dass – was mit dem Hilfsantrag geltend gemacht wird – der Beklagte über den Antrag der Klägerin zu 1 auf Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb der Wettvermittlungsstelle am vorgenannten Standort neu entscheidet (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Die Bescheide der Bezirksregierung vom 6. Oktober 2022 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerinnen nicht in ihren Rechten.
37I. Da im Rahmen der hier vorliegenden Verpflichtungsklage mangels anderer spezialgesetzlicher Regelungen auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bzw. der mündlichen Verhandlung abzustellen ist, finden die Regelungen des GlüStV 2021 und des AG GlüStV NRW jeweils in der ab dem 1. Juli 2021 geltenden Fassung Anwendung,
38vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 13. Juni 2023 – 3 K 3202/21 –, juris Rn. 66; VG Düsseldorf, Urteil vom 13. Juni 2023 – 3 K 3201/21 –, juris Rn. 65; VG Düsseldorf, Urteil vom 4. Oktober 2023 – 3 K 7177/21 –, juris Rn. 41; VG Münster, Urteil vom 7. November 2023 – 9 K 2809/21 –, juris Rn. 63 ff.; VG Köln, Urteil vom 5. Oktober 2022 – 24 K 1472/21 –, juris Rn. 90; VG Minden, Urteil vom 16. Februar 2023 – 3 K 990/22 –, juris Rn. 15.
391. Die begehrte Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle findet ihre Rechtsgrundlage in § 21a Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 GlüStV 2021 sowie in § 13 Abs. 1 Satz 1 AG GlüStV NRW. Gemäß § 21a Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 bedarf die Vermittlung von Sportwetten in Wettvermittlungsstellen im Sinne des § 3 Abs. 6 GlüStV 2021 der Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021. Das Nähere zu Wettvermittlungsstellen regeln gemäß § 21a Abs. 5 GlüStV 2021 die Ausführungsbestimmungen der Länder, namentlich im Land Nordrhein-Westfalen das AG GlüStV NRW. § 13 Abs. 1 Satz 1 AG GlüStV NRW bestimmt wiederum, dass die Vermittlung von Sportwetten im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 4 GlüStV 2021 in einer stationären Vertriebsstelle im Sinne des § 3 Abs. 6 GlüStV 2021 (Betreiben einer Wettvermittlungsstelle) der Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 GlüStV 2021 sowie nach § 4 AG GlüStV NRW und der weiteren Vorschriften des AG GlüStV NRW bedarf. Die Erlaubnis zum Betreiben einer Wettvermittlungsstelle durch einen Vermittler wird dem Inhaber der Veranstaltererlaubnis für Sportwetten und dem Vermittler erteilt; den Erlaubnisantrag kann nur der Veranstalter stellen (§ 13 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AG GlüStV NRW, § 5 Abs. 8 der Verordnung über die Annahme- und Wettvermittlungsstellen des Landes Nordrhein-Westfalen (Annahme- und Vermittlungsstellenverordnung Nordrhein-Westfalen – AnVerVO NRW) vom 25. Februar 2020 (GV. NRW. S. 159, ber. S. 183), in der Fassung vom 1. Juli 2021 (GV. NRW. S. 872, ber. S. 927), in Kraft getreten am 13. Juli 2021 (im Folgenden: AnVerVO NRW)).
40Hinsichtlich der Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle finden sich u.a. in § 13 Abs. 13 und Abs. 15 AG GlüStV NRW nähere Vorgaben. Nach § 13 Abs. 13 Satz 1 AG GlüStV NRW soll zu anderen Wettvermittlungsstellen ein Mindestabstand von 100 Metern nicht unterschritten werden. Gemäß § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW soll die Wettvermittlungsstelle nicht in räumlicher Nähe zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe betrieben werden, dabei soll regelmäßig ein Mindestabstand von 350 Metern zu Grunde gelegt werden. Ausweislich der Anordnung in § 13 Abs. 13 Satz 3 AG GlüStV NRW gilt § 5 Abs. 6 AG GlüStV NRW diesbezüglich entsprechend. Insbesondere ist nach § 5 Abs. 6 Satz 1 AG GlüStV NRW für die Berechnung des Mindestabstands die Luftlinie zwischen dem Eingang der Wettvermittlungsstelle und dem Eingang der anderen Wettvermittlungsstelle oder Einrichtung maßgeblich, abweichend davon ist nach § 5 Abs. 6 Satz 2 AG GlüStV NRW bei Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe die Grenze des Grundstücks maßgeblich. Nach § 13 Abs. 13 Satz 4 AG GlüStV NRW darf die für die Erlaubnis zuständige Behörde unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standortes im Einzelfall von der Maßgabe zum Mindestabstand abweichen. Bauplanungsrechtliche Anforderungen bleiben gemäß § 13 Abs. 13 Satz 5 AG GlüStV NRW unberührt. Schließlich gelten gemäß § 13 Abs. 15 Satz 1 AG GlüStV NRW Wettvermittlungsstellen, die am 22. Mai 2019 bestanden und zu diesem Zeitpunkt über eine bestandskräftige Baugenehmigung verfügt haben, als mit dem Mindestabstand zu anderen Wettvermittlungsstellen des § 13 Abs. 13 Satz 1 AG GlüStV NRW übergangsweise bis zum 30. Juni 2022 und für die Dauer der Wirksamkeit einer bis zu diesem Datum erteilten Erlaubnis für das Betreiben einer Wettvermittlungsstelle vereinbar. Für diese Wettvermittlungsstellen findet gemäß § 13 Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW außerdem § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW mit der Maßgabe Anwendung, dass regelmäßig ein Mindestabstand von 100 Metern zu Grunde gelegt werden soll.
412. Dies zu Grunde gelegt, hat die gemäß § 19 Abs. 3 Nr. 3 AG GlüStV NRW als Erlaubnisbehörde sachlich und örtlich zuständige Bezirksregierung Düsseldorf die Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb der Wettvermittlungsstelle am streitgegenständlichen Standort zu Recht abgelehnt, weil diese den in § 13 Abs. 13 Sätze 2 und 3 AG GlüStV NRW festgelegten Mindestabstand von 350 Metern Luftlinie zu öffentlichen Schulen bzw. zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe nicht einhält.
42a. Der von der Klägerin zu 1 als Sportwettveranstalterin gemäß § 13 Abs. 2 Satz 2 AG GlüStV NRW zu stellende Erlaubnisantrag wurde mit Schreiben vom 22. Januar 2020 angebracht.
43b. Für die streitgegenständliche Wettvermittlungsstelle ist der reguläre Mindestabstand von 350 Metern Luftlinie gemäß § 13 Abs. 13 Sätze 2 und 3 AG GlüStV NRW anzuwenden und nicht der für sog. Bestandswettvermittlungsstellen gemäß § 13 Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW geltende reduzierte Mindestabstand von 100 Metern Luftlinie. Bei der streitbefangenen Wettvermittlungsstelle handelt es sich nicht um eine Bestandswettvermittlungsstelle im Sinne von § 13 Abs. 15 Satz 1 AG GlüStV NRW, denn es wurde von den Beteiligten weder vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, dass die Wettvermittlungsstelle bereits am 22. Mai 2019 bestanden und zu diesem Zeitpunkt über eine bestandskräftige Baugenehmigung verfügt hat. Zwar wurde für den Standort ursprünglich am 15. Juli 2015 eine Baugenehmigung zur Nutzungsänderung einer Spielhalle zu einem Wettbüro erteilt. Die Gültigkeit der Baugenehmigung vom 15. Juli 2015 ist allerdings nach Ablauf der Geltungsdauer von drei Jahren, mithin mit Ablauf des 15. Juli 2018 und damit ersichtlich vor dem gesetzlich gemäß § 13 Abs. 15 Satz 1 AG GlüStV NRW vorgegebenen Stichtag des 22. Mai 2019 erloschen, da mit der Bauausführung nicht begonnen und eine Fertigstellungsanzeige nicht eingereicht wurde.
44c. Maßgeblich für die Berechnung des Abstandes von 350 Metern ist gemäß § 13 Abs. 13 Satz 3 i.V.m. § 5 Abs. 6 Sätze 1 und 2 AG GlüStV NRW die Luftlinie zwischen dem Eingang der Wettvermittlungsstelle und der Grundstücksgrenze der öffentlichen Schule bzw. der Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe.
45Nach den von den Klägerinnen nicht durchgreifend infrage gestellten Ermittlungen des Beklagten befinden sich in einem Abstand von unter 350 Metern Luftlinie von der Wettvermittlungsstelle entfernt folgende öffentliche Schulen bzw. Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe:
46- Gemeinschaftsgrundschule, Q.-straße 00, 00000 Y. (Abstand Luftlinie: 90,8 Meter; Abstand Fußweg: 400 Meter)
47- Förderzentrum Y.-Süd, M.-straße, 00000 Y. (Abstand Luftlinie: 321,6 Meter; Abstand Fußweg: 600 Meter)
48- Jugendtreff F. Y.-C., T.-straße 00, 00000 Y. (Abstand Luftlinie: 315,3 Meter; Abstand Fußweg: 500 Meter)
49- Kinder- und Jugendeinrichtung N. Y., E.-straße 00, 00000 Y. (Abstand Luftlinie: 149,5 Meter; Abstand Fußweg: 260 Meter)
50Bei der Grundschule und den in einem Förderzentrum zusammengeschlossenen Förderschulen handelt es sich jeweils um öffentliche Schulen im Sinne des § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW. Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe im Sinne dieser Vorschrift sind entsprechend dem Regelungszweck Einrichtungen, die regelmäßig von Kindern und Jugendlichen aufgesucht werden. Hierunter fallen insbesondere Schulen, die nicht ausschließlich der Erwachsenenbildung dienen, unabhängig von der jeweiligen Trägerschaft,
51vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. November 2024 – 4 A 2279/22 –, juris Rn. 191; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. Juni 2022 – 4 B 1864/21 –, juris Rn. 114 f.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. September 2022 – 4 B 654/22 –, juris Rn. 15 ff.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8. Dezember 2023 – 4 B 511/22 –, juris Rn. 46; VG Düsseldorf, Urteil vom 13. Juni 2023 – 3 K 3202/21 –, juris Rn. 82; VG Köln, Urteil vom 5. Oktober 2022 – 24 K 1472/21 –, juris Rn. 113 ff.
52Diese Voraussetzungen werden von der Grundschule und den Förderschulen erfüllt. Die Gemeinschaftsgrundschule wird regelmäßig von Kindern in einem Alter von 6 bis 10 Jahren aufgesucht. Die Förderschulen werden regelmäßig jedenfalls von Kindern- und Jugendlichen in einem Alter von 6 bis 17 Jahren besucht. Damit dienen sämtliche Schulen nicht ausschließlich der Erwachsenenbildung.
53Es besteht auch kein Anlass, mit Blick auf Sinn und Zweck der Abstandsregelung zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe solche Einrichtungen vom Anwendungsbereich auszunehmen, die – wie Grundschulen – überwiegend von Kindern im Grundschulalter besucht werden bzw. bei denen – wie bei Förderschulen – einzelne Schüler die Schule nicht selbstständig ohne eine (erziehungsberechtigte) Begleitperson aufsuchen. Die Abstandsregelung bezweckt nicht ausschließlich, konkrete Gefährdungen durch den Konsum von Glücksspielen zu vermeiden. Sie soll zum einen helfen, schon einen Gewöhnungseffekt bei Kindern und Jugendlichen zu verhindern und zudem durch eine faktische zahlenmäßige Begrenzung die Verfügbarkeit von Wettangeboten verringern,
54vgl. in Bezug auf Grundschulen: OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. November 2024 – 4 A 2279/22 –, juris Rn. 191; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. September 2022 – 4 B 654/22 –, juris Rn. 17; vgl. in Bezug auf Förderschulen: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. Juni 2022 – 4 B 1864/21 –, juris Rn. 114 ff., 118.
55Angesichts des besonders hohen Ranges des Kinder- und Jugendschutzes und des Umstandes, dass ein früher Erstkontakt mit Glücksspielen zu einem erhöhten Risiko für nachfolgende fehlangepasste Entwicklungsverläufe führt, erscheint es ohne weiteres nachvollziehbar, Wettvermittlungsstellen aus der unmittelbaren Umgebung auch von Kindern im Grundschulalter fernzuhalten, um schon das Risiko, dass hier frühzeitig eine Gewöhnung stattfindet und gegebenenfalls ein Interesse geweckt wird, zu reduzieren,
56vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 18. Februar 2025 – 6 K 1047/22 –, juris Rn. 69 ff.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 9. Juli 2024 – 6 K 1938/22 –, juris Rn. 43 ff.
57Unterschreitet mithin die Wettvermittlungsstelle bereits den geltenden Mindestabstand zu insgesamt zwei im Umkreis liegenden öffentlichen Schulen, kann mangels Entscheidungserheblichkeit dahinstehen, ob es sich bei den Einrichtungen Jugendtreff F. Y.-C., T.-straße 00, 00000 Y. und Kinder- und Jugendeinrichtung N. Y., E.-straße 00, 00000 Y., um Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe im Sinne des § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW handelt.
58Tatsachengestützte Anhaltspunkte dafür, dass die Abstände entgegen der gesetzlichen Vorgaben des § 13 Abs. 13 Satz 3 i.V.m. § 5 Abs. 6 Sätze 1 und 2 AG GlüStV NRW fehlerhaft gemessen worden sein könnte, bestehen angesichts der in den Verwaltungsvorgängen des Beklagten dokumentierten Abstandsmessungen (vgl. Bl. 936 bis 939 der Verwaltungsvorgänge) nicht und sind im Übrigen weder substantiiert dargetan noch sonst ersichtlich.
593. Die Klägerin zu 1 als Sportwettveranstalterin ist neben der Klägerin zu 2 als Wettvermittlerin die jeweils richtige Adressatin des (Erlaubnis-)Versagungsbescheides.
60Die Adressatenstellung der Klägerinnen folgt zwanglos aus der formell-gesetzlichen Vorschrift des § 13 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AG GlüStV NRW, wonach die Erlaubnis zum Betreiben einer Wettvermittlungsstelle durch einen Vermittler dem Inhaber der Veranstaltererlaubnis für Sportwetten und dem Vermittler erteilt wird, wobei den Erlaubnisantrag nur der Veranstalter stellen kann. Die Regelung des § 13 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AG GlüStV NRW wird konkretisiert durch die auf Grundlage der Verordnungsermächtigung in § 22 Abs. 1 Nr. 3 und 6 AG GlüStV NRW erlassene Vorschrift des § 5 Abs. 8 AnVerVO NRW. Hiernach ist Adressat der Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle der Inhaber der Erlaubnis zur Veranstaltung von Sportwetten sowie der in dem Antrag bezeichnete Vermittler. Ist mithin der Sportwettveranstalter neben dem Vermittler nach der vorstehend dargestellten gesetzlichen Konzeption richtiger Adressat des Erlaubnisbescheides, folgt daraus spiegelbildlich, dass auch ein die Erlaubnis versagender Bescheid – wie hier – neben dem Vermittler an den Sportwettveranstalter zu adressieren ist,
61vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 13. Juni 2023 – 3 K 3202/21 –, juris Rn. 88 f.; VG Düsseldorf, Urteil vom 13. Juni 2023 – 3 K 3201/21 –, juris Rn. 87 f.; VG Düsseldorf, Urteil vom 4. Oktober 2023 – 3 K 7177/21 –, juris Rn. 128.
624. Die Versagung der Erlaubnis zum Betrieb der streitgegenständlichen Wettvermittlungsstelle ist frei von Ermessensfehlern erfolgt.
63Den Klägerinnen steht unter dem Gesichtspunkt einer Ermessensreduzierung auf Null ein Anspruch auf Abweichung vom Mindestabstandsgebot unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standorts und der Lage des Einzelfalls nicht zu. Auch der Umstand, dass der Beklagte nicht als etwaiges milderes Mittel zur Erlaubnisversagung Auflagen bezüglich der Gestaltung des Außenbereichs der Wettvermittlungsstelle bzw. zu Beschränkungen des Angebots oder der Öffnungszeiten erwogen hat, begründet keinen Ermessensfehler.
64a. Es begegnet zunächst keinen rechtlichen Bedenken, dass der Beklagte in Bezug auf die streitgegenständliche Wettvermittlungsstelle keine Abweichung vom Mindestabstandsgebot gewährt hat.
65aa. Gemäß § 13 Abs. 13 Satz 4 AG GlüStV NRW darf die für die Erlaubnis zuständige Behörde unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standorts im Einzelfall von der Maßgabe zum Mindestabstand abweichen. Bauplanungsrechtliche Anforderungen bleiben gemäß § 13 Abs. 13 Satz 5 AG GlüStV NRW unberührt. Insoweit steht der zuständigen Behörde unter Berücksichtigung örtlicher Besonderheiten Ermessen offen. Dem Zweck dieser Ermächtigung (§ 114 VwGO, § 40 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen – VwVfG NRW) entspricht es allerdings, wenn sich die Behörde bei ihren Entscheidungen von der gesetzgeberischen Grundentscheidung in § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW leiten lässt und grundsätzlich nur in atypischen Fällen, in denen dies nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip erwägenswert ist, überhaupt eine Unterschreitung des Mindestabstands in Betracht zieht. Entsprechend § 5 Abs. 3 AnVerVO NRW können dabei bauplanungsrechtliche Vorgaben der Standortgemeinden, städtebauliche Besonderheiten hinsichtlich des jeweiligen Standorts und der Lage – etwa Geländehindernisse wie Bahnlinien oder Flussläufe, die die fußläufige Erreichbarkeit atypisch erschweren –, und die minimale Unterschreitung des Abstandsgebots berücksichtigt werden. Im Rahmen der Ermessensentscheidung sind die besonderen Anforderungen des Kinder- und Jugendschutzes, dem der Mindestabstand zu öffentlichen Schulen und zu Kinder- und Jugendeinrichtungen dient, zu berücksichtigen,
66vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. November 2024 – 4 A 2279/22 –, juris Rn. 194 ff.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. Juni 2022 – 4 B 1864/21 –, juris Rn. 107 ff. m.w.N.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8. Dezember 2023 – 4 B 511/22 –, juris Rn. 41 ff.; VG Düsseldorf, Urteil vom 13. Juni 2023 – 3 K 3202/21 –, juris Rn. 93; VG Köln, Urteil vom 5. Oktober 2022 – 24 K 1472/21 –, juris Rn. 127 ff. m.w.N.; vgl. auch OVG Sachsen, Beschluss vom 17. Oktober 2022 – 6 B 62/22 –, juris Rn. 23.
67bb. Gemessen an diesen Kriterien spricht nichts dafür, dass der Beklagte unter Berücksichtigung der örtlichen Lage der Wettvermittlungsstelle hätte vom Mindestabstandserfordernis abweichen müssen (Ermessensreduzierung auf Null).
68Die Klägerinnen haben nichts Erhebliches dazu vorgetragen, dass bauplanungsrechtliche Anforderungen für das Gebiet, in dem die streitgegenständliche Wettvermittlungsstelle liegt, für den Beklagten Anlass hätten geben können oder gar müssen, vom Mindestabstandsgebot ausnahmsweise abzuweichen. Nachdem der Beklagte die Stadt Y. als Standortgemeinde mit Schreiben vom 26. Juni 2020 und 15. Juni 2021 unter ausdrücklichem Hinweis u.a. auf die geltenden Mindestabstandsvorgaben und die Abweichungsmöglichkeiten unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse (u.a. bauplanungsrechtliche Vorgaben der Standortgemeinde, städtebauliche Besonderheiten, minimale Unterschreitung des Abstandsgebotes) im Umfeld des jeweiligen Standortes um Stellungnahme zur begehrten Erlaubniserteilung gebeten hat, seitens der Stadt Y. mit Schreiben vom 12. Juli 2021 indes keinerlei Besonderheiten zu den örtlichen Verhältnissen mitgeteilt wurden, durfte er davon ausgehen, dass etwaige Besonderheiten, insbesondere in bauplanungsrechtlicher Hinsicht, nicht gegeben sind. Der Beklagte hat mithin den entscheidungserheblichen Sachverhalt hinreichend ermittelt und ist zutreffend davon ausgegangen, dass mit Blick auf bauplanungsrechtliche Vorgaben ein atypischer Fall, der Anlass zu einer Abweichung vom Mindestabstandsgebot hätte geben können, nicht vorliegt. Dem haben die Klägerinnen im gerichtlichen Verfahren nichts Durchgreifendes entgegengesetzt.
69Städtebauliche Besonderheiten hinsichtlich des jeweiligen Standorts und der Lage geben vorliegend gleichfalls keinen Anlass zur Abweichung vom Mindestabstandsgebot. Der Beklagte hat insoweit – bezogen auf die zwei öffentlichen Schulen – nachvollziehbar die gegenüber der Luftlinienentfernung jeweils längere Fußwegentfernung gerade in dem vorliegenden urbanen Bereich für sich genommen nicht als atypisch bewertet, zumal der Fußweg hier noch nicht einmal durch Geländehindernisse wie Bahnlinien oder Flüsse erschwert wird. Im Übrigen ist höchstrichterlich geklärt, dass die fußläufige Erreichbarkeit einer Spielstätte selbst dann noch nicht atypisch erschwert ist, wenn die tatsächliche Wegstrecke im Einzelfall mehr als das Doppelte des nach der Luftlinie bemessenen Mindestabstands beträgt,
70vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2018 – 8 B 32.17 –, juris Rn. 3; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. November 2024 – 4 A 2279/22 –, juris Rn. 199; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. Juni 2022 – 4 B 1864/21 –, juris Rn. 120 m.w.N.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8. Dezember 2023 – 4 B 511/22 –, juris Rn. 53; VG Düsseldorf, Urteil vom 13. Juni 2023 – 3 K 3202/21 –, juris Rn. 97.
71Der Landesgesetzgeber hat im Übrigen bewusst bei der Berechnung des Mindestabstands die Luftlinie zwischen dem Eingang der Wettvermittlungsstelle zur Grenze des Grundstücks der Einrichtung als maßgeblich bestimmt (vgl. § 5 Abs. 6 Satz 2 AG GlüStV NRW), damit auch bei großen Grundstücken, die ebenfalls von den Kindern und Jugendlichen genutzt werden, der Schutzzweck nicht nur eingeschränkt verwirklicht wird,
72vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. Juni 2022 – 4 B 1864/21 –, juris Rn. 122; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8. Dezember 2023 – 4 B 511/22 –, juris Rn. 55.
73Auch der Umstand, dass zwischen einer öffentlichen Schule bzw. einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe einerseits sowie einer Wettvermittlungsstelle andererseits ganz oder teilweise kein Sichtkontakt besteht, stellt ebenfalls keine städtebauliche Besonderheit dar, die als atypisch zu bewerten wäre,
74vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. Juni 2022 – 4 B 1864/21 –, juris Rn. 122; VG Düsseldorf, Urteil vom 13. Juni 2023 – 3 K 3202/21 –, juris Rn. 99.
75Selbst die nicht in vollem Umfang deckungsgleichen Öffnungszeiten der öffentlichen Schulen einerseits und der beantragten Wettvermittlungsstelle andererseits vermögen einen atypischen Fall nicht zu begründen.
76Schließlich kann angesichts der Tatsache, dass insbesondere die Gemeinschaftsgrundschule nur 90,8 Meter Luftlinie von der streitgegenständlichen Wettvermittlungsstelle entfernt liegt, von einer nur minimalen Unterschreitung des geltenden Mindestabstands von 350 Metern Luftlinie offenkundig keine Rede sein, zumal mit Blick auf den angestrebten Kinder- und Jugendschutz selbst eine restriktive Anwendung der Ausnahmemöglichkeiten jedenfalls nicht ermessensfehlerhaft wäre,
77vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. Juni 2022 – 4 B 1864/21 –, juris Rn. 124; VG Düsseldorf, Urteil vom 13. Juni 2023 – 3 K 3202/21 –, juris Rn. 101.
78b. Ein Ermessensfehler in Gestalt eines Ermessensnichtgebrauchs liegt auch nicht darin, dass der Beklagte nicht als etwaiges milderes Mittel zur Erlaubnisversagung Auflagen bezüglich der Gestaltung des Außenbereichs der Wettvermittlungsstelle bzw. Beschränkungen des Angebots oder der Öffnungszeiten erwogen hat. Ein solches Ermessen des Beklagten dahingehend, gegen die Erteilung von Auflagen, z.B. hinsichtlich der Gestaltung des Außenbereichs, des Schaufensters, der angebotenen Produkte oder der Öffnungszeiten, auf die Einhaltung des Mindestabstandes zu verzichten, besteht nicht,
79vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 13. Juni 2023 – 3 K 3202/21 –, juris Rn. 104; VG Minden, Urteil vom 16. Februar 2023 – 3 K 990/22 –, juris Rn. 102; VG Köln, Urteil vom 5. Oktober 2022 – 24 K 1472/21 –, juris Rn. 173 f.
80Dabei kann vorliegend dahinstehen, ob als Rechtsgrundlage für die Erteilung derartiger Auflagen grundsätzlich die Regelung des § 20 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AG GlüStV NRW oder diejenige des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GlüStV 2021 einschlägig ist. Denn die Voraussetzungen, unter denen von dem Mindestabstand zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe abgewichen werden kann, sind in § 13 Abs. 13 Satz 4 AG GlüStV NRW abschließend geregelt. Diese Vorschrift verdrängt insoweit als vorrangige Sonderregelung (lex specialis) sowohl § 20 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AG GlüStV NRW,
81vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 13. Juni 2023 – 3 K 3202/21 –, juris Rn. 106; VG Minden, Urteil vom 16. Februar 2023 – 3 K 990/22 –, juris Rn. 104,
82als auch § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GlüStV 2021,
83vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 13. Juni 2023 – 3 K 3202/21 –, juris Rn. 108; VG Minden, Urteil vom 16. Februar 2023 – 3 K 990/22 –, juris Rn. 104; VG Köln, Urteil vom 5. Oktober 2022 – 24 K 1472/21 –, juris Rn. 173 f.
84II. Die Mindestabstandsregelung des § 13 Abs. 13 Sätze 2 und 3 AG GlüStV NRW, nach der Wettvermittlungsstellen nicht in räumlicher Nähe zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe betrieben werden sollen und insoweit regelmäßig ein Mindestabstand von 350 Metern zu Grunde gelegt werden soll, ist mit höherrangigem Recht vereinbar und daher uneingeschränkt anzuwenden. Dies gilt gleichsam für den für sog. Bestandswettvermittlungsstellen gemäß § 13 Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW geltenden reduzierten Mindestabstand von 100 Metern.
85Es ist in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen und des erkennenden Gerichts geklärt, dass die Mindestabstandsregelung des § 13 Abs. 13 Sätze 2 und 3 AG GlüStV NRW einschließlich des für sog. Bestandswettvermittlungsstellen gemäß § 13 Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW geltenden reduzierten Mindestabstandes keinen durchgreifenden verfassungs- und unionsrechtlichen Bedenken begegnet. Die Mindestabstandsregelung verstößt insbesondere nicht gegen die unionsrechtliche Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 49 und Art. 56 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), stellt in verfassungsrechtlicher Hinsicht einen zulässigen Eingriff in die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) dar und wird dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gerecht.
86Insoweit wird zur Begründung der Vereinbarkeit der Mindestabstandsregelung einschließlich des für Bestandswettvermittlungsstellen geltenden reduzierten Mindestabstandes mit höherrangigem Recht vollumfänglich auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 6. November 2024,
87vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. November 2024 – 4 A 2279/22 –, juris Rn. 53 ff. m.w.N.,
88sowie die Urteile des erkennenden Gerichts vom 13. Juni 2023 Bezug genommen,
89vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 13. Juni 2023 – 3 K 3202/21 –, juris Rn. 110 ff. m.w.N.; VG Düsseldorf, Urteil vom 13. Juni 2023 – 3 K 3201/21 –, juris Rn. 109 ff. m.w.N.,
90die sich mit allen relevanten unions- und verfassungsrechtlichen Fragen mit dem vorgenannten Ergebnis eingehend auseinandersetzen.
91Die in dem vorliegenden Verfahren angebrachten Argumente der Klägerinnen werfen keine neuen Rechtsfragen auf und bedürfen daher keiner Vertiefung, zumal das Bundesverwaltungsgericht mit Blick auf das unionsrechtliche Kohärenzgebot jüngst insbesondere (nochmals) deutlich gemacht hat, dass dieses allenfalls verlange, glücksspielrechtliche Regelungen zur Suchtprävention und zum Spielerschutz nicht durch eine gegenläufige Regulierung anderer Glücksspielbereiche mit gleich hohem oder höherem Suchtpotential in einer Weise zu konterkarieren, die ihre Eignung zur Zielerreichung aufhebt,
92vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Juli 2024 – 8 B 46.23 –, juris Rn. 6; BVerwG, Beschluss vom 16. November 2023 – 8 B 29.23 –, juris Rn. 7; BVerwG, Beschluss vom 17. November 2023 – 8 B 28.23 –, juris Rn. 5; jeweils unter Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 1. August 2022 – 8 B 15.22 –, juris Rn. 6.
93Es ist nicht erkennbar, dass der zuständige Landesgesetzgeber und die die glücksspielrechtlichen Regelungen ausführenden Landesbehörden in Nordrhein-Westfalen im Hinblick auf die Sportwettvermittlung selbst oder in Bezug auf andere Formen des Glücksspiels eine Politik verfolgen, die eher darauf abzielt, zur Teilnahme an diesen anderen Spielen zu ermuntern, als darauf, die Spielgelegenheiten zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen,
94vgl. zur Vereinbarkeit der Mindestabstandsregelung mit dem unionsrechtlichen Kohärenzgebot eingehend: OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. November 2024 – 4 A 2279/22 –, juris Rn. 150 ff. m.w.N.
95Eine Regulierungs- und Vollzugspraxis in Bezug auf andere Glücksspielbereiche mit gleich hohem oder höherem Suchtpotential als Sportwetten, die die Eignung der geltenden Mindestabstandsregelung für Wettvermittlungsstellen zur Erreichung der mit ihr verfolgten Ziele der Suchprävention und des Spielerschutzes aufheben würde, ist daher nicht feststellbar.
96Die Einführung der Mindestabstandsregelung verstößt schließlich auch nicht gegen das unions- und verfassungsrechtliche Gebot des Vertrauensschutzes, so dass die Klägerinnen sich nicht auf einen über die gesetzliche Regelung des § 13 Abs. 15 AG GlüStV NRW hinausgehenden Bestands- und Vertrauensschutz berufen können.
97Diesbezüglich ist in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen gleichsam geklärt, dass die vorbehaltlich der Übergangsregelung in § 13 Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW sämtliche bereits bestehenden Wettvermittlungsstellen betreffende Einführung der Mindestabstandsregelung des § 13 Abs. 13 Sätze 2 und 3 AG GlüStV NRW nicht gegen das sowohl in Art. 12 Abs. 1 GG als auch dem Unionsrecht verankerte Gebot des Vertrauensschutzes verstößt. Weitergehender Bestandsschutzregelungen als der in § 13 Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW enthaltenen Reduzierung des regelmäßig einzuhaltenden Mindestabstandes von 350 Metern auf 100 Meter für solche Wettvermittlungsstellen, die am Stichtag des 22. Mai 2019 bestanden und zu diesem Zeitpunkt über eine bestandskräftige Baugenehmigung verfügt haben, bedurfte es nicht, weil den bisherigen Betreibern von Wettvermittlungsstellen bewusst sein musste, dass das von ihnen betriebene Gewerbe jedenfalls mittelfristig einem ihre Betätigung einschränkenden Regelungsregime unterworfen würde,
98vgl. hierzu mit ausführlicher Begründung: OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. November 2024 – 4 A 2279/22 –, juris Rn. 124 ff. m.w.N.; dem folgend bereits: VG Gelsenkirchen, Urteil vom 18. Februar 2025 – 6 K 762/22 –, juris Rn. 33 ff.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 28. Januar 2025 – 6 K 2774/22 –, juris Rn. 33 ff.
99B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO).
100C. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 709 Satz 2, § 711 ZPO.
101Die Berufung war nicht nach § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen, da keiner der Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO vorliegt.
102Rechtsmittelbelehrung
103Innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils kann bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf schriftlich beantragt werden, dass das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster die Berufung zulässt. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
104Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster schriftlich einzureichen.
105Der Antrag ist zu stellen und zu begründen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder eine diesen gleichgestellte Person als Bevollmächtigten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Auf die besonderen Regelungen in § 67 Abs. 4 Sätze 7 und 8 VwGO wird hingewiesen.
106Beschluss
107Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
10830.000,00 Euro
109festgesetzt.
110Gründe
111Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) erfolgt. Das Gericht zieht für die auf den Betrieb einer Wettvermittlungsstelle gerichtete Klage in Orientierung an dem Vorschlag unter Nr. 54.1 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit den dort genannten Mindestbetrag für den Jahresgewinn von 15.000,00 Euro als Grundlage der Wertfestsetzung heran,
112vgl. zu dieser Streitwertpraxis für den Betrieb einer Spielhalle: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10. Oktober 2022 – 4 A 1061/20 –, juris Rn. 50.
113Da für den Betrieb einer Wettvermittlungsstelle am streitbefangenen Standort gemäß § 13 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 AG GlüStV NRW, § 5 Abs. 8 AnVerVO NRW kumulativ eine Erlaubnis des Wettveranstalters und des Wettvermittlers erforderlich ist,
114vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 13. Juni 2023 – 3 K 3202/21 –, juris Rn. 62,
115und hier sowohl die Klägerin zu 1 als Wettveranstalterin als auch die Klägerin zu 2 als Wettvermittlerin Klage mit dem Ziel der Erlaubniserteilung erhoben haben, ist der anzusetzende Betrag von 15.000,00 Euro zu verdoppeln (2 x 15.000,00 Euro = 30.000,00 Euro).
116Rechtsmittelbelehrung
117Gegen diesen Beschluss kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls das Verwaltungsgericht ihr nicht abhilft. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der genannten Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes zweihundert Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zulässt.