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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
2Die Klägerin begehrt vom beklagten Land die Bewilligung von Subventionen im Zusammenhang mit den Auswirkungen und Maßnahmen in Ansehung der COVID-19-Pandemie.
3Sie ist als Sportwissenschaftlerin und Sporttherapeutin in der medizinischen Rehabilitation tätig. Bis Ende des Jahres 2020 betätigte sie sich insoweit nicht nur selbständig beziehungsweise freiberuflich, sondern auch als Angestellte im Rahmen einer nichtselbständigen Tätigkeit.
4Das beklagte Land gewährt durch die Bezirksregierungen auf der Grundlage von § 53 der Landeshaushaltsordnung (im Folgenden LHO) die Neustarthilfe auf Basis der als „Runderlass des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie Nordrhein-Westfalen – V A 3 – 81.11.18.02 – vom 10. Februar 2021 (4. aktualisierte Fassung vom 21. November 2023)“ veröffentlichten „Richtlinien des Landes zur fortgesetzten Gewährung von Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen 2021 (‚Überbrückungshilfe III NRW‘ und ‚Überbrückungshilfe III Plus NRW‘)“:
5https://www.wirtschaft.nrw/system/files/media/document/file/rl-uberbruckungshilfe-iii-4.-aktualisierung-mit-ubh-iii-plus.pdf (im Folgenden FRL).
6Darüber hinaus sind die gemeinsam vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und dem Bundesministerium der Finanzen veröffentlichten „FAQs zur Neustarthilfe“:
7https://www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de/DE/FAQ/Nsh/neustarthilfe.html,
8(im Folgenden FAQs);
9zu berücksichtigen.
10Die Klägerin stellte am 28. April 2021 unter Nutzung des elektronischen Antragsportals einen Antrag auf Gewährung der Neustarthilfe in Höhe von 7.500,00 Euro, woraufhin die Bezirksregierung Düsseldorf ihr antragsgemäß durch vorläufigen Bewilligungsbescheid vom 12. Mai 2021 7.500,00 Euro bewilligte und auszahlte.
11Zu den Ziff. 1 Abs. 2 Satz 2, Ziff. 2 Sätze 1 und 2 des Tenors sowie zu Ziff. 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Sätze 3 und 4 sowie Abs. 3, Ziff. 4 und Ziff. 11 der Nebenbestimmungen des vorläufigen Bewilligungsbescheids zur Neustarthilfe heißt es:
12„Sie wird zu Beginn der Laufzeit als Vorschuss ausgezahlt, auch wenn der konkrete Umsatz während der Laufzeit Januar 2021 bis Juni 2021 noch nicht feststeht.“;
13„Die Bewilligung und Auszahlung der Neustarthilfe ergeht unter dem Vorbehalt der endgültigen Festsetzung im Rahmen der Endabrechnung.“;
14„Die Neustarthilfe ist zu erstatten, soweit dieser Bescheid nach Verwaltungsverfahrensrecht (§§ 43,48,49 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen, VwVfGNRW) mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder widerrufen worden oder sonst unwirksam geworden ist. Dies gilt insbesondere, wenn […] sich herausstellt, dass die Voraussetzungen für die Gewährung der Neustarthilfe nicht oder nicht für die gewährte bzw. ausbezahlte Höhe vorliegen.“
15Am 31. Dezember 2021 reichte die Klägerin die Endabrechnung ein, welche keinen Rückzahlungsbetrag ausweist.
16In der Folge kam es zu über das elektronische Antragsportal abgewickelter Korrespondenz zwischen der Bezirksregierung Düsseldorf und der Klägerin. Auf Anforderung brachte die Klägerin den sie betreffenden Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2019 bei, aus welchem sich Gesamteinkünfte in Höhe von 32.846,00 Euro ergeben, von denen 2.699,00 auf die selbständige Tätigkeit und 30.147,00 Euro auf die nichtselbständige Tätigkeit entfallen. Daraufhin teilte die Bezirksregierung Düsseldorf mit, anhand des o.g. Einkommenssteuerbescheids sei festzustellen, dass es mit Blick auf Ziff. 2.1 und 2.4 der FAQs mangels Haupterwerblichkeit an der Antragsberechtigung fehle. Sie räumte ausdrücklich Gelegenheit zur Stellungnahme und/oder zur Einreichung anderer/weiterer Nachweise ein. Die Klägerin machte von der Stellungnahmegelegenheit Gebrauch und führte aus, für die Frage der Haupterwerblichkeit werde zu Unrecht auf die steuerlichen Einkünfte des Referenzzeitraums/des Jahres 2019 abgestellt. Ein solches Abstellen auf den Referenzzeitraum ergebe sich nicht aus den FAQs beziehungsweise der dortigen Ziff. 2.1. Sinn der Neustarthilfe sei doch gerade der Ausgleich für corona-bedingte Einschränkungen im Förderzeitraum/ersten Halbjahr 2021 gewesen. Durch das Abstellen auf den Referenzzeitraum werde unterstellt, dass die Verhältnisse im Förderzeitraum identisch gewesen seien, was aber bei ihr nicht zutreffe, da ihr gegenüber im Dezember 2020 wegen corona-bedingter Umsatzausfälle die betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen worden sei, weshalb sie seither ohne nichtselbstständige Tätigkeit und im Förderzeitraum ausschließlich selbständig tätig gewesen sei. Das Arbeitslosengeld dürfe keine Rolle spielen, zumal sie ihre Wohnung gleichwohl nicht habe halten können und ihren jahrelang erarbeiteten Lebensstandard enorm habe einschränken müssen. Hinsichtlich des Jahres 2019 – wenn schon auf dieses abzustellen sei – kämen außerdem noch steuerfreie Einnahmen aus Übungsleitertätigkeit hinzu, die im Einkommenssteuerbescheid 2019 nicht erscheinen würden.
17Mit Schlussbescheid vom 20. Juni 2024, am 22. Juni 2024 unter gleichzeitiger Versendung einer Benachrichtigung per E-Mail an die Klägerin auf das elektronische Antragsportal hochgeladen, lehnte die Bezirksregierung Düsseldorf den Antrag vom 28. April 2021 unter Ersetzung des vorläufigen Bewilligungsbescheids vom 12. Mai 2021 ab (Ziff. 1 und 2) und setzte den vorläufig bewilligten und ausgezahlten Betrag unter Absehens von der Festsetzung einer Verzinsung zur Rückzahlung binnen sechs Monaten fest (Ziff. 3). Zur Begründung des Bescheids, der die soeben dargestellte Stellungnahme der Klägerin zitiert, legte die Bezirksregierung Düsseldorf im Wesentlichen dar, das für die Antragsberechtigung notwendige Kriterium der Haupterwerblichkeit sei nicht erfüllt, weil die Einnahmen aus nichtselbstständiger Tätigkeit im Jahr 2019 diejenigen Einnahmen aus gewerblicher/freiberuflicher Tätigkeit überwögen.
18Dagegen hat die Klägerin am 23. Juli 2024 Klage erhoben.
19Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, der streitgegenständliche Bescheid sei ersichtlich automatisiert ohne individuellen Bezug erstellt worden, da auf ihre Stellungnahme nicht eingegangen worden sei, was ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletze, wobei auch fraglich erscheine, ob für dieses automatisierte Rückforderungsverfahren überhaupt eine spezielle Rechtsgrundlage vorliege. Die im vorläufigen Verfahren bewilligte Summe sei zweckgerichtet verwendet worden und habe Ihr geholfen, eine corona-bedingte wirtschaftliche Notlage in einer Zeit zu überbrücken, in welcher sie zu 100% selbständig tätig gewesen sei. Es sei an keiner Stelle, auch nicht in den FAQs, darauf hingewiesen worden, dass sich die Frage der Haupterwerblichkeit auf das Jahr 2019 beziehe, wodurch veränderte Erwerbsverhältnisse in den folgenden Jahren unbeachtet bleiben würden.
20Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
21das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheids der Bezirksregierung Düsseldorf vom 20. Juni 2024 zu verpflichten, über den Antrag vom 28. April 2021 in Gestalt der Endabrechnung vom 31. Dezember 2021 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
22Das beklagte Land beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Zur Begründung lässt das beklagte Land im Wesentlichen vortragen, der Bescheid sei nicht vollständig automatisiert erstellt worden und die Einwände der Klägerin seien berücksichtigt worden, würden sich indessen als unbeachtlich darstellen. Nach der tatsächlichen und nicht willkürlichen Verwaltungspraxis sei bezüglich der Haupterwerblichkeit allein auf die Verhältnisse der Einkunftsarten im Einkommenssteuerbescheid 2019 abzustellen, wobei sich hier keine Haupterwerblichkeit ergebe. Auf Umsätze oder Verhältnisse in nachfolgenden Zeiträumen komme es demgegenüber nicht an.
25Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten und denjenigen der Verwaltungsvorgänge der Bezirksregierung Düsseldorf Bezug genommen.
26Entscheidungsgründe
27Die Kammer kann durch den Einzelrichter (§ 6 Abs. 1 Satz 1 VwGO) entscheiden, weil sie ihm den Rechtsstreit zur Entscheidung mit Beschluss vom 6. Februar 2025 übertragen hatte.
28Die zulässige Klage ist unbegründet.
29Die Klägerin hat weder Anspruch auf die von ihr begehrte Neubescheidung, noch auf eine (auch nur teilweise) Kassation des streitgegenständlichen Schlussbescheids.
30Der streitgegenständliche Schlussbescheid ist formell rechtmäßig.
31Insbesondere gibt es keine Anhaltspunkte für einen (voll-)automatisierten Erlass des Bescheids i.S.v. § 35a VwVfG NRW. Zum einen hat das beklagte Land eine solche Erlassart negiert, wobei die anderslautende Behauptung der Klägerin unsubstantiiert geblieben ist. Zum anderen lässt Bl. 6 des Verwaltungsvorgangs mit dem Geschäftszeichen NSH1R-EA-136522 sogar einzelne Bearbeitungsschritte erkennen. Jenseits eines in diesem Sinne (voll-)automatisierten Erlasses, insbesondere für die Verwendung von Textbausteinen u.Ä., bedarf es allerdings keiner speziellen Rechtsgrundlage.
32Es ist auch kein Gehörsverstoß erkennbar. Es gibt keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Stellungnahme der Klägerin nicht zur Kenntnis genommen und gewürdigt worden sein könnte. Im Gegenteil: Der Bescheid zitiert den Inhalt der Stellungnahme. Dabei darf sich die Bescheidbegründung nach § 39 Abs. 2 VwVfG NRW auf die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe beschränken, die tragend gewesen sind. Dementsprechend kann daraus, dass die Einwände der Klägerin nicht sämtlich detailliert abgehandelt worden sind, nicht auf eine Gehörsverletzung geschlossen werden.
33Der streitgegenständliche Schlussbescheid ist auch materiell rechtmäßig.
34Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verpflichtung des beklagten Landes zur Neubescheidung (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
35Der streitgegenständliche Schlussbescheid ist rechtmäßig und der ursprüngliche Bescheidungsanspruch damit untergegangen.
36Die Gewährung der Neustarthilfe erfolgt aufgrund pflichtgemäßen Ermessens in Form einer Billigkeitsleistung als freiwillige Zahlung im Rahmen verfügbarer Haushaltsmittel (vgl. lit. A Ziff. 1 Abs. 3 der FRL).
37Die FRL begründen damit vom Ansatz her keinen gebundenen Anspruch auf eine Billigkeitsleistung, sondern es besteht zusammen mit § 40 VwVfG NRW, wonach die Behörde, wenn sie ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten hat, ein Anspruch eines jeden Antragstellers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde über dessen Antrag. Dabei ist gemäß § 114 Satz 1 VwGO die gerichtliche Kontrolle auf die Prüfung beschränkt, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
38Im Rahmen des behördlich auszuübenden Ermessens kommt den FRL, bei denen es sich nicht um eine Rechtsnorm, d.h. nicht einen Rechtssatz mit Außenwirkung, sondern um eine (bloße) interne Verwaltungsvorschrift handelt, die Funktion zu, für die Verteilung der Fördermittel einheitliche Maßstäbe zu setzen und dadurch das Ermessen der Bewilligungsbehörde intern zu binden und zu steuern. Als ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften unterliegen derartige Förderrichtlinien auch keiner eigenständigen richterlichen Auslegung wie Rechtsnormen. Entscheidend ist vielmehr, wie die zuständigen Behörden die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt haben und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG gebunden sind. Durch den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG ist die Bewilligungsbehörde nämlich in ihrem rechtlichen Verhältnis zum Förderempfänger – abgesehen von den sonstigen gesetzlichen Grenzen des Verwaltungshandelns – gebunden. Wenn sich die Behörde an ihre Förderrichtlinien hält, ist sie daher durch das Gleichbehandlungsgebot verpflichtet, dies auch weiterhin zu tun, sofern nicht sachliche Gründe im Einzelfall eine Abweichung rechtfertigen oder gar gebieten. Weicht sie hingegen generell von den Förderrichtlinien ab, so verlieren diese insoweit ihre ermessensbindende Wirkung; ob das Verwaltungshandeln mit dem Gleichbehandlungsgebot vereinbar ist, beurteilt sich dann nur nach der tatsächlichen Verwaltungspraxis.
39Vgl. BVerwG, Urteile vom 26. April 1979 – 3 C 111/79 –, juris, Rn. 24, vom 25. April 2012 – 8 C 18/11 –, BVerwGE 143, 50 ff., Rn. 31 f., vom 17. Januar 1996 – 11 C 5/95 –, juris, Rn. 21, und vom 16. Juni 2015 – 10 C 15/14 –, BVerwGE 152, 211 ff., Rn. 24, jeweils m.w.N.
40Zur Feststellung der tatsächlich geübten Verwaltungspraxis kann dabei neben den jeweiligen FRL ergänzend auf öffentliche Verlautbarungen der Bewilligungsbehörde, der dieser übergeordneten Landesbehörde oder der aufgrund Verwaltungsvereinbarung in die Förderung eingebundenen zuständigen Bundesbehörde zurückgegriffen werden, wenn diese Aufschluss über die tatsächlich geübte Verwaltungspraxis geben.
41Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 3. Dezember 2021 – 19 K 2760/20 – juris, Rn. 38; VG Halle (Saale), Urteil vom 25. April 2022 – 4 A 28/22 –, juris, Rn. 20.
42Relevant sind insoweit namentlich die FAQs.
43Eine generelle Grenze bei der Anwendung von Förderrichtlinien bildet dabei das Willkürverbot. Steht es der Behörde grundsätzlich frei, sich für eine bestimmte Verwaltungspraxis zu entscheiden, kann eine Verletzung des Willkürverbots lediglich dann angenommen werden, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar sind und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhen.
44Vgl. VG Köln, Gerichtsbescheid vom 17. August 2015 – 16 K 6804/14 –, juris, Rn. 50; VG Würzburg, Urteil vom 26. Juli 2021 – W 8 K 20.2031 –, juris, Rn. 23.
45Nach diesen Maßgaben ist der streitgegenständliche Bescheid ermessensfehlerfrei.
46Durch lit. A Ziff. 2 Abs. 1 Satz 1 der FRL sowie Ziff. 2.1 Abs. 1 erster Spiegelstrich Var. 1 und Ziff. 2.4 Abs. 1 bis 5 der FAQs ist die tatsächliche Verwaltungspraxis (entgegen des Anwurfs der Klägerin sehr wohl) dokumentiert, nach der eine Antragsberechtigung für Soloselbständige nur dann anerkannt wird, wenn die selbständige Tätigkeit im Haupterwerb ausgeübt wird, was heißt, dass der überwiegende Teil der Summe der Gesamteinkünfte im Jahr 2019 – hinsichtlich des Bezugszeitraums besteht die hier nicht gewählte respektive geltend gemachte Möglichkeit, alternativ auf den Januar 2020 oder den Februar 2020 abzustellen – aus einer gewerblichen (§ 15 EStG) und/oder freiberuflichen(§ 18 EStG) Tätigkeit stammt, wobei jedenfalls im Ausgangspunkt auf den Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2019 abzustellen ist.
47Diese tatsächliche Verwaltungspraxis erscheint nicht als willkürlich.
48Das im Zuge der Prüfung der Antragsberechtigung bei Soloselbstständigkeit herangezogene Kriterium der Haupterwerblichkeit dient offenbar dazu, die Billigkeitsleistungen auf solche Betriebe zu beschränken, auf deren durch die Pandemiemaßnahmen gefährdeten Fortbestand (wenn schon keine Arbeitnehmer) jedenfalls der Soloselbständige zur Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenz angewiesen ist. Dieses Ziel ist schon deshalb nicht als willkürlich zu beanstanden, weil die Neustarthilfe (und die übrigen coronabezogenen Subventionen) keine Kompensation für durch Pandemiemaßnahmen erlittene Schäden/Mindereinnahmen darstellen, sondern aus Billigkeit zur Existenzsicherung erfolgen (vgl. lit. A Ziff. 1 Abs. 1 Satz 6 der FRL).
49Es ist mit Blick auf den Charakter als beschleunigt durchgeführtes Massenverfahren nichts dagegen zu erinnern, dass insoweit eine Pauschalierung anhand des Abstellens auf einen bestimmten Zeitraum, eine zahlenmäßig starre Grenze und ein leicht prüfbares Dokument erfolgt, ohne die individuellen Verhältnisse der Antragsteller in jedem Einzelfall in den Blick zu nehmen. Die grundsätzliche Maßgeblichkeit des Jahres 2019 basiert dabei auf folgender sachlicher Erwägung: Bei diesem Zeitraum handelt es sich um das letzte volle Jahr vor Beginn der Corona-Pandemie und Eintritt der damit einhergehenden Pandemiebekämpfungsmaßnahmen. Es liegt dementsprechend auf der Hand, dass dieses Jahr eine tragfähige Grundlage für die Bewertung bildet, ob ein Soloselbständiger auf die entsprechende wirtschaftliche Betätigung zur Existenzsicherung angewiesen ist. Freilich kann es, insbesondere wenn (wie hier) eine nichtselbständige Tätigkeit beendet wird, während der Pandemie zu Verschiebungen hinsichtlich der Einkunftsverhältnisse kommen, aber derartige Entwicklungen nach Einsetzen der Pandemiebekämpfungsmaßnahmen stellen die ursprüngliche Wertung, die corona-bedingte Faktoren sinnvoller Weise ausschließen will, nicht in Frage. Davon abgesehen existierten und existieren für die Beendigung einer nichtselbständigen Tätigkeit anderweite Schutzmechanismen, insbesondere in Gestalt des Arbeitslosengelds.
50Falls und soweit die Klägerin der Ansicht sein sollte, es sei im Rahmen der Haupterwerblichkeit auf einen Vergleich der (Brutto-)Einnahmen, nicht der Einkünfte, abzustellen, geht auch dies fehl. Der Parameter der (Brutto-)Einnahmen stellt sich zur Erreichung des o.g. Zwecks als weniger aussagekräftig dar, weil hohe(Brutto-)Einnahmen allein (ohne entsprechenden Gewinn) nicht dafür bürgen, dass jemand auf den einnahmengenerierenden Gewerbebetrieb als Erwerbsquelle zur Existenzsicherung tatsächlich angewiesen ist. Ob ein stärker pauschalierendes Abstellen auf die (Brutto‑) Einnahmen ebenfalls eine zulässige Verwaltungspraxis darstellen würde, braucht nicht entschieden zu werden. Die Wahl zwischen mehreren zulässigen Verwaltungspraxen obliegt allein dem beklagten Land, nicht der Klägerin.
51Bei Subsumtion unter die so gekennzeichnete tatsächliche und nicht willkürliche Verwaltungspraxis fehlt es vorliegend an der Haupterwerblichkeit und damit an der Antragsberechtigung.
52Aus dem Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2019 ergibt sich, dass die Klägerin im Jahr 2019 nur einen geringen Betrag und weit unterwiegenden Teil ihrer Gesamteinkünfte aus selbständiger/freiberuflicher Tätigkeit generiert hat.
53Es kann auf sich beruhen, ob das Abstellen auf den Einkommenssteuerbescheid 2019 so weit gehen darf, dass tatsächlich weitergehende Einkünfte, die in diesem nicht erscheinen, bei der Betrachtung ausgeklammert werden. Zwar hat die Klägerin (unzureichend substantiiert) vorgetragen, sie habe noch weitere Einkünfte aus selbständiger/freiberuflicher Tätigkeit in Gestalt von steuerfreien Einkünften aus Übungsleitertätigkeit gehabt, die im Einkommenssteuerbescheid nicht widergespiegelt würden. In Ansehung von § 3 Nr. 26 und 26a EStG kann es sich dabei allerdings maximal um 3.840,00 Euro handeln, die an dem Verhältnis der Einkunftsarten zueinander vorliegend nichts Relevantes verändern würden.
54Schließlich ist Ziff. 3 des streitgegenständlichen Bescheids rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
55Die Festsetzung des zu erstattenden Betrags in Ziff. 3 des streitgegenständlichen Bescheids beruht auf § 49a Abs. 1 VwVfG NRW, der aufgrund derselben Interessenlage zu den gesetzlich benannten Fällen entsprechend anzuwenden ist, wenn ein Verwaltungsakt, der – wie hier der ausdrücklich unter dem Vorbehalt der endgültigen Prüfung ergangene Bewilligungsbescheid vom 12. Mai 2021 – eine Zuwendung zunächst nur vorläufig bewilligt hat, rückwirkend durch einen anderen Verwaltungsakt ersetzt wird (vgl. Ziff. 2 des streitgegenständlichen Bescheids), ohne dass es hierzu einer Aufhebung dieser Bewilligung bedarf.
56Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2009 – 3 C 7.09 –, juris, Rn. 16 und 24; OVG NRW, Urteil vom 17. März 2023 – 4 A 1987/22 –, juris, Rn. 135 m.w.N.
57Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
58Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2 und 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.
59Rechtsmittelbelehrung
60Innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils kann bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf schriftlich beantragt werden, dass das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster die Berufung zulässt. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
61Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster schriftlich einzureichen.
62Der Antrag ist zu stellen und zu begründen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder eine diesen gleichgestellte Person als Bevollmächtigten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Auf die besonderen Regelungen in § 67 Abs. 4 Sätze 7 und 8 VwGO wird hingewiesen.
63Beschluss
64Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß § 52 Abs. 1 und 3 Satz 1 GKG auf
657.500,00 Euro
66festgesetzt.
67Rechtsmittelbelehrung
68Gegen diesen Beschluss kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls das Verwaltungsgericht ihr nicht abhilft. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der genannten Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes zweihundert Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zulässt.