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Das beklagte Land wird unter Aufhebung des Bescheids der Bezirksregierung W. vom 25. März 2024 verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Neustarthilfe Plus für das vierte Quartal vom 22. Dezember 2021 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Land darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die Bewilligung einer Betriebskostenpauschale in Form der Neustarthilfe aus Mitteln des Bundes für einen Zeitraum während der Corona-Pandemie.
3Die Klägerin betätigt sich u.a. auf Kreuzfahrtschiffen als selbständige/freiberufliche Künstlerin.
4Das beklagte Land gewährt durch die Bezirksregierungen auf der Grundlage von § 53 der Landeshaushaltsordnung (im Folgenden LHO) die Neustarthilfe Plus für das vierte Quartal auf Basis der als „Runderlass des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie Nordrhein-Westfalen – V A 3 – 81.11.18.02 – vom 10. Februar 2021 (4. aktualisierte Fassung vom 21. November 2023)“ veröffentlichten „Richtlinien des Landes zur fortgesetzten Gewährung von Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen 2021 (‚Überbrückungshilfe III NRW‘ und ‚Überbrückungshilfe III Plus NRW‘)“:
5https://www.wirtschaft.nrw/system/files/media/document/file/rl-uberbruckungshilfe-iii-4.-aktualisierung-mit-ubh-iii-plus.pdf,
6(im Folgenden FRL).
7Darüber hinaus sind die gemeinsam vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und dem Bundesministerium der Finanzen veröffentlichten „FAQs zur ‚Neustarthilfe Plus‘“:
8https://www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de/DE/FAQ/Nsh-P/neustarthilfe-plus.html,
9(im Folgenden FAQs);
10zu berücksichtigen.
11Die Klägerin beantragte am 22. Dezember 2021 unter Nutzung des elektronischen Antragsportals die Gewährung der Neustarthilfe Plus für das vierte Quartal in Höhe von insgesamt 1.873,76 Euro. Bei der elektronischen Antragstellung erklärte sie mittels des Antragsformulars, welches zudem an mehreren Stellen auf die Endabrechnung hinweist, bis zum 31. März 2022 – diese Frist wurde später bis zum 30. Juni 2022 verlängert – eine Endabrechnung unter Angabe des tatsächlich realisierten Umsatzes im Förderzeitraum einzureichen. Außerdem willigte die Klägerin ein, dass der Bewilligungsbescheid und weitere Verwaltungsakte im Bewilligungsverfahren elektronisch bereitgestellt und bekanntgegeben werden.
12Mit Bescheid vom 23. Dezember 2021 bewilligte die Bezirksregierung W. der Klägerin die Neustarthilfe Plus für das vierte Quartal in beantragter Höhe. In der Folge kam es unmittelbar zur Auszahlung des vorläufig bewilligten Betrags an die Klägerin.
13Zu den Ziff. 1 Abs. 2 Satz 2, Ziff. 2 des Tenors sowie zu Ziff. 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 sowie Abs. 3 Satz 1 und Ziff. 11 der Nebenbestimmungen des vorläufigen Bewilligungsbescheids vom 23. Dezember 2021 heißt es:
14„Sie wird zu Beginn der Laufzeit als Vorschuss ausgezahlt, auch wenn der konkrete Umsatz während der Laufzeit Oktober 2021 bis Dezember 2021 noch nicht feststeht.“;
15„Die Bewilligung und Auszahlung der Neustarthilfe Plus ergeht unter dem Vorbehalt der endgültigen Festsetzung im Rahmen der Endabrechnung. Der Betrag verringert sich insbesondere, wenn der Umsatzrückgang im Förderzeitraum weniger als 60 Prozent im Vergleich zum Vergleichszeitraum beträgt.“;
16„Die oder der Begünstigte hat bis zum 31. März 2022 ausschließlich über ein Online-Tool auf der Plattform www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de eine Endabrechnung durch Selbstprüfung nach Ablauf des unter Ziffer 1. der Hauptbestimmungen dieses Bescheides genannten Förderzeitraums und unter Angabe der Umsätze aus selbstständiger Tätigkeit sowie der Einnahmen aus nicht selbständiger Arbeit im Förderzeitraum einzureichen.“;
17„Sollte der in der Endabrechnung berechnete Förderbetrag geringer ausfallen als die bereits ausgezahlte Vorschusszahlung, ist die Neustarthilfe Plus (teilweise) zurückzuzahlen.“;
18„Sollte der Umsatz während der dreimonatigen Laufzeit bei über 40 Prozent, aber unter 90% des dreimonatigen Referenzumsatzes liegen, sind die Vorschusszahlungen anteilig so zurückzuzahlen, dass in Summe der erzielte Umsatz und die Förderung 90 Prozent des Referenzumsatzes nicht überschreiten.“;
19„Die Neustarthilfe Plus ist zu erstatten, soweit im Schlussbescheid oder im Rahmen einer Prüfung eine abweichende Feststellung der Höhe der Billigkeitsleistung getroffen wird oder dieser Bescheid aus anderen Gründen nach Verwaltungsverfahrensrecht (§§ 43, 48, 49 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen, VwVfGNRW) mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder widerrufen worden oder sonst unwirksam geworden ist. Dies gilt insbesondere, wenn […] sich herausstellt, dass die Voraussetzungen für die Gewährung der Neustarthilfe Plus nicht oder nicht für die gewährte bzw. ausbezahlte Höhe vorliegen.“
20Auf der Homepage https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/FAQ/Corona-Ticker/corona-ticker.html#faqHID-2770400 (zuletzt abgerufen am 13. März 2025), welche vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz verantwortet wird, findet sich folgender Passus (wobei sich ein ähnlicher Text bis zur Löschung auch auf der bereits oben erwähnten Homepage www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de gefunden hatte):
21„Was passiert, wenn ich die Endabrechnung der Neustarthilfe Plus nicht pünktlich zum 30. Juni 2022 einreichen konnte?
22Nach Ablauf der Frist am 30. Juni 2022 wird Ihnen eine Erinnerungsnachricht zugeleitet, wenn Sie ihre Endabrechnung im digitalen Antragsmanagementsystem bis zum Fristende nicht eingereicht haben. Erst bei ausbleibender Rückmeldung werden sich weitere verwaltungsrechtliche Maßnahmen, unter anderem Anhörung, Aufhebung der Bewilligungsbescheides [sic! Anm. d. Einzelrichters], Rückforderung des gewährten Zuschussbetrages, anschließen.“
23Zudem ist aus mehreren ähnlich gelagerten Fällen gerichtsbekannt, dass die Bezirksregierung W. ihre tatsächliche Verwaltungspraxis in Ansehung von Erinnerungsnachrichten wie folgt darstellt:
24„Darüber hinaus erhielten sämtliche Antragsteller überobligatorisch mehrere Erinnerungen an das fristgerechte Einreichen einer Endabrechnung per E-Mail.“
25und zudem ausführt:
26„Äußerst hilfsweise darf noch erwähnt werden, dass es bei entsprechender Kontaktaufnahme und Schilderung der Umstände der Fristversäumung durch den Kläger bis Ende 2023 noch möglich war, trotz Fristablauf die Endabrechnung einzureichen.“
27Die Klägerin reichte bis zum 30. Juni 2022 keine Endabrechnung ein, wobei die Verwaltungsvorgänge keinerlei Erinnerungsnachrichten enthalten.
28Mit Schlussbescheid vom 25. März 2024 lehnte die Bezirksregierung W. den Antrag der Klägerin vom 22. Dezember 2021 ab (Ziff. 1), stellte fest, dass dieser Bescheid den vorläufigen Bewilligungsbescheid vollständig ersetzt (Ziff. 2), setzte den Betrag von 1.873,76 Euro zur Rückzahlung binnen eines Monats ab Datum dieses Bescheids und eine Verzinsung des Rückzahlungsbetrags beginnend ab dem Zeitpunkt der Auszahlung der Fördersumme mit drei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz fest (Ziff. 3). Zur Begründung wies sie darauf hin, dass die Endabrechnung zum 30. Juni 2022 fällig gewesen sei, die Klägerin die Endabrechnung jedoch gleichwohl nicht eingereicht habe.
29Die Klägerin hat am 24. April 2024 Klage erhoben.
30Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, es habe technische Probleme bei der Einreichung gegeben. Auf mehrere in einem Zeitraum von etwa zwei Wochen nach der Bekanntmachung der Portalfreischaltung am 25. März 2022 getätigte Einreichungsversuche hin sei es immer wieder zu Fehlermeldungen gekommen. Im Zuge mehrerer Anrufe beim Service-Desk sei ihr jedes Mal gesagt worden, es könne dauern und man müsse warten. Sie solle sich an die Bewilligungsstelle wenden. Als sie die Bewilligungsstelle nach Rückkehr von einem Engagement auf einem Kreuzfahrtschiff, welches bis zum 19. Juni 2022 gelaufen sei, nach dem 23. Juni 2022 endlich erreicht habe, habe es geheißen, die Frist sei nunmehr verstrichen und man könne nichts mehr machen. Bezüglich der Einreichung der Endabrechnung habe sie weder postalisch noch per E-Mail an ihren persönlichen oder an den bei Antragstellung angegebenen Account E-Mail01, welcher einer Freundin gehöre, die ihr bei steuerlichen Angelegenheiten helfe, Erinnerungsnachrichten erhalten, obwohl dies in Ansehung anderer Neustarthilfeprogramme der Fall gewesen sei. Eine Rückforderung des vorläufig bewilligten Betrags würde zu einer besonderen Härte führen, da ihr Umsatzrückgang im Förderzeitraum 100% betragen habe. Sie bringt eine Erklärung der Frau X. vom 8. März 2025 bei, wobei bezüglich des Inhalts auf die Gerichtsakte Bezug genommen wird.
31Die Klägerin beantragt,
32das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheids der Bezirksregierung W. vom 25. März 2024 zu verpflichten, über ihren Antrag auf Bewilligung von Neustarthilfe Plus für das vierte Quartal vom 22. Dezember 2021 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
33Das beklagte Land beantragt,
34die Klage abzuweisen.
35Es lässt bestreiten, dass es zum Versuch der Kontaktaufnahme durch die Klägerin nach Ablauf der Endabrechnungsfrist, aber vor Ende des Jahres 2023 gekommen ist und schildert insoweit, Entsprechendes sei nicht Akteninhalt geworden.
36Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und denjenigen der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Bezirksregierung W. verwiesen.
37Entscheidungsgründe
38Die Kammer kann durch den Einzelrichter (§ 6 Abs. 1 Satz 1 VwGO) entscheiden, weil sie ihm den Rechtsstreit zur Entscheidung mit Beschluss vom 6. Februar 2025 übertragen hatte.
39Die zulässige Klage ist begründet.
40Die Klägerin hat einen Anspruch auf Verpflichtung des beklagten Landes zur Neubescheidung ihres Antrags auf Bewilligung von Neustarthilfe Plus für das vierte Quartal vom 25. März 2024 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO.
41Die Gewährung der Neustarthilfe Plus für das vierte Quartal erfolgt aufgrund pflichtgemäßen Ermessens in Form einer Billigkeitsleistung als freiwillige Zahlung im Rahmen verfügbarer Haushaltsmittel (vgl. lit. B Ziff. 1 Abs. 3 der FRL).
42Die FRL begründen damit vom Ansatz her keinen gebundenen Anspruch auf eine Billigkeitsleistung, sondern es besteht zusammen mit § 40 VwVfG NRW, wonach die Behörde, wenn sie ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten hat, ein Anspruch eines jeden Antragstellers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde über dessen Antrag. Dabei ist gemäß § 114 Satz 1 VwGO die gerichtliche Kontrolle auf die Prüfung beschränkt, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
43Im Rahmen des behördlich auszuübenden Ermessens kommt den FRL, bei denen es sich nicht um eine Rechtsnorm, d.h. nicht einen Rechtssatz mit Außenwirkung, sondern um eine (bloße) interne Verwaltungsvorschrift handelt, die Funktion zu, für die Verteilung der Fördermittel einheitliche Maßstäbe zu setzen und dadurch das Ermessen der Bewilligungsbehörde intern zu binden und zu steuern. Als ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften unterliegen derartige Förderrichtlinien auch keiner eigenständigen richterlichen Auslegung wie Rechtsnormen. Entscheidend ist vielmehr, wie die zuständigen Behörden die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt haben und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG gebunden sind. Durch den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG ist die Bewilligungsbehörde nämlich in ihrem rechtlichen Verhältnis zum Förderempfänger – abgesehen von den sonstigen gesetzlichen Grenzen des Verwaltungshandelns – gebunden. Wenn sich die Behörde an ihre Förderrichtlinien hält, ist sie daher durch das Gleichbehandlungsgebot verpflichtet, dies auch weiterhin zu tun, sofern nicht sachliche Gründe im Einzelfall eine Abweichung rechtfertigen oder gar gebieten. Weicht sie hingegen generell von den Förderrichtlinien ab, so verlieren diese insoweit ihre ermessensbindende Wirkung; ob das Verwaltungshandeln mit dem Gleichbehandlungsgebot vereinbar ist, beurteilt sich dann nur nach der tatsächlichen Verwaltungspraxis.
44Vgl. BVerwG, Urteile vom 26. April 1979 – 3 C 111/79 –, juris, Rn. 24, vom 25. April 2012 – 8 C 18/11 –, BVerwGE 143, 50 ff., Rn. 31 f., vom 17. Januar 1996 – 11 C 5/95 –, juris, Rn. 21, und vom 16. Juni 2015 – 10 C 15/14 –, BVerwGE 152, 211 ff., Rn. 24, jeweils m.w.N.
45Zur Feststellung der tatsächlich geübten Verwaltungspraxis kann dabei neben den jeweiligen FRL ergänzend auf öffentliche Verlautbarungen der Bewilligungsbehörde, der dieser übergeordneten Landesbehörde oder der aufgrund Verwaltungsvereinbarung in die Förderung eingebundenen zuständigen Bundesbehörde zurückgegriffen werden, wenn diese Aufschluss über die tatsächlich geübte Verwaltungspraxis geben.
46Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 3. Dezember 2021 – 19 K 2760/20 – juris, Rn. 38; VG Halle (Saale), Urteil vom 25. April 2022 – 4 A 28/22 –, juris, Rn. 20.
47Relevant sind insoweit namentlich die FAQs sowie die weiteren im Tatbestand erwähnten Verlautbarungen.
48Eine generelle Grenze bei der Anwendung von Förderrichtlinien bildet dabei das Willkürverbot. Steht es der Behörde grundsätzlich frei, sich für eine bestimmte Verwaltungspraxis zu entscheiden, kann eine Verletzung des Willkürverbots lediglich dann angenommen werden, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar sind und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhen.
49Vgl. VG Köln, Gerichtsbescheid vom 17. August 2015 – 16 K 6804/14 –, juris, Rn. 50; VG Würzburg, Urteil vom 26. Juli 2021 – W 8 K 20.2031 –, juris, Rn. 23.
50Nach diesen Maßgaben hat die Klägerin einen Anspruch auf die begehrte Neubescheidung, weil der streitgegenständliche Bescheid ermessensfehlerhaft ist.
51Insoweit mag auf sich beruhen, ob der Bescheid auch deshalb ermessensfehlerhaft ist, weil technische Probleme aus der Sphäre des beklagen Landes vorgelegen haben und/oder der Klägerin auf eine vor Ablauf des Jahres 2023 erfolgte proaktive Meldung mitgeteilt worden ist, es sei nun zu spät.
52Denn die Ermessensfehlerhaftigkeit ergibt sich jedenfalls aus Folgendem:
53Zwar entspricht es der auch nach hiesiger Rechtsprechung nicht willkürlichen tatsächlichen Verwaltungspraxis des beklagten Landes, den Antrag bei Versäumnis der Einreichung der Endabrechnung abzulehnen.
54Allerdings ist im Rahmen der Ermessensausübung vorliegend unberücksichtigt geblieben, dass ein atypischer Fall gegeben ist, weil die Klägerin entgegen der tatsächlichen Verwaltungspraxis gleichheitswidrig nicht an die Einreichung der Endabrechnung erinnert worden ist.
55Die Klägerin ist nicht an die Einreichung der Endabrechnung erinnert worden. Diesem Vortrag der Klägerin, der dementsprechend dem Urteil zugrunde zu legen ist, ist das beklagte Land beziehungsweise die Bezirksregierung W. bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht entgegengetreten, obgleich es erstmals mit Verfügung vom 25. Juni 2024 zur Klageerwiderung aufgefordert worden war und wobei eine mit Ladung vom 6. Februar 2025 nach § 87b Abs. 3 VwGO gesetzte Frist zur Darlegung und Unterbeweisstellung des Erfolgtseins von Erinnerungsnachrichten fruchtlos verstrichen ist. Auch enthalten die beigebrachten Verwaltungsvorgänge keine entsprechenden Nachrichten, wobei die Bezirksregierung W. andernorts ihr Bestreiten darauf gestützt hat, dass sich ein Vorgang nicht in den Verwaltungsakten widerspiegelt.
56Dieses Unterbleiben von Erinnerungen stellt unter Berücksichtigung der eigenen Darlegungen der Bezirksregierung W. zu der diesbezüglichen tatsächlichen Verwaltungspraxis und der im Tatbestand zitierten öffentlichen Verlautbarung auf der Homepage der per Verwaltungsvereinbarung in die Förderung eingebundenen zuständigen Bundesbehörde eine Abweichung von der tatsächlichen Verwaltungspraxis dar.
57Diese Divergenz von der tatsächlichen Verwaltungspraxis führt zu einer Atypik.
58Zwar annulliert sie die aufgrund der Angaben im Antragsformular, der Bestimmungen des vorläufigen Bewilligungsbescheids und der Regelungen der FRL und der FAQs bestehende Mitwirkungspflicht in Gestalt der Einreichung der Endabrechnung nicht; nur in diesem Sinne stellen sich die Erinnerungen als „überobligatorisch“ dar.
59Jedoch darf im Rahmen der Ermessensausübung nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Klägerin durch die Abweichung von der tatsächlichen Verwaltungspraxis gleichheitswidrig die Chance genommen worden ist, die aus eigenem Antrieb nicht eingereichte Endabrechnung aufgrund der für sie begünstigenden Erinnerungspraxis vorzunehmen, auf die sie in Ansehung der öffentlichen Verlautbarung auch vertrauen durfte.
60Aufgrund des Bestehens des Neubescheidungsanspruchs stellt sich auch Ziff. 3 des streitgegenständlichen Bescheids als rechtswidrig und die Klägerin in ihren Rechten verletzend dar, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
61Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
62Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2 und 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 Var. 2, §711 Sätze 1 und 2, § 709 Satz 2 ZPO.
63Rechtsmittelbelehrung
64Innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils kann bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf schriftlich beantragt werden, dass das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster die Berufung zulässt. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
65Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster schriftlich einzureichen.
66Der Antrag ist zu stellen und zu begründen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder eine diesen gleichgestellte Person als Bevollmächtigten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Auf die besonderen Regelungen in § 67 Abs. 4 Sätze 7 und 8 VwGO wird hingewiesen.
67Beschluss
68Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
691.873,76 Euro
70festgesetzt.
71Rechtsmittelbelehrung
72Gegen diesen Beschluss kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls das Verwaltungsgericht ihr nicht abhilft. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der genannten Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes zweihundert Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zulässt.