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§ 16 Wohnraumstärkungsgesetz NRW schafft eine Obliegenheit im Hinblick auf die Mitwirkung an der Sachaufklärung, da die Frage, wie eine Wohnung genutzt wird, vor allem die Sphäre der oder des Verfügungsberechtigten sowie der Bewohnerinnen und Bewohner betrifft.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der auf Grund des Urteils vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % der vollstreckbaren Kosten leistet.
Tatbestand
2Die Klägerin wehrt sich mit ihrer Klage gegen eine Ordnungsverfügung mit Zwangsgeldandrohung, durch die ihr aufgegeben wurde, für die Wohneinheiten im Mehrfamilienhaus X.-straße 00 in Düsseldorf Kopien der Mietverträge vorzulegen.
3Die Klägerin ist Eigentümerin des Mehrfamilienhauses X.-straße 00 in Düsseldorf (Altstadt).
4Mit Wirkung vom 4. Oktober 2019 erließ die Beklagte die Satzung zum Schutz und Erhalt von Wohnraum, die der Rat der Stadt Düsseldorf in seiner Sitzung am 29. August 2019 aufgrund § 10 Abs.1 Wohnungsaufsichtsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (WAG NRW) in der Fassung vom 10. April 2014 beschlossen hat. Am 10. März 2022 hat die Beklagte eine Neufassung der Satzung aufgrund des § 12 Abs. 1 des Wohnraumstärkungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen beschlossen.
5§ 7 Abs. 2 Nr. 5 dieser Satzung lautet: „Eine Zweckentfremdung liegt insbesondere vor, wenn der Wohnraum länger als sechs Monate leer steht. Als Beginn des Leerstehenlassens gilt grundsätzlich das Ende des letzten Mietverhältnisses, bei Neubauten der Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit.
6§ 7 Abs. 1 der Satzung lautet: „Die Zweckentfremdung von Wohnraum bedarf einer Genehmigung. Ohne Genehmigung verboten ist jedes Handeln oder Unterlassen Verfügungs – oder Nutzungsberechtigter, durch das Wohnraum seiner eigentlichen Zweckbestimmung entzogen wird.“
7Nach einem Hinweis einer Mieterin des Gebäudes X.-straße 00 in Düsseldorf fand durch Mitarbeiter der Beklagten am 20. November 2023 eine Ortsbesichtigung des Gebäudes statt, ohne dass dieses betreten wurde. Am 2. Mai 2024 fand eine Nachkontrolle statt. Dabei wurde festgestellt, dass ausweislich der Klingelfelder und einer Meldeauskunft drei Klingelfelder leerstehend und zwei auf den Klingelfeldern befindliche Mieter nicht gemeldet seien. Die Wohnung im ersten OG rechts scheine leerstehend zu sein.
8Im Verwaltungsvorgang befindet sich eine E-Mail der Amtsleiterin an die zuständige Sachbearbeiterin vom 14. November 2023 u.a. folgenden Inhalts: „Konkret ging es ihm um die X.-straße 00. Eine Mieterin (…), die lieber nicht genannt werden will, berichtete von Leerstand in ihrem Haus und möglicherweise auch in den umliegenden Häusern („alle Häuser, die der P. verkauft hat“). Der Vermieter hätte eine laut vibrierende Lüftungsanlage aufgehängt, um das Haus zu entmieten.“
9Mit Schreiben vom 11. Juli 2024 bat die Beklagte die Klägerin wegen des Verdachts auf Zweckentfremdung von Wohnraum durch Leerstand gemäß § 22 Abs. 3 WohnStG NRW um eine Nennung der Nutzungen der einzelnen Wohneinheiten mit den jeweiligen Mieterparteien bis zum 1. August 2024. Die Beklagte führte aus, dass durch einen Abgleich der Klingelanlage mit dem Melderegister aufgefallen sei, dass von den baurechtlich genehmigten zehn Wohneinheiten im Objekt max. 7 Wohneinheiten vermietet seien. Augenscheinlich stünden Flächen im ersten Obergeschoss leer.
10Die Klägerin nahm keine Stellung.
11Mit Schreiben vom 14. August 2024 und vom 5. September 2024 erinnerte die Beklagte an die Vorlage einer entsprechenden Übersicht und hörte die Klägerin gleichzeitig zu der Möglichkeit an, dass ihr mittels Ordnungsverfügung aufgegeben werden könne, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die Kopien der Mietverträge vorzulegen. Darüber hinaus wurde der Klägerin die Gelegenheit gegeben, die Leerstände anzuzeigen. Auf keines der Schreiben erfolgte eine Reaktion seitens der Klägerin.
12Unter 11. November 2024 erließ die Beklagte eine Ordnungsverfügung, mit der sie die Klägerin aufforderte, unverzüglich und spätestens bis zum 11. Dezember 2024 für alle Wohneinheiten im Gebäude X.-straße 00 in Düsseldorf, die einer Wohnnutzung zugeführt sind, entsprechende Kopien der Mietverträge vorzulegen. Sofern die Klägerin dieser Verfügung nicht Folge leiste, drohte die Beklagte ein Zwangsgeld i.H.v. 300,00 Euro an. Die Beklagte wies daraufhin, dass die Ordnungsverfügung gemäß § 19 Abs. 6 WohnraumStG NRW sofort vollziehbar sei. Die Beklagte setzte eine Verwaltungsgebühr i.H.v. 100,00 Euro fest.
13Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass Hinweise dazu bestünden, dass in dem Gebäude X.-straße 00 ein ungenehmigter Leerstand gegeben sei. Gemäß § 16 Abs.1 und 22 Abs. 3 Nr. 1 WohnraumStG NRW habe die Klägerin unentgeltlich Auskunft zu geben und Unterlagen vorzulegen, soweit es im Einzelfall der Durchführung des Gesetzes erforderlich sei. Die Gemeinde sei befugt, als Nachweis der Nutzung aktuelle Mietverträge anzufordern. Da die Klägerin auf keines der Aufforderungen der Beklagten reagiert habe, sei die erlassene Ordnungsverfügung notwendig und verhältnismäßig, um auf die ordnungsgemäße Nutzung von Wohnraum hinzuwirken.
14Die Klägerin hat am 11. Dezember 2024 Klage erhoben und einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt (14 L 143/25).
15Zur Begründung führt sie aus, dass die Ermittlungsmethoden der Beklagten teils willkürlich und irreführend erschienen. Der Abgleich von Klingelfeldern sei ein plakatives Beispiel für eine oberflächliche und fehleranfälliger Methode, die keine belastbaren oder rechtlich verwertbaren Ergebnisse liefern könne. Das Gebäude verfüge über zehn Wohnungen. In der Wohnung im ersten Obergeschoss rechts wohne seit dem 1. November 2006 eine Mieterin, Frau H., die sich öfters in Südfrankreich aufhalte. Es sei nicht dargelegt, wofür die Beklagte die Mietverträge brauche. Auch die anderen Wohnungen seien vermietet. Die Klägerin habe keinen Einfluss auf die Mieter dahingehend, ob diese sich ordnungsbehördlich anmelden.
16Die Klägerin beantragt,
17die Ordnungsverfügung sowie den Gebührenbescheid der Beklagten vom 11. November 2024 aufzuheben,
18Die Beklagte beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Die Beklagte wiederholt im Wesentlichen die Ausführungen aus ihrer Ordnungsverfügung vom 11. November 2024 und führt ergänzend aus, dass die Klägerin die im Rahmen des Ermittlungsgrundsatzes durchgeführten Prüfungen verkenne. Bei einem Abgleich der Meldeauskunft mit den Klingelfeldern habe sich ergeben, dass bis auf zwei Personen alle gemeldeten Bewohnern den vorhandenen Klingelfeldern hätten zugeordnet werden können. Dies zeigte, dass max. 7 Wohneinheiten tatsächlich bewohnt seien. Dadurch, dass die Klägerin nicht auf die Anhörungsschreiben reagiert habe, habe zur weiteren Sachverhaltsaufklärung die Ordnungsverfügung erlassen werden müssen. Die festgestellten Unstimmigkeiten bestünden weiterhin.
21In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte ein Foto des Klingelfeldes sowie einen Melderegisterauszug vom 31. März 2025 vorgelegt. Die Verhandlung diente gleichzeitig der Erörterung des Verfahrens 14 L 143/25, das die Beteiligten im Termin für erledigt erklärt haben.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt das Gericht Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten.
23Entscheidungsgründe
24Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
25Die als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1, 1. Alt. VwGO statthafte Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Denn die angefochtene Ordnungsverfügung vom 11. November 2024 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
26Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 16 Abs. 1 Wohnraumstärkungsgesetz Nordrhein-Westfalen (WohnStG). Danach haben unter anderem Verfügungsberechtigte unentgeltlich Auskunft zu geben und Unterlagen vorzulegen, soweit es im Einzelfall zur Durchführung des Gesetzes erforderlich ist. Sie sollen nur dann herangezogen werden, wenn und soweit der Sachverhalt dadurch einfacher und zügiger aufgeklärt werden kann.
27Die Vorschrift schafft damit eine Obliegenheit im Hinblick auf die Mitwirkung an der Sachaufklärung, da die Frage, wie eine Wohnung genutzt wird, vor allem die Sphäre der oder des Verfügungsberechtigten sowie der Bewohnerinnen und Bewohner betrifft. Der zur Auskunft Verpflichtete kann dabei gemäß § 26 Abs. 2 Satz 4 VwVfG NRW die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihn selbst oder einen der in § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ZPO bezeichneten Angehörigen der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen würde.
28Vgl.: Leitfaden zum Wohnraumstärkungsgesetz, hrsg. vom Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen, Stand: Dezember 2022, S. 60.
29Diese Voraussetzungen lagen zum hier allein maßgeblichen Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung vom 11. November 2024 vor.
30In dem Wohngebäude war durch einen Hinweis einer Mieterin und anlässlich von 2 Ortsbesichtigungen vom 20. November 2023 und vom 2. Mai 2024 festgestellt worden, dass es einige Unstimmigkeiten in Bezug auf die Wohnnutzung bzw. einen möglichen Leerstand des Gebäudes gebe. Dies hat die Beklagte durch die Inaugenscheinnahme des Gebäudes, der Klingelanlage und den Abgleich mit Melderegisterauskünften hinreichend dokumentiert, so dass insofern auf den Verwaltungsvorgang Bezug genommen wird.
31Die Klägerin ist als Eigentümerin Verfügungsberechtigte gemäß § 3 Abs. 5 WohnStG.
32Die seitens der Klägerin vorgetragenen Gründe, die Vorlage der Unterlagen zu verweigern, sind angesichts der aufgezeigten Unstimmigkeiten im Hinblick auf einen möglichen Leerstand weder erheblich noch nachvollziehbar. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte die bestehenden Unklarheiten mit anderen Mitteln einfacher oder zügiger aufklären könnte. Etwaige persönliche Befindlichkeiten und private Belange wie das Vermeiden von Präzedenzfällen haben hinter dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung von bestehendem Wohnraum zurückzutreten. Ebenso ist die Haltung der Klägerin, die gesetzliche Verpflichtung schlicht ignorieren zu wollen, nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung in Zweifel zu ziehen. Da die Klägerin sich nicht auf ein Aussageverweigerungsrecht berufen hat, besteht ihre Mitwirkungsobliegenheit nach Maßgabe der angefochtenen Ordnungsverfügung.
33Vgl.: VG Düsseldorf, Urteil vom 27. November 2023 – 14 K 5076/23.
34Ausweislich der in der mündlichen Verhandlung seitens der Beklagten vorgelegten Unterlagen, aus denen sich lediglich die Nutzung von 5 der insgesamt 10 Wohneinheiten nachvollziehen lässt, besteht der Aufklärungsbedarf auch weiterhin. Daran ändern auch die Ausführungen im Schriftsatz der Klägerin vom 7. April 2025 nichts, zumal z.B. die Mieter „Y./B.“ nicht mehr auf dem aktuellen Klingelschild befindlich sind.
35Die mit der Grundverfügung verbundene Androhung eines Zwangsgeldes erweist sich ebenfalls als rechtmäßig; sie hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 63, 60 VwVG NRW. Grundsätzlich kann nach § 55 Abs. 1 VwVG NRW ein Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung oder Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, mit Zwangsmitteln - hier mit einem Zwangsgeld - durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat. Nach § 63 Abs. 1 VwVG NRW ist in der Androhung zur Erfüllung der Verpflichtung eine angemessene Frist zu bestimmen. Nach den vorstehenden Grundsätzen ist die hier vorgenommene Zwangsgeldandrohung als rechtmäßig anzusehen.
36Im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen, um Wiederholungen zu vermeiden, § 117 Abs. 5 VwGO.
37Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
38Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
39Rechtsmittelbelehrung
40Innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils kann bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf schriftlich beantragt werden, dass das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster die Berufung zulässt. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
41Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster schriftlich einzureichen.
42Der Antrag ist zu stellen und zu begründen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder eine diesen gleichgestellte Person als Bevollmächtigten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Auf die besonderen Regelungen in § 67 Abs. 4 Sätze 7 und 8 VwGO wird hingewiesen.
43Beschluss
44Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
45400,00 Euro
46festgesetzt.
47Gründe
48Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 GKG. Der festgesetzte Wert entspricht der beantragten Geldleistung.
49Rechtsmittelbelehrung
50Gegen diesen Beschluss kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls das Verwaltungsgericht ihr nicht abhilft. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der genannten Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes zweihundert Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zulässt.