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Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers mit dem Aktenzeichen 8 K 1066/23 wird hinsichtlich der Ziffern 1, 2, 5 und 6 der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 17. Januar 2023 wiederhergestellt und hinsichtlich der Ziffern 3, 4 und 7 bis 12 der vorgenannten Ordnungsverfügung angeordnet.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
2I.
3Der am 00. Januar 0000 geborene Antragsteller ist tadschikischer Staatsangehöriger. Er reiste am 27. April 2011 erstmalig ins Bundesgebiet ein und stellte am 2. Mai 2011 einen Asylantrag. Mit Bescheid vom 19. Juli 2012 erkannte ihm das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft zu.
4Im Februar 2014 heiratete der Antragsteller eine polnische Staatsangehörige. Aus der Beziehung gingen zwei Söhne hervor, die im August 2013 und März 2015 geboren wurden. Am 30. Oktober 2015 erteilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 Satz 1 AufenthG. Ende 2017/Anfang 2018 trennte sich die Ehefrau des Antragstellers von ihm und zog mit den gemeinsamen Söhnen zurück zu ihrer Familie nach Polen. Die Ehe besteht nach Aktenlage fort.
5Der Antragsteller ist in Deutschland nach Erteilung der Arbeitserlaubnis durchgehend einer Erwerbstätigkeit nachgegangen.
6Am 15. März 2019 wurde der Antragsteller vorläufig festgenommen. Er befand sich seit dem Folgetag in Untersuchungshaft.
7Mit Urteil vom 26. Januar 2021 (0 StS 0/00) verurteilte das Oberlandesgericht G. den Antragsteller wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition sowie in einem weiteren Fall in Tateinheit mit einer Zuwiderhandlung gegen das Bereitstellungsverbot eines unmittelbar geltenden Rechtsaktes der Europäischen Union, der der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme dient, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren.
8Dieser Verurteilung lag zu Grunde, dass der Antragsteller mit weiteren Beschuldigten in Deutschland eine Zelle der außereuropäischen terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat" (im Folgenden: IS) gründete. Die Gruppe verfolgte, angetrieben von ihrer radikalislamischen Gesinnung, das Ziel, auf Seiten des IS den Dschihad mit Mitteln des bewaffneten Kampfes zu führen. Konkrete Unterstützungshandlungen durch den Antragsteller wurden für den Zeitraum zwischen Januar und März 2019 festgestellt.
9Die Revision des Antragstellers verwarf der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 11. August 2021 (3 StR 173/21).
10Mit Schreiben vom 13. September 2021 erklärte das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen (im Folgenden: MKFFI) gegenüber der Ausländerbehörde H., dass zum Antragsteller Anhaltspunkte vorlägen, dass ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG bestehe. Daher erkläre das MKFFI zur zweckmäßigen Erfüllung ordnungsbehördlicher Aufgaben, dass in diesem Einzelfall die Antragsgegnerin die Zuständigkeit übernehme. Somit sei nunmehr nach § 15 Abs. 9 der Verordnung über Zuständigkeiten im Ausländerwesen - ZustAVO NRW - vom 10. September 2019 (ZustAVO NRW) die Antragsgegnerin für alle aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen betreffend den Antragsteller zuständig.
11Mit Bescheid vom 17. Januar 2023 stellte die Antragsgegnerin den Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt für die Bundesrepublik Deutschland fest (Ziffer 1), wies den Antragsteller aus dem Bundesgebiet aus (Ziffer 2), forderte ihn für den Fall einer vorzeitigen Haftentlassung auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb 30 Tagen nach Haftentlassung zu verlassen und drohte ihm die Abschiebung nach Tadschikistan oder in einen anderen Staat, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist an, wobei sie darauf hinwies, dass eine Abschiebung für die Dauer des bestehenden Abschiebeverbotes nicht erfolgen werde (Ziffer 3). Darüber hinaus erließ die Antragsgegnerin ein einheitliches, auf 20 Jahre befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot (Ziffer 4), beschränkte den Aufenthalt des Antragstellers auf den Bezirk der Stadt H. (Ziffer 5), gab ihm auf; sich ab dem Tag der Haftentlassung täglich zwischen 10:00 Uhr und 12:00 Uhr in der Polizeiwache im Polizeipräsidium, B.-straße 000, 00000 H., unter Vorlage eines gültigen Identifikationsdokuments zu melden (Ziffer 6) und untersagte ihm den Kontakt zu sieben namentlich im Bescheid aufgeführten Personen (Ziffer 7). Des Weiteren untersagte die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Nutzung von Messengerdiensten wie WhatsApp, Zello, Telegram, etc. und vergleichbarer internetgestützter Kommunikationsdienste (Ziffer 8) und drohte für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Nr. 5 bis Nr. 8 jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 100,00 Euro an (Ziffern 9 -12). Zuletzt ordnete die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung der Ziffern 1, 2, 5 und 6 an (Ziffer 13).
12Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, durch den Wegzug seiner Ehefrau mit den gemeinsamen Söhnen nach Polen könne der Antragsteller ein Freizügigkeitsrecht als Familienangehöriger von diesen nicht mehr ableiten. Ein eigenes Aufenthaltsrecht nach dem FreizügG/EU habe er nicht erworben. Die Ausweisung sei nach Feststellung des Verlustes seines Freizügigkeitsrechts aufgrund des Vorliegens eines besonders schweren Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erforderlich. Der Antragsteller sei Mitglied einer terroristischen Vereinigung und stelle nicht nur eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, sondern eine terroristische Gefahr dar. Aufgrund seiner Tätigkeiten in einer IS-Zelle gehe von ihm eine besonders schwerwiegende Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland aus, welche auch nach internationalen Vorschriften als zwingende Gründe im Sinne des Freizügigkeitsrechts und des § 53 Abs. 1, Abs. 3a AufenthG anzusehen seien. Eine ernsthafte und glaubhafte Distanzierung sei bisher nicht feststellbar. Durch die Verurteilung erfülle der Antragsteller außerdem das besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG. Aufgrund seiner tiefen Verwurzelung in der Ideologie des IS sei auch eine Wiederholungsgefahr weiterhin gegeben. § 53 Abs. 3a AufenthG stehe der Ausweisung nicht entgegen. Das Bleibeinteresse des Antragstellers nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG trete hinter dem besonders schweren Ausweisungsinteresse zurück.
13Der Antragsteller hat am 14. Februar 2023 Klage erhoben und einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, er sei entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin weiterhin freizügigkeitsberechtigt. Er habe aufgrund des fünfjährigen Zusammenlebens mit seinem Sohn ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erworben. Darüber hinaus sei auch zu berücksichtigen, dass er weiterhin eine intensive Beziehung zu seinen Kindern und der Ehefrau pflege und diese beabsichtigte, nach seiner Haftentlassung mit ihm im Bundesgebiet zusammenzuleben. Im Rahmen der Ausweisungsentscheidung habe die Antragsgegnerin nicht hinreichend berücksichtigt, dass er auch nach den Feststellungen des Oberlandesgerichtes G. von seinem Handeln erkennbar und glaubhaft Abstand genommen habe. Er bereue seine Taten und sei bereit, die Verantwortung hierfür zu übernehmen. Er sei kein tief in der IS-Ideologie verwurzelter Täter, wie die Antragsgegnerin meine. Er nehme an einem Aussteigerprogramm des Innenministeriums teil und habe sich bei einer Suchtgruppe angemeldet, um sich mit seiner Spielsucht auseinanderzusetzen. Eine Wiederholungsgefahr sei daher nicht gegeben. Zuletzt sei auch die ihm von Bundesamt im Jahr 2012 zuerkannte Flüchtlingseigenschaft und die dieser zugrundeliegende Verfolgungsgefahr in seinem Heimatland im Rahmen seiner Bleibeinteressen nicht hinreichend berücksichtigt worden. Diese Gefahr bestehe auch aktuell fort, so dass eine allein auf generalpräventive Gründe gestützte Ausweisung nicht zulässig sei. Daher sei auch die Abschiebungsandrohung nach Tadschikistan rechtswidrig. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot von 20 Jahren sei insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass seine polnische Ehefrau plane mit den gemeinsamen Söhnen wieder ins Bundesgebiet zu ziehen unverhältnismäßig lang. Auch die darüber hinaus verfügten Auflagen und Verbote seien unverhältnismäßig und damit rechtswidrig.
14Der Antragsteller beantragt wörtlich,
15die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 17. Januar 2023 wiederherzustellen.
16Die Antragsgegnerin beantragt,
17den Antrag abzulehnen.
18Zur Begründung verweist sie auf den angefochtenen Bescheid und führt darüber hinaus im Wesentlichen aus, der Antragsteller könne ein Freizügigkeitsrecht von seinen Kindern nicht ableiten, weil nach dem Gesetzeswortlaut eine solche Ableitung nur im Fall der Unterhaltsgewährung durch die Kinder möglich sei, nicht umgekehrt. Auch aus Art. 21 AEUV ergebe sich kein eigenes Freizügigkeitsrecht des Antragsstellers. Diese Norm sei ebenfalls nicht geeignet, dem Antragsteller ein eigenes, sondern nur ein abgeleitetes Freizügigkeitsrecht zu vermitteln. Damit habe der Antragsteller ein Daueraufenthaltsrecht nicht erworben.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Antragsgegnerin und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge Bezug genommen.
20II.
21Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat Erfolg.
22Der dem Wortlaut nach gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. Januar 2023 wiederherzustellen, ist nach dem verfolgten Rechtsschutzziel gemäß §§ 88, 122 Abs. 1 VwGO sachdienlich dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller umfassenden Rechtsschutz hinsichtlich der im Hauptsacheverfahren angefochtenen Ordnungsverfügung begehrt, weshalb der Antrag auch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Übrigen durch das Gericht umfasst.
23I. Der so verstandene Antrag ist zulässig.
24Soweit die Antragsgegnerin in Ziffer 13 des Bescheides vom 17. Januar 2023 auf Grundlage von § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung der Ziffern 1, 2, 5 und 6 angeordnet hat, ist der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO statthaft. Hinsichtlich des in Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheides verfügten Einreise- und Aufenthaltsverbots, des in Ziffer 7 verfügten Kontaktverbotes und der in Ziffer 8 verfügten Untersagung der Verwendung verschiedener Messengerdienste ist ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO statthaft, da die aufschiebende Wirkung der Klage insofern gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO nach § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AufenthG und § 56 Abs. 5 Satz 2 AufenthG in der zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung gültigen Fassung vom 21. Februar 2024, wonach Anordnungen nach § 56 Abs. 1 bis Abs. 4 AufenthG sofort vollziehbar sind, entfällt. Hinsichtlich der in Ziffer 3 verfügten Abschiebungsandrohung sowie der in den Ziffern 9 bis 12 ausgesprochenen Zwangsgeldandrohungen entfällt die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO i.V.m. § 112 JustG NRW.
25II. Der Antrag ist auch begründet.
26Die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anzustellende Interessenabwägung fällt zugunsten des Antragstellers aus.
27Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3a VwGO ganz oder teilweise anordnen, im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO wiederherstellen.
28Diese gerichtliche Entscheidung hängt von einer Abwägung der widerstreitenden Interessen an der Suspendierung der angefochtenen Maßnahme einerseits und der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits ab. Bei der Abwägung sind die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Ergibt die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotene summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, überwiegt das private Aufschubinteresse des Antragstellers. Denn an der Vollziehung einer rechtswidrigen hoheitlichen Maßnahme kann kein schutzwürdiges Interesse bestehen. Ist hingegen der angegriffene Bescheid rechtmäßig, überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse am Bestand des Sofortvollzugs. Erweist sich der Ausgang des Hauptsacheverfahrens als offen, hat eine Abwägung der wechselseitigen Interessen zu erfolgen.
29Nach diesen Maßstäben geht die Interessenabwägung zugunsten des Antragstellers aus. Die streitgegenständliche Ordnungsverfügung erweist sich bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung bereits als formell rechtswidrig.
30Die Antragsgegnerin ist für ausländerrechtliche Maßnahmen gegenüber dem Antragsteller sachlich nicht zuständig. Die ursprünglich bei der Stadt H. liegende örtliche und sachliche Zuständigkeit, vgl. § 71 Abs. 1 AufenthG i.V.m. §§ 1 Nr. 3, 15 Abs. 3 ZustAVO NRW, ist nicht gemäß § 15 Abs. 9 ZustAVO NRW auf die Antragsgegnerin übergegangen.
31§ 15 Abs. 9 ZustAVO NRW ist materiell rechtswidrig und damit unwirksam: Die Vorschrift ist nicht mit höherrangigem Recht vereinbar, weil sie die Grenzen der ihr zugrundeliegenden Verordnungsermächtigung überschreitet (1.) und darüber hinaus dem Bestimmtheitsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG nicht genügt (2.). Sollte § 15 Abs. 9 ZustAVO NRW wirksam sein und Anwendung finden, ist die dort vorgesehene Übertragung der Zuständigkeit auf die Antragsgegnerin jedenfalls nicht in rechtmäßiger Weise erfolgt (3.).
321. § 15 Abs. 9 ZustAVO NRW genügt zunächst nicht den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG, weil die Vorschrift sich nicht innerhalb der vorgegebenen Grenzen der ihr zugrundeliegenden Verordnungsermächtigung hält.
33Die sachliche Zuständigkeit für aufenthalts- und passrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen nach dem Aufenthaltsgesetz und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen, zu denen unter anderem auch das FreizügG/EU gehört,
34vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2011 - 1 C 18.10 -, juris Rn. 8 ff.; Urteil vom 16. Dezember 2021 - 1 C 60.20 -, juris Rn. 21, und Beschluss vom 2. Dezember 2021 - 1 B 38.21 -, juris Rn. 6 ff.; Gutmann in: GK-AufenthG, § 71 Rn. 6 ff., Rn. 10 <Stand: 4/2021>,
35weist § 71 Abs. 1 Satz 1 AufenthG den Ausländerbehörden zu. Gemäß § 71 Abs. 1 Satz 2 AufenthG kann die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle bestimmen, dass für einzelne Aufgaben nur eine oder mehrere bestimmte Ausländerbehörden zuständig sind. Der Bundesgesetzgeber hat indes weder in § 71 AufenthG noch in einer sonstigen Vorschrift selbst bestimmt, welche Behörden als Ausländerbehörden anzusehen sind. Das Bundesrecht enthält mithin hinsichtlich der Vollziehung des Aufenthaltsgesetzes keine Vollregelung der sachlichen Zuständigkeit, sondern ist auf eine Ergänzung durch die jeweiligen Organisationsbestimmungen der Länder angewiesen,
36vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Dezember 2021 - 1 B 38/21 -, juris Rn. 5; Gutmann, in: GK-AufenthG, § 71 Rn. 6 ff. <Stand: 4/2021>; Wittmann, in: BeckOK MigR, 9. Ed. 15.10.2021, § 71 AufenthG Rn. 3.
37Werden Bundesgesetze von den Ländern als eigene Angelegenheit ausgeführt, ist es gemäß Art. 84 Abs. 1 Satz 1 GG Aufgabe der Länder, die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren zu regeln. Die Festlegung des Aufgabenkreises einer Behörde ist eine Regelung über die „Einrichtung" von Behörden in diesem Sinne,
38vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Juli 2002 - 1 BvF 1/01, 1 BvF 2/01 - juris Rn. 48.
39Die Bestimmung, welche konkreten (Landes-)Behörden als Ausländerbehörde anzusehen sind, fällt deshalb gemäß Art. 84 Abs. 1 Satz 1 GG in die Regelungskompetenz der Länder und kann grundsätzlich durch Rechtsverordnung geschehen,
40vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Dezember 2021 - 1 B 38/21 -, juris Rn. 6, m.w.N.
41Die rechtlichen Anforderungen an solche Rechtsverordnungen konkretisieren Art. 80 GG und Art. 70 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen (Verf NW). Für landesgesetzliche Verordnungsermächtigungen ist Art. 80 Abs. 1 GG zwar nicht unmittelbar anwendbar, die in Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG festgelegten, aus dem rechtsstaatlichen und demokratischen Verfassungssystem des Grundgesetzes folgenden Grundsätze sind aber auch für die Landesgesetzgebung verbindlich.
42Vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Mai 1961 - 1 BvR 203/53 –, BVerfGE 12, 319-326, Rn. 28; Beschluss vom 25. November 1980 - 2 BvL 7/76 -, BVerfGE 55, 207-244, Rn. 85; Beschluss vom 19. November 2002 - 2 BvR 329/97 -, BVerfGE 107, 1 bis 27, Rn. 50, Rn. jeweils bei juris.
43Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 70 Satz 2 Verf NW muss das Gesetz, welches zum Erlass einer Rechtsverordnung ermächtigt, Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmen. Aus dem dahinterstehenden, im Rechtsstaats- und Demokratieprinzip angelegten Prinzip des Vorbehalts des Gesetzes folgt aber auch, dass eine Rechtsverordnung sich in den Grenzen der gesetzlichen Ermächtigung halten muss. Gestattete das Grundgesetz Rechtsverordnungen, die sich nicht im Rahmen der jeweiligen gesetzlichen Ermächtigung halten, wären auch die Anforderungen, die Art. 80 Abs. 1 GG an das ermächtigende Gesetz stellt, sinnlos. Die Frage, ob eine Verordnung von der in Anspruch genommenen Ermächtigungsgrundlage gedeckt ist, hat daher über ihre Bedeutung als Vorfrage der verfassungsrechtlichen Prüfung hinaus Relevanz,
44vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. April 2014 - 2 BvF 1/12 -, BVerfGE 136, 69-119, juris Rn. 45, m.w.N.
45Auch im Falle einer Subdelegation sind die durch die Ermächtigungsgrundlage gezogenen Grenzen zu beachten. Eine Rechtsverordnung genügt den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG danach nur, wenn sie sich in den Grenzen der (wirksamen) gesetzlichen Ermächtigung hält; andernfalls würde Art. 80 Abs. 1 GG unterlaufen,
46vgl. BVerfG, Urteil vom 19. September 2018 – 2 BvF 1/15 –, BVerfGE 150, 1-163, juris Rn. 209, m.w.N.
47Während der Gesetzgeber grundsätzlich einen weiten Spielraum für seine Gestaltung besitzt und dabei auch Gleich- wie Ungleichstellungen anordnen kann, wenn sie sachgerecht sind, ist der Verordnungsgeber enger gebunden. Er kann verfassungsrechtlich von vornherein einen Gestaltungsraum nur innerhalb der ihm jeweils auf Grund des Art. 80 Abs. 1 GG gezogenen Grenzen haben. Das Gleichheitsgebot bedeutet dann für den Verordnungsgeber, dass er im wohlverstandenen Sinne der ihm erteilten Ermächtigung zu handeln hat. Nur so wird die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers auch im Verhältnis zum Verordnungsgeber gewahrt,
48vgl. BVerfG, Urteil vom 13. Dezember 1961 - 1 BvR 1137/59 u. 278/60 -, juris Rn. 23.
49Unter Anwendung dieser Grundsätze überschreitet § 15 Abs. 9 ZustAVO NRW den von § 71 Abs. 1 Satz 2 AufenthG i.V.m. § 5 des Gesetzes über die Organisation der Landesverwaltung (LOG NRW) vorgeschriebenen Rahmen.
50Ob § 71 Abs. 1 Satz 2 AufenthG eine eigenständige bundesgesetzliche Verordnungsermächtigung in diesem Sinne enthält,
51vgl. hierzu bejahend: VGH BW, Beschluss vom 26. April 2023 -. 12 S 3293/21 -, juris Rn. 11; offenlassend: BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2021 - 1 C 60/20 -, juris Rn. 23, kritisch: OVG Bremen, Urteil vom 30. September 2020 - 2 LC 166/20 -, juris Rn. 30,
52kann dahinstehen. Die ZustAVO NRW beruht jedenfalls auch auf § 5 Abs. 2 LOG NRW. Nach dieser Norm ist von einer Ermächtigung zur Übertragung von Befugnissen der obersten Landesbehörde durch Bundes- oder Landesrecht durch Rechtsverordnung Gebrauch zu machen, sofern nicht besondere Gründe die Zuständigkeit der obersten Landesbehörde erfordern. Die in § 71 Abs. 1 Satz 2 AufenthG enthaltene bundesgesetzliche Ermächtigung der Bestimmung der Zuständigkeit einer oder mehrerer bestimmter Ausländerbehörden für einzelne Aufgaben, wird durch § 5 LOG NRW landerechtlich dahingehend konkretisiert, dass der Landesregierung oder einer von ihr bestimmten Stelle die Befugnis übertragen wird durch Rechtsverordnung, die sachliche Zuständigkeit für einzelne Aufgaben an eine oder mehrere bestimmte Ausländerbehörden zu übertragen. Von der Befugnis nach § 71 Abs. 1 Satz 2 AufenthG i.V.m. § 5 LOG NRW ist durch Erlass der ZustAVO NRW Gebrauch gemacht worden.
53Die Bestimmung der Antragsgegnerin als Ausländerbehörde durch § 15 Abs. 9 ZustAVO NRW hält sich jedoch nicht im Rahmen der durch § 71 Abs. 1 Satz 2 AufenthG i.V.m. § 5 LOG NRW erteilten Ermächtigung.
54§ 71 Abs. 1 Satz 2 AufenthG ermächtigt nämlich nur zur Übertragung einzelner sachbezogener Aufgaben; § 15 Abs. 9 ZustAVO NRW hingegen überträgt nach seinem Wortlaut nicht einzelne Aufgaben, sondern alle aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen in einem konkreten personenbezogenen Einzelfall.
55§ 71 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bestimmt die sachliche Zuständigkeit der Ausländerbehörden allgemein, für aufenthalts- und passrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen nach diesem Gesetz und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen.
56§ 71 Abs. 1 Satz 2 AufenthG ermächtigt daran anschließend in einem zweiten Schritt zur Übertragung einzelner Aufgaben, indem den Ländern das sich auch aus § 5 LOG NRW ergebende Recht zur Behördenkonzentration eingeräumt wird. Bestimmte Aufgaben werden den sonst allgemein zuständigen Ausländerbehörden ganz entzogen und einer bestimmten Behörde zur alleinigen Erfüllung zugewiesen. Dabei ermächtigt das Gesetz dem eindeutigen Wortlaut nach zur Konzentration von bestimmten Aufgaben, z.B. zur Durchführung von Abschiebungen,
57vgl. Kolber, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Auflage ‚(2022), § 71 AufenthG Rn. 11.
58Damit trennt bereits der Wortlaut die Bestimmung der allgemeinen Zuständigkeit (Aufgaben als Gesamtes Stufe 1) von den einzelnen Aufgaben (Stufe 2), an die eben nicht generell angeknüpft wird und die erst nach der vom Einzelfall losgelösten Zuständigkeitsbestimmung erfolgt.
59Diese Form der Zuständigkeitskonzentrationen für bestimmte Aufgaben findet sich auch in den Sätzen 3 und 4 des § 71 Abs. 1 AufenthG. Danach ist für die Aufgabe der Vollziehung von Abschiebungen in den Ländern jeweils eine zentral zuständige Stelle zu bestimmen (Satz 3); die Länder sollen für die Aufgabe der Visumanträge nach § 6 zu bestimmten Aufenthaltszwecken jeweils mindestens eine zentrale Ausländerbehörde einrichten (Satz 4). Geregelt ist dort als Ausfluss von Satz 2 eben die Konzentration von Aufgabenbereichen, nämlich der Vollzug aller Abschiebungen und die Bearbeitung aller Visumsanträge im Bereich der örtlichen Zuständigkeit.
60Der Begriff der Aufgabe umfasst auch bei systematischer Auslegung im Aufenthaltsrecht eine generelle Umschreibung des Tätigkeitsbereiches für alle betroffenen und nicht nur einzelne Ausländer. So findet sich etwa in § 93 AufenthG eine Beschreibung der „Aufgaben“ der oder des Beauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration. Diese werden losgelöst von irgendwelchen Einzelfällen für alle Ausländer festgelegt. Selbiges gilt für die Aufgabenbeschreibung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (§ 75 AufenthG).
61Historisch greift § 71 Abs. 1 AufenthG mit seinem bis heute unveränderten Satz 2 den § 63 Abs. 1 AuslG (1990) auf,
62vgl. BT-Drs. 15/420, Seite 94.
63Die Regelung entspricht danach der vorherigen wortgleichen Regelung in § 63 Abs. 1 Satz 2 AuslG (1990), die mit Art. 2 Nr. 11 des Gesetzes zur Neuregelung des Asylverfahrens vom 26. Juni 1992 (BGBl. I, Seite 1126, BT-Drs. 12/2062, Seite 46) eingeführt worden war.
64Das AuslG (1990) verzichtete dabei im Gegensatz zum Ausländergesetz (1965) - § 20 Abs. 3 AuslG (1965) enthielt neben detaillierten Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit in den Abs. 1 und Abs. 2 für die sachliche Zuständigkeit eine Aufgabenzuweisung auf die Behörden der inneren Verwaltung auf Kreisebene - weitestgehend auf die Regelung der örtlichen und funktionellen Zuständigkeit, insbesondere soweit die ausländerrechtlichen Bestimmungen von den Ländern ausgeführt werden. Dieser Verzicht entspricht der den Ländern vom Grundgesetz zugewiesenen Verwaltungskompetenz,
65vgl. BT-Drs. 11/6321, Seite 78.
66Absatz 1 sollte dabei im Wesentlichen nur informatorischer Charakter zukommen. Der Rechtssuchende soll dem Gesetz entnehmen können, an welche Behörde er sich zu wenden hat,
67vgl. BT-Drs. 11/6321, Seite 78.
68Bereits im Rahmen der Einrichtung der Behörden durch die Länder zur „Wahrnehmung der Aufgabe der Ausländerbehörden“, ging es um die Frage, welche Behörden damit betraut werden sollten,
69vgl. GK-AuslR, II-§ 63 (Stand: Juni 1998), Rn. 7.
70Entsprechend regelte Satz 2 die Zuständigkeitskonzentration,
71vgl. GK-AuslR, II-§ 63 (Stand: Juni 1998), Rn. 15,
72und nicht die Übertragung von Entscheidungen in übertragenen Einzelfällen.
73§ 15 Abs. 9 ZustAVO NRW hingegen überträgt nach seinem Wortlaut nicht einzelne Aufgaben, sondern alle aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen in einem konkreten Einzelfall, wenn die oberste Ausländerbehörde zur zweckmäßigen Erfüllung ordnungsbehördlicher Aufgaben gegenüber der bisher zuständigen unteren oder Zentralen Ausländerbehörde erklärt, dass die Zentrale Ausländerbehörde L. die Zuständigkeit übernimmt. Eine solche einzelfallbezogene Übertragungskompetenz enthalten jedoch weder § 71 Abs. 1 Satz 2 AufenthG noch § 5 LOG NRW.
742. § 15 Abs. 9 ZustAVO NRW genügt darüber hinaus dem aus Art. 20 Abs. 3 GG abgeleiteten Bestimmtheitsgebot nicht. Dieses gilt wegen der grundrechtlichen Bedeutung für den Ausländer auch für Zuständigkeitsvorschriften im Aufenthaltsrecht,
75vgl. Berlit, GK-AufenthG - Gemeinschaftskommentar zum Aufenthaltsgesetz, § 71 AufenthG, Rn. 17 m.w.N.
76Nach dem aus Art. 20 Abs. 3 GG abgeleiteten Bestimmtheitsgrundsatz ist der Gesetzgeber verpflichtet, seine Vorschriften so zu fassen, dass sie den aus dem Rechtstaatsprinzip abgeleiteten Anforderungen der Bestimmtheit, der Normenklarheit und der Justitiabilität entsprechen,
77vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Januar 1967 - 1 BvR 169/63 -, juris Rn. 17.
78Das Gebot der hinreichenden Bestimmtheit und Klarheit der Norm fordert vom Normgeber, seine Regelungen grundsätzlich widerspruchsfrei und so genau zu fassen, dass die Normadressaten die Rechtslage – also Inhalt und Grenzen von Ge- oder Verbotsnormen – in zumutbarer Weise erkennen und ihr Verhalten danach ausrichten können. Der Normgeber darf dabei grundsätzlich auch auf unbestimmte Rechtsbegriffe zurückgreifen, wenn die Kennzeichnung der Normtatbestände mit beschreibenden Merkmalen nicht möglich ist. Die Auslegungsbedürftigkeit einer Norm steht ihrer Bestimmtheit grundsätzlich nicht entgegen; allerdings müssen sich aus Wortlaut, Zweck und Zusammenhang der Regelung objektive Kriterien gewinnen lassen, die einen verlässlichen, an begrenzende Handlungsmaßstäbe gebundenen Vollzug der Norm gewährleisten,
79vgl. BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 - 1 BvR 668/04 - juris Rn. 118 ff.; Beschluss vom 6. Mai 2008 - 2 BvR 336/07 - juris Rn. 14; Sommermann in v.Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 289 m.w.N.
80Dabei dienen die Anforderungen an die Bestimmtheit und Klarheit der Norm zum einen dazu, die Verwaltung zu binden und ihr Verhalten nach Inhalt, Zweck und Ausmaß zu begrenzen,
81vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Januar 1981 - 2 BvL 3/77 -, Rn. 42; Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvF 3/92 -, juris, Rn. 105.
82Dies setzt voraus, dass hinreichend klare Maßstäbe bereitgestellt werden,
83vgl. BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 – 1 BvR 668/04 –, BVerfGE 113, 348-392, Rn. 120.
84Zum anderen gewährleistet der Bestimmtheitsgrundsatz, dass die Gerichte in der Lage sind, die Anwendung der betreffenden Rechtsvorschrift durch die Verwaltung zu kontrollieren,
85vgl. BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 - 1 BvR 668/04 -, Rn. 118-121, juris; Beschluss vom 8. Januar 1981 - 2 BvL 3/77 -, BVerfGE 56, 1-22.
86Der Grad der von Verfassungs wegen geforderten Bestimmtheit einer Norm hängt sowohl von der Eigenart des geregelten Sachverhalts und den jeweiligen (Grundrechts-)Auswirkungen der Regelung für die Betroffenen als auch von der Art und Intensität des zugelassenen behördlichen Eingriffs ab,
87vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 3 C 7/12 -, juris Rn. 16.
88Es reicht aus, dass sich mit Hilfe juristischer Auslegungsmethoden, insbesondere durch Heranziehung anderer Vorschriften des Gesetzes, der Berücksichtigung des Normzusammenhangs sowie der Begründung eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Vorschrift gewinnen lässt,
89vgl. BVerfG, Urteil vom 23. Oktober 1951 - 2 BvG 1/51 -, BVerfGE 1, 14 ff <45>; Beschluss vom 12. Februar 1969 - 1 BvR 687/62 –,25, 216 ff. <227>; Bay. VGH, Entscheidung vom 11. November 1997 - Vf. 22-VII-94 -, juris, Rn. 153.
90Der Bestimmtheitsgrundsatz schließt deshalb auch nicht aus, dass in Normen unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet werden. Dies trifft auch auf Generalklauseln zu,
91vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Mai 1989 – 1 BvL 35/86 –, BVerfGE 80, 103-109, Rn. 1; Urteil vom 17. November 1992 – 1 BvL 8/87 –, BVerfGE 87, 234-269, Rn. 91.
92Gleichfalls kann der Verwaltung ein Ermessen eingeräumt werden. Maßgeblich für dessen Zulässigkeit am Maßstab der rechtsstaatlichen Bestimmtheit ist, dass der der Verwaltung eingeräumte Entscheidungsspielraum durch Gesetzeszwecke, Maßstäbe für Abwägungsentscheidungen und tatbestandliche Bindungen hinreichend deutlich eingegrenzt ist,
93vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. August 1978 - 2 BvL 8/77 -, BVerfGE 49, 89-147, Rn. 12; Beschluss vom 31. Mai 1988 - 1 BvR 520/83 -, BVerfGE 78, 214-232, Rn. 35; Beschluss vom 17. Juli 2003 - 2 BvL 1/99 -, BVerfGE 108, 186-238, Rn. 172.
94In einem einheitlichen Zusammenhang dürfen auch mehrere unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet werden, solange die Normen insgesamt den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Normenklarheit und Justitiabilität entsprechen,
95vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 1971 - 1 BvR 775/66 -, BVerfGE 31, 255-270, Rn. 31.
96Ist eine Maßnahme auf mehrere Normen gestützt, die jeweils unbestimmte Rechtsbegriffe verwenden, darf die Schutzwirkung des Bestimmtheitsgebots durch das Zusammentreffen mehrerer solcher Begriffe nicht aufgeweicht werden,
97vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvF 3/92 -, BVerfGE 110, 33-76, Rn. 112.
98Nach diesen Maßstäben ist § 15 Abs. 9 ZustAVO NRW nicht hinreichend bestimmt. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Übertragung der Zuständigkeit unter der Prämisse, dass eine abschließende Regelung des materiellen Aufenthaltsrechts im Aufenthaltsgesetz stattfindet, für den Adressaten aufenthaltsrechtlicher Maßnahmen eine verhältnismäßig niedrige Grundrechtsrelevanz aufweist,
99vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2021 - 1 C 60/20 -, juris, Rn. 24,
100lässt die Vorschrift keine abschließende Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit der jeweiligen Ausländerbehörde zu. Denn auch eine verhältnismäßig niedrige Grundrechtsrelevanz entbindet den Verordnungsgeber nicht davon, insbesondere zur Kontrolle der Verwaltung durch die Gerichte, den Inhalt der Regelung so auszugestalten, dass eine Übertragung der Zuständigkeit an die Antragsgegnerin mit Hilfe herkömmlicher Methoden der juristischen Auslegung nachvollziehbar und damit überprüfbar wird. Mit der Zuständigkeit verbindet sich nämlich auch immer ein hohes Maß an Wahrscheinlichkeit dafür, dass die danach zum Handeln berufene Behörde auf Grund ihrer personellen und sachlichen Ausstattung, ihrer Vertrautheit mit den zu regelnden Verhältnissen und ihrer besonderen Erfahrung in der Materie besser geeignet sei als jede andere Behörde, den Sachverhalt richtig zu ermitteln und eine richtige Entscheidung zu treffen. Hinzu kommt, dass in der Bestimmung der Zuständigkeit immer zugleich auch eine Entscheidung darüber liegt, welche praktischen Möglichkeiten dem Bürger, der mit der Verwaltung zu tun hat, zur Verfolgung seiner Interessen geboten werden, welche Entfernungen ihm zugemutet werden, wenn er sein Anliegen bei der Behörde persönlich vorbringen möchte, wo er Anträge stellen kann und mit welchen Amtsträgern er verhandeln muss, wo er die Verwaltungsakte einsehen kann, etc. Die Einhaltung der Zuständigkeit ist in diesem Sinne Voraussetzung dafür, dass die Verfahrensbeteiligten von den ihnen eingeräumten Rechten wirksam Gebrauch machen können und die Verfahrensgarantien voll zur Auswirkung kommen, denn nur die zuständige Behörde bietet die größtmögliche Gewähr für eine sachlich richtige Entscheidung,
101vgl. VG Regensburg, Urteil vom 15. November 2018 - RO 5 K 17.2158 -, juris Rn. 41, m.w.N.
102Dies gilt umso mehr für die sachliche Zuständigkeit, da diese auch nicht Gegenstand einer Prüfung nach den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes (§§ 4 ff VwVfG NRW), welche ausschließlich Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit treffen, sein kann,
103vgl. BeckOK VwVfG/Schemmer, 62. Ed. 1.1.2024, VwVfG § 45 Rn. 15, m.w.N.
104Aufgrund der Verwendung einer Mehrzahl unbestimmter Rechtsbegriffe in § 15 Abs. 9 ZustAVO NRW und der damit verbundenen Einräumung eines Entscheidungsspielraumes gegenüber der obersten Ausländerbehörde ist jedoch eine abschließende Zuständigkeitsbestimmung nicht möglich.
105Wann die oberste Ausländerbehörde die Zuständigkeit an die Antragsgegnerin überträgt, lässt sich mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden, objektiver Kriterien und damit einer zuverlässigen Grundlage für die Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe des „Einzelfalles“ und „zweckmäßigen Erfüllung ordnungsbehördlicher Aufgaben“ nicht feststellen.
106Nach § 15 Abs. 9 ZustAVO NRW ist die Zentrale Ausländerbehörde L. zuständig für alle aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen, wenn die oberste Ausländerbehörde im Einzelfall zur zweckmäßigen Erfüllung ordnungsbehördlicher Aufgaben gegenüber der bisher zuständigen unteren oder Zentralen Ausländerbehörde erklärt, dass die Zentrale Ausländerbehörde L. die Zuständigkeit übernimmt. Dies kommt insbesondere in Betracht bei ausländischen Personen, zu denen Anhaltspunkte vorliegen, dass ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG besteht (1.), von ihnen eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht (2.), von ihnen eine besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eine terroristische Gefahr ausgeht (3.) oder sie einer Gruppierung angehören oder angehört haben oder mit einer solchen zusammenwirken oder zusammengewirkt haben, die sich zur planmäßigen Begehung von Straftaten zusammengeschlossen hat und beziehungsweise oder Bestrebungen im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2970), das zuletzt durch Art. 16 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328) geändert worden ist, verfolgt oder verfolgt hat (4.).
107Bereits der Begriff der „zweckmäßigen Erfüllung ordnungsbehördlicher Aufgaben“ lässt sich im Zusammenhang der Übertragung einer Zuständigkeit nicht recht einordnen. Der Begriff der „Zweckmäßigkeit“ wird in der ZustAVO NRW nicht weiter konkretisiert. Es handelt sich systematisch um einen der innerbehördlichen Fachaufsicht zuzuordnenden Fachbegriff. Der Aufsichtsbehörde wird über die reine Rechtmäßigkeitskontrolle hinaus im Rahmen von Ermessensentscheidungen einer untergeordneten Behörde ein Überprüfungsspielraum eingeräumt. Die Zweckmäßigkeitskontrolle ermöglicht der Aufsichtsbehörde zu entscheiden, ob die untergeordnete Behörde aus mehreren rechtlich möglichen Alternativen die sinnvollste ausgewählt hat. Eine solche Regelung findet sich im aufenthaltsrechtlichen Kontext in § 9 Abs. 3 OBG NRW. Dort wird ein besonderes Weisungsrecht zur zweckmäßigen Erfüllung von ausländer- und passrechtlichen Angelegenheiten eingeräumt. § 15 Abs. 9 ZustAVO NRW ermöglicht jedoch gerade keine Weisung der obersten Ausländerbehörde gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde. Dies würde bereits im ersten Schritt nach der Systematik der Zweckmäßigkeitskontrolle ein nicht vorgesehenes Ermessen der Ausländerbehörde im Rahmen der Zuständigkeitsbestimmung voraussetzen. Unter Heranziehung der grundsätzlichen Unterscheidung zwischen rechtmäßiger und zweckmäßiger Erfüllung ordnungsbehördlicher Aufgaben ließe sich durch Auslegung der Wille des Verordnungsgebers ableiten, dass der obersten Ausländerbehörde jedenfalls ein Entscheidungsspielraum im Rahmen der Zuständigkeitsübertragung eingeräumt werden soll. Dies wird durch die Verwendung des Begriffes „im Einzelfall“ nahegelegt. Eine Übertragung der Zuständigkeit soll nach dem Wortlaut gerade nicht in jedem Fall stattfinden. Wann ein Einzelfall anzunehmen ist und dieser im Zusammenhang mit dem unbestimmten Rechtsbegriff der „zweckmäßigen Erfüllung ordnungsbehördlicher Aufgaben“ eine Übertragung an die Antragsgegnerin erforderlich macht, ist nicht erkennbar.
108Eine Konkretisierung dieser Begriffe ergibt sich auch nicht aus § 15 Abs. 9 Satz 2 ZustAVO NRW. Vielmehr wird durch die weitere Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe und deren Verknüpfung untereinander die Auslegung für den Rechtsanwender weiter erschwert bzw. unmöglich gemacht. Danach werden im Rahmen einer Aufzählung Fallkonstellationen benannt, in denen eine Übertragung insbesondere in Betracht kommt. Der Begriff „kommt in Betracht“ legt nach dem Wortlaut die Bedeutung „kann“ und damit die weitere Einräumung eines Ermessens nahe. Bei der in den Ziffern 1 bis 4 vorgenommenen Aufzählung handelt es sich jedoch nicht um eine abschließende tatbestandliche Aufzählung, wie sich aus dem Begriff „insbesondere“ ergibt. So hat die oberste Ausländerbehörde in der Vergangenheit etwa die Arbeitsüberlastung einer Ausländerbehörde als weiteren Anwendungsfall der Zuständigkeitsübertragung herangezogen,
109vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 15. März 2023 – 8 L 2803/22 –, juris.
110Darüber hinaus gewährleistet auch die Aufzählung in § 15 Abs. 9 Satz 2 Nr. 1 bis 4 ZustAVO NRW keine abgrenzbare Bestimmung der Fälle, in denen die Zuständigkeit auf die Antragsgegnerin übergehen soll. Ziffer 1 bestimmt, dass eine Zuständigkeitsübertragung insbesondere in Betracht kommt bei ausländischen Personen, zu denen Anhaltspunkte vorliegen, dass ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 1, Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes besteht. Welchen Zweck die Aufzählung der zwei Absätze des lediglich aus diesen zwei Absätzen bestehenden § 54 AufenthG hat, bleibt unklar. Unabhängig davon eröffnet diese Ziffer im Verhältnis zu den Ziffern 2 bis 4 einen weitgehenden Handlungsspielraum der obersten Ausländerbehörde, weil danach auch die Fälle des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG erfasst werden. Nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 9 Satz 2 ZustAVO NRW kann danach eine Übertragung der Zuständigkeit auch bei „einfachen Rechtsverstößen“ erfolgen. Ein derart weiter Spielraum für die Übertragung oder gerade Nichtübertragung der Zuständigkeit lässt weder eine Überprüfung durch die Gerichte zu, noch besteht die Möglichkeit des betroffenen Ausländers sich hierauf einzurichten.
111Diese weite Übertragungskompetenz kann auch nicht durch eine regelmäßige Verwaltungspraxis in ausreichender Weise konkretisiert werden. Zum einen lässt sich eine einheitliche, an sachlichen Differenzierungskriterien orientierte Verwaltungspraxis gerade nicht feststellen. So ist gerichtsbekannt, dass eine Übertragung der Zuständigkeit bereits bei Vorliegen „einfacher Rechtsverstöße“ erfolgte,
112vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 15. März 2023 - 8 L 2803/22 -, juris.
113hingegen ohne weitere sachliche Begründung in einem Fall von Ausweisungsinteressen nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG und damit dem Vorliegen einer Übertragungsmöglichkeit nach § 15 Abs. 9 Satz 2 Nr. 1 ZustAVO NRW unterblieb,
114vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 7. März 2024 - 8 L 381/23 -, n.v.
115Zum anderen lässt sich den dem Gericht vorliegenden Verwaltungsvorgängen eine Begründung der Übertragungsentscheidung gegenüber der ursprünglich zuständigen Ausländerbehörde regemäßig nicht entnehmen,
116so jedoch die Zuständigkeit bejahend: VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 27. Juni 2023 - 8 L 212/23 -, juris Rn. 10 ff.,
117Unter diesen Umständen kann sich der Verordnungsgeber der ihm übertragenen Aufgabe, der Zuständigkeitsbestimmung nach § 71 AufenthG, auch unter Berücksichtigung der verhältnismäßig geringen Grundrechtsrelevanz nicht durch die Verwendung einer Mehrzahl unbestimmter Rechtsbegriffe entledigen und der Exekutive in Form einer Generalermächtigung überlassen.
1183. Darüber hinaus und selbstständig tragend, ist selbst bei unterstellter Wirksamkeit des § 15 Abs. 9 ZustAVO NRW die Übertragung der Zuständigkeit auf die Antragsgegnerin nicht in rechtmäßiger Weise erfolgt.
119Der erkennenden Kammer ist eine Überprüfung der Übertragungsentscheidung durch die oberste Ausländerbehörde nicht möglich. Jenseits der Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen und der offenen Frage, ob überhaupt ein Entscheidungsspielraum eröffnet ist, ist gerichtsbekannt,
120vgl. nur VG Düsseldorf, Beschluss vom 15. März 2023 - 8 L 2803/22 -, juris, Beschluss vom 7. März 2024 - 8 L 381/23 -, n.v.,
121dass eine Auswahlentscheidung im Einzelfall durch das MKFFI stattfindet, welche sich jedoch jeder gerichtlichen Überprüfung entzieht. Vorliegend erfolgte ausweislich des Schreibens des MKFFI vom 13. September 2021 die Übertragung der Zuständigkeit im Falle des Antragstellers aufgrund von Anhaltspunkten für das Vorliegen von Ausweisungsinteressen im Sinne von § 54 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG. Eine weitergehende Begründung liegt nicht vor.
122Vor dem Hintergrund der Pauschalität und Begründungslosigkeit der Erklärung vom 13. September 2021 ist hierin ein Verstoß gegen das der Verfassung immanente und dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG entspringende Willkürverbot,
123zum Willkürverbot vgl. Dürig/Herzog/Scholz/P. Kirchhof, 102. EL August 2023, GG Art. 3 Abs. 1 Rn. 264 ff,
124zu sehen, weil sich nachvollziehbare Kriterien für die Zuständigkeitsübertragung, die eine willkürliche Entscheidung ausschließen könnten, nicht feststellen lassen. Die Nachholung einer solchen Begründung steht auch nicht zu erwarten. Dies gilt vor dem Hintergrund, dass eine einheitliche, an sachlichen Differenzierungskriterien orientierte Verwaltungspraxis in einer Vielzahl gerichtsbekannter Verfahren, wie bereits ausgeführt, nicht erkennbar ist. Auf welchen Kriterien und Zweckmäßigkeitserwägungen heraus das MKFFI seine Entscheidung, die Zuständigkeit für bestimmte Verfahren an die Antragsgegnerin zu übertragen, stützt ist außerdem weder aus den Verwaltungsvorgängen erkennbar noch in sonstiger Weise in transparenter Form allgemein nachvollziehbar. Zuletzt ist auch gegenüber dem Gericht trotz entsprechender Veranlassung durch die der Antragsgegnerin und dem MKFFI bekannten Bedenken des Gerichts hinsichtlich des § 15 Abs. 9 ZustAVO NRW keine Mitteilung sachlicher Differenzierungskriterien erfolgt.
125Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
126Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG.
127Rechtsmittelbelehrung:
128(1) Gegen die Entscheidung über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet.
129Auf die seit dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
130Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) eingeht.
131Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
132Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sind durch einen Prozessbevollmächtigten einzureichen. Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
133Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sollen möglichst einfach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
134(2) Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
135Auf die seit dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
136Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
137Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
138Die Beschwerdeschrift soll möglichst einfach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
139War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.