Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Den Antragstellern wird für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Prozesskostenhilfe gewährt und Frau Rechtsanwältin F. aus W. beigeordnet.
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der zuständigen Ausländerbehörde des Landrates D. unverzüglich mitzuteilen, dass die Antragsteller nicht abgeschoben werden dürfen bis die Antragsgegnerin über den Asylfolgeantrag der Antragsteller vom 14. Mai 2024 entschieden hat und die Voraussetzungen des § 71 Abs. 5 Satz 3 AsylG vorliegen.
Die aufschiebende Wirkung der Klage 7 K 4248/24.A wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Gründe:
2Den Antragstellern wird für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Prozesskostenhilfe gewährt und Frau Rechtsanwältin F. aus W. beigeordnet, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachfolgenden Gründen hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und die Antragsteller nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage sind, die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 166 VwGO, § 114 ZPO.
3Der am 9. Juni 2024 bei Gericht wörtlich gestellte Antrag,
4die aufschiebende Wirkung der hiesigen Klage gem. § 80 Abs. 5 VwGO gegen die im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 22.05.2024 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen, bzw. die bestehende Abschiebungsandrohung aufzuheben und die Ausländerbehörde anzuweisen, dass die Abschiebung vorläufig nicht vollzogen wird,
5hat Erfolg.
6Der Antrag war zunächst wie tenoriert auszulegen, nachdem die Antragsgegnerin den Asylfolgeantrag der Antragsteller vom 14. Mai 2024 mit Bescheid vom 22. Mai 2024 allein dahingehend beschieden hat, dass ein Wiederaufgreifensantrag zu Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG abgelehnt wird, ohne weitere Regelungen zu verfügen.
7Eine Abschiebungsandrohung, wie sie im Antrag wohl versehentlich explizit benannt wird, enthält der Bescheid des Bundesamtes gerade nicht.
8Der so verstandene Antrag ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (I.) und als Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO (II.) zulässig und begründet.
9I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Sicherung der verfahrensmäßigen Rechte der Antragsteller hat Erfolg.
10Der Statthaftigkeit des Antrags steht nicht die Vorschrift des § 123 Abs. 5 VwGO entgegen. Das Antragsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO ist hier nicht vorrangig, weil im Klageverfahren 7 K 4248/24.A im Hinblick auf die von den Klägern dort begehrten Ansprüche auf Asylanerkennung und Zuerkennung internationalen Schutzes keine auf eine Anfechtungssituation führende Unzulässigkeitsentscheidung des Bundesamtes beklagt ist. Vielmehr liegt insoweit eine Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage vor, weil das Bundesamt den Antrag der Antragsteller insoweit überhaupt nicht beschieden hat.
11Nach § 123 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Dies setzt gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO voraus, dass das Bestehen eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird (Anordnungsanspruch), und die besondere Eilbedürftigkeit im Sinne einer Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Anordnungsgrund), glaubhaft gemacht werden.
12Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
13Nach § 71 Abs. 5 Satz 3 AsylG darf die Abschiebung eines Ausländers, der nach Eintritt der Vollziehbarkeit einer Abschiebungsandrohung oder –anordnung aus einem früheren Asylverfahren einen Folgeantrag stellt, erst vollzogen werden, nachdem die Frist nach § 74 Absatz 1 zweiter Halbsatz abgelaufen ist und im Fall eines innerhalb der Frist gestellten Antrags nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung erst nach der gerichtlichen Ablehnung dieses Antrags.
14Die Antragsteller haben nach bestands- bzw. rechtskräftigem Abschluss ihrer Asylerstverfahren,
15der Antragsteller zu 1. unter den Az. 0000000-163 und 0000000-163 (Bescheid vom 16.2.2024) und die Antragsteller zu 2. bis 5. Unter dem Az. 00000000-163 (Bescheid vom 19.2.2024, bestandskräftig nach Klagerücknahme im Verfahren 13 K 1500/24.A),
16und der hieraus resultierenden Vollziehbarkeit der verfügten Abschiebungsandrohungen mit anwaltlichem Schriftsatz vom 14. Mai 2024 einen Asylfolgeantrag gestellt. Dass es sich dabei um einen Folgeantrag im Sinne des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG handelt – und nicht wie das Bundesamt wohl meint, um einen
17(bloßen, nicht den gesetzlichen Schutz des § 71 Abs. 5 AsylG auslösenden)
18Wiederaufgreifensantrag zu Abschiebungsverboten – ergibt sich sowohl aus seinem insoweit klaren Wortlaut im anwaltlichen Schriftsatz
19„Namens und im Auftrag meiner Mandanten beantrage ich, die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens.Desweiteren beantrage ich hiermit, festzustellen, dass Abschiebungshindernisse bestehen.“,
20als auch aus dem inhaltlichen Vorbringen. Neben dem für die Ehefrau des Antragstellers zu 1. und der Mutter der Antragsteller zu 2. bis 5. vorgetragenen Suizidversuch vom 20. März 2024 wird hinsichtlich des Antragstellers zu 1. noch vorgetragen, dass nunmehr ein Haftbefehl gegen ihn vorliege, was er bei dem Versuch sich einen Pass ausstellen zu lassen im Generalkonsulat der Türkei in I. erfahren habe. Entsprechende Unterlagen hat der Antragsteller nunmehr auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegt. Die Relevanz dieses Vorbringens ist offensichtlich nicht auf die Vorschriften des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG beschränkt, sondern hat asylrechtliche und flüchtlingsrechtliche Relevanz.
21Dieser Antrag vom 14. Mai 2024 ist beim Bundesamt auch eingegangen und hat zur Eröffnung eines Verfahrens geführt. Damit hat der Antrag ein Vollzugshindernis ausgelöst, das vom Bundesamt zunächst nur durch die Bescheidung „Der Antrag wird als unzulässig abgelehnt“ beseitigt werden kann.
22Die Mitteilung nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG kommt vorliegend mangels Vorliegen der Voraussetzungen ersichtlich nicht in Betracht. Insoweit war auch der Verpflichtungstenor dieses Beschlusses nicht zu beschränken.
23Diese Tenorierung ist – wohl in Verkennung der Reichweite und Zielrichtung des Antrags an die Behörde vom 14. Mai 2024 – nicht erfolgt.
24II. Die aufschiebende Wirkung der Klage 7 K 4248/24.A war anzuorden.
25Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist statthaft. Bei dem Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Versagung der Abänderung der Feststellungen zu Abschiebungsverboten aus früheren Asylverfahren handelt es sich um eine Verpflichtungsklage, für die die Vorschrift des § 80 Abs. 5 VwGO auf den ersten Blick nicht einschlägig ist. Allerdings handelt es sich insoweit um den zweiten Tenorpunkt eines versagenden Bescheides im Folgeverfahren, für das nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Anfechtungsklage die statthafte Klageart darstellt. Darüber hinaus beseitigt der ablehnende Tenor eines Bescheides beim Asylfolgeverfahren auch das durch § 71 Abs. 5 Satz 2ff AsylG gesetzlich angeordnete Vollzugshindernis und beschwert damit den erfolglosen Antragsteller, sodass der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO statthaft ist.
26Das Gericht macht von der ihm durch § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO eingeräumten Befugnis, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen einen sofort vollziehbaren Verwaltungsakt anzuordnen, Gebrauch, wenn eine Interessenabwägung ergibt, dass das private Interesse des Betroffenen, von Vollziehungsmaßnahmen (vorerst) verschont zu bleiben, gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Durchsetzung der getroffenen Maßnahme überwiegt. Bei der Interessenabwägung spielt neben der gesetzgeberischen Grundentscheidung die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des zu vollziehenden Verwaltungsakts eine wesentliche Rolle.
27Die vom Bundesamt im angefochtenen Bescheid vom 22. Mai 2024 gegenüber den Antragstellern allein ausgesprochene Versagung der Abänderung der Feststellungen aus früheren Bescheiden ist
28ungeachtet der hier offenbleibenden Frage ihrer inhaltlichen Richtigkeit
29schon deswegen rechtswidrig, weil sie die vom Gesetzgeber angeordnete Vorgreiflichkeit der Entscheidung über die Streitgegenstände Asyl und internationaler Schutz verletzt. Nach § 31 Abs. 3 Satz 2 AsylG kann von der Entscheidung zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Asbs. 5 oder 7 AufenthG abgesehen werden, wenn der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt wird oder ihm internationaler Schutz zuerkannt wird. Diese Vorschrift spiegelt nicht nur die Stärke der im Asylverfahren erreichbaren Schutzstatus wider, sie regelt auch verbindlich das Verhältnis der Schutzstatus zueinander. So wird im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auf Asyl das Verhältnis der Streitgegenstände von internationalem Schutz und nationalen Abschiebungsverboten nach ganz herrschender Ansicht als im Verhältnis Haupt- zu Hilfsantrag angesehen. Indem das Bundesamt mit der angefochtenen Entscheidung keine Entscheidung zur Zulässigkeit eines weiteren Asylverfahrens trifft und allein die Abänderung der Feststellungen zu Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG ablehnt, missachtet es nicht nur den Anspruch der Antragsteller auf eine Bescheidung dieses Folgeantrags, sondern auch die zwingende Vorgreiflichkeit dieser Entscheidung.
30Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG
31Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG