Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
1. Die Ausnahme vom Erlöschen der Anwärterbefugnis wegen Zeitablaufs unterliegt keinen Tatbestandsvoraussetzungen, sondern liegt allein im behördlichen Ermessen.2. Die Ermessensbetätigung ist u.a. daran auszurichten, ob der Bewerber die Fahrlehrererlaubnis noch erreichen kann.3. Auch vom Drei-Jahres-Zeitraum, in dem das Fahrlehrerausbildungsverfahren abgeschlossen sein muss, kann eine Ausnahme erteilt werden.
1. Unter Ablehnung des Antrags im Übrigen wird die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, über den Antrag des Antragstellers vom 00. November 2024 über die Erteilung einer Ausnahme vom Erlöschen seiner Anwärterbefugnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller zu zwei Dritteln, die Antragsgegnerin zu einem Drittel.
2. Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
2Der Antrag hat teilweise Erfolg.
3Der Antragsteller hat im Sinne von §§ 123 VwGO, 294 ZPO glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin seinen Antrag auf Erteilung einer Ausnahme vom Erlöschen seiner Anwärterbefugnis nicht ermessensfehlerfrei beschieden hat. Er hat jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass ihm – wie beantragt – ein Anspruch auf Erteilung der Ausnahme zusteht.
4Die Entscheidung des Gerichts ist aufgrund der Eilbedürftigkeit auf die Aktenlage beschränkt und beruht deswegen lediglich auf einer summarischen rechtlichen Prüfung.
5Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 4 FahrlG ist die Anwärterbefugnis auf zwei Jahre zu befristen. Nach § 9 Abs. 1 Satz 5 Nr. 3 FahrlG erlischt die Anwärterbefugnis durch Ablauf der Frist. Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 FahrlG können die nach Landesrecht zuständigen Behörden Ausnahmen vom Erlöschen der Anwärterbefugnis nach § 9 Abs. 1 Satz 5 FahrlG genehmigen.
6Das in § 54 Abs. 1 Satz 1 StVO enthaltene Merkmal der Ausnahmesituation ist nicht als eigenständige Tatbestandsvoraussetzung verselbstständigt, sondern Bestandteil behördlichen Ermessensentscheidung über die Erteilung der Ausnahmegenehmigung. Das entspricht der allgemeinen Konzeption derartiger Ausnahmevorschriften. Denn die Feststellung, ob ein besonderer Ausnahmefall vorliegt, setzt den gewichtenden Vergleich der Umstände des konkreten Falles mit dem typischen Regelfall voraus, der dem generellen Verbot zugrunde liegt.
7Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 1997 – 3 C 5.97, juris Rn. 25.
8Die Fahrlehrerbehörde soll mit der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung besonderen Ausnahmesituationen Rechnung tragen können, die bei strikter Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen nicht hinreichend berücksichtigt werden könnten und eine unbillige Härte für den Betroffenen zur Folge hätten. Liegt eine Ausnahmesituation vor, eröffnet das der Straßenverkehrsbehörde einen Ermessensspielraum. Aus ihr folgt also noch kein Anspruch auf Erteilung der Ausnahmegenehmigung, sondern lediglich ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung.
9Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2019 – 3 C 24.17, juris Rn. 11 ff. (zu § 21a Abs. 2 Satz 1 StVO).
10Diese Maßstäbe zugrunde gelegt ist nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin das ihr eröffnete Ermessen gegenüber dem Antragsteller fehlerfrei ausgeübt hat, vgl. § 114 Satz 1 VwGO.
11Die Kammer kann bereits nicht sicher feststellen, dass die Antragsgegnerin den Antrag des Antragstellers überhaupt beschieden hat (vgl. eMail-Nachricht vom 00. November 2024 an den Antragsteller), jedenfalls ist nicht erkennbar, ob sie ihren Ermessensspielraum erkannt und – falls ja – von welchen Erwägungen sie sich bei der Ermessensausübung hat leiten lassen.
12Soweit sie sich möglicherweise allein auf das laufende parallele Klageverfahren gestützt hat, wie es in der eMail vom 00. November 2024 zum Ausdruck kommt, genügt das den Anforderungen an eine fehlerfreie Ermessensentscheidung, die das Für und Wider abwägt, nicht. Insofern spricht vielmehr alles für einen Ermessensausfall.
13Sollte der Antrags- und Klageerwiderung vom 00. Dezember 2024 zu entnehmen sein, dass die Antragsgegnerin den Antrag auf Ausnahme vom Erlöschen der Anwärterbefugnis mit der Begründung abgelehnt hat, inzwischen sei die Drei-Jahres-Frist zur Ablegung der Fahrlehrererlaubnis verstrichen, dürfte auch das nicht ermessensfehlerfrei sein. Denn es steht bei summarischer Prüfung nicht fest, dass dem Antragsteller keine Ausnahme von der Drei-Jahres-Frist zur Ablegung der Fahrlehrerprüfung gewährt werden kann (dazu sogleich). Es ist nicht ersichtlich, ob und wie die Antragsgegnerin das Grundrecht der Berufsfreiheit des Antragstellers (Art. 12 GG) mit dem öffentlichen Interesse an einer fristgemäßen Ablegung der Fahrlehrerprüfung gegeneinander abgewogen hat. Eine Entscheidung über den Ausnahmeantrag vom Erlöschen der Anwärterbefugnis, die sich an den Vorgaben des § 40 VwVfG NRW zur Ermessensausübung orientiert, steht noch aus.
14Bei dieser Entscheidung hat die Antragsgegnerin nach vorläufiger Bewertung einzustellen, dass die Anwärterbefugnis eine notwendige Berechtigung auf dem Weg zur Fahrlehrererlaubnis ist. Sie dient nach § 9 Abs. 1 Satz 1 FahrlG dem Zweck der weiteren Ausbildung nach § 7 FahrlG und der Prüfung nach § 8 FahrlG. Sie erlischt daher von selbst, wenn die Ausbildung zum Fahrlehrer erfolgreich beendet worden ist (§ 9 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 FahrlG) oder wenn das Ausbildungsziel nicht mehr erreicht werden kann, weil der Anwärter die Fahrlehrerprüfung endgültig nicht bestanden an (§ 9 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 FahrlG). Hieraus folgt, dass eine Ausnahme vom Erlöschen der Anwärterbefugnis durch Zeitablauf nur dann von vornherein nicht in Betracht kommt, wenn das Ausbildungsziel, also das Bestehen der Fahrlehrerprüfung, endgültig nicht mehr erreicht werden kann.
15Nach der im hiesigen Eilrechtsschutzverfahren allein zugrunde zu legenden Aktenlage und bei der nur möglichen summarischen Prüfung steht noch nicht mit vollständig ausreichender Gewissheit fest, dass der Antragsteller dieses Ziel endgültig nicht mehr erreichen kann, weil er seine Ausbildung zum Fahrlehrer vor mehr als drei Jahren begonnen hat. Zunächst erscheint es als möglich, dass auch von der Drei-Jahres-Frist Ausnahmen zugelassen werden können. Es ist zwar nicht sehr wahrscheinlich, aber auch nicht rundweg ausgeschlossen, dass dem Antragsteller eine solche Ausnahme gewährt wird.
16Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 FahrlG wird die Fahrlehrerlaubnis – unter anderem – nur erteilt, wenn der Bewerber innerhalb der letzten drei Jahre vor Erteilung der Fahrlehrerlaubnis nach § 7 zum Fahrlehrer ausgebildet worden ist. Der Antragsteller hatte nach Aktenlage seine Ausbildung zum Fahrlehrer am 00. Mai 2021 begonnen. Die dreijährige Frist zur Ablegung der Fahrlehrerprüfung ist damit im Mai 2024 abgelaufen.
17Es erscheint nach bisheriger Aktenlage zwar eher unwahrscheinlich, jedoch nicht vollständig ausgeschlossen, dass dem Antragsteller eine Ausnahmegenehmigung von dem Drei-Jahres-Zeitraum zu gewähren ist.
18Eine Ausnahme von dem Drei-Jahres-Zeitraum dürfte gesetzlich nicht ausgeschlossen sein. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 FahrlG regelt zwei Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrlehrererlaubnis, nämlich die Ausbildung als solche sowie die dreijährige Frist. Nach seinem Wortlaut sieht § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1d) FahrlG lediglich Ausnahmen von der „Ausbildung zum Fahrlehrer“ § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1d) FahrlG vor. Er nennt (ausdrücklich) nur die Erteilungsvoraussetzung „Ausbildung“ als ausnahmefähig. Die Drei-Jahres-Frist nennt er dagegen nicht. Für eine Beschränkung der Ausnahmemöglichkeit auf die Ausbildung als solche spricht systematisch durchaus auch § 54 Abs. 2 Nr. 3 FahrlG, der regelt, dass eine Ausnahme von der Ausbildung zum Fahrlehrer voraussetzt, dass der Bewerber eine andere Ausbildung oder eine Berufstätigkeit von ausreichender Dauer nachweist, die ihm den Erwerb der für einen Fahrlehrer notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten ganz oder überwiegend ermöglicht haben kann.
19So VG Cottbus, Urteil vom 18. Juni 2024 – 7 K 825/23; ohne Aussage: Dauer, Fahrlehrerrecht, 3. Aufl. (2022), § 54 FahrlG Nr. 22.
20Die Kammer bezweifelt allerdings, dass diese Befunde eine Ausnahme von der Höchstdauer der Ausbildung von drei Jahren rundweg ausschließen. Vielmehr spricht vieles dafür, dass § 54 Abs. 1 Nr. 1 FahrlG in seinen Buchstabenregelungen a) bis d) die Ausnahmemöglichkeiten lediglich stichwortartig beschreibend voranstellt, ohne damit den Rahmen der Ausnahmegenehmigungen abschließend zu ziehen. Auch lässt sich § 54 Abs. 2 Nr. 1 FahrlG so verstehen, dass er lediglich den speziellen Ausnahmefall regelt, dass die reguläre Fahrlehrerausbildung insgesamt ausgelassen werden soll. Die Norm kann ohne Weiteres auch so verstanden werden, dass die Ausnahme vom Drei-Jahres-Erfordernis ohne weitere Tatbestandsvoraussetzungen allein im behördlichen Ermessen stehen soll. Dafür spricht unter systematischen Aspekten, dass die Mehrheit der Ausnahmemöglichkeiten, die § 54 Abs. 1 FahrlG vorsieht, ebenfalls an keine Tatbestandsvoraussetzungen gebunden sind. Hierfür spricht zudem – wie der Antragsteller im Klageverfahren zutreffend hervorhebt – dass es unter berufsgrundrechtlichen Aspekten verfassungsrechtlich nicht unproblematisch wäre, wenn die Fahrlehrerausbildung auch dann endgültig abgebrochen werden müsste, wenn die Überschreitung der Drei-Jahres-Frist von der Behörde oder dem Prüfungsausschuss zu vertreten, auf höherer Gewalt beruht, jedenfalls dem Bewerber nicht zuzurechnen ist. Schließlich lässt die Norm den a maiore ad minus-Schluss zu, dass wenn selbst von der gesamten Fahrlehrerausbildung dispensiert werden darf, dann erst Recht von der weniger gewichtigen Drei-Jahres-Frist.
21Der Akte des parallel geführten Klageverfahrens lässt sich derzeit nicht entnehmen, dass die Überschreitung der Drei-Jahres-Frist allein dem Antragsteller zuzurechnen ist und eine Ausnahme daher offensichtlich ausscheidet. Diese Bewertung beruht v.a. darauf, dass der Antragsteller dort eine Reihe von Gründen für die Verzögerung des Ausbildungsfortgangs vorgetragen hat. Dem ist die Antragsgegnerin im Klageverfahren bislang nicht, jedenfalls nicht im Einzelnen entgegengetreten. Überdies weist der vorgelegte Verwaltungsvorgang erhebliche Lücken auf, die das Gericht bislang daran hindern, sich ein eigenes, vollständiges Bild vom Gang des Verwaltungsverfahrens zu machen. So ist dem Verwaltungsvorgang etwa nicht zu entnehmen, wie die Antragsgegnerin mit dem ihr vorgelegten ersten Nachweis der 2. Reflexion nach § 1 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 Fahrlehrer-Ausbildungsverordnung (00.-00. März 2023) umgegangen ist (wann vorgelegt? wie reagiert? Hinweise an den Antragsteller? usw.).
22Der Antragsteller hat zudem einen Anordnungsgrund in Gestalt eines besonderen Eilbedürfnisses glaubhaft gemacht. Er hat unwidersprochen vorgetragen, dass die Tätigkeit auf der Basis des Anwärterscheins seine einzige Einkommensquelle darstellt, die mit dessen Erlöschen versiegt. Zudem liegt nahe, dass eine Ausnahme vom Drei-Jares-Erfordernis umso schwerer zu erreichen ist, je länger die Ausbildungsunterbrechung andauert. Die Antragsgegnerin hat schließlich nichts dafür vorgetragen, dass eine – maßvolle – Verlängerung der Gültigkeitsdauer des Anwärterscheins das von ihr wahrgenommene öffentliche Interesse spürbar beeinträchtigt. Sie hat insbesondere nichts dafür dargetan, dass der Antragsteller bisher von seiner Anwärterbefugnis in einer Weise Gebrauch gemacht hat, die dem öffentlichen Interesse zuwider läuft.
23Der weitergehende Antrag auf vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erteilung der Ausnahmegenehmigung war indessen abzulehnen, weil der Antragsteller insofern keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat. Den Akten lässt sich nicht entnehmen, dass allein die Erteilung der Ausnahmeentscheidung ermessensfehlerfrei wäre und sich der Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung zu einer gebundenen Entscheidung verdichtet hätte („Ermessensreduzierung auf Null“).
24Gegen den Antragsteller spricht zunächst die Stellungnahme des Prüfungsausschusses bei der Bezirksregierung. Dieser konnte von lediglich einer Ausnahme vom Drei-Jahres-Erfordernis während der als singulär einzustufenden Corona-Pandemie berichten, die zudem nur ganz geringfügig (drei Wochen) ausgefallen war. Überdies hebt der Prüfungsausschuss im Einzelnen hervor, dass die dreijährige Frist als großzügig bemessen anzusehen ist, weil die Ausbildungsphase für sich genommen lediglich 12 Monate beträgt und für die Ablegung der Prüfung die doppelte Zeit, nämlich 24 Monate, zur Verfügung stehen.
25Gegen einen Anspruch des Antragstellers ist anzuführen, dass dieser einen Prüfungsversuch nicht bestanden hat, was dafür spricht, dass er einen Teil der Verzögerung selbst herbeigeführt hat. Außerdem ist nicht hinreichend klar, ob und in welchem Umfang ein positives Tun oder Unterlassen des Antragstellers für die Versäumung der Drei-Jahres-Frist ursächlich gewesen ist. So ist es an dem Antragsteller darzulegen, warum die beiden Reflexionseinheiten zeitlich so dicht beieinander lagen – etwa durch eine Erläuterung seiner Ausbilder – sowie warum und wie lange er gegenüber der Antragsgegnerin untätig geblieben ist (so die Aktenlage), nachdem ihm seine Ausbildungsfahrschule mitgeteilt hatte, dass seine 2. Reflexion von der Antragsgegnerin nicht anerkannt werden könne. Außerdem ist seinem Vortrag bislang nicht zu entnehmen, welche Bemühungen er entfaltet hatte, um eine fristgemäße Prüfung zu erreichen.
26Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und spiegelt die Erfolgsaussichten des Ausnahmeantrags wieder. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 52, 53 GKG.
27Rechtsbehelfsbelehrung
28(1) Gegen die Entscheidung kann innerhalb von zwei Wochen Beschwerde beim Verwaltungsgericht Düsseldorf, Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48149 Münster erhoben werden.
29(2) Gegen die Streitwertfestsetzung kann innerhalb von sechs Monaten bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf, Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf, Beschwerde eingelegt werden.