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Ein Hängebeschluss/eine Zwischenverfügung im Eilrechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO setzt voraus, dass dem Antragsteller ohne die Zwischenentscheidung irreparable Nachteile während der Dauer des Eilrechtsschutzverfahrens drohen. Diese Nachteile sind nicht nur zu behaupten, sondern substantiiert darzulegen.
Der Antrag auf Erlass eines sogenannten Hängebeschlusses wird abgelehnt.
Gründe
2Der Antrag,
3eine Zwischenverfügung zu erlassen, mit der der Antragsgegnerin aufgegeben wird, Maßnahme zur Vollstreckung des Bescheids vom 18. Oktober 2024 bis zu einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zu unterlassen,
4hat keinen Erfolg.
5I. Im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes kann das Gericht Anordnungen zur vorläufigen Sicherung der Rechtsstellung eines Beteiligten treffen (sog. Hängebeschluss). Ein solcher Hängebeschluss dient dazu, den in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleisteten Anspruch auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz des von einem belastenden Verwaltungsakt Betroffenen für die Dauer des gerichtlichen Eilverfahrens durchzusetzen.
6Vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 2013 – 1 BvR 2616/13, juris Rn. 8; OVG NRW, Beschlüsse vom 5. November 2008 – 8 B 1631/08, juris Rn. 8, und vom 18. Februar 2021 – 5 B 172/21, juris Rn. 5.
7Der effektive Rechtsschutz bliebe faktisch wirkungslos, wenn Behörden irreparable Maßnahmen durchführten, bevor die Gerichte deren Rechtmäßigkeit geprüft haben.
8Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Juni 1987 – 1 BvR 620/87, juris Rn. 4.
9Eine für die Dauer des gerichtlichen Eilverfahrens geltende Zwischenregelung trifft das Gericht in begründeten Einzelfällen, um sicherzustellen, dass es zu einem späteren Zeitpunkt noch effektiven Rechtsschutz entsprechend den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleisten kann. Ob eine Zwischenregelung vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Gebots effektiven Rechtsschutzes erforderlich ist, ist im Wege einer Abwägung der Interessen der Verfahrensbeteiligten zu ermitteln. In diese Abwägung einzustellen sind einerseits die Folgen, die einträten, wenn die Zwischenregelung nicht ergehen würde und der Eilantrag später Erfolg hätte, die begehrte einstweilige Anordnung also erlassen würde, und andererseits diejenigen Nachteile, die entstünden, wenn eine Zwischenregelung verfügt, der Eilantrag aber abgelehnt würde.
10Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 29. Januar 2024 - 13 B 54/24 -, juris, Rn. 3 f. und vom 18. Februar 2021 - 5 B 163/21 -, juris, Rn. 5 f., m. w. N.
11Eine solche Zwischenregelung kommt demnach insbesondere dann in Betracht, wenn ohne sie bereits vor der gerichtlichen Eilentscheidung über den nicht offensichtlich aussichtlosen Eilantrag in unumkehrbarer Weise vollendete Tatsachen zu Lasten des Rechtsschutzsuchenden geschaffen würden. Das setzt voraus, dass diesem irreparable, schwere und unabwendbare Nachteile drohen, ohne dass besonders gewichtige öffentliche oder private Interessen dem überwiegen.
12Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 29. Januar 2024 - 13 B 54/24 -, juris, Rn. 5 f. m.w.N.
13Die von dem Antragsteller befürchteten schweren irreparablen Nachteile sind substantiiert und nachvollziehbar darzulegen.
14Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 19. Dezember 2024 – 13 B 1178/24, und vom 29. Januar 2024 - 13 B 54/24 -, juris, Rn. 7 f. m.w.N.
15Umsatzeinbußen stellen für sich genommen grundsätzlich keinen derartigen schweren Nachteil dar, aufgrund dessen der Erlass einer Zwischenregelung geboten wäre, weil sie in der Regel erst dann zu einer Rechtsschutzvereitelung führen, wenn sie ein existenzbedrohendes Ausmaß erreichen.
16Vgl. Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 29. Januar 2024 - 13 B 54/24 -, juris, Rn. 5 f. m.w.N. und vom 18. August 2022 - 13 B 851/22 -, juris, Rn. 9.
17II. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzungen für den Erlass der beantragten Zwischenverfügung, den sog. „Hängebeschluss“, bestehen.
18Zwar lässt sich auf Grundlage des derzeitigen Sach- und Streitstandes nicht feststellen, dass der Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die der Genehmigung vom 18. Oktober 2024 beigefügten diversen Nebenbestimmungen offensichtlich aussichtslos oder rechtsmissbräuchlich wäre. Vielmehr wirft der Rechtsstreit schwierige, in der Rechtsprechung teilweise noch ungeklärte Rechtsfragen auf.
19Dies genügt aber für sich genommen nicht, um einen sogenannten Hängebeschluss zu rechtfertigen.
20Siehe auch: OVG Nds., Beschluss vom 29. März 2024 - 4 ME 69/24 -, juris, Rn. 7.
21Denn die Antragstellerin hat trotz des gerichtlichen Hinweises vom 6. Dezember 2024 nicht glaubhaft gemacht, dass ihr Interesse daran, die Nebenbestimmungen zu der Genehmigungsverfügung vorerst nicht befolgen zu müssen, das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt, weil sonst in unumkehrbarer Weise vollendete Tatsache zu ihren Lasten geschaffen würden. Es genügt auch nicht, solche irreparablen Nachteile lediglich zu behaupten. Sie sind vielmehr substantiiert und nachvollziehbar darzulegen.
22Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Dezember 2023 – 13 B 1178/24 m.w.N.
23Dem zuwider hat die Antragstellerin insbesondere den Eintritt von schweren und unabwendbaren Nachteilen nicht glaubhaft gemacht. Sie hat hierzu nichts vorgetragen. Zur Begründung hat sie den Standpunkt eingenommen, der Erlass eines Hängebeschlusses sei auch ohne Darlegung solcher Umstände geboten. Dieser Rechtsansicht kann sich die Kammer nicht anschließen. Folgen, die über hinzunehmende gewisse wirtschaftliche Einbußen hinausgehen, sind überdies auch aus den Akten nicht ersichtlich.
24Die Kammer kann irreversible Folgen aus der „Vollstreckung des Bescheids“, die die Antragstellerin befürchtet, nicht erkennen, weil die angegriffenen Nebenbestimmungen bei der in diesem Verfahrensstadium allein möglichen überschlägigen Prüfung keinen vollstreckungsfähigen Inhalt haben. Eine Vollstreckung unmittelbar aus dem Bescheid, der keine Zwangsmittelandrohung enthält, liegt fern. Kommt die Antragstellerin den angegriffenen Nebenbestimmungen nicht nach, muss die Antragsgegnerin zunächst Maßnahmen zu deren Durchsetzung ergreifen. Unabhängig davon, ob die Antragsgegnerin Verwaltungszwang nach den Vorschriften des VwVG NRW anwendet oder ein Verfahren zum Widerruf der Genehmigung nach § 25 PBefG beginnt, steht der Antragstellerin gegen diese Maßnahmen der Rechtsschutz – einschließlich des vorläufigen Rechtsschutzes – ungeschmälert offen. Die Antragstellerin trägt nichts dafür vor, warum der von ihr der Sache nach verlangte vorbeugende Rechtsschutz gegen künftige Verwaltungsmaßnahmen der Antragsgegnerin zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes gegen die Nebenbestimmungen unabdingbar ist.
25Erginge dagegen ein Hängebeschluss und hätte der Eilantrag später keinen Erfolg, resultierte daraus die erhebliche Folge, dass die Antragstellerin den Gelegenheitsverkehr mit Mietwagen für die Dauer des Eilverfahrens „nebenbestimmungsfrei“ ausüben könnte. Das Genehmigungserfordernis – einschließlich der Nebenbestimmungen – dient dabei aber insbesondere der Gefahrenabwehr und dem Schutz von Rechtsgütern Dritter,
26vgl. OVG NRW, Beschlüsse 19. Dezember 2023 – 13 B 1178/24, und vom 24. Januar 2024 – 13 B 1037/23, GewArch 2024, 115 Rn. 47,
27neben dem Verbraucherschutz und dem Schutz der lauteren Wettbewerber auch der Schutz höchstrangiger Verfassungswerte etwa in Gestalt des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit (etwa: Sicherheit der Fahrzeuge und finanzielle Leistungsfähigkeit des Betriebes). Der Ausübung der Personenbeförderung nur unter Einhaltung der Genehmigung kommt daher grundsätzlich ein hohes Gewicht zu.
28Die Ansicht der Antragstellerin, es bestehe auch ohne die Gefahr irreversibler Zustände bereits dann ein Anspruch auf vorläufige Aussetzung der Vollziehung für die Dauer des Eilrechtsschutzverfahrens, wenn gegen den sofort vollziehbaren Verwaltungsakt ein zulässiger Rechtsbehelf eingelegt und bei Gericht dessen aufschiebende Wirkung beantragt sei, unterläuft das gesetzliche Regelungsgefüge von sofort vollziehbaren Verwaltungsakten und dem zugehörigen nachlaufenden Eilrechtsschutz.
29§ 80 Abs. 2 VwGO sieht vor, dass bei besonderer gesetzlicher Bestimmung oder begründeter behördlicher Anordnung im Einzelfall, der von der Verwaltung selbst geschaffene Titel – der Verwaltungsakt – sofort Rechtsfolgen entfaltet, indem er ohne zeitliche Verzögerung vollzogen, also in der Realität umgesetzt wird. Auch ein zulässiger Rechtsbehelf gegen den Verwaltungsakt hindert dessen Vollziehbarkeit nicht. Grundsätzlich bliebt der Verwaltungsakt auch während der Dauer des Rechtsbehelfsverfahrens vollziehbar. Die Vollziehbarkeit endet erst dann, wenn die Verwaltungsgerichte im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO die sofortige Realisierung des Verwaltungsakts aufhalten. Das setzt jedoch voraus, dass der angegriffene Verwaltungsakt nach gerichtlicher Auffassung aller Wahrscheinlichkeit nach rechtswidrig ist. Art. 19 Abs. 4 GG gebietet aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes nur dann ein gerichtliches Eingreifen ohne diese Rechtswidrigkeitsprognose, wenn der nachlaufende Rechtsschutz sonst wirkungslos bleibe. Das ist aber nur beim Eintritt irreversibler Folgen während des laufenden Eilrechtsschutzverfahrens der Fall.
30Vgl. OVG NRW, Beschlüsse 19. Dezember 2023 – 13 B 1178/24 zum Hängebeschluss im zweitinstanzlichen Beschwerdeverfahren.
31Eine gesonderte Kostenentscheidung war nicht veranlasst, da die durch das Verfahren entstandenen Kosten zu den Kosten des Eilverfahrens gehören.
32Rechtsmittelbelehrung
33Gegen den Beschluss kann innerhalb von zwei Wochen bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf, Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48149 Münster Beschwerde eingelegt werden.