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Aus § 15 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. BauNVO und § 37 Abs. 1 VwVfG NRW folgt, dass eine Baugenehmigung auch für ein Vorhaben, das in eine kritische Nähe zu einer emittierenden Anlage heranrückt, nach vorheriger Untersuchung der Immissionsbelastung gegebenenfalls Regelungen zur Schutz der Nachbarrechte enthalten muss. Fehlen solche Untersuchungen - etwa in Gestalt einer Immissionsprognose - gänzlich, ist die Baugenehmigung nachbarrechtlich unbestimmt.
Die bauplanungsrechtliche Zumutbarkeit von Lärmimmissionen der Außengastronomie im absoluten Nahbereich zu einer Wohnnutzung ist auch in einem Kerngebiet nicht unmittelbar nach der TA Lärm zu beurteilen, sondern anhand des Freizeitlärmerlasses NRW und von § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO im Rahmen einer Einzelfallwürdigung.
Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes durch ein hinzutretendes Wohnbauvorhaben kann im Hinblick auf § 15 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. BauNVO nicht allein deshalb ausgeschlossen werden, weil für das Vorhaben und einen benachbarten emittierenden Betrieb dieselben Immissionsrichtwerte gelten.
Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 00. Oktober 2022 (Az. 00/-XX-0000/00) wird aufgehoben.
Die Beklagte und die Beigeladene tragen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers je zur Hälfte. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
2Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks C.----- 00 in E. (Gemarkung I. , Flur 00, Flurstück 00), das mit dem Empfangsgebäude „P. C1. “ bebaut ist. Das Gebäude ist mit Eintragungsanordnung vom 00. B. 1987 als Denkmal unter Schutz gestellt und liegt im Geltungsbereich der Denkmalbereichssatzung E. -P1. vom 6. Mai 1992 (Düsseldorfer Amtsblatt Nr. 20 vom 16. Mai 1992). Im Innenbereich wird es als Gaststätte mit Brauereibetrieb geführt („B1. C1. P1. “); im Obergeschoss befinden sich zusätzlich Tagungs- und Veranstaltungsräume mit Büronutzung. Im Außenbereich verfügt es über einen Biergarten. Gemäß Baugenehmigung vom 00. November 1991 (Az.: 0-0000/00) sind in der Innengastronomie „ca. 249 Plätze“ bei Öffnungszeiten werktags von 11.00 Uhr bis 1.00 Uhr, freitags und samstags bis 3.00 Uhr, und in der Außengastronomie „ca. 100 Sitzplätze“ bei Betriebszeiten von 11.00 Uhr bis jeweils 22.00 Uhr genehmigt.
3Mit nachträglicher Baugenehmigung vom 00. Januar 2017 (Az.: 00/00-XX-0000/00) erfolgte die Wiederinbetriebnahme des zwischenzeitlich unterbrochenen Brauereibetriebes mit brandschutztechnischer Instandsetzung. Gemäß den Bauvorlagen ist eine Nutzung des Biergartens durch 300 Gäste – theoretisch bis 600 Personen – vorgesehen.
4Die Beigeladene ist Eigentümerin des nordwestlich angrenzenden Vorhabengrundstücks C.----- 00x, 00x (Gemarkung I. , Flur 00, Flurstück 00). Beide Grundstücke liegen im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans Nr. 0000/000 („Ehemaliger Güterbahnhof P1. “) vom 00. Juli 2010. Dieser setzt für den Teilbereich beider Grundstücke ein Kerngebiet (MK1) fest, hierfür eine Grundflächenzahl von 0,8, bauzeichnerisch als höchst zulässige Anzahl der Vollgeschosse zwei Vollgeschosse (II), für das Bestandsgebäude auf dem Grundstück des Klägers Baulinien, für das Grundstück der Beigeladenen an der nördlichen und westlichen Seite Baulinien mit einer maximalen Wandhöhe von 42,9 m ü.NN. sowie zurückversetzte Baugrenzen mit einer maximalen Wandhöhe von 46,9 m ü.NN. fest. Für den übrigen südlichen und östlichen Bereich sind Baugrenzen festgesetzt. Nach den textlichen Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung sind dort unter anderem Schank- und Speisewirtschaften, Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonal und für Betriebsinhaber bzw. -leiter (1.1) sowie sonstige Wohnungen oberhalb des Erdgeschosses (1.2.1) allgemein zulässig.
5(Karte 1) (Karte 2)
6Im übrigen Plangebiet finden sich weitere Teil-Kerngebiete (MK1-MK5), Mischgebiete (M1-M2), allgemeine Wohngebiete (WA1-WA5), ein Sondergebiet (Kunst- und Ausstellungshalle) sowie öffentliche Grünflächen (Parkanlage).
7Die südliche Bebauung entlang des H.----wegs und an der C2.-----straße liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 0000/000 vom 00. August 1968. Dieser setzt für den der Gaststätte gegenüberliegenden Bereich ein Kerngebiet und für den dem Vorhaben gegenüberliegenden Bereich ein Mischgebiet fest. Die dort vorhandene Bebauung ist überwiegend durch Wohnnutzung geprägt.
8Die Beigeladene beantragte unter dem 00. September 2021 die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Gebäudes mit Bürofläche im Erdgeschoss sowie 14 Wohneinheiten in den Obergeschossen. Zugleich beantragte die Beigeladene mehrere Befreiungen von Festsetzungen des Bebauungsplans. Diese betreffen unter anderem die Befreiung von der maximal zulässigen Geschosszahl um ein bzw. zwei Vollgeschosse, eine Befreiung von den Baugrenzen östlich und südlich, eine Überschreitung der maximal zulässigen Grundflächenzahl von 0,8 auf 0,9 sowie eine Befreiung von den festgesetzten Wandhöhen.
9Die untere Denkmalbehörde erteilte am 00. Februar 2022 eine denkmalrechtliche Erlaubnis. Die Bezirksvertretung 0 stimmte in ihrer Sitzung am 00. Mai 2022 dem Vorhaben zu. Nach geäußerten Bedenken hinsichtlich der Maßstabstreue der zur Abstimmung vorgelegten Baupläne durch Mitglieder der Bezirksvertretung 0 überprüfte die Beklagte die Bauunterlagen. Die Beigeladene reichte im September 2022 nochmals Pläne ein. In der Folge wurden das Stadtplanungsamt und die untere Denkmalbehörde erneut beteiligt. Sie blieben bei den bisherigen Einschätzungen der Fachämter.
10Mit Bescheid vom 00. Oktober 2022 (Az.: 00/00-XX-0000/00) erteilte die Beklagte der Beigeladenen die Baugenehmigung für die Errichtung eines Gebäudes mit Bürofläche im Erdgeschoss sowie 14 Wohneinheiten in den Obergeschossen. Darin enthalten sind Befreiungen von der Grundflächenzahl, von der Zweigeschossigkeit, von den Baulinien und Baugrenzen sowie eine Ausnahme von dem in Ziff. 10.1. der textlichen Planfestsetzungen vorgesehenen Verbot von Aufenthaltsräumen von Wohnungen, deren Fenster ausschließlich zur Hansaallee ausgerichtet sind. Eine Untersuchung von Lärm- und Geruchsimmissionen der Gaststätte fand im Genehmigungsverfahren nicht statt. Diesbezügliche Nebenbestimmungen enthält die Baugenehmigung nicht.
11Der Kläger, dem der Bescheid nicht zugestellt wurde, hat gegen die Baugenehmigung am 22. Dezember 2022 die vorliegende Klage erhoben. Mit Beschluss des Gerichts vom selben Tag wurde die Bauherrin und Adressatin der Baugenehmigung vom 00. Oktober 2022 zum Verfahren beigeladen. Nach Baubeginn hat der Kläger am 10. März 2023 einen Antrag auf Gewährung gerichtlichen Eilrechtsschutzes gestellt (4 L 640/24). Die Beigeladene hat während des Klageverfahrens eine Lärmprognose des Gutachterbüros Q. vom 00. März 2023 nachgereicht. Diese geht bei Zugrundelegung von 238 Gastplätzen davon aus, dass an den maßgeblichen Immissionsorten der dem Biergarten zugewandten Wohnungen höchstens 59,5 dB(A) tags erreicht werden.
12Der Kläger macht geltend, die Baugenehmigung sei nachbarrechtswidrig. Das Vorhaben verstoße mit Blick auf die heranrückende Wohnnutzung gegen das Rücksichtnahmegebot. Die Baugenehmigung sei insoweit unbestimmt. Mögliche Immissionen (Lärm und Gerüche) des Gastronomie- und Brauereibetriebs auf das Vorhaben seien weder im Genehmigungsverfahren noch im Aufstellungsverfahren des Bebauungsplans untersucht worden. Das von der Beigeladenen eingereichte Simulationsmodell des Gutachterbüros Q. vom 00. März 2023 könne nicht zur Zulässigkeit der Wohnbebauung mit Blick auf den Immissionsschutz dienen. Bei geringen Distanzen wie hier sei nach der Rechtsprechung die besondere, akustisch bedrängende Wirkung der Außengastronomie zu berücksichtigen. Hierbei sei eine situationsbezogene Abwägung der Einzelfallumstände unter Berücksichtigung der besonderen Lästigkeit des von der Außengastronomie ausgehenden Lärms erforderlich. Aufgrund der sehr kurzen Distanz zu den geplanten Schlaf- und Wohnräumen des Vorhabens sei es unmöglich, sich dem „Kommunikationslärm“ zu entziehen. Auch sei zu befürchten, dass ein Nutzungskonflikt der Veranstaltungsräume mit der nur wenige Meter entfernten Wohnnutzung der Beigeladenen entstehe. Mit der Baugenehmigung sei eine Nutzung des Biergartens mit 300 Gastplätzen und bis zu 600 Personen genehmigt worden. Zweifel an deren Wirksamkeit bestünden nicht. Von den Öffnungszeiten des Biergartens seien auch besondere Ruhezeiten erfasst. Selbst wenn Vorschriften über Ruhezeiten außer Betracht blieben, sei bei Abwägung der Gesamtumstände zu beachten, dass Außengastronomie typischerweise zu Zeiten frequentiert werde, an denen benachbarte Bewohner ein besonderes Ruhebedürfnis hätten, wie etwa in den frühen Abendstunden sowie an Sonn- und Feiertagen. Außerdem seien die Immissionen der Innengastronomie und des Brauereibetriebes weder von der Beklagten noch in dem nachgereichten Simulationsmodell geprüft worden. Die Innengastronomie befinde sich keineswegs vorrangig im südlichen Gebäudeteil. Im westlichen Flügel befänden sich zudem Tagungs- und Veranstaltungsräume, deren Fenster weniger als 10 Meter von dem Wohngebäude entfernt lägen. Zu berücksichtigen seien ebenfalls Anlieferung, Lüftungs- und Kühlanlagen im Grenzbereich zum Vorhabengrundstück. Auf gaststättenrechtliche Auflagen komme es insoweit nicht an, denn gaststättenrechtliche Erlaubnisse seien für die immissionsschutzrechtliche Beurteilung irrelevant. Passive Lärmschutzmaßnahmen als Mittel der Konfliktlösung kämen nicht in Betracht. Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes sei auch nicht im Hinblick auf eine bestehende Wohnbebauung in vergleichbarer Nähe am H1.-weg ausgeschlossen. Die Wohn- und Schlafräume im 1. und 2. OG des Vorhabens befänden sich zum Teil nur 3,5 m von der Grundstücksgrenze entfernt, an die sich der Biergarten unmittelbar anschließe. Auch nach den Berechnungen des Simulationsmodells sei bei dem Neuvorhaben aufgrund der Nähe zur Gaststätte mit höheren Beurteilungspegeln zu rechnen als bei der Bestandsbebauung am H1.----weg . Eine Verschlechterung der Lärmsituation sei nicht zuletzt dadurch zu befürchten, dass auch das Zentrum des Biergartens deutlich näher an dem Vorhaben liege als an der Bebauung am H1.----weg . Der Bereich westlich des alten Bahnhofs sei größer und verfüge über deutlich mehr Plätze als südlich entlang der Mauer zum H1.----weg . Zudem bewirke die Verwirklichung des Vorhabens eine Einkreisung des Biergartens, wodurch organisatorische Maßnahmen zur Begrenzung des Biergartenlärms erschwert würden. Darüber hinaus seien die Festsetzungen zum Maß der baulichen Anlagen und zur überbaubaren Grundstücksfläche drittschützend und die Voraussetzungen für die Erteilung der Befreiungen lägen nicht vor; sie berührten die Grundzüge der Planung. Unabhängig hiervon seien die Befreiungen auch deshalb rechtswidrig, weil die Bezirksvertretung 0 eine ihr obliegende Ermessensentscheidung aufgrund fehlerhafter Vorlagen getroffen habe. Darüber hinaus vermittle die Denkmaleigenschaft des Bahnhofgebäudes über den denkmalrechtlichen Umgebungsschutz Drittschutz. Auch führe das Vorhaben zu einer erheblichen Verschattung des Biergartens. Schließlich verstoße das Bauvorhaben gegen den Gebietserhaltungsanspruch.
13Der Kläger beantragt,
14die der Beigeladenen am 00. Oktober 2022 erteilte Baugenehmigung (Az.: 00/00-XX-0000/00) aufzuheben.
15Die Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Sie trägt vor, die Genehmigung sei hinsichtlich nachbarschützender Festsetzungen rechtmäßig. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot liege nicht vor. Die Rechtsprechung zur heranrückenden Wohnbebauung sei vorliegend nicht übertragbar, weil das Vorhaben nicht in einem Wohngebiet liege. Außerdem habe der vorliegende Lärmkonflikt Eingang in die planerische Abwägung gefunden. Ausweislich der Planbegründung (Nr. 4.7.2.1) sei Gewerbelärm umfassend abgewogen worden. Wenn der Gaststättenbetrieb keine ausdrückliche Erwähnung gefunden habe, sei dies darauf zurückzuführen, dass ihm nur untergeordnete Bedeutung beigemessen worden sei. Das Vorhaben werde ferner umfangreichen Schallschutz aufweisen. Gemäß der Nebenbestimmung Ziff. 7.1 zur Baugenehmigung vom 00. Januar 2017 (Az.: 00/00-XX-0000/00) müsse der Betrieb zudem bereits Immissionsrichtwerte von 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts einhalten. Zudem verschlechtere die genehmigte Wohnnutzung ab dem 1. Obergeschoss des Bauvorhabens nicht die immissionsschutzrechtliche Situation des Gaststättenbetriebs auf dem Grundstück des Klägers, da dieser aufgrund bereits bestehender naher Wohnnutzung südlich des H.----wegs Rücksicht nehmen müsse. Auch fielen die Emissionen der gastronomischen Nutzung im Vergleich zu den hohen Emissionen des Verkehrs kaum ins Gewicht. Darüber hinaus sei aufgrund eines anzunehmenden Resonanzeffektes davon auszugehen, dass die in südlicher Richtung befindlichen Wohngebäude am H1.----weg von etwaigem Lärm stärker betroffen seien als das westlich des Biergartens gelegene Bauvorhaben. Im Übrigen käme den einzelnen Festsetzungen, von denen befreit worden sei, keine drittschützende Funktion zu; jedenfalls seien die Grundzüge der Planung nicht berührt. Die Befreiungsentscheidung sei auch im Übrigen rechtmäßig. Der Bezirksvertretung habe eine geeignete Beschlussvorlage zur Entscheidung vorgelegen. Eine Stellungnahme des Stadtplanungsamtes zeige zudem auf, dass die Tatbestandsvoraussetzungen auch für eine Befreiung nach § 31 Abs. 3 BauGB vorlägen. Auch der Umgebungsschutz des denkmalgeschützten Bahnhofgebäudes sei nicht beeinträchtigt. Eine unzumutbare Verschattungswirkung sei nicht zu erkennen. Bereits die umliegende Bebauung und die im Biergarten befindlichen Bäume führten zu einer erheblichen Verschattung, die durch den Neubau nicht intensiviert werde.
18Die Beigeladene beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Sie macht geltend: Der Bebauungsplan Nr. 0000/000 sei aufgrund unzulässiger Festsetzungen zu Lärmpegelbereichen und zur allgemeinen Zulässigkeit von Wohnnutzung oberhalb des Erdgeschosses unwirksam. Ungeachtet dessen liege ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht vor. Das Fehlen einer schalltechnischen Untersuchung im Baugenehmigungsverfahren führe nicht zu einer Unbestimmtheit der Baugenehmigung. Überdies sei eine Nachbarrechtsverletzung nur zu befürchten, wenn sich das genehmigte Vorhaben tatsächlich unzumutbaren Lärmimmissionen aussetze und daher betriebliche Einschränkungen drohten. Diese Gefahr bestehe aber nicht schon dann, wenn ein Schallgutachten fehle. Vielmehr liege eine Rücksichtslosigkeit erst vor, wenn tatsächlich unzumutbare Immissionen auf das heranrückende Vorhaben einwirkten. Zwar seien Lärmimmissionen nicht unmittelbar nach der TA Lärm, sondern nach dem Freizeitlärmerlass unter Berücksichtigung des Einzelfalles zu beurteilen, weil es sich um eine Freiluftgaststätte handele. Dabei sei allerdings zu berücksichtigen, dass diese nicht ganzjährig betrieben werde, für sie ein besonderes soziales Bedürfnis bestehe und sie im innerstädtischen Bereich liege. Die innerstädtische Prägung des (faktischen) Kerngebiets führe dazu, dass Wohnnutzung deutlich weniger schutzbedürftig sei. Die von Klägerseite angeführte Rechtsprechung sei zu Wohnsituationen ergangen, in denen das Wohnen klar die Oberhand habe und daher nicht heranzuziehen. Wer in ein urbanes Umfeld mit benachbartem Biergarten ziehe, wisse um die Störwirkungen, die es in dem betreffenden Gebiet gebe, und nehme diese bewusst in Kauf. In Kerngebieten gebe es auch keine Ruhezeiten. Jedenfalls seien aufgrund des Vorhabens keine Lärmschutzauflagen zu befürchten, da bereits die Wohnbebauung am H1.----weg und an der C2.-----straße geeignet sei, limitierend auf die Außengastronomie zu wirken. Ein näher zum Vorhaben gelegenes „Zentrum des Biergartens“ könne nicht ausgemacht werden, zumal die Bestuhlung gleichmäßig über die gesamte Fläche des Biergartens verteilt sei. Die gegenüber dem Vorhaben geringfügig größere Entfernung zum H1.----weg um weniger Meter ändere an der vergleichbaren Betroffenheit nichts. Ein geringeres Schutzniveau existiere für die Räume am H1.----weg nicht. Die Störwirkung der Einzelgeräusche aus dem Biergarten falle aufgrund des nur geringfügig größeren Abstands dort nicht anders aus. Die am Vorhabenstandort geringfügige Erhöhung des berechneten Lärmpegels von 1-2 dB(A) sei für das menschliche Ohr nicht wahrnehmbar. Entsprechende Abwehrrechte wären ohnehin verwirkt. Aufgrund des gastronomischen Konzepts sei die Geräuschkulisse ferner wohnverträglich; die Bestandssituation zeige die Zumutbarkeit der Nutzungen in geringem Abstand geradezu auf. Vorsorglich sei eine schalltechnische Bewertung des Gutachterbüros Q. vom 00. März 2023 eingeholt worden, die bei Zugrundelegung einer Bestuhlung mit 238 Plätzen und unter der Annahme, dass jeder zweite Besucher gleichzeitig spreche, ermittelt habe, dass der laut Freizeitlärmerlass NRW maßgebliche Immissionsrichtwert von 60 dB(A) tagsüber unterschritten werde. Mit der Baugenehmigung vom 00. Januar 2017 sei keine konkrete Personenzahl festgelegt worden. Erst recht sei keine Genehmigung für bis zu 600 Personen erfolgt. Relevante Auswirkungen durch die Innengastronomie seien nicht zu erwarten. Diese würden ohnehin durch den Biergartenlärm vollständig überlagert. Zudem werde dem Betreiber mit der Gaststättenerlaubnis ein Öffnen von Fenstern und Türen untersagt. Unzumutbare Geruchsimmissionen seien fernliegend. Die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Befreiungen stelle sich bereits nicht, da der Bebauungsplan Nr. 0000/000 unwirksam sei. Ungeachtet dessen seien die Befreiungen rechtmäßig. Die Festsetzungen zur Wandhöhe und der Grundflächenzahl seien nicht nachbarschützend, jedenfalls lägen die Voraussetzungen für eine Befreiung vor. Hinsichtlich der Befreiung von der Festsetzung zur Höhe baulicher Anlagen sei nicht von einem Grundzug der Planung auszugehen. Die Befreiungen seien auch nicht ermessensfehlerhaft. Ungeachtet dessen lägen jedenfalls die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 31 Abs. 3 BauGB vor. Auch aus dem Umgebungsschutz des denkmalgeschützten Bahnhofgebäudes könne kein Nachbarschutz hergeleitet werden.
21Das erkennende Gericht hat im Eilverfahren 4 L 640/23 mit Beschluss vom 15. März 2023 im Wege einer vorläufigen Zwischenentscheidung bis zu einer Entscheidung über den vorliegenden Eilrechtsschutzantrag die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet. Auf die am 21. März 2023 eingelegte Beschwerde der Beigeladenen hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) mit Beschluss vom 17. April 2023 – 10 B 300/23 – diesen Beschluss aufgehoben. Mit Beschluss vom 12. Juni 2023 – 4 L 640/24 – hat das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet. Die Baugenehmigung sei nach summarischer Prüfung unbestimmt, sie den Lärmkonflikt nicht regele. Dieser habe auch keinen Eingang in die planerische Abwägung gefunden. Es sei eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes zu befürchten, da zum einen der Gaststättenlärm auch bei Zugrundelegung einer knappen Einhaltung des für Kerngebiete maßgeblichen Immissionsrichtwertes von 60 dB(A) bei der gebotenen Einzelfallwürdigung eine besondere Lästigkeit aufweise und die Beigeladene keine Maßnahmen zur architektonischen Selbsthilfe ergriffen habe. Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes sei auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil in Anbetracht der Bestandswohnbebauung am H1.----weg keine Verschlechterung der Lärmsituation zu befürchten sei. Mit Beschluss des OVG NRW vom 15. Dezember 2023 – 10 B 645/23 – wurde die Entscheidung geändert und der Eilantrag abgelehnt. Die Baugenehmigung sei nicht in nachbarrechtsrelevanter Weise unbestimmt, da von dem Vorhaben keine Emissionen ausgingen. Im Übrigen fänden sich in der Baugenehmigung für die benachbarte Gaststätte entsprechende Nebenbestimmungen. Ob ein Nachbar im Hinblick auf die von seinem Betrieb ausgehenden Immissionen eine hinzutretende Wohnnutzung hinzunehmen habe, sei keine Frage der Bestimmtheit, sondern des Rücksichtnahmegebotes. Das Vorhaben sei auch nicht als heranrückende Wohnbebauung rücksichtslos. Der Gaststättenbetrieb müsse bereits deshalb nicht mit nachträglichen immissionschutzrechtichen Auflagen rechnen, weil Betrieb und Vorhaben im selben Kerngebiet belegen seien und daher dieselben Immissionsrichtwerte nach der TA-Lärm gelten würden. Die in der Rechtsprechung für Wohngebiete entwickelte „Einzelfallrechtsprechung“, die zu einer anderen Bewertung der Zumutbarkeit von Gaststättenimmissionen für das Vorhaben führen könne, finde bereits auf Mischgebiete keine Anwendung. Dies gelte für Kerngebiete aufgrund des dort weiter geminderten Schutzanspruchs von Wohnnutzung erst recht. Sonstige Nachbarrechtsverstöße lägen nicht vor.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten 4 K 8859/22 und 4 L 640/23, 10 B 300/23, 10 B 645/23 sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Hausakten der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
23Entscheidungsgründe:
24Die Klage hat Erfolg.
25I. Sie ist zulässig, insbesondere ist die Klage nicht verfristet.
26Die Klageerhebung am 22. Dezember 2022 erfolgte jedenfalls innerhalb der Jahresfrist, die mangels Bekanntgabe der Baugenehmigung an den Kläger in entsprechender Anwendung der §§ 74, 58 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zugrunde zu legen ist. Denn der die Jahresfrist auslösende Zeitpunkt, zu dem der Nachbar von der angegriffenen Baugenehmigung sichere Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen,
27vgl. hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1974 – IV C 2.72 –, juris Rn. 24; Beschlüsse vom 28. August 1987 – 4 N 3.86 –, juris Rn. 15 und vom 16. März 2010 – 4 B 5.10 –, juris Rn. 8; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14. Mai 2012 – 10 S 2693/09 –, juris Rn. 34 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 24. September 2009 – 8 B 1342/09.AK –, juris Rn. 44; Beschluss vom 25. September 2015 – 8 A 970/15 –, juris Rn. 14 ff.,
28ist hier frühestens mit Akteneinsicht in den Verwaltungsvorgang im November 2022 (BA 2, Bl. 501) anzunehmen.
29II. Die Klage ist auch begründet.
30Die Baugenehmigung vom 00. Oktober 2022 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Baugenehmigung verstößt gegen öffentlich-rechtliche Bestimmungen, die auch dem Schutz des Klägers als Nachbar dienen. Sie ist in nachbarrechtlich relevanter Weise unbestimmt.
31Eine baurechtliche Nachbarklage hat nur dann Erfolg, wenn sie nicht nur rechtswidrig ist, sondern darüber hinaus gerade den klagenden Nachbarn in subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten verletzt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die angefochtene Baugenehmigung insgesamt objektiv rechtmäßig ist. Vielmehr ist die Baugenehmigung allein daraufhin zu untersuchen, ob sie gegen Vorschriften verstößt, die dem Schutz des um Rechtsschutz nachsuchenden Nachbarn dienen. Der Nachbar kann sich nur auf solche Interessen berufen, die das Gesetz im Verhältnis der Grundstücksnachbarn untereinander als schutzwürdig ansieht.
32Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1993 – 4 C 5/93 –, juris.
33Eine Baugenehmigung muss inhaltlich bestimmt sein, § 37 Abs. 1 VwVfG NRW. Sie muss Inhalt, Reichweite und Umfang der getroffenen Regelung eindeutig erkennen lassen, damit der Bauherr die Bandbreite der für ihn zulässigen Nutzungen und Drittbetroffene das Maß der für sie aus der Baugenehmigung erwachsenden Betroffenheit zweifelsfrei feststellen können.
34OVG NRW, Urteil vom 25. Januar 2013 – 10 A 2269/10 –, juris Rn. 59 m.w.N.; Beschlüsse vom 15. Dezember 2023 – 10 B 645/23 -, juris Rn. 5 und vom 21. Dezember 2020 – 10 B 944/20, juris Rn. 11 m.w.N.; zur Grünstempelung schalltechnischer Untersuchungen vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. Oktober 2012 – 2 A 723/11 –, juris Rn. 35, 37; Urteil vom 8. Oktober 2019 – 7 A 532/18 –, juris Rn. 29.
35Das Bestimmtheitsgebot in seiner nachbarrechtlichen Ausprägung verlangt, dass sich der Baugenehmigung und den genehmigten Bauvorlagen mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen lassen muss, dass nur solche Nutzungen erlaubt sind, die Nachbarrechte nicht unzumutbar beeinträchtigen können. Ist eine Baugenehmigung in dieser Hinsicht inhaltlich nicht hinreichend bestimmt, führt dies zu einem Aufhebungsanspruch des Nachbarn, wenn sich die Unbestimmtheit gerade auf solche Merkmale des Vorhabens bezieht, deren genaue Festlegung erforderlich ist, um eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften auszuschließen (1.) und er – wäre die Baugenehmigung insoweit rechtswidrig –, von dem genehmigten Vorhaben konkret unzumutbare Auswirkungen zu befürchten hätte (2.).
36Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. Januar 2013 – 10 A 2269/10 –, juris Rn. 61, Beschluss vom 30. März 2021 – 10 B 13/21 - , juris Rn. 7; Urteil vom 12. Juni 2024 – 7 A 1268/22 –, juris Rn. 129, Urteil vom 22. Februar 2017 – 7 A 2289/15 –, juris Rn. 56, vom 29. Oktober 2012 – 2 A 723/11 –, juris Rn. 35, vom 15. Mai 2013 – 2 A 3010/11 –, juris Rn. 41 und vom 15. Juli 2013 – 2 A 969/12 –, juris Rn. 58 jeweils m.w.N. - Vgl. zu dem Prüfungsmaßstab, wonach ein Aufhebungsanspruch regelmäßig bereits dann gegeben ist, wenn infolge der Unbestimmtheit die Verletzung von Nachbarrechten bei der Ausführung des Vorhabens nicht (eindeutig) auszuschließen ist: Bay.VGH, Beschluss vom 20. März 2024 – 9 ZB 21.2531 –, juris Rn. 13; OVG NRW, Beschluss vom 30. Mai 2005 – 10 A 2017/03 –, juris, Beschluss vom 8. April 2024 – 2 B 1393/23 –, juris Rn. 28 m.w.N.; OVG Rheinl.-Pf., Urteil vom 18. Januar 2018 – 1 A 11459/17 –, juris Rn. 38.
371. Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung ist in nachbarrechtlich relevanter Weise unbestimmt.
38Geht es – wie hier – um ein Vorhaben in Nachbarschaft zu einer immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftigen Anlage (§ 22 BImSchG), deren Nutzung mit Geräuschen einhergeht, die als schädliche Umwelteinwirkungen (§ 3 BImSchG) auf die Nachbarschaft einwirken können, sind gegebenenfalls Regelungen zum Schutz der subjektiven Rechte von Nachbarn erforderlich. Das gilt insbesondere, wenn der Standort des Vorhabens in einer unter dem Aspekt des Immissionsschutzes kritischen Nähe zur benachbarten Anlage liegt, bei der es problematisch sein kann, ob die Geräuschimmissionen eine für die Nachbarn maßgebende Zumutbarkeitsgrenze überschreiten. In diesem Fall muss die Baugenehmigung das gestattete Ausmaß der Geräuschimmissionen durch Inhalts- oder Nebenbestimmungen festlegen.
39Vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 30. Januar 2019 – 5 S 1913/18 –, juris Rn. 36; Hess.VGH, Beschluss vom 30. Januar 2012 - 4 B 2379/11 - juris Rn. 5 m.w.N.; Bay.VGH, Beschlüsse vom 24. Juni 2002 - 26 CS 02.636 -, juris Rn. 24 und - 26 CS 02.809 -, juris, Rn. 27; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 12. Juli 2007 - 2 L 176/02 - juris Rn. 65.
40Sind solche Regelungen in der Baugenehmigung etwa in Gestalt von konkreten Zielwerten oder Nutzungsregelungen vorhanden, kann der Bestimmtheitsgrundsatz gewahrt sein; die Frage nach deren Vollständigkeit oder inhaltlicher Richtigkeit bleibt dann der materiellrechtlichen Prüfung etwa im Rahmen des Rücksichtnahmegebotes vorbehalten.
41OVG NRW, Urteil vom 29. Januar 2016 - 2 A 2423/15 -, juris Rn. 13 ff., Urteil vom 14. Februar 2019 – 2 A 2584/14 –, juris Rn. 76 ff. m.w.N,, Beschluss vom 21. Dezember 2023 – 10 B 996/23 – unter Hinweis auf VGH Bad-Württ., Beschluss vom 30. Januar 2019 – 5 S 1913/18 –, juris Rn. 38 m.w.N.
42Fehlen jedoch in der Baugenehmigung entsprechende Regelungen gänzlich, obwohl die Umgebungsverträglichkeit eines Vorhabens im Hinblick auf das Rücksichtnahmegebot etwa aufgrund einer kritischen Nähe zur Nachbarschaft einer weitergehenden Prüfung - etwa durch Einholung einer Immissionsprognose – bedarf, so ist die Baugenehmigung grundsätzlich nachbarrechtlich unbestimmt. Denn in diesen Fällen ist auf Grund der Baugenehmigung nicht klar, welchen Immissionen ein Vorhaben durch einen benachbarten emittierenden Betrieb tatsächlich ausgesetzt wird.
43Vgl. auch Hess. VGH, Beschluss vom 30. Januar 2012 – 4 B 2379/11 –, juris, Rn. 5; VG München, Urteil vom 1. Oktober 2015 – M 11 K 14.155 –, juris Rn. 43, 47; vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 20. Februar 2004 – 10 A 558/02 –, juris Rn. 63 ff.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 13. Dezember 2011 – 6 K 2339/07 –, juris Rn. 60. VG Düsseldorf, Urteil vom 9. Oktober 2008 – 9 K 2185/05 –, juris Rn. 49, wonach Bauvorlagen nicht bescheidungsfähig sind, wenn u.a. der für ein Bauvorhaben erforderliche Schallschutznachweis i.S.d. § 8 Abs. 4 BauPrüfVO fehlt.
44Ausgehend hiervon ist der Baugenehmigung nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu entnehmen, dass nur solche Nutzungen erlaubt sind, die Nachbarrechte nicht unzumutbar beeinträchtigen können.
45a) Der vorliegende Lärmkonflikt wird in der Baugenehmigung nicht geregelt, denn diese nimmt das Heranrücken der genehmigten Wohnnutzung bis auf wenige Meter an den Freischankbereich der Gaststätte auf dem klägerischen Grundstück nicht ansatzweise in den Blick. Eine diesbezügliche Lärmimmissionsprüfung fand im Baugenehmigungsverfahren nicht statt. Hierauf bezogene Inhalts- oder Nebenbestimmungen enthält die Baugenehmigung nicht. Das von der Beigeladenen eingereichte Lärmschutzgutachten vom 00. Januar 2022 (BA Heft 1, Bl. 119 ff.) geht auf Gaststättenemissionen nicht ein, sondern berücksichtigt – ebenso wie die unter Ziff. 2. zur Baugenehmigung erteilte Ausnahme – hinsichtlich des Außenlärms lediglich den von der I1.--------- herrührenden Straßenverkehrslärm (BA Heft 1, Bl. 129 ff.). Das im gerichtlichen Verfahren nachträglich vorgelegte Simulationsmodell des Büro Q. vom 00. März 2023 ist nicht grüngestempelt und damit nicht Gegenstand der Baugenehmigung.
46Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 12. Februar 2013 – 2 B 1336/12 –, juris Rn. 22, VG Minden, Urteil vom 12. November 2015 - 9 K 53/14 -, juris Rn. 46 f.
47b) Eine verbindliche Bewältigung des Lärmkonfliktes in der angefochtenen Baugenehmigung ist nach Auffassung des erkennenden Gerichts nicht deshalb entbehrlich, weil das hinzutretende Wohnbauvorhaben selbst nicht emittiert.
48Vgl. aber OVG NRW, Beschlüsse vom 12. Dezember 2023 – 10 B 645/23 –, juris Rn. 7; vom 7. März 2024 – 10 A 3028/21 –, juris Rn. 11, vom 24. Januar 2024 – 10 A 400/22 –, juris Rn. 8
49Eine rechtliche Betroffenheit des (emittierenden) Nachbarn beruht in Fällen heranrückender Wohnbebauung in aller Regel freilich nicht auf Immissionen, sondern auf potenziellen Betriebseinschränkungen durch immissionsschutzrechtliche Auflagen, mit denen der Nachbar im Falle der rechtlichen Verfestigung der Baugenehmigung rechnen muss, wenn sich die hinzutretende Wohnnutzung ihrerseits unzumutbaren Belästigungen oder Störungen aussetzt (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO).
50Vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 12. Juni 2024 – 7 A 1326/22 –, juris Rn. 27 ff.
51Dementsprechend gehören auch in der von § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO erfassten Konstellation heranrückender (Wohn-)Bebauung etwaige Lärmminderungsmaßnahmen zu Lasten eines benachbarten Betriebes bereits zur Entscheidungsgrundlage für die Baugenehmigung.
52Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 – 4 C 8/11 –, juris Rn. 19 unter Hinweis auf die sich aus der Spiegelbildlichkeit der gegenseitigen Verpflichtungen aus dem Rücksichtnahmegebot ergebenden – gemeinsamen - Zumutbarkeitsgrenze; VG München, Beschluss vom 13. August 2019 - M 8 SN 19.2706 -, juris Rn. 53.
53Folglich ist jedenfalls für ein unmittelbar neben einen emittierenden Gewerbebetrieb hinzutretendes Wohnbauvorhaben bereits im Zuge der Erteilung der Baugenehmigung sicherzustellen, dass das Vorhaben nach Aufnahme der Nutzung nicht unzumutbaren Belästigungen oder Störungen ausgesetzt ist. Unterbleibt im Baugenehmigungsverfahren – wie hier – jegliche, für eine tragfähige Entscheidungsgrundlage indes notwendige Ermittlung konkreter Lärmbeeinträchtigungen der heranrückenden Wohnnutzung, tangiert dies bereits die Bestimmtheit der Baugenehmigung. Denn in dem Fall bleibt die Baugenehmigung gerade in einem solchen Merkmal des Vorhabens, dessen genaue Festlegung erforderlich ist, um eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften auszuschließen, unbestimmt.
54Vgl. zur inhaltlichen Prüfung des Bestimmtheitsgebotes im Rahmen der Baugenehmigung für heranrückende Bebauung Nds.OVG, Beschluss vom 25. September 2019 – 1 LA 59/19 –, juris Rn. 8 f., (effektiver Weg zur entsprechenden Geruchsreduktion in der Baugenehmigung hinreichend bestimmt vorgeschrieben); Sächs. OVG, Beschluss vom 23. Oktober 2023 – 1 B 115/23 -, juris Rn. 22, 24 (schalltechnische Relevanz erwogen, aber verneint wegen genehmigter Festverglasung); VG München, Beschluss vom 13. August 2019 - M 8 SN 19.2706 -, juris Rn. 53 ff.; VG Aachen, Urteil vom 19. Mai 2015 – 3 K 2672/12 –, juris Rn. 46, 63, 70; VG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Dezember 2001 – 25 L 2883/01 –, juris Rn. 28 ff.; a.A. VG Münster, Urteil vom 12. Oktober 2021 – 2 K 673/16 –, juris Rn. 99 ff.
55c) Die Regelung des Lärmkonflikts in der angefochtenen Baugenehmigung ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil jener bereits im Bauleitplanverfahren gelöst worden wäre. Eine planerische Konfliktbewältigung hat nicht stattgefunden. Im Aufstellungsverfahren zum Bebauungsplan Nr. 0000/000 findet sich für eine Untersuchung des Gaststättenlärms kein Anhalt. Die Planbegründung und der zugehörige Umweltbericht nehmen als gewerbliche Schallemittenten ausschließlich andere Gewerbebetriebe in den Blick (holzverarbeitender Betrieb, Tischlerei, Umspannwerk, Tiefgaragenein- und –ausfahrten sowie Betriebsparkplatz der Rheinbahn, S. 43, 61 f.). Auch die laut Ziff. 4.7.2.1 der Planbegründung als Beurteilungsgrundlage dienende schalltechnische Untersuchung des Ingenieurbüros T. vom 00. Mai 2009 bezieht ausweislich der Lärmkarte und des zugehörigen Berichts den Gaststättenbetrieb nicht mit ein (Bl. 242 R, 244 R bis 247 BA 52). Folgerichtig schlagen in dieser Untersuchung die gewerblichen Immissionen an den Immissionsorten I 452 und I 453, welche in etwa den Immissionsorten 6 und 7 in der schalltechnischen Berechnung der Fa. Q. vom 00. März 2023 entsprechen (vgl. Bl. 300 BA 52), lediglich mit 18 bzw. 17 dB(A) tagsüber zu Buche (Bl. 12 BA 48; Lärmkarten 2 T, 3 T, Bl. 269, 270 BA 52). Zurückzuweisen ist insofern der Einwand der Beklagten, die von dem Gaststättenbetrieb ausgehenden Immissionen seien schon tatsächlich nicht geeignet, eine Konfliktlage hervorzurufen. Die dem zugrundeliegende Annahme, aufgrund der nur untergeordneten Bedeutung des Betriebes habe es seiner ausdrücklichen Einbeziehung in die planerische Abwägung nicht bedurft, liegt schon aufgrund der Betriebsgröße fern; zudem wird der im Kerngebiet maßgebliche Immissionsrichtwert von 60 dB(A) tags selbst nach der Immissionsprognose der Fa. Q. vom 00. März 2023 bei einer im Biergarten aufhältigen Anzahl von ca. 240 Gästen mit bis zu 59,5 dB(A) allenfalls knapp eingehalten. Im Übrigen geht die Planbegründung selbst davon aus, dass der Bebauungsplan eine störungsfreie Zuordnung allgemein zugelassener Wohnnutzung mit Gewerbenutzung auch in den festgesetzten Kerngebieten nicht gewährleistet, sondern jene einer besonders sorgfältigen Prüfung im Baugenehmigungsverfahren bedarf (S. 62 der Planbegründung). Entgegen der Ansicht der Beklagten vermag der planerische Wille zum Nebeneinander von Wohnen und Gewerbe („urbanes Quartier“, „Nutzungsmischung“, S. 14 und 17 f. der Planbegründung) das Fehlen einer insoweit vollständigen Konfliktbewältigung ebenso wenig zu ersetzen wie die Vorhersehbarkeit der planerischen Umsetzung für die Beteiligten.
56d) Der Mangel an Bestimmtheit wird auch nicht durch Rückgriff auf die dem Kläger erteilten Baugenehmigungen vom 00. November 1991 (0-0000/00, BA 26) und vom 00. Januar 2017 (00/00-BA 0000/00, Bl. 227 BA 71) beseitigt.
57Eine dem Bestimmtheitsgebot genügende Regelung muss grundsätzlich der Baugenehmigung selbst und den mit Zugehörigkeitsvermerk versehenen Bauvorlagen – gegebenenfalls durch Auslegung – entnommen werden können. Dabei sind die mit Zugehörigkeitsvermerk versehenen Bauvorlagen bei der Ermittlung des objektiven Erklärungsinhalts der Baugenehmigung heranzuziehen. Andere Unterlagen oder sonstige Umstände sind für ihren Inhalt regelmäßig nicht relevant.
58OVG NRW, Urteil vom 25. Januar 2013 – 10 A 2269/10 –, juris Rn. 59 m.w.N., Urteil vom 29. Oktober 2012 – 2 A 723/11 –, juris Rn. 35, 37; Urteil vom 8. Oktober 2019 – 7 A 532/18 –, juris Rn. 29.
59Demnach ist die Unbestimmtheit der angefochtenen Genehmigung nicht allein mit Blick auf immissionsschutzrechtliche Nebenbestimmungen in anderen Baugenehmigungen unschädlich. Etwas anderes wäre allenfalls dann zu erwägen, wenn der angefochtenen Genehmigung vom 00. Oktober 2022 eine eindeutige Bezugnahme auf die maßgeblichen Nebenbestimmungen Nr. 15 zum Bauschein vom 00. November 1991 bzw. Nr. 7.1. zur Baugenehmigung vom 00. Januar 2017 – beide enthalten im Wesentlichen Zielwertbestimmungen für Lärmimmissionen von 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts – entnommen werden könnte. Eine solche Bezugnahme ist jedoch nicht erkennbar.
60Vgl. aber zur Problematik von Bezugnahmen auf Gutachten OVG NRW, Beschluss vom 16. Februar 1996 – 10 B 248/96 –, juris Rn. 23; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 27. März 2002 - 5 L 503/02 -, juris, Urteil vom 12. August 2015 – 10 K 1698/12 –, juris Rn. 47.
61Eine Bezugnahme auf andere Nebenbestimmungen dürfte zudem § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO und der vorstehenden einschlägigen Rechtsprechung zuwiderlaufen, wonach die gebotenen Lärmminderungsmaßnahmen als Teil der vom Rücksichtnahmegebot geforderten Zuordnung der Nutzungen zur Entscheidungsgrundlage für die (neu hinzutretende) Baugenehmigung gehören.
62Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 – 4 C 8/11 –, juris Rn. 19.
63Darüber hinaus begegnet ein Rückgriff auf die dem Kläger und seiner Rechtsvorgängerin erteilten Baugenehmigungen auch deshalb Bedenken, weil der vorliegende Lärmkonflikt naturgemäß noch nicht Gegenstand der o.g. Nebenbestimmungen sein konnte – bei Erlass der Baugenehmigung vom 00. November 1991 war nicht einmal der Bebauungsplan in Aufstellung. Selbst bei einem Verständnis der Nebenbestimmungen dergestalt, dass die darin genannten Zielwerte auch gegenüber jedweder künftigen (heranrückenden) Bebauung einzuhalten seien, wäre eine Konfliktbewältigung nicht hinreichend bestimmt gewährleistet. Denn ohne bauaufsichtlich veranlasste Lärmuntersuchungen und ggf. anschließende Nutzungsregeln bleibt unklar, ob von dem Gaststättenbetrieb unzumutbare Verhältnisse gegenüber der hinzutretenden Bebauung ausgehen bzw. auf welche Weise der Kläger zumutbare Verhältnisse schaffen kann. Dies dürfte nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Rechtsprechung bedenklich sein, wonach die Festschreibung eines Zielwertes in einer Nebenbestimmung nur dann zum Schutz der Nachbarn ausreichen kann, wenn - etwa durch eine eingeholte Immissionsprognose - sichergestellt ist, dass diese Zielwerte bei den genehmigten Betriebsabläufen absehbar eingehalten werden und sie zugleich tatsächlich garantieren, dass durch den Betrieb der genehmigten Anlage keine den Nachbarn unzumutbaren Immissionen entstehen.
64vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2013 – 8 A 2893/12 –, juris Rn. 25; Beschluss vom 14. November 2014 – 2 A 767/14 –, juris Rn. 16; Urteil vom 10. Juli 2018 – 2 A 2504/16 –, juris Rn. 58; Beschluss vom 29. Januar 2016 – 2 A 2423/15 -, juris Rn. 35 f. m.w.N., Urteil vom 16. August 2019 – 7 A 1276/18 –, juris Rn. 31; Urteil vom 8. Oktober 2019 – 7 A 532/18 –, juris Rn. 29 m.w.N.; OVG Bln.-Bbg., Beschluss vom 15. Januar 2009 – OVG 10 S 17.08 –, juris Rn. 24; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 12. Juli 2007 - 2 L 176/02 - juris Rn. 65.
65Im Übrigen dürfte ein Verweis auf immissionsschutzrechtliche Nebenbestimmungen anderer Baugenehmigungen ohnehin an seine Grenzen stoßen, wenn sich in der Nachbarschaft nicht nur einer, sondern mehrere emittierende Betriebe befinden. Die dann zur Ermittlung der akzeptorbezogenen Lärmvorbelastung des Bauherrn notwendige Summation verschiedener Lärmquellen dürfte sich allein durch eine Bezugnahme auf mehrere Baugenehmigungen und deren Nebenbestimmungen nur schwerlich bewerkstelligen lassen.
662. Aufgrund der Unbestimmtheit der angefochtenen Baugenehmigung ist eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes, welche bei einer Außengastronomie im absoluten Nahbereich zu einer heranrückenden Wohnnutzung auch in einem Kerngebiet im Rahmen einer Würdigung des Einzelfalls zu beurteilen ist (a), konkret zu befürchten; erst recht ist sie nicht auszuschließen (b).
67a) Nach dem aus § 30 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO oder – die Unwirksamkeit des Bebauungsplans Nr. 0000/000 unterstellt – aus dem Merkmal des „Einfügens“ in § 34 Abs. 1 BauGB bzw. § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO abzuleitenden Rücksichtnahmegebot sind Bauvorhaben unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebietes im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden. Zur Rücksichtnahme ist danach nicht nur derjenige verpflichtet, der Emissionen verursacht, sondern auch derjenige, der sich einer emittierenden Anlage aussetzt. Auf die Unzulässigkeit eines solchen Vorhabens kann sich auch der Betreiber berufen, von dessen vorhandenem Betrieb die kritischen Immissionen ausgehen.
68Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 1999 – 4 C 6.98 –, juris Rn. 19 ff.; OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 2020 – 2 A 211/17 –, juris Rn. 98.
69Welche Anforderungen sich aus dem Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen ergeben, hängt maßgeblich davon ab, was dem Rücksichtnahmebegünstigten einerseits und dem Rücksichtnahmeverpflichteten andererseits nach Lage der Dinge zuzumuten ist.
70Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 – 4 C 8.11 –, juris Rn. 16; Urteil vom 20. Dezember 2012 – 4 C 11.11 –, juris Rn. 32.
71Soweit – wie hier – ein Rücksichtnahmeverstoß aufgrund von Immissionsbelastungen geltend gemacht wird, ist zur Bestimmung der Grenze der Zumutbarkeit auf die materiell-rechtlichen Maßstäbe des Immissionsschutzrechts, also auf die Schwelle schädlicher Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1, § 22 Abs. 1 BImSchG zurückzugreifen.
72Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 – 4 C 8.11 –, juris Rn. 18 f.; OVG NRW, Urteil vom 14. Februar 2019 – 2 A 2584/14 –, juris Rn. 73; Urteil vom 19. Juni 2020 – 2 A 211/17 –, juris Rn. 102; Bay. VGH, Beschluss vom 23. Februar 2021 – 15 CS 21.403 –, juris Rn. 77.
73Nach § 3 Abs. 1 BImschG sind schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Lärmemissionen, die von einer gewerblichen Nutzung (sowie dem ihr zurechenbaren Zu- und Abgangsverkehr) ausgehen bzw. solche, die auf das genehmigte Vorhaben einwirken, sind anhand der auf der Grundlage des § 48 BImSchG ergangenen Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) vom 26. August 1998 zu bewerten. Der TA Lärm kommt, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen gemäß § 3 Abs. 1 BImSchG konkretisiert, eine auch im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu.
74Vgl. allg. hierzu BVerwG, Urteil vom 29. August 2007 – 4 C 2.07 –, juris Rn. 12; Urteil vom 29. November 2012 – 4 C 8.11 –, juris Rn. 18 f.; Beschluss vom 25. Februar 2014 – 4 B 2.14 –, juris Rn. 4; OVG NRW, Beschluss vom 7. April 2016 – 2 B 1261/15 –, juris Rn. 23; Feldhaus/Tegeder, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, 64. Update (225. AL/Dezember 2022), TA Lärm, Nr. 2 Rn. 39.
75Allerdings gilt die TA Lärm nach Nr. 1 Abs. 2 lit. b) TA Lärm nicht für Freiluftgaststätten. Zwar handelt es sich bei dem auf dem Grundstück des Klägers betriebenen Gastronomie- und Bierbraubetrieb mit Biergarten nicht um eine Freiluftgaststätte, sondern um eine sog. gemischte Gaststätte, die sowohl auf einen Innen- als auch auf einen Außenbetrieb ausgerichtet ist. Während für den Innenbereich einer gemischten Gaststätte die in der TA Lärm festgelegten Richtwerte unmittelbar gelten,
76vgl. OVG NRW, Urteil vom 13. November 2009 – 7 A 146/08 –, juris Rn. 78; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Werkstand: 99. EL September 2022, 3.1 TA Lärm, Nr. 1 Rn. 13,
77ist dies für den Außenbetrieb nicht der Fall. Denn auch bei Freischankflächen einer in geschlossenen Räumen betriebenen Gaststätte, die – wie hier – eine gewisse Eigenständigkeit besitzen und das Kolorit der Gaststätte mitprägen,
78vgl. Feldhaus/Tegeder, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, 64. Update (225. AL/ Dezember 2022), TA Lärm, Nr. 1 Rn. 16,
79kommen die Besonderheiten des durch Menschen verursachten Lärms zum Tragen, die von einem Bündel von Faktoren abhängen und nur unvollkommen in einem einheitlichen Messwert aggregierend erfasst werden können. Diese Besonderheiten lassen sich mithilfe des standardisierten Beurteilungsverfahrens der TA Lärm nicht abschließend beurteilen, weshalb dieses Verfahren auch auf solche Freischankflächen nicht unmittelbar anwendbar ist.
80Vgl. OVG NRW, Urteil vom 13. November 2009 – 7 A 146/08 –, juris Rn. 75, bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 3. August 2010 – 4 B 9.10 –, juris Rn. 4; Bay. VGH, Urteil vom 25. November 2015 – 22 BV 13.1686 –, juris Rn. 58; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Werkstand: 99. EL September 2022, 3.1 TA Lärm, Nr. 1 Rn. 12 ff.
81Gerade bei Anlagen der Außengastronomie werden die Auswirkungen dieser – typischerweise besonders lärmintensiven – Art des Gaststättenbetriebs durch eine schalltechnische Untersuchung, die sich schematisch an das jeweilige Regelwerk hält, nicht vollständig erfasst. Es geht nämlich nicht um die Bewertung von Arbeitslärm oder gleichmäßigen bzw. gleichförmigen Geräuschen (wie sie z.B. von Lüftungsanlagen ausgehen können), sondern um die Beurteilung der Lautäußerungen von Gaststättenbesuchern, die von dem Gaststättenbetreiber kaum beeinflusst werden können und die wegen ihrer Informations- und Impulshaltigkeit als besonders störend empfunden werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn – wie hier – die in die Beurteilung einzustellenden Geräusche vornehmlich durch menschliches Verhalten verursacht werden und vom Naturell und der jeweiligen Stimmung der einzelnen Gaststättenbesucher abhängen und daher anders als bei gewerblichem Lärm im herkömmlichen Sinne weder vom Biergartenbetreiber gesteuert noch hochgerechnet werden können.
82Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 25. Juni 2008 – 10 A 2525/07 –, juris Rn. 16 und vom 17. Juli 2008 – 7 A 1868/07 –; Urteil vom 9. Juli 1992 – 7 A 158/91 –, BRS 54 Nr. 190, alle m.w.N.
83Dies schließt es allerdings nicht aus, die Immissionsrichtwerte der TA Lärm und das zugehörige Beurteilungsverfahren als Orientierungshilfe bzw. groben Anhalt bei der Bewertung der Geräuschimmissionen heranzuziehen. Die TA Lärm darf mithin nicht schematisch angewandt werden. Sie bildet nur ein Parameter unter mehreren innerhalb der Gesamtabwägung.
84Vgl. OVG NRW, Urteile vom 6. September 2019 – 7 A 1174/17 –, juris Rn. 33 und vom 23. Mai 2018 – 4 A 2588/14 –, juris; Urteil vom 16. Dezember 2014 - 7 A 2623/13 -, juris Rn. 46; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Werkstand: 99. EL September 2022, 3.1 TA Lärm Nr. 1 Rn. 14; Feldhaus/Tegeder, a.a.O., Nr. 1 Rn. 16.
85Deshalb besagt die Einhaltung von Immissionsrichtwerten gemäß den Vorgaben der TA Lärm noch nicht, dass die durch die gastronomische Nutzung verursachten Lärmimmissionen für die mit Wohnhäusern bebauten Nachbargrundstücke zumutbar sind. Insbesondere im absoluten Nahbereich zu einer Wohnnutzung kann der Betrieb einer Außengastronomie auch dann gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoßen, wenn etwa ein auf der Grundlage technischer Regelwerke erstelltes schalltechnisches Gutachten den Betrieb gerade noch als zumutbar erscheinen lässt. Erforderlich ist vielmehr regelmäßig – und so auch hier – eine situationsbezogene Abwägung der Umstände des Einzelfalls.
86Vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. August 2010 – 4 B 9.10 –, juris Rn. 3; Beschluss vom 17. Juli 2003 – 4 B 55.03 –, juris Rn. 8; Urteil vom 19. Januar 1989 – 7 C 77.87 –, juris Rn. 27 f.; OVG NRW, Urteil vom 13. November 2009 – 7 A 146/08 –, juris Rn. 69; Beschluss vom 28. August 1998 – 10 B 1353/98 –, juris Rn. 26 f.; Beschluss vom 17. Juli 2008 – 7 A 1868/07 –, juris Rn. 8; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. Juli 2017 – 6 B 11.17 –, juris Rn. 29; VG Düsseldorf, Urteil vom 29. November 2017 – 28 K 7748/16 –, juris Rn. 30; Urteil vom 6. November 2008 – 9 K 2466/07 –, juris Rn. 75.
87Diese Rechtsprechung ist nach der Auffassung des Gerichts nicht nur für den Ruhebereich von Wohngrundstücken in einem (reinen oder allgemeinen) Wohngebiet zugrunde zu legen, sondern auch in einem sonstigen Baugebiet, in dem Wohnen zulässig sein kann, darunter auch in einem Kerngebiet.
88Denn die Ausnahmeregelung für Freiluftgaststätten in Nr. 1 Abs. 2 lit. b) TA Lärm sieht keine Eingrenzung auf bestimmte Baugebietstypen vor. Auch der im vorbezeichneten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. August 2010 – 4 B 9.10 –, juris Rn. 2 zur Entscheidung gestellten Rechtsfrage
89„ob der Freiluftbereich einer Gaststätte im absoluten Nahbereich zu einer Wohnnutzung (UA S. 20) einer Freiluftgaststätte im Sinne der Nr. 1 Satz 2 Buchst. b) TA Lärm gleichzustellen ist und daher nicht in den Anwendungsbereich der TA Lärm fällt“
90ist diesbezüglich keine Einschränkung zu entnehmen. Zudem lässt die Argumentation, mit der das Bundesverwaltungsgericht die Gründe für die Nichtanwendbarkeit der TA Lärm auf Freiluftbereiche von Gaststätten (mit Innen- und Außenbereich) überträgt (Rn. 4 des Beschlusses), nicht erkennen, inwiefern sich die Problematik der durch besondere räumliche Nähe verschärften besonderen Geräuschcharakteristik nur in (reinen oder allgemeinen) Wohngebieten stellen könnte. Vielmehr können die lärmspezifischen Besonderheiten, derentwegen sich die standardisierte Regelfallbeurteilung auf der Grundlage der TA Lärm als unzureichend erweist, auch in einem Mischgebiet oder Kerngebiet auftreten. Dies entspricht auch der früheren Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen.
91Vgl. für ein Mischgebiet OVG NRW, Beschlüsse vom 17. Juli 2008 – 7 A 1868/07 -, juris Rn. 15; Beschluss vom 9. Juli 1998 – 7 B 1226/98 -, n.v., Gemengelage mit teilweise kerngebietstypischer Nutzung: Beschluss vom 13. Februar 1998 – 10 B 2290/97 –, n.v.; für ein Kerngebiet: Beschluss vom 25. November 2013 – 2 A 879/13 –, n.v.
92Vor diesem Hintergrund lässt der Umstand, dass das Bundesverwaltungsgericht in der Entscheidung vom 3. August 2010 keine Veranlassung hatte, den entscheidungstragenden Rechtssatz des Oberverwaltungsgerichts im Urteil vom 13. November 2009 – 7 A 146/08 – zu beanstanden, wonach
93„jedenfalls der Freiluftbereich einer Gaststätte, der bis auf wenige Meter an den Ruhebereich der Wohngrundstücke eines angrenzenden reinen Wohngebiets heranreicht, einer Freiluftgaststätte i.S.d. Nr. 1 Satz 2 Buchst. b) TA Lärm gleichzustellen ist, weil auch in diesem Fall lärmspezifische Besonderheiten bestehen, zu deren Beurteilung sich die standardisierte Regelfallbeurteilung auf der Grundlage der TA Lärm als unzureichend erweist“,
94nicht den Umkehrschluss zu, die Beurteilung des von Freischankflächen gemischter Gaststätten in eine nahe gelegene Wohnbebauung immittierenden Lärms habe in Mischgebieten oder Kerngebieten – entgegen Nr. 1 Abs. 2 Buchst. b) TA Lärm – wieder schematisch nach Maßgabe der TA Lärm zu erfolgen.
95Im Ergebnis nichts Anderes gilt bei Zugrundelegung der nordrhein-westfälischen Freizeitlärm-Richtlinie in Nr. 1 bis 3 des Runderlasses des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (Messung, Beurteilung und Verminderung von Geräuschimmissionen bei Freizeitanlagen,– V-5 – 8827.5 – vom 23. Oktober 2006, MBl. NRW 2006, 566, geänd. d. RdErl. vom 16. September 2009 (MBl. NRW 2009, S. 450) und vom 13. April 2016 (MBl. NRW. 2016, S. 239), im Folgenden: Freizeitlärmerlass), die – für Freizeitanlagen im Allgemeinen – durch Vorgabe bestimmter Ruhe- und Beurteilungszeiten den Besonderheiten des Freizeitlärms und der Schutzbedürftigkeit der Umwelt Rechnung tragen. So werden Ruhezeiten nicht (lediglich) durch einen Zuschlag in den Beurteilungspegel eingerechnet (vgl. Nr. 6.5 TA Lärm), sondern durch jeweils gesonderte Immissionsrichtwerte definiert, die jeweils um 5 dB(A) geringer sind als die Immissionsrichtwerte nach der TA Lärm. Nr. 4 des genannten Erlasses sieht zudem vor, bei der Bewertung des von Betrieben der Außengastronomie ausgehenden Lärms unter Zugrundelegung weiterer Kriterien (i.d.R. nicht ganzjähriger Betrieb, soziales Bedürfnis für den Betrieb, besondere Geräuschcharakteristika) von den Immissionswerten der TA Lärm abzuweichen und die spezifischen Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen.
96Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 18. Juli 2007 – 9 K 2160/07 –, juris Rn. 46 ff.
97Eine Einschränkung auf bestimmte Baugebietstypen ist dem Freizeitlärmerlass gleichfalls nicht zu entnehmen.
98Ist die TA Lärm nicht (unmittelbar) anwendbar und gilt für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Geräuschimmissionen der zur Genehmigung beziehungsweise Vorbescheidung gestellten Anlage auch kein anderes normatives Regelwerk bindend, bleibt die Beurteilung der Zumutbarkeit von Geräuschen gerade von atypischen, wegen ihrer Vielgestaltigkeit in ihren Lärmauswirkungen schwer greifbaren Anlagen weitgehend der tatrichterlichen Wertung im Einzelfall vorbehalten. Diese Einzelfallwertung richtet sich maßgeblich insbesondere nach der durch die Gebietsart und die tatsächlichen Verhältnisse bestimmten Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit; dabei sind wertende Elemente wie Herkömmlichkeit, soziale Adäquanz und allgemeine Akzeptanz ebenso mitbestimmend wie gesetzliche Wertungen. Zu berücksichtigen sind darüber hinaus die einzelnen Schallereignisse, ihr Schallpegel und ihre Eigenart sowie ihr Zusammenwirken.
99Vgl. OVG NRW, Urteil vom 16. Dezember 2014 - 7 A 2623/13 -, juris Rn. 46, und vom 6. September 2011 - 2 A 2249/09 -, juris, Rn. 98 ff., m. w. N. unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2001 - 7 C 16.00 -, juris Rn. 12 (zur indiziellen Bedeutung der Freizeitlärmrichtlinie); BVerwG, Urteil vom 29. April 1988 – 7 C 33/87 –, juris Rn. 16; Bay. VGH, Urteil vom 25. November 2015 – 22 BV 13.1686 –, juris Rn. 59; Nds. OVG, Beschluss vom 18. März 2020 – 12 ME 4/20 –, juris Rn. 15; Bay. VGH, Urteil vom 25. November 2015 – 22 BV 13.1686 –, juris Rn. 59; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25. September 2017 – OVG 1 B 14.16 –, juris Rn. 39.
100In welchem Maße die Umgebung schutzwürdig ist und ihrerseits auf einen emittierenden Betrieb Rücksicht zu nehmen hat, kann ferner nicht unabhängig von etwaigen tatsächlichen oder rechtlichen Vorbelastungen bewertet werden. Ist der Standort schon durch Belästigungen in einer bestimmten Weise vorgeprägt, so vermindern sich entsprechend die Anforderungen des Rücksichtnahmegebots. Ist die Grundstücksnutzung aufgrund der konkreten örtlichen Gegebenheiten mit einer spezifischen gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet, so führt dies nicht nur zu einer Pflichtigkeit desjenigen, der Immissionen verursacht, sondern auch zu einer Duldungspflicht desjenigen, der sich solchen Immissionen aussetzt.
101Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 – 4 C 8.11 –, juris Rn. 16, Beschluss vom 3. Dezember 2009 – 4 C 5.09 –, juris Rn. 14; OVG NRW, Beschluss vom 7. April 2016 – 2 B 1261/15 –, juris Rn. 17.
102Inwieweit die faktische Vorbelastung durch den vorhandenen Betrieb das Lärmschutzniveau verringert, bestimmt sich nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls. Die äußerste Grenze ist bei der Schwelle zur Gesundheitsgefährdung zu ziehen. Gesunde Wohnverhältnisse (vgl. § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1, § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB) müssen gewahrt, ein Wohnen ohne Gesundheitsgefahren muss möglich bleiben. Im Übrigen fällt die "Quantifizierung" der schutzmindernden Lärmvorbelastung in den Bereich der tatrichterlichen Sachverhaltswürdigung und Bewertung.
103Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 1999 – 4 C 6/98 – juris Rn. 27; OVG NRW, Urteile vom 22. Juni 2023 - 2 D 347/21.NE -, juris Rn. 105, und vom 30. Mai 2017 - 2 D 27/15.NE -, juris Rn. 108, sowie Beschluss vom 21. September 2005 - 10 B 9/05.NE ‑, juris Rn. 14.
104Eine exakte Grenze im Sinne eines eindeutigen Grenzwertes lässt sich insoweit nicht fixieren. Die Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse sind jedoch im Regelfall gewahrt, wenn die Orientierungswerte für Dorf- oder Mischgebiete von 60 dB(A) tags und 50 dB(A) nachts unterschritten werden, da die genannten Baugebiete neben der Unterbringung von (nicht wesentlich) störenden Gewerbebetrieben auch dem Wohnen dienen und die Orientierungswerte hierauf zugeschnitten sind.
105Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 1999 - 4 C 6.98 -, juris Rn. 27 (bezogen auf die 18. BImSchV); OVG NRW, Beschluss vom 17. Mai 2024 – 10 B 186/24.NE –, juris Rn. 19 unter Hinweis auf OVG NRW, Urteile vom 22. Juni 2023 - 2 D 347/21.NE -, juris Rn. 105, und vom 30. Mai 2017 - 2 D 27/15.NE -, juris Rn. 108, sowie Beschlüsse vom 29. Februar 2016 -10 B 134/16.NE -, juris Rn. 17, und vom 21. September 2005 - 10 B 9/05.NE -, juris Rn. 14 (jeweils im Zusammenhang mit Verkehrslärm).
106Ebenso ist (höchstrichterlich) noch nicht abschließend geklärt, wo die Grenze exakt verläuft, bei der die Schwelle zur Gesundheitsgefahr durch Lärmimmissionen erreicht bzw. überschritten wird.
107Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. September 2023 - 8 A 2519/18 -, juris Rn. 162.
108Die Grenze der Gesundheitsgefahr, bei der eine Ermittlung der Lärmbeeinträchtigung nach Maßgabe eines Summenpegels geboten ist, beginnt (jedenfalls) regelmäßig für Wohngebiete bei einem äquivalenten Dauerschallpegel von etwa 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts.
109Vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Dezember 2017 - 7 A 7.17 -, juris Rn. 46, und vom 13. Mai 2009 - 9 A 72.07 -, juris Rn. 69; OVG NRW, Beschlüsse vom 25. April 2023 - 10 B 9/23.NE -, juris Rn. 15, und vom 20. Januar 2020 - 7 B 961/19.NE -, juris Rn. 17.
110b) Gemessen an diesen Vorgaben sind für das geplante Wohnbauvorhaben der Beigeladenen unzumutbare Lärmbeeinträchtigungen konkret zu befürchten. Erst recht sind sie nicht auszuschließen.
111Zieht man die TA Lärm als Orientierungshilfe bzw. Erkenntnisquelle heran, so liegen die von der Außengastronomie herrührenden Immissionen an der genehmigten Wohnnutzung allenfalls an der Grenze der Zumutbarkeit (aa). Aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls sind gleichwohl unzumutbare Verhältnisse zu befürchten (bb). Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil das genehmigte Wohnbauvorhaben nicht ursächlich für künftige Lärmschutzauflagen zu Lasten des Klägers wäre (cc).
112aa) Die Einhaltung der Richtwerte der TA Lärm ist bislang nicht nachgewiesen. Die im gerichtlichen Verfahren nachgereichte schalltechnische Berechnung vom 00. März 2023 kommt ausgehend von einer Auslastung der Außengastronomie mit maximal ca. 240 Personen (zwischen 19 und 22 Uhr) zu dem Ergebnis, dass der Immissionsrichtwert von 60 dB(A) tags an sämtlichen Immissionsorten – an den dem Biergarten zugewandten Immissionsorten 6 und 7 im 2. OG mit 59,2 bzw. 59,5 dB(A) indes knapp – eingehalten wird.
113Diese Berechnung dient allenfalls als grober Anhalt. Als tragfähige Immissionsprognose scheidet sie jedoch aus. Denn abgesehen davon, dass sie den Innenbereichslärm nicht berücksichtigt (1), ist die von ihr zugrunde gelegte, offenbar auf der Grundlage eines Luftbildes (Bl. 136 zu 4 L 640/23) ermittelte Besucherzahl mit 238 Personen zu niedrig angesetzt; der Biergarten ist baurechtlich für 300 Gäste genehmigt (2).
114(1) Die schalltechnische Berechnung vom 00. März 2023 lässt unberücksichtigt, dass – findet der Gaststättenbetrieb auch auf der Freifläche statt – die Türen zum Servicebereich der Innengastronomie sowie die Fenster des Ausschankpavillons zum Zwecke der Bedienung geöffnet werden und insoweit auch Geräuschemissionen des Innenbereichs hinzuzurechnen sind. Einen Erfahrungssatz, dass bei einer Nutzung der Außengastronomie so genannter „gemischten Gaststätten“ deren Innenbereichsgeräusche von vorne herein vernachlässigbar sind, gibt es nicht. Insbesondere kann ein Leerstand der Innengastronomie bei schönem Wetter nicht unterstellt werden. Von einer pauschalen Überlagerung der Innengeräusche durch die Außengastronomie ist ebenfalls nicht auszugehen.
115Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 13. November 2009 – 7 A 146/08 –, juris Rn. 82.
116Der weitere Einwand der Beigeladenen, der Innenbereichslärm sei zu Recht nicht berücksichtigt worden, weil nach der gaststättenrechtlichen Erlaubnis keine Immissionen nach außen dringen dürften, greift schon deshalb nicht durch, weil der gaststättenrechtlichen Erlaubnis vom 00. August 2023 (0-00/0000; Bl. 109 zu 00 X 000/00) für die immissionsschutzrechtliche Beurteilung, welche hier im Rahmen der Baugenehmigung vorzunehmen ist, keine Relevanz zukommt. Soweit die typischerweise mit der bestimmungsgemäßen Nutzung einer Gaststätte – wie hier – in einer konkreten baulichen Umgebung verbundenen Immissionen zu beurteilen sind, muss bereits die angegriffene Baugenehmigung sicherstellen, dass durch die mit ihr zusätzlich zugelassene Nutzung keine Lärmimmissionen hervorgerufen werden, die nach dem Gebot der Rücksichtnahme unzumutbar wären; sie muss die mit Rücksicht auf schutzwürdige nachbarschaftliche Belange ggf. erforderlichen Beschränkungen selbst klar und im sachlich gebotenen Umfang regeln. Soweit die Baugenehmigungsbehörde zuständig ist, entfaltet die feststellende Regelung der Baugenehmigung im gaststättenrechtlichen Erlaubnisverfahren Bindungswirkung. Die Sicherstellung des Rücksichtnahmegebotes obliegt somit der Bauaufsichtsbehörde und darf nicht in das nachfolgende Verfahren zur Erteilung der Gaststättenerlaubnis verlagert werden. Nur atypische Betriebs-eigentümlichkeiten und spezielle gewerberechtliche Problemstellungen fallen demgegenüber in die Zuständigkeit der Gaststättenbehörde.
117Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2011 – 4 B 3.11 –, juris Rn. 5 f.; OVG NRW, Urteil vom 23. Mai 2018 – 4 A 2588/14 –, juris Rn. 94 ff.; Boeddinghaus/Hahn/Schulte u.a., Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Stand: 01.12.2022, § 74 Rn. 287; VG Köln, Beschluss vom 3. August 2023 – 8 L 467/23 –, juris Rn. 23.
118Ein Verbot des Öffnens von Fenstern und Türen ist den Baugenehmigungen vom 00. November 1991 und 00. Januar 2017 indes nicht zu entnehmen. Die jeweiligen Nebenbestimmungen verhalten sich hierzu nicht. Damit ist ein Innenbereichslärm der Gasträume im Erdgeschoss und der im westlichen Gebäudeteil gelegenen Tagungs-und Veranstaltungsräume im 1. OG mit zu berücksichtigen. Namentlich die Impulshaltigkeit des beim Öffnen von Türen und Fenstern in den Biergarten plötzlich hinzutretenden Lärms greift die schalltechnische Berechnung nicht auf.
119Ungeachtet dessen ist durch die betreiberbezogene Gaststättenerlaubnis vom 00. August 2023 keineswegs sichergestellt, dass aus dem Innenbereich keine Immissionen nach außen dringen. Zwar dürfen demnach Türen und Fenster zu Lüftungszwecken nicht geöffnet werden (Auflage Nr. 4) und ebenso wie sonstige Schallaustrittsöffnungen nicht offenstehen, wenn durch Lärm Dritte belästigt werden können (Nr. 6). Diese Regelungen können aber Innenbereichslärm schon deshalb nicht effektiv ausschließen, weil es sich von selbst versteht, dass jedenfalls Türen zum Biergarten stets für Gäste und Kellner (für Bedienungs- bzw. Toilettengänge) geöffnet werden müssen. Zudem müssen Türen in Rettungswegen aus Brandschutzgründen unverschlossen sein und dürfen in geöffnetem Zustand auch vorübergehend nicht festgestellt werden (Nr. 8). Soweit schließlich die Auflage Nr. 5 Immissionsrichtwerte abstrakt für verschiedene Baugebiete aufführt, handelt es sich nicht um eine Nebenbestimmung mit Regelungscharakter, da eine Umsetzung auf die konkrete Umgebungssituation nicht stattfindet.
120Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2001 – 7 C 16.00 –, juris Rn. 8.
121Ob die schalltechnische Berechnung einen etwaigen Lieferverkehr für den Brauerei- und Gaststättenbetrieb, der ihm über Nr. 7.4 TA Lärm zuzurechnen und zusammen mit den übrigen Anlagengeräuschen zu beurteilen ist, zu Recht unberücksichtigt gelassen hat, mag an dieser Stelle auf sich beruhen.
122(2) Hinzu kommt, dass die im Simulationsmodell zugrunde gelegte Anzahl von 238 Gästen nicht der genehmigten Gästezahl entspricht, welche im Rahmen der vorzunehmenden „worst-case“-Prognose zugrunde zu legen ist, damit die Bewertung auf der "sicheren Seite" liegt.
123Vgl. etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 8. Oktober 2019 – 7 A 532/18 –, juris Rn. 32 m.w.N. und 4. März 2024 – 7 B 1244/23 –, juris Rn. 7.
124Die nachträgliche Baugenehmigung vom 00. Januar 2017 schließt eine Nutzung durch bis zu 300 Gäste ein.
125Maßgeblich für den Inhalt dessen, was baurechtlich genehmigt wird, ist in erster Linie die Baugenehmigung selbst. Der Bauschein bestimmt insbesondere Art und Umfang des genehmigten Vorhabens. Aber auch die mit Zugehörigkeitsvermerk versehenen Bauvorlagen müssen bei der Ermittlung des objektiven Erklärungsinhalts der Baugenehmigung herangezogen werden. Hierzu gehören insbesondere die Bauzeichnungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 3, § 4 BauPrüfVO NRW), die bei Änderungen baulicher Anlagen auch die zu beseitigenden und die neuen Bauteile zu verdeutlichen haben (§ 4 Abs. 1 Nr. 4 BauPrüfVO NRW). Widersprüchlichkeiten reichen nicht aus, um von vornherein von einer Rechtswidrigkeit auszugehen. Jene sind - soweit möglich - durch Auslegung zu beheben.
126Vgl. Boeddinghaus/Hahn/Schulte u.a., Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Stand: 01.12.2022, § 74 Rn. 160 f, 164, 173 m.w.N. aus der Rechtsprechung.
127Gemessen hieran legt die Baugenehmigung entgegen der Tendenz im Eilbeschluss vom 12. Juni 2023 – 4 L 640/23 –, juris Rn. 120 für den Biergarten eine höchstzulässige Besucherzahl hinreichend bestimmt fest. Zwar ist der Biergarten nicht ausdrücklich von dem Bauantrag umfasst, denn letzterer betrifft – nach zwischenzeitlicher Modifizierung während des Genehmigungsverfahrens – wörtlich nur die „Wiederinbetriebnahme des Braubetriebs, brandschutztechnische Sanierung, Errichtung Bieraufzug, Nutzungsänderung Büro 2. OG in Lüftungsanlage für Küche“. Der mit Zugehörigkeitsvermerk versehene Grundriss für das Erdgeschoss (Bl. 18 BA 71) beinhaltet jedoch einen Bestuhlungsplan für den Biergarten, welcher bei Zugrundelegung einer herkömmlichen Breite der Bierbänke von 2,20 m und der sonstigen Sitzgelegenheiten zumindest annähernd 300 Sitzplätze bietet. Eine entsprechende Gästezahl ist im Grundriss auch ausdrücklich hervorgehoben („genutzt = 300 Gastplätze“). Dies entspricht dem gleichfalls mit Zugehörigkeitsvermerk versehenen Brandschutzkonzept vom 15. Dezember 2014, wonach gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 6 BauPrüfVO NRW unter Punkt 4.9. („höchstzulässige Zahl der Nutzer“) zu dem Biergarten (4.9.2) auf der Grundlage der im zugehörigen Feuerwehrübersichtsplan (Anlage 9) vorgesehenen Bestuhlung eine Gästezahl von „ca. 300“ vorgesehen ist (Bl. 114, 177 BA 71). Soweit der Grundriss und das Brandschutzkonzept zugleich davon ausgehen, dass „theoretisch“ gar eine Nutzung durch bis zu 600 Personen möglich sei, setzt dies laut Brandschutzkonzept eine Nutzung ohne Tische und Stühle voraus. Von dieser abstrakten Möglichkeit hat der Kläger, wie sich aus dem Bestuhlungsplan ergibt, gerade keinen Gebrauch gemacht. Auch ist den Bauvorlagen nicht zu entnehmen, dass die Beklagte gestatten wollte, von diesen Angaben bzw. Unterlagen ohne weitere Prüfung oder Voraussetzungen abzuweichen.
128Der Zusatz in der Baubeschreibung, wonach der Gaststättenbetrieb durch die Maßnahmen aus dem Bauantrag vom 00. April 2014 nicht berührt wird (Bl. 6 BA 71), ändert insoweit nichts. Abgesehen davon, dass die Baubeschreibung gegenüber den Bauzeichnungen nachrangig ist, soweit diese die zur Prüfung des Bauantrages notwendigen Angaben bereits enthält (vgl. § 5 Abs. 1 BauPrüfVO NRW), ist die Formulierung entsprechend §§ 133, 157 BGB bei objektiver Würdigung als Klarstellung zu verstehen, dass der Gaststättenbetrieb an sich – im Gegensatz zu dem wiederaufgenommenen Brauereibetrieb – ununterbrochen fortbestehen soll. Demgegenüber ist die Annahme, die Erweiterung des Biergartenbetriebes solle trotz ihrer eindeutigen Darstellung in den Bauvorlagen gleichwohl nicht vom Antragsgegenstand umfasst sein, fernliegend.
129Darüber hinaus spricht – ohne dass es in dem Zusammenhang noch entscheidend darauf ankäme – vieles dafür, dass die Fortschreibung des Brandschutzkonzeptes F. in den früheren Fassungen von 2007 und vom 25. August 2010 (BA 36) gerade in Anbetracht der behördlichen Beanstandungen des vormals unzulänglichen Bestuhlungs- und Rettungswegekonzeptes im Biergarten (vgl. etwa die Nachforderung vom 00. April 2008 zum Bauantrag 00-XX-0000/00, BA 21; Beanstandungen der Feuerwehr 00. April 2010, BA 36) auch dazu diente, den seit 1991 deutlich vergrößerten Biergartenbetrieb und dessen Bestuhlung zu aktualisieren, um den Gaststättenbetrieb einschließlich des Biergartens – unbeschadet der formalen Umschreibung des Vorhabens im Bauantrag – insgesamt auf eine neue genehmigungsrechtliche Grundlage zu stellen.
130Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. September 2023 – 2 B 754/23 –, juris Rn. 9.
131Ist damit die höchstzulässige Personenzahl in der Baugenehmigung vom 00. Januar 2017 insoweit hinreichend bestimmt, können die von Klägerseite aufgeworfenen Fragen zur etwaigen Nichtigkeit der Baugenehmigung auf sich beruhen. Die tatsächliche Umsetzung des Bestuhlungsplanes ist keine Frage des Inhalts der Baugenehmigung, sondern ihres Vollzuges.
132Ob und inwieweit bei Zugrundelegung von 300 Gästen der Beurteilungspegel an den genehmigten Wohnungen der Beigeladenen über den nach Nr. 6.1 d) TA Lärm maßgeblichen Immissionsrichtwert von 60 dB(A) tags hinausgeht, kann vorliegend nicht abschließend beurteilt werden. Das Gericht geht jedoch davon aus, dass die Zumutbarkeitsschwelle der TA Lärm allenfalls knapp eingehalten wird. Denn selbst eine aufgrund der faktischen Vorbelastung durch die Gaststätte gebotene Erhöhung des für Kerngebiete Nr. 6.1 d) TA Lärm maßgeblichen Richtwertes von 60 dB(A) tags müsste in Anbetracht der örtlichen Verhältnisse, die unstreitig durch einen erheblichen Anteil von Wohnnutzung im H1.----weg und das Fehlen sonstiger gewerblicher Vorbelastungen geprägt sind, allenfalls moderat ausfallen und zudem deutlich unterhalb des Richtwertes für Gewerbegebiete von 65 dB(A) liegen. Denn der für ein Gewerbegebiet maßgebliche Immissionsrichtwert von tags 65 dB(A) ist grundsätzlich nicht wohnverträglich.
133Vgl. VG München, Urteil vom 29. Oktober 2009 – M 11 K 09.356 –, juris Rn. 34 m.w.N.; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Mai 2018, § 8 BauNVO Rn. 8; vgl. zu § 246 Abs. 10 BauGB und der grundsätzlichen Gebietsunverträglichkeit wohnähnlicher Anlagen im Gewerbegebiet: Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: August 2021, § 246 BauGB Rn. 58 m.w.N.
134Jedenfalls bei Geräuschen der hier vorliegenden Art, die in hohem Maße durch Pegelausschläge infolge von menschlichen Lautäußerungen bis hin zu Schreien, Rufen, Grölen etc. gekennzeichnet und deshalb in besonderer Weise geeignet sind, das Ruhebedürfnis angrenzender Wohnnutzung zu stören, sieht die Kammer keine tragfähige Begründung dafür, die Grenze der Zumutbarkeit erst bei einem - auf gemittelten Werten beruhenden - Beurteilungspegel von 65 oder gar 70 dB(A) tags anzusetzen.
135bb) Letztlich kann jedoch die Beantwortung der Frage, welcher Immissionsrichtwert im vorliegenden Fall konkret angesetzt werden müsste und ob dieser letztlich eingehalten wird, dahingestellt bleiben. Auch bei Zugrundelegung eines für die Beigeladenen aufgrund der faktischen Vorbelastung moderat erhöhten Tagesrichtwertes auf bis zu 63 oder gar 64 dB(A) ist selbst bei dessen tatsächlicher Einhaltung oder knapper Unterschreitung eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes zu befürchten. Dies folgt bereits aus der Eigenart des Außengastronomielärms im absoluten Nahbereich zur Wohnnutzung (1) sowie zusätzlich daraus, dass die Beigeladene zumutbare Maßnahmen architektonischer Selbsthilfe nicht ergriffen hat (2). Die Lage im Kerngebiet führt im Einzelfall zu keinem anderen Ergebnis (3).
136(1) Vorliegend sind unzumutbare Verhältnisse aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles zu besorgen, die sich aus der Eigenart des Lärms einer Außengastronomie mit bis zu 300 Personen im absoluten Nahbereich zu einer nur wenige Meter entfernten Wohnnutzung ergeben. Bei derartigen räumlichen Verhältnissen fällt die besondere Lästigkeit der von einer Außengastronomie ausgehenden Immissionen in einer Weise ins Gewicht, die die Lärmbelastung auch bei einem Beurteilungspegel, der einen – moderat erhöhten – Immissionsrichtwert einhält, als unzumutbar erscheinen lässt. Gerade die Besonderheiten menschlicher Lautäußerungen besitzen bei einer solch geringen Distanz des Immissionsortes zur Außengastronomie eine besondere akustisch „bedrängende“ Wirkung. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die durch die Kommunikation der Gäste untereinander verursachten Geräusche. Der Biergarten mit einer Größenordnung von bis zu 300 Personen, welche offenbar auch weitgehend ausgenutzt wird, birgt für die nach Osten hin ausgerichteten Wohnungen des Vorhabens ein erhebliches Störpotenzial. Insbesondere die besonders schutzbedürftigen Wohnräume im 1. und 2. OG liegen von der zum Teil nur ca. 3,50 m entfernten Grundstücksgrenze – an die sich der Biergarten unmittelbar anschließt – ausgehend von einer Geschosshöhe von knapp 4 m ca. 5 bis 6 m (1. OG) bzw. etwa 8 m (2. OG) entfernt. In diesem absoluten Nahbereich ist es unmöglich, sich – zumindest bei geöffneten Fenstern – dem durch Unterhalten sowie lautes Lachen und Gläserklirren verursachten „Kommunikationslärm“ zu entziehen. Zwar mag nicht jedes Wort der Unterhaltungen der Gäste, wohl aber laufend Gesprächsfetzen zu verstehen sein. Schon das nur als Gemurmel wahrnehmbare Gespräch mehrerer Personen beinhaltet aufgrund seiner Charakteristik und ständig wechselnden Modulation ein Störpotential für den Ruhesuchenden. Darüber hinaus sind informationshaltige Gesprächsbruchstücke besonders geeignet, die Aufmerksamkeit der beschallten Personen zu erregen, auch wenn diese dem Gespräch nicht bewusst folgen wollen. Denn es liegt wohl in der Natur des Menschen, derartigen Reizen – auch wenn sie ihn ungewollt erreichen – zunächst jedenfalls kurz Aufmerksamkeit zu schenken. Dies führt in solchen Fällen, in denen nur Teile eines Gesprächs zu verstehen sind, zu einem – ungesteuerten – besonderen Bemühen, den Inhalt eines Gesprächs in sinngebender Weise zu erfassen, was die Ablenkung des Betroffenen verstärkt.
137Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 29. November 2017 – 28 K 7748/16 –, juris Rn. 33; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 15. März 2011 – 6 K 3813/09 –, juris Rn. 43.
138Soweit die Beigeladene meint, besondere Störwirkungen seien ausgeschlossen, weil das gastronomische Konzept auf ein gesittetes Publikum ausgerichtet sei, kann dem nicht gefolgt werden. Dies verkennt, dass Geräusche, die von Dritten verursacht werden, vom Biergartenbetreiber anders als bei gewerblichem Lärm im herkömmlichen Sinn nicht gesteuert werden können.
139OVG NRW, Beschluss vom 25. Juni 2008 – 10 A 2525/07 –, juris Rn. 16;
140Auch sind für eine Biergartennutzung als besonders lästig empfundene Einzelgeräusche wie lautes bzw. schrilles Rufen oder Lachen geradezu typisch.
141Vgl. hierzu z.B. OVG NRW, Beschluss vom 9. Juli 1998 – 7 B 1226/98 –, n.v.; Beschluss vom 25. November 2013 – 2 A 879/13 –, n.v., S. 4 f.; VG Düsseldorf, Urteil vom 18. Juli 2007 – 9 K 2160/07 –, juris Rn. 42 ff.; Urteil vom 6. November 2008 – 9 K 2466/07 –, juris Rn. 75 ff.
142Die Vorbelastung durch den Straßenverkehr der I1.---- ist insofern nicht zu berücksichtigen, da sie von anderer Art und Qualität ist und den Biergartenlärm nicht abschirmt. Die Außengastronomie wird außerdem gerade abends sowie an Sonn- und Feiertagen durch ein zu diesen Zeiten erhöhtes Gästeaufkommen erhöhte Schallemissionen verursachen und damit zu eben den Zeiten, zu denen der Verkehrslärm zurückgeht sowie Verkehrspausen entstehen können und die Beigeladene ein besonderes Bedürfnis an der Nutzung der zum Biergarten gelegenen Wohnzimmer und der vorgelagerten Balkone zum Zwecke der Ruhe und Erholung hat. Das schließt die Annahme aus, dass der zusätzliche Lärm des Biergartens keine relevante Änderung der Lärmsituation verursachen würde.
143Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. Juli 2017 – OVG 6 B 11.17 –, juris Rn. 40.
144(2) Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass es die Beigeladene in der Hand hatte, im Baugenehmigungsverfahren durch die Ausrichtung der besonders lärmempfindlichen Räumlichkeiten in gewissem Umfang die Lärmempfindlichkeit zu mindern. Denn § 15 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. BauNVO begründet für den Bauherrn der später hinzutretenden Wohnnutzung die Obliegenheit, stärkere Belastungen durch mögliche und zumutbare Maßnahmen der „architektonischen Selbsthilfe“, etwa in Bezug auf die Stellung des Gebäudes auf dem Grundstück, zu vermeiden und so auf die benachbarte emittierende Nutzung Rücksicht zu nehmen. Ein Wohnbauvorhaben auf einem durch Lärm erheblich vorbelasteten Grundstück ist rücksichtslos, wenn bei seiner Verwirklichung auf naheliegende, technisch mögliche und wirtschaftlich vertretbare Gestaltungsmittel oder bauliche Vorkehrungen verzichtet wird, die die Lärmbetroffenheit der Wohnnutzung spürbar mindern würden. Auch insoweit begründet die zeitliche Priorität eines benachbarten Betriebes eine besondere Pflichtigkeit eines später heranrückenden Wohnbauvorhabens. Lässt das Vorhaben es hieran fehlen, ist es unzulässig.
145Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 1999 – 4 C 6.98 –, juris Rn. 28; Beschluss vom 20. August 2015 – 5 B 14.15 –, juris Rn. 10.
146Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass die Beigeladene etwa in Bezug auf die Stellung des Gebäudes auf dem Grundstück, den äußeren Zuschnitt des Hauses, die Art der baulichen Nutzung in den Obergeschossen, die (biergartenabgewandte) Anordnung der besonders schutzbedürftigen Räume und die Öffenbarkeit der Fenster Bemühungen unternommen hätte, auch auf die Lärmimmissionen des bereits vorhandenen Gaststättenbetriebes Rücksicht zu nehmen. Dabei fällt besonders ins Gewicht, dass die Wohn- und Essräume sowie die vorgelagerten Balkone der Wohnungen im östlichen Gebäudeteil allesamt zu dem besonders störungsintensiven Außenbereich des Biergartens ausgerichtet sind. Dies wirkt sich für die im nordöstlichen Gebäudeteil gelegenen Wohnungen in besonderer Weise aus, da sie bereits dem Verkehrslärm der I1.---- ausgesetzt sind. Bezüglich der Wohnungen im südöstlichen Gebäudeteil legen die im Simulationsmodell der Fa. Q. vom 00. März 2023 für die Immissionsorte 4 und 5 ermittelten Werte zumindest nahe, dass bei einer Ausrichtung der jeweiligen Wohnzimmer nach Süden ein um mindestens 5 dB(A) geringerer Beurteilungspegel möglich wäre. Die nach Osten ausgerichteten Hauptschlafräume („Masterbedroom“) scheiden als vorübergehende Rückzugsmöglichkeiten aus. Auf eine Belüftung des Wohnzimmers durch das nach Süden ausgerichtete Küchenfenster kann der Kläger nicht verwiesen werden.
147Erschwerend kommt hinzu, dass die besondere Störempfindlichkeit des Vorhabens auch darauf beruht, dass die Errichtung von zumindest zwei Wohnungen nur unter zusätzlicher Befreiung von den Baugrenzen ermöglicht wurde. Bei der Interessengewichtung spielt es eine maßgebliche Rolle, ob es um ein Vorhaben geht, das grundsätzlich zulässig und nur ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen nicht zuzulassen ist, oder ob es sich - umgekehrt - um ein solches handelt, das an sich unzulässig ist und nur ausnahmsweise zugelassen werden kann. Wer sich auf den Bebauungsplan berufen kann, hat bei der Interessenabwägung grundsätzlich einen gewissen Vorrang.
148BVerwG, Beschluss vom 6. Dezember 1996 – 4 B 215/96 –, juris Rn. 9; Urteil vom 6. Oktober 1989 – 4 C 14/87 –, juris Rn. 15.
149Schließlich ist in dem Zusammenhang unerheblich, dass die Beigeladene und ggf. spätere Erwerber der Wohnungen zur Hinnahme der vorstehenden Lärmimmissionen bereit sind. Ein bauwilliger Nachbar, der mit seinem Wohnbauvorhaben an eine emittierende Anlage heranrückt, kann die aus § 15 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. BauNVO folgende Unzulässigkeit seines – solche Rücksicht nicht nehmenden – Vorhabens auch nicht dadurch abwenden, dass er sich bereit erklärt, die Lärmimmissionen auf sein vorbelastetes Grundstück hinzunehmen und auf die Geltendmachung etwaiger Abwehrrechte zu verzichten oder das maßgebliche Lärmschutzniveau auf ein Maß abzusenken, das er nach seiner persönlichen Einstellung bereit ist hinzunehmen.
150Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 1999 – 4 C 6.98 –, juris Rn. 29.
151(3) Die Immissionen, denen die Beigeladene ausgesetzt ist, sind ihr auch nicht deshalb zumutbar, weil ihr Grundstück in einem Kerngebiet liegt. Zwar kann in einem Kerngebiet, das vorwiegend der Unterbringung von Handel und Gewerbe dient (§ 7 Abs. 1 BauNVO), nicht das gleiche Maß an Schutz vor Störungen der Wohnruhe verlangt werden wie in einem reinen oder allgemeinen Wohngebiet. Denn selbst wenn Wohnnutzung für ein Kerngebiet gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 7 BauNVO im Bebauungsplan allgemein zugelassen ist – wie hier für das MK 1 in den Obergeschossen (Textliche Festsetzung 1.2.1) –, geht aus dem von der Verordnung in Abs. 2 ersichtlichen Zulässigkeit des Nebeneinanders von Wohn- und sonstiger kerngebietstypischer Nutzung hervor, dass kerngebietstypische Nutzungen spezifische Störungen verursachen können, die von störempfindlichen und schützenswerten Nutzungen grundsätzlich hinzunehmen sind.
152Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Mai 2021, § 7 BauNVO Rn. 14.
153Der Plangeber hat bei der Festsetzung von Wohnungen im Kerngebiet zu beachten, dass dieses in erster Linie und im Unterschied zu anderen Baugebieten der Baunutzungsverordnung den vorgenannten zentralen Funktionen und Einrichtungen zu dienen bestimmt ist. Führt jedoch das Nebeneinander von kerngebietstypischen Anlagen und Wohnungen im Einzelfall zu Nutzungskonflikten, beurteilt sich die Zulassung einer zur Genehmigung gestellten kerngebietstypischen Anlage nach § 15 Abs. 1 BauNVO.
154BVerwG, Beschluss vom 6. Dezember 2000 – 4 B 4/00 –, juris Rn. 9.
155Folglich haben kerngebietstypische Nutzungen wie Schank- und Speisewirtschaften im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO jenseits ihrer allgemeinen Zulässigkeit im Kerngebiet auch auf eine allgemein zulässige Wohnnutzung Rücksicht zu nehmen. Die Feinsteuerung der Konfliktbewältigung hat dann im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO nach den konkreten Einzelfallumständen zu erfolgen. So ist es auch in Kerngebieten nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass Schank- und Speisewirtschaften nach Maßgabe des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO unzulässig sind.
156OVG NRW, Beschluss vom 25. November 2013 – 2 A 879/13 –, n.v., S. 6. des amtl. Umdrucks; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Mai 2021, § 7 BauNVO Rn. 22, 43.
157Das Auftreten solcher Konfliktlagen hielt offenbar auch der Plangeber für möglich. Im Umweltbericht (S. 62 der Planbegründung) heißt es:
158„Da im Kern-und im Mischgebiet Wohnungen bzw. Betriebswohnungen entweder allgemein oder ausnahmsweise zugelassen sind, ist auf eine störungsfreie Zuordnung mit den gewerblichen Nutzungen innerhalb der jeweiligen Baugebietskategorien sowie mit den angrenzenden Gebietsarten im Rahmen der Baugenehmigungen besonders zu achten.
159Der vorliegende Lärmkonflikt hat wie eingangs dargelegt keinen Eingang in die planerische Abwägung gefunden. Zudem sind nach den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes im MK 1 Wohnungen oberhalb des 1. OG allgemein zulässig („urbanes Quartier“ bzw. „Nutzungsmischung“, vgl. S. 14 und 17 f. der Planbegründung), so dass gewerbliche Nutzungen hierauf Rücksicht zu nehmen haben.
160Darüber hinaus treffen die Geräusche die Bewohner der betroffenen Wohnungen zu einem erheblichen Anteil auch gerade in Zeiten, in denen diese selbst besonders schutzwürdig sind, da es sich um Zeiten des Ausruhens und der Erholung handelt. So ist auf der Basis des anzunehmenden Freizeitverhaltens der potentiellen Gäste von einer besonders starken Nutzung in den späten Nachmittags- und Abendstunden sowie an Sonntagen ganztägig auszugehen. Die Baugenehmigung für die Gaststätte umfasst für den Biergarten Betriebszeiten von 11.00 bis 22.00 Uhr, und somit auch gerade Zeiten – im Besonderen die Abendstunden der Wochentage sowie am Wochenende – die auch die Bewohner der Wohnungen des vorliegend streitigen Vorhabens nutzen dürften oder nutzen können, um Erholung zu suchen.
161Der Einwand der Beigeladenen, im Kerngebiet gebe es keinerlei Ruhezeiten, ist schon mit Blick auf die Wertung von Nr. 3.1 Buchst. c) i.V.m. 3.3 des Freizeitlärmerlasses, wonach auch in Kerngebieten in Ruhezeiten (u.a. 20-22 Uhr) sowie Sonn- und Feiertagen ein herabgesetzter Immissionsrichtwert von 55dB(A) tags gilt, fraglich. Zwar sind Kerngebiete von der Spezialregelung in Nr. 4 des Freizeitlärmerlasses, welche der von § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LImSchG NRW bezweckten Privilegierung der Außengastronomie Rechnung trägt und eine Störwirkung von Geräuschen der Außengastronomie bei Tagzeiten mit erhöhter Empfindlichkeit (werktags 6-7, 20-24 Uhr, Sonn- und Feiertags 6-7, 13-15, 20-24 Uhr) durch einen Zuschlag von 6 dB(A) berücksichtigt, ausgenommen. Aus dem Fehlen eines entsprechenden Empfindlichkeitszuschlages für Kerngebiete kann jedoch nicht gefolgert werden, ein Ruhebedürfnis der Wohnbevölkerung sei dort in Bezug auf Außengastronomielärm generell zu verneinen. Dies stünde mit § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO nicht in Einklang. Vielmehr kann ein Ruhebedürfnis der Wohnnutzung nach den Umständen des Einzelfalles je nach Lärmvorbelastung, Lärmart und -häufigkeit und den örtlichen Verhältnissen auch in einem Kerngebiet bestehen. Dies ist insbesondere in der vorliegenden Konfliktlage zu bejahen. Bauliche Nutzungen, die für das Vorhaben vergleichbare (gewerbliche) Geräuschbelastungen erwarten lassen, sind im Kerngebiet MK 1 nicht vorhanden. Die unmittelbare Umgebung im H1.----weg bis zur Einmündung C2.-----straße ist unstreitig vorwiegend durch Wohnnutzung geprägt, so dass sich aufgrund der äußerst geringen Entfernung des Vorhabens die Eigenart des Biergartenlärms in besonderem Maße auswirkt (s.o.). Folglich ist auch hier in die Abwägung einzustellen, dass Außengastronomie typischerweise zu Zeiten frequentiert wird, in denen Anwohner einer benachbarten allgemein zulässigen Wohnnutzung ein gesteigertes Ruhebedürfnis haben, wie etwa in den Abendstunden vor 22 Uhr und an Sonn- und Feiertagen.
162Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 25. November 2013 – 2 A 879/13 –, n.v., S. 3 f. des amtl. Umdrucks; VG Minden, Urteil vom 28. Februar 2013 – 9 K 2755/10 –, juris Rn. 32.
163Dies gilt auch, wenn man berücksichtigt, dass die Nutzung witterungsbedingt nicht ganzjährig erfolgen wird. Denn bei der Nutzung des Biergartens können jedenfalls für den Zeitraum zwischen Frühjahr und Herbst und damit für einen erheblichen Teil des Jahres unzumutbare Verhältnisse keineswegs ausgeschlossen werden.
164Vgl. OVG NRW, Urteil vom 6. September 2019 – 7 A 1174/17 –, juris; Beschluss vom 19. Januar 1996 – 7 B 3172/95 –, n.v. S. 7 desamtl. Umdrucks; VG Düsseldorf, Urteil vom 29. November 2017 – 28 K 7748/16 –, juris Rn. 36 m.w.N.;.
165Der sinngemäße Einwand der Beigeladenen, bei einer Anlegung derart strenger Maßstäbe wären nahezu sämtliche Biergärten in Düsseldorf und anderen dicht besiedelten Städten für die Nachbarschaft unzumutbar, greift nicht durch. Biergärten sind in Kerngebieten auch in der Umgebung von Wohnnutzung zulässig, sofern die maßgebliche Baugenehmigung einen im jeweiligen Einzelfall gebotenen Schutz der Nachbarschaft durch entsprechende geeignete Auflagen, etwa in Form konkreter Nutzungsregelungen und/oder einer Anordnung baulicher Schallschutzmaßnahmen, sicherstellt. Eine allgemeine Aussage zur Unzulässigkeit von Außengastronomiebetrieben in rückwärtigen Grundstücksbereichen im Kerngebiet ist damit nicht verbunden.
166cc) Schließlich ist eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes nicht deshalb ausgeschlossen, weil das genehmigte Wohnbauvorhaben nicht ursächlich für künftige Lärmschutzauflagen zu Lasten des Klägers wäre.
167Eine heranrückende Wohnbebauung bzw. eine sonstige heranrückende immissionsempfindliche Nutzung verletzt gegenüber einem bestehenden emittierenden Betrieb das Gebot der Rücksichtnahme, wenn ihr Hinzutreten die rechtlichen immissionsbezogenen Rahmenbedingungen, unter denen der Betrieb arbeiten muss, gegenüber der vorher gegebenen Lage verschlechtert. Dies ist dann der Fall, wenn der Betrieb durch die hinzutretende Bebauung mit nachträglichen immissionsschutzrechtlichen Auflagen rechnen muss.
168Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Januar 1993 – 4 C 19.90 –, juris Rn. 25, 32; Urteil vom 23. September 1999 – 4 C 6.98 –, juris Rn. 19 ff.; Bay. VGH, Beschluss vom 23. Februar 2021 – 15 CS 21.403 –, juris Rn. 77 m.w.N.
169Eine Rücksichtslosigkeit aufgrund einer heranrückenden Wohnbebauung zu Lasten eines bestehenden emittierenden Betriebs ist grundsätzlich ausgeschlossen, wenn das neue störempfindliche Vorhaben in der Nachbarschaft eines „störenden Betriebs“ für diesen keine weiteren Einschränkungen zur Folge haben wird, weil er schon auf eine vorhandene, in derselben Weise störempfindliche Bebauung Rücksicht nehmen muss.
170Vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Dezember 2009 – 4 C 5.09 –, juris Rn. 14; Bay. VGH, Beschluss vom 21. August 2018 – 15 ZB 17.2351 –, juris Rn. 12 m.w.N.
171Die gewerbliche Nutzung braucht gegenüber der hinzukommenden Nutzung nicht mehr Rücksicht zu nehmen als gegenüber der bereits vorhandenen Nutzung. Halten sich die von dem Gewerbebetrieb ausgehenden Belästigungen in den Grenzen des Zumutbaren, so hat der Gewerbebetrieb keine immissionsschutzrechtlichen Beschränkungen seines Betriebs infolge der hinzukommenden (Wohn-)Bebauung zu befürchten. Überschreiten die Belastungen diese Grenze, so hat der Betrieb Einschränkungen bereits wegen der vorhandenen und nicht erst wegen der hinzukommenden Bebauung hinzunehmen.
172Vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Dezember 2009 – 4 C 5.09 –, juris Rn. 14; OVG NRW, Beschluss vom 7. April 2016 – 2 B 1261/15 –, juris Rn. 19; Urteil vom 19. Juni 2020 – 2 A 211/17 –, juris Rn. 100.
173Dieser Rechtsprechung liegt die Erwägung zugrunde, dass in solchen Fällen das hinzutretende Vorhaben weder die bereits vorhandenen Konflikte verschärft noch erstmalig neue Nutzungskonflikte begründet.
174BVerwG, Urteil vom 15. September 2022 – 4 C 3.21 –, juris Rn. 14 m.w.N.
175Hiervon ausgehend ist eine Verschlechterung der immissionsbezogenen Rahmenbedingungen für den Kläger weder mit Blick auf die bestehende Bebauung am H1.----weg (1) noch deshalb ausgeschlossen, weil für das hinzutretende Vorhaben und den Gaststättenbetrieb dieselben Immissionsrichtwerte gelten (2).
176(1) Eine Verschlechterung der Lärmsituation ist zunächst nicht deshalb zu verneinen, weil nach Auffassung der Beklagten und der Beigeladenen das geplante Vorhaben keinen stärkeren Lärmimmissionen ausgesetzt sei als die der Gaststätte nächstgelegenen Bestandswohnungen im H1.----weg (Gebäude C2.-----straße 0 und 0 und am H1.----weg 4). Für eine stärkere Geräuschbelastung spricht die physikalische Gegebenheit, dass der Schallpegel mit zunehmender Entfernung von einer Schallquelle abnimmt. Das von der Beigeladenen geplante Gebäude rückt ausweislich des amtlichen Lageplanes (vgl. BA 3, Bl. 97) bis auf ca. 3,50 m an die Grundstücksgrenze des Klägers heran, an die sich im nordwestlichen Bereich unmittelbar der Biergarten anschließt. Das Grundstück H1.----weg 4 liegt nach der über tim-online.de zur Verfügung gestellten amtlichen Karte ca. 7,80 m von der gegenüberliegenden südlichen Grundstücksgrenze des Klägers entfernt. Damit weist es bereits ohne besondere Berücksichtigung der Innenaufteilung des dortigen Neubaus einen mehr als doppelten Abstand im Vergleich zu dem hiesigen Bauvorhaben auf. Bereits geringfügige Entfernungsunterschiede um wenige Meter können zu einer deutlichen Lärmpegelerhöhung gemäß der TA Lärm beitragen. So geht beispielsweise auch die schalltechnische Bewertung des Gutachterbüros Q. am Immissionsort 7 (2.OG) gegenüber dem Immissionsort 2 (Neubau am H1.----weg , 2. OG) bei Zugrundelegung von 238 Gästen und einer lediglich um 2,9 m geringeren Entfernung zur Schallquelle von einem um 1,3 dB(A) höheren Beurteilungspegel aus. Dass die Steigerung in dem Fall in einem für das menschliche Ohr nicht wahrnehmbaren Bereich von 1-2 dB(A) liegt,
177vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Mai 2024 – 10 B 186/24.NE – juris Rn. 25 m.w.N.
178schließt eine Verschärfung der Lärmsituation nicht aus. Zum einen ist ungewiss, ob bei Zugrundelegung von 300 Gästen nicht auch die Pegeldifferenz an den maßgeblichen Immissionsorten am H1.----weg und am Vorhaben höher ausfällt als 1,3 dB(A), wie sie das Simulationsmodell für 238 Gäste annimmt. Zum anderen bestehen entgegen der Ansicht der Beigeladenen durchaus Anhaltspunkte dafür, dass aufgrund der Besonderheiten des Biergartenlärms – unabhängig vom Grad der berechneten Erhöhung des Beurteilungspegels – am Vorhaben eine spürbar größere Störwirkung zu befürchten ist als an der Bestandswohnbebauung im H1.----weg . Denn der Schwerpunkt der Außengastronomie befindet sich im nordwestlichen Teil des Biergartens, wo eine Bestuhlung für etwa 180 bis 200 Gastplätze vorgesehen ist (Bl. 18 BA 71). Dort befinden sich auch der Ausschank und die Terrassentür zum Innenbereich mit Bierschwemme im Erdgeschoss sowie Veranstaltungs- und Tagungsräume im 1. OG des westlichen Gebäudeteils. Die östlichen Wohn- und Schlafräume des Bauvorhabens sind unmittelbar auf diesen Teil des Biergartens ausgerichtet. Demgegenüber befinden sich im südlichen Teil des Biergartens etwa 100 bis 120 Plätze und keine südlich ausgerichteten Türen zum Innenbereich. Schon deshalb lässt sich eine an dem streitgegenständlichen Bauvorhaben erhöhte Störwirkung durch Gesprächsfetzen und Geräuschspitzen etc. keineswegs ausschließen. Hinzu kommt, dass die Bebauung am H1.----weg (Gebäude H1.----weg 0 und C2.-----straße 0 und 0) aufgrund der zum Teil deutlich größeren Entfernung und der dort in höherem Maße vorhandenen Rückzugsmöglichkeiten insgesamt weniger störempfindlich ist als das genehmigte Vorhaben. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt das Gericht auf die diesbezüglichen Ausführungen im Eilbeschluss vom 12. Juni 2023 – 4 L 640/23 –, juris Rn. 93 ff., Bezug.
179Demgegenüber ist ein deutlich erhöhter Resonanzeffekt zulasten der Bebauung am H1.----weg , wie ihn die Beklagte ins Feld führt, durch nichts belegt. In der vorgelegten schalltechnischen Berechnung der Fa. Q. findet er jedenfalls keine Stütze, weil die dort für das Vorhaben und die Bebauung am H1.----weg jeweils berücksichtigte Schallpegelerhöhung durch Reflexionen (dLRefl) keine signifikanten Unterschiede aufweist. Ob mit dem Vorhaben eine zusätzliche Einkreisung des Biergartens entsteht, die dem Kläger effektive Lärmminderungsmaßnahmen erschwert und insofern konfliktverschärfend wirkt, mag daher in diesem Zusammenhang dahinstehen.
180Damit bedarf auch die in der Rechtsprechung in dem Zusammenhang vertretene Auffassung, unzumutbare Folgen seien grundsätzlich schon bei einer im Vergleich zur vorgefundenen Situation auch nur geringfügigen Steigerung der Immissionsbelastung zu befürchten, weil ansonsten ein schrittweises Heranrücken weiterer Wohnbebauung an die lärmemittierenden Betriebsbereiche, bei der – jeweils bezogen auf das einzelne Vorhaben – die Steigerung der Immissionsbelastung geringfügig bliebe, dann in der Summierung eine erhebliche Verschlechterung der Immissionslage bewirken könnte, welche der Emittent schutzlos hinnehmen müsste,
181vgl. Bay.VGH, Urteil vom 21. Juni 1985 – 2 B 81 A.1805 -, BRS 44 Nr. 175, nachgehend BVerwG, Beschluss vom 25. November 1985 – 4 B 202.85 -, BRS 44 Nr. 176.
182vorliegend keiner Vertiefung.
183(2) Nicht zu folgen vermag das Gericht schließlich der Auffassung, der Betrieb müsse grundsätzlich nur dann mit nachträglichen Lärmschutzauflagen rechnen, wenn der hinzutretenden Bebauung ein geringeres Maß an Immissionen zumutbar sei, als von dem Betrieb ausgehen durften, wohingegen dann, wenn für den Betrieb und die hinzutretende Bebauung dieselben Immissionsrichtwerte gelten, etwa weil sie sich im selben Gebiet im Sinne der Baunutzungsordnung befinden, ihr die Immissionen grundsätzlich zumutbar seien mit der Folge, dass einem Betrieb bei gegebener Überschreitung der Immissionsrichtwerte zwar möglicherweise Beschränkungen drohten, jedoch nicht aufgrund der hinzutretenden Bebauung.
184OVG NRW, Beschluss vom 15. Dezember 2023 – 10 B 645/23 -, juris Rn. 13.
185Zum einen ist zu berücksichtigen, dass die Zumutbarkeitsgrenze im vorliegenden Fall gerade nicht schematisch anhand der Richtwerte der TA Lärm, sondern einzelfallbezogen zu ermitteln ist (s.o.). Zum anderen stehen die vorstehenden Grundsätze mit der Regelung in § 15 Abs. 1 Satz 2, 2 Alt. BauNVO nicht in Einklang. Deren Anwendungsbereich würde übermäßig verkürzt. Die Verneinung der Rücksichtslosigkeit der hinzutretenden Bebauung allein aufgrund der Geltung derselben Immissionsrichtwerte würde nämlich dazu führen, dass deren Überschreitung an der hinzutretenden Bebauung einseitig zu Lasten des emittierenden Betriebes ginge, welcher ggf. anschließende Beschränkungen hinzunehmen hätte. Dies erscheint mit Wortlaut und Zweck von § 15 Abs. 1 Satz 2, 2 Alt. BauNVO, wonach ein Vorhaben im Einzelfall auch dann unzulässig ist, wenn es sich selbst unzumutbaren Belästigungen oder Störungen aussetzt, nur schwerlich vereinbar. Mit der Vorschrift soll der „für die Berücksichtigung von Immissionsschutzbelangen im Baugenehmigungsverfahren bedeutsamen Gegenseitigkeit der Rücksichtnahme als allgemeiner Grundsatz des Bauplanungsrechts“ entsprochen werden.
186Vgl. BR-Drs. 354/89, S. 58.
187Auch in der Rechtsprechung ist anerkannt, dass das planungsrechtliche Rücksichtnahmegebot nicht nur Rücksicht gegenüber demjenigen gebietet, der von Immissionen wie z. B. Lärm betroffen wird; auch demjenigen, der Emissionen verbreitet, muss dafür Raum zur Verfügung gestellt werden, in dem seine Anlage in Bestand und Betrieb vor Überforderungen durch störungsempfindliche Nachbarn geschützt wird; treffen unverträgliche Nutzungen aufeinander, hat das Gebot der Rücksichtnahme nicht nur die Aufgabe, schädliche Umwelteinwirkungen von einer störanfälligen Nutzung fernzuhalten, sondern auch die Aufgabe, emittierende Betriebe in ihrer Existenz zu sichern.
188Vgl. zuletzt OVG NRW, Urteil vom 12. Juni 2024 – 7 A 1326/22 -, juris Rn. 32; OVG NRW, Beschluss vom 2. Februar 1999 - 10 B 2558/98 -, juris, Rn. 44.
189Zwar folgt aus einem in der jeweiligen Vorschrift der BauNVO zulässigen Nebeneinander störempfindlicher (Wohn)Nutzung und störintensiver (Gewerbe)Nutzung, dass bei der gebotenen typisierenden Betrachtung die allgemein zulässigen oder ausnahmsweise zulassungsfähigen Anlagen den zulässigen Störgrad im jeweiligen Baugebiet hinzunehmen haben, ebenso wie störende Anlagen den zulässigen Störgrad ausnutzen können. Gleichwohl eröffnet § 15 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. BauNVO die Möglichkeit, besonderen Situationen Rechnung zu tragen, in denen es wegen der Nachbarschaft einer an sich im Baugebiet zulässigen schutzbedürftigen Nutzung zu störenden Betrieben zu Unzuträglichkeiten kommen kann, etwa weil das allgemein zulässige schützenswerte Vorhaben nicht an jedem Standort innerhalb des Baugebietes zulässig sein muss.
190Vgl. BR-Drs. 354/89, S. 58; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 15 BauNVO Rn. 29 m.w.N.
191Diese Möglichkeit zur Feinsteuerung würde – verneinte man eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes bereits mit der Geltung identischer Immissionsrichtwerte – zu weitgehend beschnitten. Im Übrigen findet § 15 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. BauNVO im überplanten Bereich Anwendung. Zu Immissionskonflikten durch heranrückende Wohnnutzung kann es daher nicht nur gebietsübergreifend kommen, sondern auch innerhalb der verschiedenen Baugebiete der BauNVO.
192Vgl. Stühler, Die Behandlung der Fallgruppe der heranrückenden Wohnbebauung im Baugenehmigungsverfahren im Rahmen des Nachbarschutzes bei Immissionskonflikten in der obergerichtlichen Rechtsprechung, GewArch 2024, 59 (60). – Vgl. auch BVerwG, a.a.O. („faktisches Dorfgebiet“); VG Hannover, Beschluss vom - 4 B 3887/10 – juris Rn. 30, 36 ff. („faktisches Mischgebiet“); VG Aachen, Urteil vom 19. Mai 2015 – 3 K 2672/12 –, juris Rn. 56 („Dorfgebiet“).
193Aus den vorstehenden Gründen sind in der vorliegenden Konfliktlage, die aufgrund der Dimensionierung des Biergartens mit bis zu 300 Gästen, die besondere Lästigkeit des Biergartenlärms, dessen Entfernung zu schutzbedürftiger Wohnnutzung von nur wenigen Metern und das Fehlen architektonischer Selbsthilfe erheblich zugespitzt ist, auch unter Berücksichtigung einer für die hinzutretende Wohnnutzung erhöhten Zumutbarkeitsschwelle, des Gebietscharakters, einer mit dem Freizeitlärmerlass bezweckten Privilegierung der Außengastronomie des „B1. C3. “ und dessen sozialer Bedeutung insgesamt unzumutbare Verhältnisse konkret zu befürchten. Erst recht sind diese nicht zweifelsfrei ausgeschlossen. Zu einer wechselseitig verträglichen Konfliktbewältigung dürften weitergehende immissionsschutzrechtliche Untersuchungen der Beklagten und möglicherweise ergänzende Lärmschutzmaßnahmen unabdingbar sein.
194Ob zudem künftig eine noch weitergehende Konfliktverschärfung zu besorgen ist, weil das Gaststättenkonzept nach dem Internetauftritt des „B1. C3. “ wohl nicht mehr nur auf einen reinen Brauhaus- und Gaststättenbetrieb ausgerichtet ist, sondern nunmehr auch Hochzeitsgesellschaften und Festivitäten wie Betriebs-, Jubiläums-, Weihnachts- und Geburtstagsfeiern umfasst,
195- angeboten wird bereits jetzt jeweils auch die „Nutzung des Outdoor-Bereichs […]“ sowie „Spezielle Angebote […]“ (https://www.F..de) –
196und nach Berichten der Lokalpresse „Events“ auch im Biergarten geplant sind,
197vgl. Rheinische Post vom 00.0. 2024, C 4 („Q.“, „G.“, „C.“ und „X.“),
198ist für den vorliegenden Nachbarstreit, bei dem es zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf den Zeitpunkt des Erlasses der Baugenehmigung ankommt,
199vgl. OVG NRW, Urteil vom 12. Juni 2024 – 7 A 1283/24 -, juris Rn. 35, wonach nur nachträgliche Änderungen zugunsten des Bauherrn zu berücksichtigen sind und Änderungen zu seinen Lasten außer Betracht bleiben,
200ohne Belang.
201Ist damit die Baugenehmigung hinsichtlich nachbarrechtsrelevanter Umstände unbestimmt und droht infolgedessen die Verletzung von Nachbarrechten, ist die Baugenehmigung aufzuheben.
202Vgl. Hess.VGH, Beschluss vom 30. Januar 2012 – 4 B 2379/11 –, juris, Rn. 5 (für den Fall einer fehlenden Lärmprognose); OVG Hamburg, Beschluss vom 14. Januar 2019 – 2 Bf 176/18.Z –, juris Leits. 3; Nds. OVG Beschluss vom 9. August 2011 – 1 ME 107/11 -, juris Rn. 29 m.w.N.; OVG NRW, Beschluss vom 30. Mai 2005 - 10 A 2017/03 - BRS 69 Nr. 163; Beschluss vom 29. September 1995 – 11 B 1258/95 –, juris; VG Köln, Beschluss vom 14. Oktober 2011 - 2 L 1348/11 -, juris.
203Bereits die Unbestimmtheit führt zu einem Abwehrrecht des Nachbarn. Demgegenüber ist es nicht Aufgabe des Gerichts, die Bestimmtheit der Baugenehmigung durch Einholung eines Gutachtens herbeizuführen. Vielmehr bleibt es den Beteiligten überlassen, die anfängliche Unbestimmtheit der Baugenehmigung durch Nachträge und ggf. Prozesserklärungen in einem anschließenden Rechtsmittelverfahren zu heilen.
204Vgl. Boeddinghaus/Hahn/Schulte u.a., Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Stand: 1. Dezember 2022, § 74 Rn. 188 m.w.N.; differenzierend: Nds. OVG, Beschluss vom 9. August 2011 – 1 ME 107/11 –, juris Rn. 32 ff.
205Ob Nachbarrechte möglicherweise auch aus anderen Gründen verletzt sind, bedarf im vorliegenden Rechtsstreit keiner Entscheidung.
206Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO und § 162 Abs. 3 VwGO unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Beigeladene einen Sachantrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).
207Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
208Die Berufung war zuzulassen, da das Urteil von entscheidungstragenden Gründen im Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. Dezember 2023 – 10 B 645/23 –, juris Rn. 7 bis 23, abweicht und auf dieser Abweichung beruht, § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO. Weiter ist die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Die zu Grunde liegenden Rechtsfragen bedürfen im Sinne der Rechtseinheit einer obergerichtlichen Klärung.
209Rechtsmittelbelehrung:
210Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Berufung eingelegt werden. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
211Auf die seit dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
212Die Berufung ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen.
213Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe).
214Im Berufungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
215Die Berufungsschrift und die Berufungsbegründungsschrift sollen möglichst einfach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
216Beschluss
217Der Streitwert wird auf 15.000,00 Euro festgesetzt.
218Gründe:
219Die Festsetzung des Streitwertes ist gemäß § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziff. 7 a) des Streitwertkataloges der Bausenate des OVG NRW vom 22. Januar 2019 (BauR 2019, 610) erfolgt.
220Rechtsmittelbelehrung:
221Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
222Auf die seit dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
223Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
224Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
225Die Beschwerdeschrift soll möglichst einfach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
226War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.