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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand:
2Der Kläger begehrt die Fällung einer Nordmanntanne auf dem in seinem Eigentum stehenden Grundstück „C.-straße 00“ in Y (Gemarkung G., Flur 00, Flurstück 000). Das Grundstück liegt im Geltungsbereich der Satzung zum Schutz des Baumbestandes in der Landeshauptstadt Düsseldorf vom 19. Dezember 1986 (BSchS). Das Gebäude des Klägers ist in L-Form mit Satteldach errichtet. Auf dem Dach sollen 39 Photovoltaikmodule mit einer installierten DC-Leistung von 15,21 kWp errichtet werden. Die betreffende, rund 30 bis 50 Jahre alte Tanne steht von der südlichen Grundstückswand des Gebäudes ca. 8 m entfernt giebelseitig in der linken südlichen Ecke des Grundstücks.
3Am 22. April 2022 beantragte der Kläger erstmalig die Fällung der streitgegenständlichen, ca. 17 m hohen Tanne wegen mangelnder Standsicherheit. Während der Stürme in der Vergangenheit seien diverse Äste von der Tanne abgebrochen und auf sein Auto und in den Garten gestürzt. Außerdem stehe der Baum nun deutlich schiefer und mache regelmäßig knackende Geräusche. Die Beklagte überprüfte die Tanne vor Ort und beurteilte sie mit der Vitalitätsstufe 1. Als mögliche Erhaltungsarbeiten wurde die Entfernung von Totholz vermerkt. Die Beklagte lehnte daher mit Bescheid vom 10. Mai 2022 (Az.: 68/33-52471) die Fällung ab.
4Mit Schreiben vom 27. Januar 2023 stellte der Kläger sodann einen „Antrag auf Baumaustausch wegen Photovoltaik-Anlage“. Zur Begründung führte er aus, die Tanne werfe einen erheblichen Schatten auf das Dach und beeinträchtige damit die Effektivität seiner in Planung befindlichen Photovoltaikanlage. Er beabsichtige daher, die Tanne zu fällen und gegen einen kleineren Laubbaum auszutauschen.
5Mit Bescheid vom 1. Februar 2023 (Az.: 68/33-53548) lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, bei der streitgegenständlichen Tanne handele es sich um einen gesunden und erhaltenswerten Baum. Vor Ort und nach Prüfung der eingereichten Dokumente hätten keine genehmigungsrelevanten Beeinträchtigungen bzw. Schäden festgestellt werden können, die eine Fällung rechtfertigen würden.
6Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 1. März 2023 Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, die Beklagte habe weder die geplante Errichtung der Photovoltaikanlage berücksichtigt noch den Umstand, dass er zum Ausgleich von Naturschutzbelangen eine gleichwertige Ersatzbepflanzung angeboten habe, die den Verlust der Tanne vollständig kompensiere. Die Ablehnungsentscheidung sei daher ermessensfehlerhaft. Die Errichtung einer Photovoltaikanlage liege nach § 2 EEG 2023 im überwiegenden öffentlichen Interesse und diene der öffentlichen Sicherheit. Die Beklagte habe die von dem Gesetzgeber geforderte Güterabwägung überhaupt nicht, erst recht nicht mit den entsprechenden Gewichtungen der einzelnen Belange, durchgeführt. Laut der Fachfirma F., die er mit der Planung der Photovoltaikanlage beauftragt habe, liege der schattenbedingte Energieverlust bei 20 %, was eine erhebliche Beeinträchtigung darstelle. Konkret ergebe sich ein Einstrahlungsverlust von 13,16 %, weitere 3,16 % Reflexionsverluste sowie 2,19 % elektrische Verluste durch Verschattung. Zur Verdeutlichung reichte der Kläger eine thermographische Auswertung der durch die Tanne verursachten Verschattung ein. Eine weitere Wirtschaftlichkeitsberechnung liege nicht vor. Das von der Beklagten vorgelegte Simulationsmodell des Solarpotentialkatasters der Stadt Düsseldorf sei ungeeignet, die sachverständigen, vor Ort getroffenen Feststellungen der Fachfirma zu Fall zu bringen. Außerdem habe die Beklagte nicht berücksichtigt, dass Solarzellen eine begrenzte Lebensdauer hätten und durch Witterungseinflüsse beschädigt werden könnten. Das Verbot der Fällung bedeute für ihn daher eine unzumutbare Härte im Sinne des Befreiungstatbestands nach § 4 Abs. 2 BSchS. Die Beklagte habe verkannt, dass die zu errichtende Anlage pro Jahr 4,84 Tonnen CO₂-Emissionen einspare, welches dem Äquivalent von 222 gepflanzten Bäumen entspreche. Sein Vorhaben verletze keine Belange des Naturschutzes; im Gegenteil würden durch die Errichtung der Anlage und die in diesem Zusammenhang eingesparten Emissionen die Klimaerwärmung erheblich bekämpft und Naturschutzbelange im beachtlichen Umfang gefördert.
7Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
8die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 1. Februar 2023 zu verpflichten, ihm die Genehmigung zur Fällung der Nordmanntanne auf seinem Grundstück „C.-straße 00“ in Y (Gemarkung G., Flur 00, Flurstück 000) zu erteilen.
9Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
10die Klage abzuweisen.
11Sie verteidigt den angegriffenen Bescheid und führt ergänzend aus: Es sei kein Ausnahmetatbestand gemäß § 4 Abs. 1 BSchS gegeben. Die Lage des Baumes auf dem Grundstück im Verhältnis zum Gebäude sei insofern zu beachten, als dass eine Beschattung des Satteldaches durch den immergrünen Baum über den Tagesverlauf zeitlich begrenzt sei. Auch im Hinblick auf die Sozialpflichtigkeit des Eigentums könnten die Tatbestandsvoraussetzungen nicht bejaht werden, da der Betrieb der Anlage aufgrund der Verschattungswirkung nicht unmöglich oder wirtschaftlich bzw. energietechnisch sinnlos sei. Ausweislich einer Simulation des Solarpotentialkatasters der Stadt Y sei der fast überwiegende Teil des Daches des klägerischen Gebäudes für Photovoltaik geeignet; unter Zugrundelegung eines Gesamtverbrauches des Klägers von 8,6 MWh und der Annahme einer Eigenfinanzierung könne sich die Photovoltaikanlage nach zwölf Jahren amortisiert haben. Überdies sei die über Art. 14 GG geschützte Baufreiheit nicht im Kern berührt, da es sich bei der streitgegenständlichen Photovoltaikanlage um eine Nebenanlage im Sinne von § 14 Abs. 1 und 3 BauNVO handele. In dicht bebauten innerstädtischen Bereichen biete die jeweilige Grundstückssituation ohnehin oft keine geeigneten Bedingungen für die Installation von Photovoltaikanlagen. Andererseits sei gerade hier die Durchgrünung ein ganz wesentlicher öffentlicher Belang. Der Kläger habe nicht vorgetragen, dass ihm eine anderweitige Anordnung der Module auf dem Dach nicht möglich sei. Außerdem gebe es durchaus auch moderne Solarmodule, die mit (zeitweisen) Schattenlagen zurechtkämen und einen etwaigen Solarertragsverlust reduzieren oder ausgleichen könnten.
12Eine Befreiung gemäß § 4 Abs. 2 BSchS komme ebenso wenig in Betracht, da das Fällverbot nicht zu einer unzumutbaren Härte führe. Der Befreiungstatbestand erfasse ausschließlich atypische Fallgestaltungen; beim Schattenwurf handele es sich jedoch um eine typischerweise von Bäumen ausgehende Belastung. Die Beeinträchtigung erreiche auch nicht ein solches Ausmaß, mit dem bei einem innerörtlichen Baumbestand nicht zu rechnen sei, sodass die jeweilige Grundstücksnutzung unzumutbar eingeschränkt werde. Die Grenze der Unzumutbarkeit sei nicht erreicht, da der Kläger nicht substantiiert dargelegt habe, dass die Photovoltaikanlage aufgrund der Unterschutzstellung nicht mehr wirtschaftlich und energietechnisch sinnvoll betrieben werden könne. Weder die von der Fachfirma des Klägers erstellten Planunterlagen noch die thermographische Auswertung der durch die Tanne verursachten Verschattung lasse nachvollziehbar erkennen, dass die geplante Photovoltaikanlage nicht wirtschaftlich betrieben werden könnte. Es sei nicht ersichtlich, dass sich die aufgeführte Position „Verschattung“ ausschließlich auf Verschattung durch den Baum beziehe, der im Übrigen in der Simulation als Laub- und nicht als Nadelbaum dargestellt sei. Zudem sei nicht klar, ob die simulierte Höhe der tatsächlichen Größe entspreche. Schließlich sei zu erwarten, dass die südlich und südöstlich ausgerichteten Photovoltaikmodule je nach Jahreszeit durch das eigene Dach des Klägers mehr oder weniger verschattet würden. Da die Simulation am 6. Februar 2023 erstellt worden sei, sei davon auszugehen, dass im Sommer eine höhere Leistung zu erwarten sei. Zudem könnte die Leistung zusätzlich durch die Wahl anderer Module mit einer höheren Wp-Leistung erhöht werden. Auch liege der optimale Neigungswinkel in Mitteleuropa zwischen 30 und 35 Grad, wohingegen der Simulation zu entnehmen sei, dass ein Großteil der geplanten Module in einem Neigungswinkel von 45 Grad errichtet werde.
13Darüber hinaus führe der nunmehr in § 2 Satz 1 EEG 2023 geregelte Grundsatz zu keiner anderen Bewertung. Unabhängig von dessen Verfassungsmäßigkeit stelle die Einführung des überragenden öffentlichen Interesses an erneuerbaren Energien lediglich einen weiteren Belang dar, dem aber nicht von vorneherein ein pauschaler Vorrang gegenüber andere Belangen zukomme. Vielmehr bleibe das Ergebnis der Abwägung offen und sei im Einzelfall zu entscheiden. Der Energiegewinnung sei jedenfalls dann kein Vorrang einzuräumen, wenn die erzeugte Energiemenge, wie bei einer kleinen Photovoltaikanlage, relativ gering sei, aber standortgebundene Interessen des Naturschutzes entgegenstünden. Diese Standortgebundenheit des Interesses bestehe bei der Energiegewinnung gerade nicht, da es in Deutschland zahlreiche Hausdächer gebe, auf denen dezentral Solarenergie erzeugt werden könne, ohne dass Interessen des Natur- und Baumschutzes entgegenstünden. Bäume würden gerade im Innenbereich einer Gemeinde in ihrer Gesamtheit als hochwertig und wichtig für das Orts- und Landschaftsbild sowie die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts eingestuft. Bäume würden vielfältige Ökosystemleistungen erbringen, wie zum Beispiel die Freisetzung von Sauerstoff, die Abkühlung des heißen Stadtklimas durch Verschattung und Kühlung der Luft, die Wirkung als Feinstaubfilter sowie die positive psychologische Wirkung auf den Menschen.
14Ferner führe das Angebot des Klägers einer Ersatzpflanzung nicht zu einer positiven Bescheidung. Die Baumschutzsatzung gebe keinen Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung, wenn eine Ersatzpflanzung angeboten werde; vielmehr stelle sich die Frage der Ersatzpflanzung erst, wenn ein Ausnahmegrund nach § 4 BSchS für die Fällung gegeben sei, was vorliegend nicht der Fall sei. Überdies erweise sich die angebotene Ersatzpflanzung in Größe und Umfang als deutlich geringer als der vorhandene Altbaum, da sie erst in 15 Jahren eine vergleichbare Funktion erreichen würde. Insbesondere würden die meisten Nadelbäume im Gegensatz zu sommergrünen Laubbäumen, die im Herbst ihr Laub abwerfen und in einen Ruhezustand verfallen würden, weiterhin die ökologischen Funktionen leisten und ganzjährig als Feinstaubfilter fungieren. Darüber hinaus würden Nadelbäume zur Biodiversität und Artenvielfalt in der Stadt beitragen. Bei Nordmanntannen wie der vorliegenden könne bei günstigen Standortbedingungen von einer Lebensdauer von 350 bis 500 Jahren ausgegangen werden. Im innerstädtischen Bereich sei eine Gartenfläche, auf welcher die streitgegenständliche Tanne angesiedelt sei, meist ein durchwurzelbarer und gut wasser- und nährstoffversorgter Standort im Vergleich zu anderen stark versiegelten Flächen. Die Tanne sei als gesund und vital zu beurteilen und übernehme klimaregulierende Ökosystemleistungen. Um die Funktion eines älteren Baumes zu übernehmen, brauche ein Jungbaum in der Regel 15 Jahre Wachstumszeit am Standort. Die Ersatzpflanzung eines Jungbaumes würde die Leistungen der derzeitigen Tanne für diesen Zeitraum schmälern. Somit sei nicht von einem gleichwertigen Ausgleich auszugehen. Auch eine etwaige Einkürzung der Tanne komme nicht in Betracht; Tannen hätten ein streng aufrechtes Wachstum und ein geringes Reaktions- und Regenerationsvermögen, sodass sich eine Einkürzung negativ auf das Wachstum auswirke und zu einer langfristigen Schwächung des Baumes in Verbindung mit einer herabgesetzten ökologischen Leistung und einer verminderten Reststandzeit führe.
15Die Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 14. November 2023, der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 27. März 2024 mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin einverstanden erklärt und auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie der Hausakte ergänzend Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe:
18Die Berichterstatterin konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden, § 87a Abs. 2 und 3, § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
19Die Klage hat keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist unbegründet.
20Die Ablehnung der Erteilung einer Ausnahme oder Befreiung vom Verbot der Fällung der auf dem streitgegenständlichen Grundstück stehenden Nordmanntanne ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten; der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer entsprechenden Ausnahme oder Befreiung von den Verboten des § 2 BSchS, die für die maßgebliche Nordmanntanne als in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil und mit einem Stammesumfang von mehr als 0,8 m auf der Höhe von 1 m über dem Erdboden nach den § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 BSchS geschützten Baum gelten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
21Ein solcher Anspruch ergibt sich aus den allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen des § 4 BSchS nicht, insbesondere nicht aus dessen Abs. 1 Nr. 4 (I.), Abs. 1 Nr. 5 (II.), Abs. 1 Nr. 6 (III.) oder Abs. 2 (IV.).
22I. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 BSchS sind Ausnahmen zu den Verboten des § 2 BSchS zu genehmigen, wenn die Bäume krank sind und ihre Erhaltung auch unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses mit zumutbarem Aufwand nicht möglich ist. Entgegen dem Vortrag des Klägers ist die streitgegenständliche Nordmanntanne nach den fachkundigen Feststellungen der Beklagten vor Ort als gesunder und erhaltenswerter Baum einzustufen. Die Beklagte beurteilte diese nach einer Überprüfung vor Ort mit der Vitalitätsstufe 1 und stellte keine Beeinträchtigungen bzw. Schäden fest. Etwaiges Totholz kann im Rahmen von Erhaltungsarbeiten entfernt werden. Diesbezügliche Bedenken hat der Kläger nicht geltend gemacht. Solche sind auch sonst nicht ersichtlich.
23II. Auch der Ausnahmetatbestand des § 4 Abs. 1 Nr. 5 BSchS ist nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift wird eine Ausnahme von den Verboten des § 2 BSchS erteilt, wenn die Bäume aus überwiegenden, auf andere Weise nicht zu verwirklichenden öffentlichen Interessen dringend zu beseitigen oder wesentlich zu verändern sind. Nach seinem Wortlaut verlangt dieser als eng auszulegende Ausnahmetatbestand die Alternativlosigkeit der Maßnahme im konkreten Einzelfall. Das betreffende öffentliche Interesse darf sich nicht auf andere Weise als durch die begehrte schädliche Handlung verwirklichen lassen. Ohne ihre Vornahme müsste das öffentliche Interesse zwingend unerfüllt bleiben. Dies lässt sich im vorliegenden Fall nicht feststellen. Aus dem in der Vorschrift des § 2 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG 2023) festgeschriebenen überragenden öffentlichen Interesse an der Errichtung und dem Betrieb entsprechender Anlagen und der Verpflichtung zur Einbringung der erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die durchzuführenden Schutzgüterabwägungen ergibt sich nicht ansatzweise, dass sich dieses Interesse ausschließlich verwirklichen lässt, wenn solche Anlagen auch auf dem Grundstück des Klägers errichtet und betrieben werden. Dies wäre allenfalls dann in Betracht zu ziehen, wenn es etwa eine rechtliche Verpflichtung zur Errichtung und zum Betrieb solcher Solaranlagen auf den Dächern aller bestehenden und neu zu errichtenden Gebäude gäbe. Eine solche Verpflichtung besteht indes nicht.
24III. Der Kläger hat ferner keinen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahme gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 BSchS. Demnach wird eine Ausnahme von den Verboten des § 2 BSchS erteilt, wenn die Bäume die Einwirkung von Licht und Sonne auf Fenster unzumutbar beeinträchtigen. Eine unzumutbare Beeinträchtigung liegt nach § 4 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 BSchS vor, wenn Fenster so beschattet werden, dass dahinterliegende Wohnräume während der Helligkeit des Tages bei gewöhnlichen Lichtverhältnissen nur mit künstlichem Licht benutzt werden können, aber ohne Einwirkung des betroffenen Baumes ohne künstliches Licht im Rahmen der gewöhnlichen Zweckbestimmung des betroffenen Raumes nutzbar wären. Bereits aus dem Wortlaut ergibt sich ausdrücklich, dass der Gesetzgeber mit dieser Regelung beabsichtigt hat, die Nutzbarkeit von Wohnräumen unter natürlicher Lichteinstrahlung zu gewährleisten. Vorliegend macht der Kläger indes keine Behinderung des Tageslichteinfalls in seinen Wohnräumen geltend; vielmehr ist Hintergrund seiner begehrten Fällung der streitgegenständlichen Tanne, eine Verschattung seiner auf dem Dach geplanten Photovoltaikanlage zu verhindern.
25IV. Der Kläger hat ebenso wenig einen Anspruch auf Befreiung von den Verboten des § 2 BSchS gemäß § 4 Abs. 2 BSchS. Nach dieser Vorschrift kann eine Befreiung erteilt werden, wenn das Verbot nach Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen zu einer unzumutbaren Härte führen würde; das gleiche gilt, wenn das Verbot zu einer nicht beabsichtigten Härte führen würde und die Befreiung mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
26Dieser Befreiungstatbestand ist erkennbar dem ersten der allgemeinen naturschutzrechtlichen Befreiungstatbestände in § 31 Abs. 1 Nr. 1 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) in seiner bei Erlass der BSchS geltenden Ursprungsfassung vom 20. Dezember 1976 (BGBl. I S. 3574) bzw. § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG in der Fassung vom 25. März 2002 (BGBl. I S. 1193) nachgebildet.
27Das Verbot der Entfernung der Nordmanntanne führt indes für den Kläger nicht zu einer unzumutbaren bzw. nicht beabsichtigten Härte in diesem Sinne. Denn der Schattenwurf von Bäumen, wie ihn der Kläger im Hinblick auf die auf seinem Dach geplante Photovoltaikanlage geltend macht, gehört zu den Belastungen, die von Bäumen typischerweise ausgehen und daher im Geltungsbereich einer Baumschutzsatzung grundsätzlich hinzunehmen sind.
28Vgl. OVG NRW, Urteil vom 13. September 1995 – 7 A 2646/92 –, S. 22 f. des Entscheidungsabdrucks und Beschluss vom 4. Januar 2011 – 8 A 2003/09 –, juris Rn. 9; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Dezember 2023 – 9 K 7173/22 –, juris Rn. 37; Vornholt, Baumschutzrecht – Rechtliche Instrumente und Spannungsverhältnisse (2022), S. 238 f.; Meßerschmidt, Kommentar zum Bundesnaturschutzrecht – Vorschriften und Entscheidungen (Stand: 166. Aktualisierung Oktober 2023), § 67 BNatSchG Rn. 53, 63; Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht (Stand: 102. EL Januar 2023), § 67 BNatSchG Rn. 15.
29Befreiungen unter dem Gesichtspunkt der unzumutbaren bzw. nicht beabsichtigten Härte kommen in diesen Fällen allenfalls dann in Betracht, wenn die betreffenden Beeinträchtigungen ein Ausmaß erreichen, mit dem bei einem innerörtlichen Baumbestand nicht zu rechnen ist, und dadurch die jeweilige Grundstücksnutzung unzumutbar eingeschränkt wird.
30Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. Januar 2011 – 8 A 2003/09 –, juris Rn. 9; Beschluss vom 13. Februar 2003 – 8 A 5373/99 – juris Rn. 15 m.w.N. und Urteil vom 13. September 1995 – 7 A 2646/92 –, S. 22 f. des Entscheidungsabdrucks; VG Düsseldorf, Urteil vom 29. Dezember 2021 – 9 K 6522/20 –, juris Rn. 42; Urteil vom 28. Juli 2006 – 9 K 3675/05 –, juris Rn. 40.
31Es muss sich um einen Sachverhalt einer besonderen Konstellation oder Ausnahmesituation handeln, der sich von dem gesetzlich geregelten Tatbestand durch das Merkmal der Atypik abhebt. Ist dieses Erfordernis genügt, so bedarf es einer Abwägungsentscheidung, bei der in Rechnung zu stellen ist, dass eine Befreiung allenfalls in Betracht kommt, wenn Gründe des öffentlichen Interesses von besonderem Gewicht sie rechtfertigen. Dies folgt daraus, dass der (materielle) Gesetzgeber dem Schutz der in der betreffenden Regelung genannten Belange des Natur- und Landschaftsschutzes – hier der in § 2 BSchS i.V.m. § 49 des Gesetzes zum Schutz der Natur Nordrhein-Westfalen (LNatSchG) genannten Bäume – erkennbar hohe Bedeutung beimisst.
32Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Februar 2002 – 4 B 12.02 –, juris Rn. 2 ff.; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Dezember 2023 – 9 K 7173/22 –, juris Rn. 44; Fischer-Hüftle, in: Fischer-Hüftle/Herter/Kratsch/Schumacher/Schumacher, Kommentar zum Bundesnaturschutzgesetz (2003), § 62 Rn. 17.
33Bei den gesetzlichen Befreiungsvoraussetzungen, also bei der Frage, ob im Einzelfall Gründe des Wohls der Allgemeinheit die gegen das Vorhaben anzuführenden natur- oder landschaftsschutzrechtlichen Belange überwiegen, steht der Naturschutzbehörde kein Beurteilungsspielraum und keine Einschätzungsprärogative zu; die Beantwortung dieser Frage ist gerichtlich vollständig nachprüfbar.
34Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. September 2017 – 8 A 1125/14 –, juris Rn. 105; Teßmer, in: BeckOK Umweltrecht (68. Edition, Stand: 1. Januar 2022), § 67 BNatSchG Rn. 5.
35Von diesen Grundsätzen ausgehend ist die Entscheidung der Beklagten, dass auch das – in § 2 EEG 2023 (für bestimmte Bereiche) zum Ausdruck kommende – öffentliche Interesse am Betrieb und der Errichtung von Solaranlagen für den Kläger keine Befreiungslage begründet, nicht zu beanstanden. Es bestehen bereits erhebliche Zweifel, ob die streitbefangene Situation einen atypischen Fall darstellt (1.); jedenfalls aber lässt sich im Rahmen der durchzuführenden Abwägung kein Überwiegen des öffentlichen Interesses an der begehrten Fällung der Nordmanntanne zur Sicherstellung der Effektivität der geplanten Photovoltaikanlage gegenüber dem ebenfalls öffentlichen Interesse am unveränderten Erhalt des geschützten Baumes und somit keine unzumutbare bzw. nicht beabsichtigte Härte des Klägers infolge des Fällverbots feststellen (2.).
361. Die Annahme einer Atypik setzt – wie schon der Wortlaut nahelegt – einen von dem Normgeber so nicht vorausgesehenen Einzelfall voraus.
37Vgl. BVerwG, Urteile vom 26. März 1998 – 4 A 7.97 –, juris Rn. 26 und vom 18. Juni 1997 – 4 C 3.95 –, juris Rn. 28 sowie Beschluss vom 14. September 1992 – 7 B 130.92 –, juris Rn. 5.
38Das Rechtsinstitut der Befreiung ist für solche Fälle vorgesehen, von denen der Normgeber überrascht wird. Das sind solche atypischen Ausnahmefälle, die bei Erlass des (materiellen) Gesetzes, von dessen Vorschrift befreit werden soll, noch nicht erkennbar waren.
39Vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 26. September 1991 – 2 A 5.91 –, juris Rn. 71.
40Es bedarf insoweit der Feststellung von Besonderheiten, die den betreffenden Fall von dem vom jeweiligen Normgeber zugrunde gelegten Regelfall unterscheiden.
41Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12. Oktober 2022 – 10 S 2903/21 –, juris Rn. 44.
42Die streitbefangene Situation zeichnet sich dadurch aus, dass eine geplante Anlage zur Nutzung erneuerbarer Energien zur Stromerzeugung auf einer Dachfläche durch einen davor aufstehenden geschützten Baum teilweise verschattet würde.
43Vorliegend ist indes schon nicht ersichtlich, dass mit einem entsprechenden Schattenwurf durch Bäume innerorts nicht zu rechnen ist. Beim Schattenwurf handelt es sich vielmehr um einen Effekt, der von Bäumen typischerweise ausgeht und daher im Geltungsbereich einer Baumschutzsatzung grundsätzlich hinzunehmen ist. Weder die Anzahl von wie hier einem einzigen Baum noch sein Standort stellt sich beim maßgeblichen Blick auf den allgemeinen innerörtlichen Baumbestand als Sonderfall dar. Als Besonderheit ließe sich hier allenfalls geltend machen, dass der Normgeber bei Erlass der BSchS im Jahr 1986 und auch bis zu ihrer letzten Änderung im Jahr 2002 die Erfordernisse des Klimaschutzes und die diesem dienende Errichtung von Anlagen zur Nutzung regenerativer Energien gerade auf Dachflächen schwerlich voraussehen konnte.
44So hinsichtlich der Errichtung einer Windenergieanlage innerhalb eines Landschaftsschutzgebietes: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12. Oktober 2022 – 10 S 2903/21 –, juris Rn. 44; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Dezember 2023 – 9 K 7173/22 –, juris Rn. 63.
45Dem steht jedoch entgegen, dass naturschutzrechtliche Befreiungen einzelfallbezogen sind und nicht dazu dienen, natur- und landschaftsschutzrechtliche Regelungen in einem nicht unerheblichen Umfang außer Kraft zu setzen oder inhaltlich zu ändern. Sie sind nicht dafür konzipiert, zur Sicherstellung der Effektivität von Anlagen zur Nutzung regenerativer Energien in nennenswertem Umfang Eingriffe in geschützte Landschaftsbestandteile vorzunehmen und auf diese Weise einen allgemeinen, sich generell stellenden Konflikt zwischen Natur- und Landschaftsschutz auf der einen Seite und der Nutzung regenerativer Energien auf der anderen Seite zu lösen. Eine naturschutzrechtliche Befreiung für ein Vorhaben kommt in einer solchen Situation daher vor allem in Betracht, wenn die geschützten Natur- oder Landschaftsteile nur punktuell, „linear“ oder in Grenzbereichen bzw. randständig berührt werden oder es sich um ein singuläres Vorhaben handelt.
46Vgl. im Hinblick auf den Konflikt zwischen Landschaftsschutz und der Nutzung von Windenergie: OVG NRW, Urteil vom 21. April 2020 – 8 A 311/19 –, juris Rn. 70 ff.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12. Oktober 2022 – 10 S 2903/21 –, juris Rn. 44; vgl. zu singulären Vorhaben auch: BVerwG, Urteile vom 26. März 1998 – 4 A 7.97 –, juris Rn. 26 und vom 18. Juni 1997 – 4 C 3.95 –, juris Rn. 28; speziell im Zusammenhang mit § 2 EEG 2023: Bader/Deißler/Weinke, Öffentliches Interesse und öffentliche Sicherheit beim Ausbau der Erneuerbaren Energien, ZNER 2022, 337, 343.
47Die streitbefangene Konstellation lässt jedoch weder eine vergleichbar niederschwellige Betroffenheit des geschützten Landschaftsbestandteils noch eine Einzigartigkeit des Vorhabens erkennen.
482. Jedenfalls aber lässt sich kein Überwiegen des öffentlichen Interesses an der begehrten Fällung der Nordmanntanne zur Sicherstellung der Effektivität der Photovoltaikanlage gegenüber dem ebenfalls öffentlichen Interesse am unveränderten Erhalt der geschützten Nordmanntanne feststellen.
49Zwar besteht ein besonderes öffentliches Interesse am Ausbau der Nutzung regenerativer Energien,
50so auch OVG NRW, Urteil vom 1. März 2021 – 8 A 1183/18 –, juris Rn. 349,
51und damit auch der Sonnenenergie insbesondere zum Zweck der Reduktion der Treibhausgasemissionen und damit zum Klimaschutz, zu dem der Staat gemäß Art. 20a GG verpflichtet ist.
52Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. März 2021 – 1 BvR 2656/18 u.a. –, juris Rn. 198.
53Dementsprechend verpflichtet § 13 Abs. 1 Satz 1 des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG) die Träger öffentlicher Verwaltung, bei ihren Planungen und Entscheidungen den Zweck dieses Gesetzes und die zu seiner Erfüllung festgelegten Ziele, das heißt insbesondere die Gewährleistung der Erfüllung der nationalen Klimaschutzziele sowie die Einhaltung der europäischen Zielvorgaben zum Schutz vor den Auswirkungen des weltweiten Klimawandels (§ 1 Satz 1 KSG), zu berücksichtigen. Speziell für den Gebäudesektor sieht das Gesetz zur Einsparung von Energie und zur Nutzung erneuerbarer Energien zur Wärme- und Kälteerzeugung in Gebäuden (GEG) zu diesem Zweck Maßnahmen zum möglichst sparsamen Einsatz von Energie in Gebäuden einschließlich einer zunehmenden Nutzung erneuerbarer Energien zur Erzeugung von Wärme, Kälte und Strom für den Gebäudebetrieb vor (vgl. § 1 Abs. 1 GEG zu Zweck und Ziel dieses Gesetzes), eine Pflicht zu einer entsprechenden Nutzung jedoch derzeit grundsätzlich nur für neu zu errichtende Gebäude (§§ 34 ff. GEG).
54Jedoch führt die von dem Kläger zur näheren Gewichtung dieses öffentlichen Interesses am Ausbau der Nutzung regenerativer Energien angeführte Vorschrift des § 2 EEG 2023 im vorliegenden Fall jedoch nicht zu einer Pflicht der Beklagten, eine Befreiung von dem Fällverbot zu erteilen.
55Nach Satz 1 dieser Vorschrift liegen die Errichtung und der Betrieb von Anlagen nachfolgend definierter Art sowie den dazugehörigen Nebenanlagen im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Sicherheit. Bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausgasneutral ist, sollen die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden (§ 2 Satz 2 EEG 2023).
56Die Entscheidung über die Erteilung einer Befreiung nach § 4 Abs. 2 BSchS beinhaltet eine Schutzgüterabwägung im Sinne des § 2 Satz 2 EEG 2023. Denn unter diesen Begriff fallen, wie sich schon aus dem Wortlaut ergibt, jedenfalls alle planerischen wie auch im Einzelfall von einer Behörde vorgenommenen Abwägungsentscheidungen, die sich gerade dadurch auszeichnen, das mit ihnen die jeweils betroffenen Schutzgüter abgewogen werden.
57Vgl. Bader/Deißler/Weinke, Öffentliches Interesse und öffentliche Sicherheit beim Ausbau der Erneuerbaren Energien, ZNER 2022, 337, 338; Schlacke/Wentzien/Römling, Beschleunigung der Energiewende: Ein gesetzgeberischer Paradigmenwechsel durch das Osterpaket?, NVwZ 2022, 1577, 1578 sowie Fn. 14; Grenzer, in: jurisPR-UmwR 3/2023 Anm. 3 zu OVG NRW, Urteil vom 27. Oktober 2022 – 22 D 247/21.AK – und jurisPR-UmwR 11/2022 Anm. 3 zu OVG NRW, Beschluss vom 2. November 2022 – 2 A 518/22.
58Dementsprechend werden auch in der Gesetzesbegründung als Anwendungsfall ausdrücklich Abwägungsentscheidungen gerade im Naturschutzrecht angeführt.
59Vgl. Entwurf der Bundesregierung vom 2. Mai 2022 zum Erlass eines Gesetzes zu Sofortmaßnahmen für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und weiterer Maßnahmen im Stromsektor, BT-Drs. 20/1630, S. 159.
60Die in § 2 EEG 2023 für diese Abwägung normierten Vorgaben innerhalb des Geltungsbereiches des EEG 2023 müssen auch ohne weitere Verankerung im betreffenden Fachgesetz beachtet werden. Entgegen der Auffassung der Beklagten bestehen auch verfassungsrechtlich keine durchgreifenden Bedenken daran, dass der Bundesgesetzgeber in einem Bereich, für den er – wie im Fall des Energiewirtschaftsrechts einschließlich der Erzeugung und Verteilung von Energie (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG) –,
61vgl. Uhle, in: Dürig/Herzog/Scholz, Kommentar zum Grundgesetz (Stand: 101. EL Mai 2023), Art. 74 Rn. 240,
62die Gesetzgebungskompetenz besitzt, (Gewichtungs-)Vorgaben macht, die sich auch unmittelbar auf Entscheidungen nach anderen Fachgesetzen auswirken.
63Vgl. Schlacke/Wentzien/Römling, Beschleunigung der Energiewende: Ein gesetzgeberischer Paradigmenwechsel durch das Osterpaket?, NVwZ 2022, 1577, 1579; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Dezember 2023 – 9 K 7173/22 –, juris Rn. 80 ff.
64Dies gilt jedenfalls, wenn der Bundesgesetzgeber – wie hier für den Bereich des Naturschutzes und der Landschaftspflege (Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG) – auch für dieses Fachgesetz das Recht zur Gesetzgebung hat.
65Von der Regelung des § 2 EEG 2023 profitiert im Rahmen der bei § 4 Abs. 2 BSchS vorzunehmenden Abwägung auch die von dem Kläger auf dem Bereich der Dachfläche zukünftig geplante Photovoltaikanlage zur Stromerzeugung.
66Das EEG 2023, insbesondere auch die Regelung in seinem § 2, erfasst sämtliche Anlagen zur Stromerzeugung. Dies verdeutlicht bereits die zentrale Vorschrift des § 1 Abs. 1 EEG 2023, wonach Ziel dieses Gesetzes im Interesse des Klima- und Umweltschutzes die Transformation zu einer nachhaltigen und treibhausgasneutralen Stromversorgung ist, die vollständig auf erneuerbaren Energien beruht. Diese allgemeine Fokussierung des EEG auf den Stromsektor wird auch im Titel des gerade die Regelung seines § 2 verschärfenden Änderungsgesetzes, nämlich des „Gesetzes zu Sofortmaßnahmen für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und weiterer Maßnahmen im Stromsektor“ vom 20. Juli 2022 (BGBl. I S. 1237) sowie in den Begründungen der jeweiligen Entwürfe dieses Gesetzes (BT-Drs. 20/1630) wie auch schon des ersten EEG (BT-Drs. 14/2341) hinreichend deutlich, in denen als Regelungsgegenstand die Erzeugung und der Verbrauch von bzw. die Versorgung mit Strom bzw. Elektrizität beschrieben werden. Auch wird der von § 2 Satz 1 EEG 2023 verwendete Begriff der Anlagen, deren Errichtung und Betrieb im überragenden öffentlichen Interesse liegen und der öffentlichen Sicherheit dienen, in § 3 Nr. 1 EEG 2023 dahingehend gesetzlich definiert, dass mit ihm nur Einrichtungen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien oder aus Grubengas einschließlich solcher Einrichtungen erfasst werden, die zwischengespeicherte Energie, die ausschließlich aus erneuerbaren Energien oder Grubengas stammt, aufnehmen und in elektrische Energie umwandeln.
67Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Dezember 2023 – 9 K 7173/22 –, juris Rn. 86.
68Hinsichtlich der von dem Kläger geplanten Photovoltaikanlage ist somit gemäß § 2 EEG 2023 von einem überragenden öffentlichen Interesse auszugehen, das als vorrangiger Belang in die durchzuführende Schutzgüterabwägung eingebracht werden soll. Nach der Gesetzesbegründung sollen die erneuerbaren Energien damit im Rahmen von Abwägungsentscheidungen auch im Naturschutzrecht nur in Ausnahmefällen überwunden werden.
69Vgl. Entwurf der Bundesregierung vom 2. Mai 2022 zum Erlass eines Gesetzes zu Sofortmaßnahmen für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und weiterer Maßnahmen im Stromsektor, BT-Drs. 20/1630, S. 159.
70Dies führt jedoch nicht zu einem automatischen und absoluten Vorrang der erneuerbaren Energien – hier der solaren Strahlungsenergie zur Stromerzeugung. Nach wie vor ist eine umfassende Abwägungsentscheidung im Einzelfall erforderlich. Der hohe Stellenwert der energie- und klimapolitischen Interessen nimmt das Ergebnis der vorgeschriebenen Abwägung nicht vorweg. Denn das überragende Interesse an der Errichtung und dem Betrieb von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien kann auch auf gleichrangige Interessen stoßen.
71Vgl. Schlacke/Wentzien/Römling, Beschleunigung der Energiewende: Ein gesetzgeberischer Paradigmenwechsel durch das Osterpaket?, NVwZ 2022, 1577, 1578; Hendriscke, Bewältigung naturschutzrechtlicher Konflikte beim Ausbau erneuerbarer Energien, NVwZ 2023, 965, 967; Bader/Deißler/Weinke, Öffentliches Interesse und öffentliche Sicherheit beim Ausbau der Erneuerbaren Energien, ZNER 2022, 337, 338; Attendorn, Umweltrechtliche Ausnahmeabwägungen über die Zulassung von Wasser- und Windkraftanlagen nach dem „Osterpaket“, NVwZ 2022, 1586, 1589; gegen einen prinzipiellen Vorrang naturschutzrechtlicher oder klimaschützerischer Belange bereits: Günther, Photovoltaikanlagen und der Schatten geschützter Bäume – Klima- und Naturschutz im Konflikt, NuR 2013, 387, 389; weitergehend für den Konflikt zwischen Klima- und Denkmalschutz: OVG NRW, Urteil vom 31. Oktober 2023 – 7 D 187/22.AK –, juris Rn. 160.
72Dementsprechend sieht auch die Gesetzesbegründung die Möglichkeit vor, dass andere öffentliche Interessen den erneuerbaren Energien dann entgegenstehen, wenn sie mit einem dem Art. 20a GG vergleichbaren verfassungsrechtlichen Rang gesetzlich verankert bzw. gesetzlich geschützt sind.
73Vgl. Entwurf der Bundesregierung vom 2. Mai 2022 zum Erlass eines Gesetzes zu Sofortmaßnahmen für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und weiterer Maßnahmen im Stromsektor, BT-Drs. 20/1630, S. 159; vgl. hinsichtlich der Befreiung zugunsten von Windenergieanlagen im Landschaftsschutzgebiet: OVG NRW, Urteil vom 29. November 2022 – 22 A 1184/18 –, juris Rn. 445 und Beschluss vom 4. August 2022 – 22 A 488/20 –, juris Rn. 57.
74Art. 20a GG genießt nämlich keinen unbedingten Vorrang gegenüber anderen Belangen, sondern ist im Konfliktfall in einen Ausgleich mit anderen Verfassungsrechtsgütern und Verfassungsprinzipien zu bringen.
75Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. März 2021 – 1 BvR 2656/18 u.a. –, juris Rn. 198.
76Im vorliegenden Fall kollidieren mit dem öffentlichen Interesse an der Nutzung erneuerbarer Energien zum Zweck des Klimaschutzes aber noch nicht einmal andere Verfassungsrechtsgüter. Vielmehr geht es auch beim Baumschutz vor allem um den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen im Sinne des Art. 20a GG. Bäume stellen sogar selbst natürliche Lebensgrundlagen dar und tragen im Übrigen zum Erhalt anderer natürlicher Lebensgrundlagen bei. Gerade bei einem solchen umweltrechtlichen Zielkonflikt ist darauf zu achten, dass insgesamt im Ergebnis ein hohes Schutzniveau für die Umwelt gewährleistet wird, es nicht zu einer Verlagerung nachteiliger Auswirkungen von einem Schutzgut auf ein anderes kommt und erst recht nicht dasselbe Schutzgut gleichzeitig an der einen Seite geschützt und an der anderen Seite ebenso stark beeinträchtigt wird.
77Vgl. unter Verweis auf den Bewirtschaftungsgrundsatz nach § 6 Abs. 1 Satz 2 WHG: Hendriscke, Bewältigung naturschutzrechtlicher Konflikte beim Ausbau erneuerbarer Energien, NVwZ 2023, 965, 967; Bader/Deißler/Weinke, Öffentliches Interesse und öffentliche Sicherheit beim Ausbau der Erneuerbaren Energien, ZNER 2022, 337, 338; Hilsberg, Baumschutz versus Photovoltaik-, Solaranlagen auf Dächern, Taspo Baumzeitung 6/2022, S. 50 ff.; Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende – KNE (2023): Anfrage Nr. 349 zu Klima- und Baumschutz im Kontext des § 2 EEG beim Ausbau von Dach-PV, Antwort vom 22. Juni 2023, S. 5; Günther, Photovoltaikanlagen und der Schatten geschützter Bäume – Klima- und Naturschutz im Konflikt, NuR 2013, 387, 389.
78Den Zielkonflikt verschärfende Baumfällungen und Astschnitte sind weder vom Gesetzgeber vernünftigerweise gewollt,
79vgl. KNE (2023): Anfrage Nr. 349 zu Klima- und Baumschutz im Kontext des § 2 EEG beim Ausbau von Dach-PV, Antwort vom 22. Juni 2023, S. 5,
80noch rechtlich geboten.
81Damit bedarf es bei der Entscheidung über die Erteilung einer Befreiung von gesetzlichen Verboten nach einer Baumschutzsatzung zur Erhöhung der Effektivität einer Solaranlage einer sorgfältigen Abwägung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der konkreten Anlage nach ihrer Art und Größe sowie des Umfangs der Verschattungswirkung einerseits und – gerade auch angesichts der flächendeckenden Unterschutzstellung durch § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 BSchS – der Qualität und Bedeutung des jeweils betroffenen Baumes an seinem konkreten Standort sowie der Folgen seiner Schädigung bzw. der wesentlichen Veränderung seines Aufbaus andererseits, einschließlich der Betrachtung von Alternativlösungen bzw. -standorten. Dabei ist allgemein ein öffentliches Interesse an der Nutzung erneuerbarer Energien zu berücksichtigen, das speziell für den Bereich der Photovoltaik durch § 2 EEG deutlich erhöht ist. Angesichts der Identität des im Vordergrund stehenden Schutzgutes geht damit jedoch keine regelmäßige Pflicht zur Befreiungserteilung einher. Entscheidend ist vielmehr der jeweilige Einzelfall.
82Vgl. Hilsberg, Baumschutz versus Photovoltaik-, Solaranlagen auf Dächern, Taspo Baumzeitung 6/2022, S. 50 ff.; KNE (2023): Anfrage Nr. 349 zu Klima- und Baumschutz im Kontext des § 2 EEG beim Ausbau von Dach-PV, Antwort vom 22. Juni 2023; trotz Vorrangs der regenerativen Energien letztlich auch einen entsprechenden Entscheidungsspielraum bei baumschutzrechtlichen Abwägungsentscheidungen annehmend: Vornholt, Klimawandel und Städtebaurecht – CO2-Reduktion und Stadtgrün in der modernen Stadtplanung, ESGZ 2023, 4, 7; so schon früher: Günther, Photovoltaikanlagen und der Schatten geschützter Bäume – Klima- und Naturschutz im Konflikt, NuR 2013, 387, 389 f.
83Diese Abwägung geht im vorliegenden Fall zugunsten des Baumschutzes aus.
84Dem von dem Kläger vorgelegten Simulationsbericht der Fachfirma F. ist nicht ansatzweise zu entnehmen, auf welcher Grundlage die aufgelisteten schattenwurfbedingten (Einstrahlungs-, Reflexions- und elektrischen) Verluste ermittelt wurden. Auf welcher Grundlage die fehlende Wirtschaftlichkeit angenommen wird, vermochte der Kläger auch auf wiederholte gerichtliche Nachfrage nicht substantiiert darzulegen, was nach den allgemeinen Regeln der Darlegungs- und Beweislast zu seinen Lasten geht. So sind entsprechende Prognosen zum voraussichtlichen Geldwert der Energieeinspeisung mit und ohne Verschattung weder den von der Fachfirma des Klägers erstellten Planunterlagen noch der vorgelegten thermographischen Auswertung der durch die Tanne verursachten Verschattung zu entnehmen. Die erforderlichen Kenngrößen, insbesondere zur Dauer des Schattenwurfes, fehlen völlig. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass eine Beschattung des Satteldaches durch die streitgegenständliche Tanne über den Tagesverlauf ohnehin zeitlich begrenzt ist und auch der Sonnenstand je nach Jahreszeit Einfluss auf die Leistung der geplanten Anlage hat. Angesichts dessen ist nicht nachvollziehbar, dass der Betrieb der geplanten Anlage aufgrund der Verschattungswirkung von vorneherein unmöglich oder wirtschaftlich bzw. energietechnisch sinnlos wäre, zumal zum einen dem – wenn auch unverbindlichen, als Planungshilfe zu verstehenden – Konfigurator des Sozialpotentialkatasters der Stadt Düsseldorf zu entnehmen ist, dass sich der fast überwiegende Teil des Daches (73 m²) für Photovoltaik eignet, und zum anderen der Simulation der Fachfirma des Klägers ausweislich der Abbildung auf Seite 1 des Auswertungsberichts ein schematisierter großkroniger Laubbaum und nicht ein Nadelbaum zugrunde liegt. Ob bei der Konfiguration der Beklagten unberücksichtigt geblieben ist, dass Solarzellen keine unbegrenzte Lebensdauer haben und zudem durch Witterungseinflüsse wie Staub und Schmutz beschädigt werden können und ein Leistungsverlust der Solarzellen mit fortschreitender Lebensdauer zu erwarten ist, ist in diesem Kontext irrelevant, da es vorliegend einzig um einen Wirtschaftlichkeitsverlust bedingt durch eine etwaige Verschattung durch den streitgegenständlichen Nadelbaum geht. Zudem hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt, wie stark sich der Wirkungsgrad bei der von ihm konkret begehrten Fällung der Nordmanntanne erhöhen würde. Insoweit hat er lediglich pauschal vorgetragen, dass der betreffende Bereich der Dachfläche bei einer Fällung von der Sonne ausreichend bestrahlt würde. Ebenso wenig hat er dargelegt, dass eine Verwendung effektiverer Module – etwa in Form von modernen Solarmodulen, die mit (zeitweisen) Schattenlagen zurechtkommen und einen etwaigen Solarertragsverlust reduzieren oder ausgleichen können – nicht möglich oder nicht umsetzbar wäre. Denn auf diese Weise könnte die Leistung durch die Wahl anderer Module mit einer höheren Wp-Leistung erhöht werden. Auch erschließt sich nicht, wieso laut der Simulation ein Großteil der geplanten Module in einem Neigungswinkel von 45 Grad errichtet werden soll, wenn der optimale Neigungswinkel in Mitteleuropa zwischen 30 und 35 Grad liegt,
85vgl. etwa Solaranlagenportal, Photovoltaik und Dachneigung (22. Januar 2024), abrufbar unter https://www.solaranlagen-portal.com/photovoltaik/voraussetzung/dachneigung; Solarwatt, Photovoltaik Ausrichtung (28. April 2023), abrufbar unter https://www.solarwatt.de/ratgeber/photovoltaik-ausrichtung.
86Hinzu kommt, dass es sich bei der geplanten Photovoltaikanlage mit 39 Modulen und einer Gesamtleistung von ca. 15,21 kWp laut dem Simulationsbericht der Fachfirma um eine vergleichsweise kleine Anlage handeln würde, die dementsprechend auch nur einen geringen Beitrag zum Klimaschutz leisten würde. So betrug die Durchschnittsgröße der neu installierten Photovoltaikanlagen in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2018 bereits 23,8 kWp.
87Vgl. Statista, Durchschnittsgröße der neu installierten Photovoltaikanlagen in Deutschland nach Bundesland im Jahr 2018, abrufbar unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/180803/umfrage/durchschnittsgroesse-der-neu-installierten-photovoltaik-anlagen-nach-bundeslaendern/.
88Demgegenüber handelt es sich bei der Nordmanntanne, deren Fällung der Kläger begehrt, um einen bereits etwa 30 bis 50 Jahre alten Baum mit einer beachtlichen Höhe, der im näheren Umfeld deutlich hervortritt und das Ortsbild prägt (vgl. § 1 Abs. 1 lit. a BSchS). Nach den Feststellungen der Unteren Naturschutzbehörde der Beklagten vor Ort stellt sich die Tanne als sehr vital dar und zeigt keine Schädigung. Als solches kommt ihr entsprechend diesen fachkundigen Feststellungen in mehrfacher Hinsicht ein hohes ökologisches Gewicht insbesondere für die Sicherstellung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts zu (vgl. § 1 Abs. 1 lit. c BSchS). So dient sie als CO₂-, aber auch als Staubfilter, bietet Lebensraum für unterschiedliche Tiere und trägt so zur Biodiversität bei. Darüber hinaus führt sie im Umfeld zu einer Abkühlung und verbessert damit das Stadtklima (vgl. § 1 Abs. 1 lit. d BSchS). Hinsichtlich der CO₂-Filterung (vgl. § 1 Abs. 1 lit. b BSchS) fällt besonders ins Gewicht, dass die Nordmanntanne aufgrund ihrer durchschnittlichen Größe von ca. 30 m und ihrer Langlebigkeit von bis zu 500 Jahren,
89vgl. etwa MDR, Nordmanntanne: Im Garten pflanzen und pflegen (19. November 2020), abrufbar unter: https://www.mdr.de/mdr-garten/pflanzen/Nordmanntanne-steckbrief-pflanzen-pflegen100.html#:~:text=Die%20Nordmanntanne%20stammt%20urspr%C3%BCnglich%20aus,zu%20500%20Jahre%20alt%20werden,
90der Atmosphäre vergleichsweise höhere Mengen an CO₂ pro Jahr entziehen und den Kohlenstoff über einen längeren Zeitraum binden kann. Bei einer Fällung der streitbefangenen Nordmanntanne würde mithin ihr Beitrag zur Sicherstellung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts und zur Verbesserung des Stadtklimas, aber auch zur Erhaltung des Ortsbildes, eliminiert. Gerade im innerörtlichen, städtischen Bereich stellt die Durchgrünung einen wesentlichen öffentlichen Belang dar.
91Schließlich ist bei der Abwägung mit in Betracht zu ziehen, dass für die Errichtung und den Betrieb entsprechender Solaranlagen, insbesondere auch einer Photovoltaikanlage der von dem Kläger geplanten (vergleichsweise geringen) Größe schon im unmittelbaren Umfeld zahlreiche Alternativstandorte in Betracht kommen. So sind ausweislich des Solardachkatasters der Stadt Düsseldorf bereits im Umkreis von nur ca. 100 m um das Grundstück des Klägers von den 28 dort aufstehenden Hauptgebäuden hinsichtlich ihrer Dachflächen für Photovoltaikanlagen 17 gut geeignet, zehn geeignet und nur eine ungeeignet.
92Vgl. Solardachkataster der Stadt Düsseldorf, abrufbar unter: https://www.solare-stadt.de/duesseldorf_spk/Solarpotenzialkataster.
93Schließlich wird durch die Nordmanntanne gegenüber dem Kläger die Grundstücksnutzung nicht unzumutbar eingeschränkt. Insbesondere besteht nach derzeitiger Rechtslage kein rechtlich geschütztes Privatinteresse an der effektiven Nutzung erneuerbarer Energien auf dem eigenen Grundstück. § 2 EEG 2023 begründet lediglich ein überragendes öffentliches Interesse an der Errichtung und dem Betrieb von bestimmten Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien, aber kein damit korrespondierendes privates Interesse einzelner Anlagenbetreiber. Auch Art. 14 Abs. 1 GG verleiht dem Grundstückseigentümer kein Recht auf eine entsprechend „optimale“ oder „erträglichste“ Nutzung seines Grundstücks.
94Vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. März 1999 – 1 BvL 7/91 –, juris Rn. 84; OVG Berlin, Urteil vom 24. November 1992 – 2 B 29.90 –, NuR 1993, 394; Vornholt, Baumschutzrecht – Rechtliche Instrumente und Spannungsverhältnisse (2022), S. 239.
95Angesichts der vergleichsweise geringen Größe der auf dem Dach des Wohnhauses des Klägers geplanten Photovoltaikanlage einerseits, der Qualität der vor dem Haus aufstehenden Nordmanntanne und der Folgen ihrer Fällung andererseits sowie der möglichen Alternativstandorte zur Nutzung erneuerbarer Energien gerade auch im unmittelbaren Umfeld überwiegt mithin das öffentliche Interesse am unveränderten Erhalt der Nordmanntanne die Gründe für ihre Fällung zur Effektivitätssteigerung der geplanten Photovoltaikanlage.
96Die insofern von dem Kläger angebotene Kompensation durch eine Ersatzpflanzung führt zu keinem anderen Abwägungsergebnis. Die Baumschutzsatzung gibt bereits keinen Anspruch auf Erteilung einer Fällgenehmigung, wenn eine Ersatzpflanzung angeboten wird; so stellt sich die Frage der Ersatzpflanzung erst, wenn ein Ausnahmegrund nach § 4 BSchS für die Fällung gegeben ist (vgl. § 4 Abs. 5 BSchS). Ungeachtet dessen ist die von dem Kläger angebotene Neupflanzung eines kleinen Laubbaumes nicht geeignet, den durch eine Fällung der Nordmanntanne bewirkten Verlust vollständig auszugleichen. Die angebotene Ersatzpflanzung erweist sich in Größe und Umfang als deutlich geringer als der vorhandene Nadelbaum, denn um die Funktion eines älteren Baumes zu übernehmen, benötigt ein Jungbaum nach dem insoweit unbestrittenen Vortrag der Beklagten in der Regel 15 Jahre Wachstumszeit am Standort.
97Insbesondere leisten die meisten Nadelbäume – so wie hier die streitbefangene Nordmanntanne – im Gegensatz zu sommergrünen Laubbäumen, die im Herbst ihr Laub abwerfen und in einen Ruhezustand verfallen, weiterhin die ökologischen Funktionen und fungieren ganzjährig als Feinstaubfilter. Darüber hinaus tragen Nadelbäume zur Biodiversität und Artenvielfalt in der Stadt bei. Bei Nordmanntannen wie der vorliegenden kann bei günstigen Standortbedingungen von einer Lebensdauer von 350 bis 500 Jahren ausgegangen werden. Die Tanne ist als gesund und vital zu beurteilen und übernimmt klimaregulierende Ökosystemleistungen. Dem insoweit nachvollziehbaren Vortrag der Beklagten, dass eine etwaige Ersatzpflanzung eines Jungbaumes die klimaregulierenden Ökosystemleistungen des derzeitigen Baumes für einen Zeitraum von 15 Jahren schmälern würde, ist der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten. Aus den vorstehenden Gründen ist daher nicht von einem gleichwertigen Ausgleich auszugehen. Eine etwaige Einkürzung der Tanne als milderes, schonenderes Mittel kommt ebenfalls nicht in Betracht; nach Darlegung der Beklagten haben Tannen ein streng aufrechtes Wachstum und ein geringes Reaktions- und Regenerationsvermögen, sodass sich eine Einkürzung negativ auf das Wachstum auswirkt und zu einer langfristigen Schwächung des Baumes in Verbindung mit einer herabgesetzten ökologischen Leistung und einer verminderten Reststandzeit führt,
98vgl. Kiefl Gartencenter GmbH, Darauf ist beim Nadelgehölze zurückschneiden zu achten, abrufbar unter https://www.kiefl.de/gartenratgeber/darauf-ist-beim-nadelgehoelze-zurueckschneiden-zu-achten; Küsters, Tannen richtig schneiden: Aus diesen Gründen müssen Sie bei der Baumpflege aufpassen (28. Dezember 2020), abrufbar unter https://www.24garten.de/mein-garten/gaertnern/tannen-rueckschnitt-winter-formschnitt-triebe-weihnachtsbaum-garten-pflege-90130712.html.
99Dem ist der Kläger ebenfalls nicht entgegengetreten.
100Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
101Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2 und 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
102Rechtsmittelbelehrung:
103Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
104Auf die seit dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
105Die Berufung ist nur zuzulassen,
1061. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
1072. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
1083. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
1094. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
1105. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
111Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen.
112Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen.
113Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
114Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
115Beschluss:
116Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
117Gründe:
118Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 1 und 2 GKG erfolgt und orientiert sich an Ziffer 29.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31. Mai / 1. Juni 2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen.
119Rechtsmittelbelehrung:
120Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
121Auf die seit dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
122Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
123Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
124Die Beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
125War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.