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1. Der Beschluss in dieser Sache vom 9. Januar wird aufgehoben.
2. Das berufsgerichtliche Verfahren wird gegen den Ingenieur Dipl. Ing. F. P. eröffnet.
Ihm wird zur Last gelegt, als Kammermitglied Berufspflichten verletzt zu haben, indem er den von Herrn Ingenieur G. E. am 00.00.0000 für das Bauvorhaben „Neubau eines Wohnhauses mit Garagen, L.-straße 00, J.“ erstellten Standsicherheitsnachweis mit seinem Namen unterschrieben und mit seinem Stempel betreffend seine Qualifikation als qualifizierter Tragwerksplaner im Sinne von § 54 Abs. 4 BauO NRW 2018 versehen hat, obwohl der Standsicherheitsnachweis weder von ihm noch unter seiner Leitung gefertigt worden war,
‑ Verstoß gegen § 33 Abs. 2 Nr. 10, 2. Alt. BauKaG NRW –.
3. Wegen Verletzung beruflicher Pflichten wird dem Beschuldigten ein V e r w e i s erteilt und eine G e l d b u ß e von 400,- (in Worten vierhundert) Euro auferlegt.
Der Beschuldigte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Gebühren werden auf 150,- Euro festgesetzt.
Gründe:
2I.
3Der am 00.00.0000 geborene Beschuldigte ist seit dem 00.00.0000 als Beratender Ingenieur Pflichtmitglied der Ingenieurkammer-Bau NRW (nachfolgend Antragstellerin genannt). Seit dem 00.00.0000 ist er staatlich anerkannter Sachverständiger für den Schall- und Wärmeschutz. Seit dem 00.00.0000 ist er in die von der Antragstellerin geführte Liste der Bauvorlageberechtigten und seit dem 00.00.0000 in die von der Antragstellerin geführte Liste der qualifizierten Tragwerksplanerinnen und Tragwerksplaner eingetragen.
4Berufsrechtlich ist er nicht vorbelastet.
5Unter dem 00.00.0000 erstellte Herrn Ingenieur G. E., der nicht in die Liste der qualifizierten Tragwerksplanerinnen und Tragwerksplaner eingetragen ist, für das im Rubrum benannte Bauvorhaben einen Standsicherheitsnachweis. Anschließend bat er den (in die vorgenannte Liste eingetragenen) Zeugen X. ohne Erfolg um Unterzeichnung dieses Entwurfs. Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt unterzeichnete der Beschuldigte diesen Standsicherheitsnachweis auf dem Deckblatt und der Schlussseite und versah ihn ebenda auch mit seinem Stempel.
6Hiervon erlangte die Antragstellerin Kenntnis und bat den Beschuldigten um Erklärung, wie sein Stempel und seine Unterschrift auf den Entwurf gelangen konnten. Der Beschuldigte nahm im weiteren Verlauf mehrfach telefonisch und einmal schriftlich Stellung.
7Mit am 15.11.2023 bei dem Berufsgericht eingegangenem Schreiben vom selben Tag hat die Antragstellerin die Eröffnung des berufsgerichtlichen Verfahrens gegen den Beschuldigten beantragt wegen des Verdachts, dieser könne den im Tenor benannten Standsicherheitsnachweis mit seinem Stempel und seiner Unterschrift versehen haben, obwohl er diesen weder selbst erstellt habe doch dieser unter seiner Leitung gefertigt worden sei.
8Der Beschuldigte hat sich zu dem ihm am 12.12.2023 zugestellten Antrag geäußert.
9Er räumt den Sachverhalt mit Schreiben vom 19.12.2023 ein („Die in dem Schriftsatz aufgeführten Vorgänge sind zutreffend“) und schildert in einem weiteren, an die Antragstellerin gerichteten Schreiben vom 20.09.2023, dass er den Standsicherheitsnachweis vor Unterschriftsleistung stichprobenartig überprüft habe. Der Beschuldigte weiter wörtlich: „Da für den Beginn der Aushubarbeiten die Vorlage des Standsicherheitsnachweises erforderlich war, habe ich diese nach Zusicherung von Herrn U., die statischen Nachweis zu korrigieren und zu ergänzen, vorab unterzeichnet. Weil die Nachweise jedoch unvollständig der Bauaufsicht vorgelegt wurden, habe ich dem Bauherrn daraufhin mitgeteilt, dass der Nachweis so nicht verwendet werden dürfe, da er nicht mehr dem aktuellen Planungsstand entsprach.“ Weiter berichtete der Beschuldigte, dass danach das Vorhaben umgeplant worden sei und er einen neuen Standsicherheitsnachweis erstellt und unterzeichnet habe.
10Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten und den Verwaltungsvorgang der Antragstellerin Bezug genommen.
11II.
12Der (sachlich gleichlautende) Beschluss in dieser Sache vom 9. Januar 2024 war wegen fehlerhafter Rechtsmittelbelehrung von Amts wegen ersatzlos aufzuheben.
13Das Berufsgericht hat das Verfahren mit dem im Tenor bezeichneten Vorwurf eröffnet, § 41 Abs. 1 des Gesetzes über die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen und die Ingenieurkammer-Bau Nordrhein-Westfalen (Baukammerngesetz - BauKaG NRW, in der Fassung vom 1. Dezember 2021, GV.NRW 2021, 1345-1408, in Kraft getreten am 14.03.2022, GV.NRW. S. 1385), in Verbindung mit § 75 Abs. 1 Satz 1 des Heilberufsgesetzes (HeilBerG NRW, vom 9. Mai 2000, zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. März 2022, GV. NRW. S. 417).
14Da es sich um einen leichten Fall handelt und der Sachverhalt genügend geklärt ist, entscheidet das Berufsgericht ohne Hauptverhandlung sogleich durch Beschluss des Vorsitzenden, §§ 41 Abs. 1, 38 Abs. 1 Satz 4 BauKaG NRW i.V.m. §§ 74 Abs. 2, 83 Abs. 1 Satz 1 HeilBerG NRW.
15Der Beschuldigte hat nach Aktenlage durch sein Verhalten Berufspflichten verletzt.
16Nach § 33 Abs. 2 Nr. 10, 2. Alt. BauKaG NRW dürfen die Kammermitglieder nur solche Entwürfe und Bauvorlagen mit ihrer Unterschrift versehen, die von ihnen selbst oder unter ihrer Leitung gefertigt wurden. Gegen diese Vorschrift hat der Beschuldigte verstoßen, indem er den von Herrn Ingenieur E. erstellten Standsicherheitsnachweis für das im Rubrum benannte Bauvorhaben mit seiner Unterschrift und seinem Stempel versehen hat. Dieser Standsicherheitsnachweis ist nach dem vom Beschuldigten eingeräumten Sachverhalt weder von ihm selbst noch unter seiner Leitung erstellt worden. Dass er den Standsicherheitsnachweis geprüft hat, entlastet ihn von dem Vorwurf nicht. Nach dem klaren und unmissverständlichen Wortlaut der Regelung, die jedem Ingenieur bekannt sein muss, muss der Ingenieur die Bauvorlage oder den Entwurf selbst erstellen, mindestens diesen aber unter seiner Leitung anfertigen lassen. „Unter der Leitung angefertigt“ ist ein Entwurf oder eine Bauvorlage nach den zutreffenden rechtlichen Ausführungen der Antragstellerin, wenn eine tatsächliche und rechtlich abgesicherte Möglichkeit der Einflussnahme auf das Produkt besteht. Dies war nach der eigenen Einlassung des Beschuldigten zu keiner Zeit der Fall; ihm ist das fertige Produkt lediglich zur Unterzeichnung übergeben worden.
17Dass der Standsicherheitsnachweis letztendlich nicht für ein Bauvorhaben verwendet worden ist, ist unerheblich, weil es nach der gesetzlichen Regelung hierauf nicht ankommt.
18Der Beschuldigte hat schuldhaft gehandelt. Die Kenntnis von § 33 Abs. 2 Nr. 10, 2. Alt. BauKaG ist bei jedem Ingenieur vorauszusetzen und vom Beschuldigten auch zu keiner Zeit bestritten worden.
19Eine gegebenenfalls laxe Handhabung der Regelung in der Praxis entlastet ihn nicht. Ebenso wenig entlastet es ihn, dass er den Standsicherheitsnachweis geprüft hat.
20Zur Ahndung der Berufspflichtverletzung hält das Berufsgericht es für erforderlich, aber auch ausreichend, dem Beschuldigten die Berufspflichtwidrigkeit seines Verhaltens - entsprechend dem Antrag der Antragstellerin - durch Erteilung eines Verweises sowie Verhängung einer Geldbuße von 400,- EUR, § 41 Abs. 1 BauKaG NRW in Verbindung mit § 60 Abs. 1 Ziffern 1 und 4 und Abs. 2 HeilBerG NRW, vor Augen zu führen.
21Das Berufsgericht macht sich die zutreffenden Erwägungen der Antragstellerin zu eigen. Die verletzte Regelung bezweckt, das Risiko fachlicher Mängel und damit von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dadurch zu begrenzen, dass im Bauwesen relevante Unterlagen nur von hierzu qualifizierten Personen erstellt werden. Der Unrechtsgehalt der Tat gebietet auch bei dem bislang unbescholtenen Beschuldigten neben der Verhängung eines Verweises eine Geldbuße, und zwar insbesondere auch deshalb, weil der Beschuldigte den Standsicherheitsnachweis sehenden Auges in Kenntnis von Mängeln mit seiner Unterschrift versehen hat, wie er in seinem Schreiben an die Antragstellerin vom 20.09.2023 eingeräumt hat.
22Die Kostenentscheidung und die Gebührenfestsetzung beruhen auf § 41 Abs. 1 BauKaG NRW in Verbindung mit § 107 Abs. 1 und 2 Abs. 2 HeilBerG NRW.
23Gemäß § 107 Abs. 2 Satz 1 HeilBerG NRW haben die Beschuldigten die Gebühren zu tragen. Gebühren dürfen gemäß § 107 Abs. 2 Satz 2 HeilBerG NRW nur festgesetzt werden, wenn – wie hier – auf eine der in § 60 genannten Maßnahmen erkannt wird.
24Die Gebühren betragen gemäß § 107 Abs. 3 Satz 2 HeilBerG NRW mindestens 150,- Euro, höchstens 1.000,- Euro. Sie werden unter Berücksichtigung der Schwere des Berufsvergehens sowie der persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten nach pflichtgemäßem Ermessen festgesetzt (§ 107 Abs. 2 Satz 4 HeilBerG).
25Gründe, eine höhere Gebühr als die Mindestgebühr festzusetzen, sind nicht erkennbar.
26Rechtsmittelbelehrung:
27Der Beschluss zu Ziff. 1 und 2 ist unanfechtbar.
28Gegen den Beschluss zu Ziffer 3 können Beschuldigte, die Kammer und die Vertretung der antragsberechtigten Aufsichtsbehörde binnen zwei Wochen nach dessen Zustellung schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Berufsgerichts für Beratende Ingenieure und Ingenieurinnen sowie Ingenieure und Ingenieurinnen im Bauwesen bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 200 860, 40105 Düsseldorf) Antrag auf mündliche Verhandlung stellen (§ 41 Abs. 1 BauKaG NRW i.V.m. § 83 Abs. 3 Satz 1 HeilBerG NRW).
29Wird der Antrag rechtzeitig gestellt und nicht zurückgenommen, so gilt der Beschluss als nicht ergangen; andernfalls gilt er als rechtskräftiges Urteil (§ 41 Abs. 1 BauKaG NRW i.V.m. § 83 Abs. 3 Satz 3 HeilBerG NRW).