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Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Gründe
2Die Einzelrichterin ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes für die Entscheidung zuständig (§ 76 Abs. 4 Satz 1 des Asylgesetzes - AsylG).
3Der am 26. Juli 2024 sinngemäß gestellte Antrag,
4die aufschiebende Wirkung der Klage 29 K 5772/24.A gegen Ziffer 1 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16. Juli 2024 anzuordnen,
5hilfsweise, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass von Abschiebemaßnahmen gegen die Antragstellerin vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens abzusehen ist,
6hat keinen Erfolg.
7Der Hauptantrag ist zulässig, er ist insbesondere nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft.
8Liegt – wie hier – ein Fall des § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG vor, ist das Begehren eines Antragstellers auf einstweiligen Rechtsschutz gegen die Ablehnung seines Asylfolgeantrages durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) nach der Änderung des § 71 Abs. 5 AsylG durch das Gesetz zur Verbesserung der Rückführung (Rückführungsverbesserungsgesetz) vom 21. Februar 2024 nicht länger als ein Fall des § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO, sondern als ein Fall des § 80 Abs. 5 VwGO einzuordnen.
9Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 17. April 2024 – 4 L 784/24.A –, juris Rn. 5 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 25. April 2024 – 28 L 714/24.A –, juris Rn. 9 ff.; Dickten, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 41. Edition, Stand: 01.04.2024, § 71 AsylG, Rn. 36.
10§ 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG bestimmt, dass es zum Vollzug der Abschiebung keiner erneuten Fristsetzung und Abschiebungsandrohung oder -anordnung bedarf, wenn der Ausländer, nachdem eine nach Stellung des früheren Asylantrags ergangene Abschiebungsandrohung oder -anordnung vollziehbar geworden ist, einen Folgeantrag stellt, der nicht zur Durchführung eines weiteren Verfahrens führt. Nach § 71 Abs. 5 Satz 3 AsylG darf die Abschiebung jedoch erst nach Ablauf der Frist nach § 74 Abs. 1 Hs. 2 AsylG und im Fall eines innerhalb der Frist gestellten Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO erst nach der gerichtlichen Ablehnung dieses Antrags vollzogen werden.
11Gegenstand des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist mithin die in der Hauptsache mit der Anfechtungsklage,
12vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2016 - 1 C 4.16 –, juris Rn. 16, VG Düsseldorf, Beschluss vom 17. April 2024 – 4 L 784/24.A –, juris Rn. 9; VG Düsseldorf, Beschluss vom 25. April 2024 – 28 L 714/24.A –, juris Rn. 13,
13angegriffene Ablehnung des Asylfolgeantrags als unzulässig,
14vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 21. Dezember 2018 – 9a L 2160/18.A –, juris Rn. 9,
15nunmehr auch dann, wenn – wie hier – das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) im dem angefochtenen Bescheid keine (neue) Abschiebungsandrohung erlassen hat.
16Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 17. April 2024 – 4 L 784/24.A –, juris Rn. 13.
17Grundlage der Abschiebung bildet in diesen Fällen – anders als im Fall des § 71 Absatz 5 Satz 2 AsylG – nicht mehr die bereits bestandskräftige Abschiebungsandrohung in Verbindung mit der an die Ausländerbehörde gerichteten Mitteilung des Bundesamtes, ein neues (Folge-)Asylverfahren werde nicht durchgeführt, sondern die bereits bestandskräftige Abschiebungsandrohung in Verbindung mit dem neuen, vollziehbaren Unzulässigkeitsbescheid.
18Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 17. April 2024 – 4 L 784/24.A –, juris Rn. 14; VG Düsseldorf, Beschluss vom 25. April 2024 – 28 L 714/24.A –, juris Rn. 18.
19Wird dem Antrag nach § § 80 Abs. 5 VwGO stattgegeben, darf die Abschiebung mithin nicht vollzogen werden. Damit scheidet, was zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes erforderlich, aber auch ausreichend ist, eine Abschiebung des Ausländers einstweilen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens gegen die Unzulässigkeitsentscheidung aus.
20Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 17. April 2024 – 4 L 784/24.A –, juris Rn. 15 m.w.N.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 25. April 2024 – 28 L 714/24.A –, juris Rn. 19; Dickten, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 41. Edition, Stand: 01.04.2024, § 71 AsylG, Rn. 36.
21Insbesondere wird die Effektivität des Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO durch die Mitteilungspflichten des Gerichts gegenüber der für die Abschiebung zuständigen Ausländerbehörde (vgl. § 83a Satz 2 AsylG) sichergestellt. Denn unter „Verfahren über die Rechtmäßigkeit“ im Sinne des § 83a Satz 2 AsylG sind auch Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz zu verstehen.
22Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 17. April 2024 – 4 L 784/24.A –, juris Rn. 17 ff. m.w.N.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 25. April 2024 – 28 L 714/24.A –, juris Rn. 21 ff.
23Der statthafte Antrag ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere hat die Antragstellerin die Antragsfrist von einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides gemäß § 71 Abs. 4 Halbsatz 1 AsylG in Verbindung mit § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG gewahrt.
24Vgl. zu deren Geltung OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2023 –11 A 1/22.A –, juris und nachgehend BVerwG, Beschluss vom 18 Januar 2024 – 1 B 49/23 –, juris; VG Karlsruhe, Beschluss vom 25. März 2024 – 8 K 1026/24 –, juris; Dickten in Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, AsylG, § 71 Rn. 32 und 38.
25Der angegriffene Bescheid wurde ihr am 24. Juli 2024 ausgehändigt, so dass die Antragstellung bei Gericht am 26. Juli 2024 fristgerecht erfolgte.
26Der Antrag ist jedoch unbegründet.
27Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung einer Klage anordnen, wenn das Interesse des Antragstellers, den Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides der Antragsgegnerin vom Bundesgebiet aus führen zu können, das gesetzlich angeordnete öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung überwiegt. Nach dem Prüfungsmaßstab des § 71 Abs. 4 AsylG i. V. m. § 36 Abs. 4 AsylG darf die aufschiebende Wirkung der Klage nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die aufenthaltsbeendende Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält.
28Vgl. BVerfG Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1516/93 –, juris Rn. 99; BVerwG, Beschluss vom 3. Juli 1981 – 8 C 83.81 –, juris (in Bezug auf § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO).
29Hiervon ausgehend begegnet die Ablehnung des Asylantrags der Antragstellerin als unzulässig in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides keinen rechtlichen Bedenken.
30Nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn im Falle eines Folgeantrags nach § 71 AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.
31Dies ist hier der Fall. Bei dem Asylantrag der Antragstellerin, den diese am 11. Juli 2024 persönlich beim Bundesamt gestellt hat, handelt es sich um einen Folgeantrag im Sinne von § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG. Denn die Antragstellerin hatte bereits einen Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt, den die Antragsgegnerin mit bestandskräftigem Bescheid vom 22. Oktober 2020 abgelehnt hatte. Zwar erfolgte die Ablehnung als unzulässig gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Anders als bei einer Ablehnung als unzulässig gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG wurde hierdurch jedoch nicht (nur) eine Entscheidung über die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens getroffen, ohne dass eine sachliche Prüfung des Schutzbegehrens erfolgt ist, sondern wurde das nationale Asylverfahren mit einer für die Antragstellerin negativen Sachentscheidung endgültig abgeschlossen und kann nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 71 AsylG wiederaufgenommen werden.
32Vgl. VG Augsburg, Urteil vom 4. April 2024 – Au 9 K 23.31180 –, juris Rn. 33 m. w. N.; VG Göttingen, Urteil vom 6. Februar 2023 – 3 A 81/22 –, juris Rn. 25 m. w. N.; Camerer, in: Decker/Bader/Kothe, BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, Stand: 15. Januar 2024, § 71 AsylG Rn. 2; Dickten, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht,Stand: 1. Oktober 2023, § 71 AsylG Rn. 5; vgl. zu § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG: BVerwG, Urteil vom 17. August 2021 – 1 C 55.20 –, juris Rn. 18.
33Wenn ein bestandskräftiger Drittstaatenbescheid nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG vorliegt, hatte der Antragsteller die Möglichkeit, seine Asylgründe in einem Mitgliedstaat im Rahmen einer uneingeschränkten sachlichen Erstprüfung vorzutragen, sein Schutzgesuch wurde in einem Mitgliedstaat inhaltlich geprüft und er konnte den zustehenden Schutz in Anspruch nehmen. Ein weitergehender Anspruch besteht nicht.
34VG Augsburg, Urteil vom 4. April 2024 – Au 9 K 23.31180 –, juris Rn. 33 m. w. N.
35Das Bundesamt hat zu Recht angenommen, dass die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 AsylG nicht vorliegen.
36Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn neue Elemente oder Erkenntnisse zutage getreten oder vom Ausländer vorgebracht worden sind, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu einer für den Ausländer günstigeren Entscheidung beitragen, oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung (ZPO) gegeben sind und der Ausländer ohne eigenes Verschulden außerstande war, die Gründe für den Folgeantrag im früheren Asylverfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.
37Bei der Auslegung von § 71 AsylG ist Art. 40 der Richtlinie 2013/32/EU heranzuziehen, deren Umsetzung § 71 AsylG dient.
38Vgl. BT-Drs. 20/9463, S. 58 f. unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 9. September 2021 – C-18/20 –, juris; VG Karlsruhe, Beschluss vom 25. März 2024 – A 8 K 1026/24 –, juris Rn. 32.
39Art. 40 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2013/32/EU sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dahin auszulegen, dass die Wendung „neue Elemente oder Erkenntnisse“, die „zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind“, im Sinne dieser Bestimmung sowohl Elemente oder Erkenntnisse umfasst, die nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens über den früheren Antrag auf internationalen Schutz eingetreten sind, als auch Elemente oder Erkenntnisse, die bereits vor Abschluss des Verfahrens existierten, aber vom Antragsteller nicht geltend gemacht wurden.
40Vgl. EuGH, Urteil vom 9. September 2021 – C-18/20 –, juris Rn. 44.
41Hierbei kann jedes Urteil des Europäischen Gerichtshofs, und zwar auch ein Urteil, das sich auf die Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts beschränkt, die bei Erlass einer Entscheidung über einen früheren Antrag bereits in Kraft war, unabhängig von seinem Verkündungsdatum einen neuen Umstand bzw. ein neues Element im Sinne dieser Bestimmungen darstellen, wenn es erheblich zu der Wahrscheinlichkeit beiträgt, dass der Antragsteller als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz anzuerkennen ist.
42Vgl. EuGH, Urteil vom 9. September 2021 – C-18/20 –, juris Rn. 54.
43Von einer „erheblichen Wahrscheinlichkeit“ des „Beitrags“ „zu einer für den Ausländer günstigeren Entscheidung“ ist jedenfalls dann nicht auszugehen, wenn sich der Antragsteller nur auf irgendeinen neuen Umstand oder irgendeine neue Erkenntnis beruft, unabhängig von deren Relevanz hinsichtlich der Voraussetzungen des Anspruchs auf internationalen Schutz. Der neue Umstand bzw. das neue Element, auf das der Antragsteller sich beruft, muss für die Beurteilung der Begründetheit dieses Antrags maßgeblich erscheinen.
44Vgl. EuGH, Urteil vom 8. Februar 2024 – C-216/22 –, juris Rn. 50.
45Hieran gemessen sind die Voraussetzungen von § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG nicht erfüllt.
46Zwar stellen die nach der Stellung ihres ersten Asylantrags am 4. Dezember 2017 im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts erfolgte Abschiebung der Antragstellerin nach Bulgarien sowie die dort gemachten Erfahrungen neue Elemente oder Erkenntnisse im Sinne von § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG dar. Diese führen aber nicht mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu einer für die Antragstellerin günstigeren Entscheidung. Denn sie sind nicht geeignet, die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, zu einer anderen Einschätzung bezüglich der im Erstbescheid vom 21. Dezember 2017 angenommenen Unzulässigkeit des Asylantrags der Antragstellerin gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG zu gelangen. Auch unter Berücksichtigung dieser neuen Elemente oder Erkenntnisse steht Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU der Anwendbarkeit des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG im Fall der Antragstellerin nicht entgegen, weil ihre Rückführung nach Bulgarien als dort anerkannt Schutzberechtigte die Antragstellerin nicht der beachtlichen Gefahr aussetzen würde, dort eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK zu erfahren.
47Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 17.6.2020 –Aktenzeichen 1 C 35/19; Urteil vom 21. April 2020 – Aktenzeichen 1 C 4/19 – jeweils juris.
48Nicht besonders schutzbedürftigen Antragstellern droht bei Zuerkennung internationalen Schutzes in Bulgarien aufgrund der dort herrschenden Lebensbedingungen für international Schutzberechtigte nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine gegen Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK verstoßende unmenschliche oder erniedrigende Behandlung.
49Vgl. ausführlich: OVG NRW, Urteil vom 14. Februar 2024 – 11 A 1440/23.A –, juris Rn. 45 ff. (Asylsuchende) und Rn. 68 ff. (Schutzberechtigte), sowie etwa Beschlüsse vom 24. August 2023 – 11 A 892/21.A –, juris Rn. 54 ff. (Schutzberechtigte), und vom 25. Mai 2023 – 11 A 1257/22.A –, juris Rn. 53 ff. (Asylsuchende).
50Anerkannt Schutzberechtigte müssen sich in Bulgarien zwar grundsätzlich selbst um eine Unterkunft bemühen und haben keinen Rechtsanspruch auf Aufnahme in einer Flüchtlingsunterkunft.
51Schweizerische Flüchtlingshilfe, „Ihre Anfrage bzgl. Verwaltungsrechtssache 11 A 223/21.A u.a.“, 8. Juli 2022, S. 2.
52Praktische Probleme bei der Wohnungssuche bestehen – neben Sprachbarrieren und der im Regelfall notwendigen eigenen Finanzierung der Miete – dadurch, dass für den Abschluss eines Mietvertrages staatliche Ausweisdokumente erforderlich sind und diese wiederum nicht ohne eine Meldeadresse ausgestellt werden können, eine Flüchtlingsunterkunft aber keine zulässige Meldeadresse mehr darstellt. Der bulgarische Staat gewährt – anders als bis zum Jahr 2020 – international Schutzberechtigten auch keine finanzielle Unterstützung für die Anmietung einer Wohnung innerhalb der ersten sechs Monaten nach Schutzerhalt mehr.
53Vgl. Aida Country Report Bulgaria, Update 2023 (Stand 31. Dezember 2023), S. 118, abrufbar unter: https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2024/04/AIDA-BG_2023-Update.pdf.
54Gleichwohl liegen auch weiterhin keine konkreten Hinweise dafür vor, dass anerkannt Schutzberechtigte in Bulgarien im Allgemeinen obdachlos oder von Obdachlosigkeit in besonderem Maße bedroht wären.
55Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 20. Dezember 2023 – 11 A 70/23.A –, juris Rn. 56, und vom 8. März 2023 – 11 A 2473/22.A –, n.V., S. 9; vgl. VG Bremen, Urteil vom 22. Februar 2023 – 2 K 1419/22 –, juris Rn. 49 mit Verweis auf Unterstützung durch Nichtregierungsorganisationen bei der Wohnungssuche.
56Insbesondere besteht unabhängig von einem Rechtsanspruch zumindest tatsächlich auch für einige besonders schutzbedürftige Personen mit internationalem Schutzstatus die Möglichkeit, in den teils nur zur Hälfte ausgelasteten Asylaufnahmezentren Quartier zu beziehen. Ende des Jahres 2023 haben 2.736 anerkannt Schutzberechtigte hiervon Gebrauch gemacht.
57Vgl. Aida Country Report Bulgaria, Update 2023 (Stand 31. Dezember 2023), S. 118, abrufbar unter: https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2024/04/AIDA-BG_2023-Update.pdf; vgl. auch: OVG NRW, Beschluss vom 25. Mai 2023 – 11 A 1257/22.A –, juris Rn. 83.
58Zudem leisten in Bulgarien mehrere NGO für Asylbewerber, aber auch für Schutzberechtigte Unterstützung. Das Bulgarian Red Cross (BRC) betreibt den sogenannten Refugee-Migrant Service (RMS), welcher seit 1997 in der Flüchtlingsorganisation tätig ist. Die Organisation verfügt über Zweigstellen in mehreren bulgarischen Städten und bietet Asylbewerbern, humanitär Aufenthaltsberechtigten, anerkannten Flüchtlingen und abgelehnten Asylbewerbern Geld- und Sachleistungen. Die Caritas Bulgarien betreibt in Sofia ein Integrationszentrum für Flüchtlinge und Migranten, das psychologische Hilfe, Bildungsservices, soziale Beratung, humanitäre Hilfe und Unterstützung bezüglich Wohnen und Arbeit bietet. Für anerkannte Flüchtlinge oder humanitär Schutzberechtigte betreibt die Caritas Bulgarien das sogenannte „Refugee and Migrant Integration Center Sveta Anna“ in Sofia, wo soziale Beratung, psychologische Hilfe, Sprachtraining, Hilfe bei Meldeangelegenheiten, Registrierung beim praktischen Arzt, Unterstützung bezüglich Wohnen und Arbeit, ein Mentoringprogramm und weitere Integrationsmaßnahmen angeboten werden. Daneben leisten das Bulgarien Helsinki Comitee, Foundation for Access to Rights und das Centre for Legal Aid „Voice in Bulgaria“ rechtliche Hilfe.
59Vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Österreich, Länderinformation der Staatendokumentation Bulgarien, 29. September 2023, S. 25 f.; bereits aus dem Aida Country Report Bulgaria, Update 2023 (Stand 31. Dezember 2023), S. 82 folgt, dass verschiedene NGO in den Unterkünften tätig sind, abrufbar unter: https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2024/04/AIDA-BG_2023-Update.pdf.
60Die wirtschaftliche Situation und der Arbeitsmarkt haben sich durch die COVID 19-Pandemie und den Zuzug ukrainischer Flüchtlinge nicht so wesentlich verschlechtert, dass es international Schutzberechtigten nun mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit nicht mehr möglich wäre, in zumutbarer Zeit Arbeit zu finden und damit ihren Lebensunterhalt im Sinne des nach Art. 4 GR-Charta, Art. 3 EMRK gebotenen Existenzminimums selbstständig zu bestreiten.
61Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14. Februar 2024 – 11 A 1440/23.A –, juris Rn. 80 ff. m. w. N.
62Vielmehr erholt sich die bulgarische Wirtschaft weiter und ist zunehmend auf Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen. Der Arbeitsmarkt ist geprägt durch Arbeitskräftemangel, steigende Löhne und einen Rückgang der Arbeitslosigkeit.
63Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14. Februar 2024 – 11 A 1440/23.A –, juris Rn. 86 ff. m. w. N.
64Auch unter Berücksichtigung von 166.755 ukrainischen Flüchtlingen, die nach Auskunft des UN-Flüchtlingskommissariats zum 23. August 2023 in Bulgarien internationalen Schutz beantragt hatten,
65abrufbar unter UNHCR, https://data.unhcr.org/en/situations/ukraine,
66werden realistische Arbeitsmöglichkeiten für international Schutzberechtigte anderer Herkunft angesichts der Erholung des bulgarischen Arbeitsmarktes nicht ausgeschlossen. Gerade im Gastgewerbe, in der Logistik und im Handel können auch ungelernte Kräfte zum Einsatz kommen.
67Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. Mai 2023 – 11 A 1257/22.A –, juris Rn. 90 ff.
68Sprach- und Integrationskurse, die Drittstaatsangehörigen den Zugang zum bulgarischen Arbeitsmarkt erleichtern, werden zwar nicht staatlicherseits, aber von NGO, etwa dem Bulgarischen Roten Kreuz, der Caritas Sofia und IOM, angeboten.
69Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. Mai 2023 – 11 A 1257/22.A –, juris Rn. 100 ff.
70Hiervon ausgehend ist es nicht beachtlich wahrscheinlich, dass die Antragstellerin in Bulgarien bei zumutbarem Engagement nicht in der Lage sein wird, ihren Lebensunterhalt selbst zu erwirtschaften. Die Antragstellerin gehört nach derzeitiger Aktenlage nicht zu einer vulnerablen Gruppe mit besonderer Verletzbarkeit. Sie ist gesund und erwerbsfähig. Anhaltspunkte dafür, dass sie im Falle ihrer Rückkehr nach Bulgarien aufgrund besonderer Umstände nicht mehr in der Lage sein, ihren Lebensunterhalt sicherzustellen, liegen nicht vor. Sie selbst hat weder schriftlich noch im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung zur Klärung der Zulässigkeit des gestellten Asylantrags beim Bundesamt am 11. Juli 2024 geltend gemacht, nicht für sich selbst sorgen zu können. Vor allem die Tatsache, dass sie eigenen Angaben zufolge bereits vier Jahre lang in Bulgarien gelebt hat ohne in existenzielle Nöte geraten zu sein, spricht dafür, dass sie auch ohne staatliche Unterstützung erneut wirtschaftlich wird Fuß fassen können. Auf Nachfrage hat sie gegenüber dem Bundesamt angegeben, in Bulgarien als Reinigungskraft tätig gewesen zu sein. Diese Tätigkeit wird sie aller Voraussicht nach erneut ausüben können. Zudem wird sie auf ihre Erfahrungen und Kontakte aus ihrem ersten Aufenthalt in Bulgarien zurückgreifen können.
71Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO sind ebenfalls nicht gegeben.
72Auch die hilfsweise begehrte Verpflichtung, der Ausländerbehörde mitzuteilen, dass die Abschiebung der Antragstellerin auf der Grundlage der in dem Bescheid des Bundesamtes vom 21. Dezember 2017 ergangenen Abschiebungsandrohung bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Klageverfahren 29 K 5772/24.A nicht vollzogen werden darf, bleibt erfolglos.
73Der Antrag ist zwar zulässig, insbesondere statthaft.
74Der wörtlich auf einen Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO beschränkte Antrag war zunächst wie geschehen als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß §123 Abs. 1 VwGO auszulegen (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO). Denn ihrem wohlverstandenen Antragsbegehren zufolge wendet sich die Antragstellerin auch gegen Ziffer 2 des angegriffenen Bescheides, mit dem das Bundesamt eine Abänderung des Ausgangsbescheides bezüglich der Feststellungen zu § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt hat. In einem solchen Fall ist vorläufiger Rechtsschutz in der hier vorliegenden Konstellation eines Folgeantrags nach § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG ergänzend über einen hilfsweise gestellten Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO zu gewähren, da im Hinblick auf das Rechtsschutzziel der Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG in der Hauptsache (hilfsweise) eine Verpflichtungsklage zu erheben ist.
75Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2016 –1 C 4.16 –, juris Rn. 20; VG Düsseldorf, Beschluss vom 17. April 2024 – 4 L 784/24.A –, juris Rn. 39; VG Düsseldorf, Beschluss vom 25. April 2024 – 28 L 714/24.A –, juris Rn. 33 ff.; Dickten, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 41. Edition, Stand: 01.04.2024, § 71 AsylG, Rn. 36.1.
76Insoweit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dem Bundesamt aufzugeben, der zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass die Abschiebungsandrohung im Ausgangsbescheid bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG im Hauptsacheverfahren vorläufig nicht vollzogen werden darf.
77Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 25. April 2024 – 28 L 714/24, BeckRS 2024, 8853.
78Der so verstandene Antrag ist jedoch unbegründet.
79Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 VwGO kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis nur erlassen werden, wenn diese zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft zu machen. Dabei ist das Gericht entsprechend dem Sicherungszweck des Anordnungsverfahrens auf den Ausspruch einer vorläufigen Regelung beschränkt, die der Entscheidung über das Rechtsschutzbegehren im Hauptsacheverfahren grundsätzlich nicht vorgreifen darf.
80Hiervon ausgehend hat die Antragstellerin jedenfalls keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
81Für das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs ist maßgeblich, ob ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vom Bundesamt getroffenen Entscheidung bestehen.
82Vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. März 1999 –2 BvR 2131/95 –, juris Rn. 1 und 22 mit Verweis auf Art. 16a Abs. Absatz 4 GG; Dickten, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht (Stand: 1. Oktober 2023), § 71 AsylG, Rn. 38.
83Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält.
84Vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 –2 BvR 1516/93 –, juris.
85Dies ist hier nicht der Fall. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Ziffer 2. des streitgegenständlichen Bescheides, mit dem das Bundesamt den Antrag auf Abänderung des Bescheides vom 21. Dezember 2017 bezüglich der Feststellung von Abschiebungsverboten § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt hat.
86Gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG, der mit Wirkung vom 1. Januar 2023 durch das Gesetz zur Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren vom 21. Dezember 2022 (BGBl. I Nr. 56) eingefügt wurde, muss das Bundesamt in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge feststellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen. Nach § 31 Abs. 3 Satz 3 AsylG kann es von dieser Feststellung jedoch absehen, wenn es in einem früheren Verfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG entschieden hat und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen.
87Vgl. auch VG Cottbus, Urteil vom 25. April 2023 – 5 K 320/21.A –, juris Rn. 19 ff.; VG Leipzig, Urteil vom 26. September 2023 – 6 K 1159/21.A –, juris Rn. 17; Heusch, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, Stand: 1. Januar 2024, § 31 AsylG Rn. 21.
88So liegt der Fall hier. Das Bundesamt hat mit bestandskräftigem Bescheid vom 21. Dezember 2017 festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Das Bundesamt hat des Weiteren durch die Ablehnung des Antrags auf Abänderung bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Ziffer 2. des hier angegriffenen Bescheids von einer Feststellung zum Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG abgesehen, da es – zutreffend – festgestellt hat, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG im Hinblick auf die Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen.
89Für den Fall, dass dem Bundesamt im Hinblick auf das Absehen von der Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG im Rahmen des § 31 Abs. 3 Satz 3 AsylG Ermessen zustehen sollte,
90vgl. Heusch, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, Stand: 1. Januar 2024, § 31 AsylG Rn. 21,
91verdichtet sich dieses vorliegend nicht derart, dass die Antragstellerin eine erneute Prüfung oder gar die Feststellung eines Abschiebungsverbots beanspruchen könnte. Hierfür wäre bezugnehmend auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor Inkrafttreten des § 31 Abs. 3 Satz 3 AsylG erforderlich, dass ein Festhalten an der bestandskräftigen negativen Entscheidung zu den Abschiebungsverboten zu einem schlechthin unerträglichen Ergebnis führen würde und das Ermessen der Behörde hinsichtlich des Wiederaufgreifens des Verfahrens deshalb auf Null reduziert wäre.
92Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2004 – 1 C 15.03 –, juris Rn. 16; VG Cottbus, Urteil vom 25. April 2023 – 5 K 320/21.A –, juris Rn. 35 ff.
93Dies ist bei der Antragstellerin, die sich zur Begründung ihres Folgeantrags ausschließlich auf die Lebensbedingungen in Bulgarien berufen hat, nach den entsprechend geltenden vorangegangenen Ausführungen nicht der Fall.
94Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
95Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG).
96Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).