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Eine juristische Person des Privatrechts, die als kommunales Energieversorgungsunternehmen im Gemeindegebiet auch Telekommunikationsdienstleistungen anbietet, und ein 100%iges Tochterunternehmen der Gemeinde ist, ist eine auskunftsverpflichtete Stelle im Sinne des § 2 Abs. 4 IFG NRW.
Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger unter entsprechender Abänderung des Bescheides vom 7. Juni 2022 Zugang zu den dem wettbewerblichen Verfahren der Beklagten zugrundeliegenden Informationen, nach welchem die K. / O. e.K. Vertragspartner der Beklagten geworden ist, mit Ausnahme der Bieterunterlagen zu gewähren.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
2Der Kläger ist Inhaber des Unternehmens EDV-Service I. in Z. . Das Unternehmen bietet IT-Dienstleistungen an, darunter Vor-Ort-Service bei Reparaturen sowie Beratung für alle Systeme.
3Die Beklagte, eine juristische Person des Privatrechts, ist ein 100%iges Tochterunternehmen der Stadt Z.. Sie ist kommunaler Versorger mit Elektrizität und Gas und bietet daneben Dienstleistungen im Bereich Telekommunikation an. Insbesondere bietet sie ihren Kunden den Ausbau von Glasfaserverkabelung in den sog. Netzausbaustufen 4 und 5 an. In beiden Bereichen kooperiert die Beklagte mit der Firma K., O. e.K., wobei die Kooperation in der Netzausbaustufe 5 im August 2024 endete.
4Gestützt auf das Informationsfreiheitsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (IFG NRW) beantragte der Kläger mit Schreiben vom 30. Mai 2022 bei der Beklagten den Zugang zu den dem wettbewerblichen Verfahren der Beklagten zugrundeliegenden Informationen, nach welchem die K. /O. e.K. Vertragspartner der Beklagten geworden ist.
5Den Antrag wies die Beklagte mit Schreiben vom 7. Juni 2022 zurück und führte zur Begründung aus, sie sei nicht Auskunftsverpflichtete im Sinne des IFG NRW. Die begehrte Auskunft betreffe ihr Tätigwerden als Telekommunikationsanbieterin. Dies sei schon keine öffentlich-rechtliche Aufgabe. Erst recht sei diese Aufgabe nicht durch eine originär zur Erfüllung der Aufgabe berufenen Behörde übertragen worden. Selbst wenn ihre Auskunftspflicht unterstellt würde, bestünde ein Ablehnungsrecht gemäß § 8 Satz 1 IFG NRW. Die verlangten Auskünfte beträfen Betriebsgeheimnisse von ihr sowie der Firma K. sowie der weiteren am Wettbewerb teilgenommenen Unternehmen.
6Hiergegen hat der Kläger am 15. Dezember 2022 Klage erhoben, mit der er sein Informationszugangsbegehren weiterverfolgt. Die Beklagte sei anspruchsverpflichtet, weil sie öffentlich-rechtliche Aufgaben erfülle. Die Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas stelle geradezu die typische Daseinsvorsorge dar. Für die Annahme der Daseinsvorsorge bedürfe es keiner expliziten Zuständigkeitszuweisung an den Staat. Der weite Begriff der Daseinsvorsorge betreffe gerade in heutigen Zeiten den Zugang zu Telekommunikationsleistungen und die Breitbandversorgung mit Internet. Den Staat treffe im Rahmen seiner Daseinsvorsorge eine Pflicht zur Bereitstellung eines Mindestmaßes an Telekommunikationseinrichtungen. Dies stelle auch § 87 f Abs. 1 Satz 2 GG fest. Etwaige Informationen, die mit der Bereitstellung von Telekommunikationsdienstleistungen zusammenhingen und daher die Daseinsvorsorge beträfen, seien Informationen im Sinne des IFG NRW. Entgegenstehende Rechte lägen nicht vor. Es sei bereits nicht ersichtlich, inwieweit ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse an der Geheimhaltung der geforderten Informationen bestehen solle. Es handele sich um Informationen, die das abgeschlossene wettbewerbliche Verfahren der Beklagten beträfen. Dass durch die Preisgabe dieser Informationen der Beklagten ein etwaiger wirtschaftlicher Schaden drohe oder Mitbewerber etwaige Vorteile erlangten, sei nicht zu erkennen.
7Der Kläger beantragt,
8die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 7. Juni 2022 zu verpflichten, ihm Zugang zu den dem wettbewerblichen Verfahren der Beklagten zugrundeliegenden Informationen, nach welchem die K. / O. e.K. Vertragspartner der Beklagten geworden ist, entsprechend dem Antrag vom 30.05.2022 zu gewähren.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie trägt vor: Die Klage sei unzulässig. Sie sei keine anspruchsverpflichtete Selle. Das Auskunftsbegehren des Klägers betreffe allein das privatwirtschaftliche Tätigwerden als Telekommunikationsanbieter. Es fehle zudem an dem zwingenden weiteren Erfordernis der öffentlich-rechtlichen Verwurzelung der Aufgabe und der Übertragung durch die Stadt Z. auf sie. Die Leistungen in der letzten Netzausbaustufe beträfen ausschließlich solche Leistungen, die jeder Elektriker erbringen könne und die noch nicht einmal einer besonderen rechtlichen Regulierung unterworfen seien. Die Verpflichtungsklage sei zudem verfristet, hilfsweise verwirkt.
12Jedenfalls sei die Auskunft wegen drohender Offenbarung von Geschäftsgeheimnissen ausgeschlossen. Die vom Kläger als angeblich „wettbewerbswidrig“ bezeichnete Kooperation mit der Firma G., O. e.K. sei auf Grundlage eines offenen Bieterwettbewerbs zustande gekommen. Sie verfüge in ihren Unterlagen über eine Zusammenstellung der von den zur Angebotsabgabe aufgeforderten Unternehmen, die sowohl Preiskalkulationen als auch Umsatzzahlen und weitere wirtschaftliche Kennzahlen und Informationen zu den Bieterunternehmen (Angaben zu: Versicherungen, Mitgliedschaften, Insolvenzdaten, eingesetzter Software, Bankauskünften etc.) beinhalteten. Würde der Kläger in den Besitz dieser Unterlagen gelangen, hätte er – wie es einzig von ihm beabsichtigt sei – nicht nur einen unlauteren, anderen Wettbewerbern nicht zur Verfügung stehenden Überblick über seine unmittelbare Wettbewerbssituation, insbesondere auch über seinen lokalen, unmittelbaren T. Wettbewerber, die Firma G., O. e.K, sondern auch Zugriff auf höchst sensible Geschäftsgeheimnisse sowohl der Beklagten als auch seiner direkten Wettbewerbsunternehmen. Bieterunterlagen von Mitbewerbern seien Geschäftsgeheimnisse im Sinne des IFG NRW, wenn sie Rückschlüsse auf Einzelpositionen, Stundensatz oder Kalkulation zuließen. Eine Preisgabe der vom Kläger begehrten Informationen könne zu einem wirtschaftlichen Schaden führen. Denn die Kenntnis von Preisen, bestehenden Versicherungen oder allein die Kenntnis der Wettbewerber, die am wettbewerblichen Verfahren der Beklagten teilgenommen hätten, führte zu einem Informationsvorsprung bei einem zukünftigen Verfahren, bei denen der Kläger zum wirtschaftlichen Nachteil der anderen Teilnehmer anbieten könnte, ohne dass ein fairer Wettbewerb hergestellt werden könnte. Dieser könne aus sich heraus nur dann stattfinden, wenn kein Teilnehmer Preise oder Leistungskennzeichen (z.B. Mitarbeiterzahl, Umsätze etc.) oder Preisbestandteile und -grundlagen (wie z.B. das Vorhandensein von Versicherungen) der Wettbewerber kenne.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe:
15Die Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
16Die Klage ist zulässig. Sie ist nach § 42 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) als Verpflichtungsklage statthaft. Die Beklagte hat durch Verwaltungsakt über den begehrten Informationszugang zu entscheiden. Sie ist im vorliegenden Fall Behörde i. S. v. § 1 Abs. 1, § 35 Satz 1 VwVfG NRW, weil sie nach § 2 Abs. 4 IFG NRW als Behörde gilt (dazu unten).
17Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 17. November 2000 – 15 A 4409/18 –, juris Rn. 43 m.w.N.
18Die Klage gegen den nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen Bescheid ist auch fristgerecht innerhalb der Jahresfrist erhoben worden (§§ 74, 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Das ablehnende Schreiben der Beklagten datiert vom 7. Juni 2022. Der Kläger hat am 15. Dezember 2022 Klage erhoben.
19Der Kläger hat sein Klagerecht bzw. den Anspruch auf Informationszugang nach § 4 Abs. 1 IFG NRW daher auch nicht verwirkt. Verwirkung als ein im Grundsatz von Treu und Glauben wurzelnder Vorgang der Rechtsvernichtung bedeutet, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden kann, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen.
20Das Klagerecht kann bereits deshalb nicht verwirkt sein, weil die Rechtsmittelfrist bei Klageerhebung noch nicht abgelaufen war. Für die Annahme der Verwirkung des Informationszugangsanspruchs fehlt es ebenfalls an dem erforderlichen Zeitmoment. Denn der für die Verwirkung eines materiellen Rechts maßgebliche Zeitraum der Untätigkeit des Berechtigten ist deutlich länger zu bemessen als die Zeit, die dem Berechtigten gemäß den im Regelfall geltenden verfahrensrechtlichen Rechtsbehelfsfristen für die Geltendmachung seines Rechts eingeräumt ist.
21Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 16. Mai 1991 – 4 C 4/89 –, juris Rn. 22.
22Die Klage ist teilweise begründet. Der Kläger hat insoweit einen Anspruch auf Zugang zu Informationen zu dem wettbewerblichen Verfahren, nach welchem die K. / O. e.K. Vertragspartner der Beklagten geworden ist, als diese nicht die Bieterunterlagen umfassen, das heißt die Unterlagen über eine Zusammenstellung der zur Angebotsabgabe aufgeforderten Unternehmen, die Preiskalkulationen, Umsatzzahlen und weitere wirtschaftliche Kennzahlen und Informationen zu den Bieterunternehmen beinhalten. Im Übrigen ist der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 7. Juni 2022 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Informationszugang zu den Bieterunterlagen (§ 113 Abs. 5 VwGO). Seinem Anspruch steht insoweit der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen entgegen.
23Der Anspruch des Klägers auf Zugang zu Informationen – mit Ausnahme der Bieterunterlagen – betreffend das wettbewerbliche Verfahren, nach welchem die Firma K. / O. e.K. Vertragspartner der Beklagten geworden ist, folgt aus § 4 Abs. 1 IFG NRW. Danach hat jede natürliche Person nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den in § 2 IFG NRW genannten Stellen Anspruch auf Zugang zu den bei der Stelle vorhandenen amtlichen Informationen.
24Die Beklagte ist eine anspruchsverpflichtete Stelle im Sinne von § 4 Abs. 1, § 2 IFG NRW.
25Gemäß § 2 Abs. 4 IFG NRW gilt eine natürliche oder juristische Person des Privatrechts als Behörde im Sinne dieses Gesetzes, sofern sie öffentlich-rechtliche Aufgaben wahrnimmt.
26Eine öffentlich-rechtliche Aufgabe wird durch eine Privatrechtsperson im Sinne von § 2 Abs. 4 IFG NRW wahrgenommen, wenn es sich um eine gemeinwohlerhebliche Aufgabe handelt, die im öffentlichen Recht wurzelt, diese Aufgabe durch einen zu ihrer Erfüllung berufenen Hoheitsträger auf ein Privatrechtssubjekt übertragen worden ist und dieses durch den Hoheitsträger beherrscht wird.
27Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. November 2000 – 15 A 4409/18 –, juris Rn. 57.
28Als gemeinwohlerhebliche Aufgabe anzusehen ist dabei auch der Bereich der Daseinsvorsorge, der - in einem weiteren Begriffsverständnis - über die angemessene Versorgung mit lebensnotwendigen Leistungen hinaus auch die Möglichkeit zur sozialen Teilnahme am Gemeinwesen bis hin zur Möglichkeit der Selbstverwirklichung in der sozialen Gemeinschaft umfasst.
29Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. November 2000 – 15 A 4409/18 –, juris Rn. 64 ff. m.w.N.
30Einer spezialgesetzlichen Aufgabenzuweisung an die öffentliche Hand bedarf es nicht.
31Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. November 2000 – 15 A 4409/18 –, juris Rn. 58.
32Die Beklagte unterfällt hiernach dem Anwendungsbereich des IFG NRW.
33Als 100-prozentiges Tochterunternehmen der Stadt Z. versorgt die Beklagte die Bürgerinnen und Bürger der Stadt mit Internet, Energie und Strom. Nicht nur bei der Energieversorgung, sondern auch bei der Versorgung der Bevölkerung mit dem von der Beklagten betriebenen eigenen, flächendeckenden Glasfasernetz bis in den privaten Haushalt handelt es sich um kommunale Daseinsvorsorge und damit um eine im öffentlichen Recht wurzelnde gemeinwohlerhebliche Aufgabe.
34Die Bereitstellung eines Internetzugangs ermöglicht den Gemeindebewohnern und ansässigen Unternehmen die Teilnahme am Gemeinwesen. Nach eigener Darstellung der Beklagten ist die digitale Infrastruktur, insbesondere die schnelle Anbindung an das Internet mit leistungsfähigen Glasfaserleitungen, ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, der einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Stadt Z. sowie für dort bereits angesiedelte oder noch anzusiedelnde Unternehmen in allen Wirtschaftsbereichen darstellt. Dementsprechend wirbt die Beklagte ihrem Internetauftritt zufolge damit, Unternehmen jeder Größenordnung wüssten die verlässliche Versorgung mit schnellem Internet (…) zu schätzen. Auch die privaten Haushalte profitierten von einem „schnellen digitalen Fenster zur Welt“. Sie seien „der einzige Multimedia- und Internet-Anbieter in Z. , der konsequent das Glasfaser bis in die Wohnung verlegt. Denn das ist die bestmögliche Methode um hohe Übertragungsraten stabil und ohne Leistungsverluste zu übertragen. Das bedeutet für unsere Multimedia-Kundschaft: Highspeed-Internet und Fernsehen mit Lichtgeschwindigkeit.“
35Der Zugang der T. Bürgerinnen und Bürger sowie der dort ansässigen Unternehmen zum Internet stellt eine Telekommunikationsdienstleistung der Beklagten dar, die im öffentlichen Recht wurzelt.
36Eine Aufgabe gründet im öffentlichen Recht (und ist deshalb Verwaltungsaufgabe), wenn sie auf Rechtssätze zurückzuführen ist, welche einen Träger öffentlicher Gewalt gerade als solchen berechtigen oder verpflichten, die also einen öffentlichen Verwaltungsträger zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben mit besonderen Befugnissen ausstatten oder besonderen Regeln unterwerfen.
37Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. November 2000 – 15 A 4409/18 –, juris Rn. 72 f.; BVerwG, Beschluss vom 21. November 2016 - 10 AV 1/16 -, juris Rn. 5., m. w. N.
38Entsprechende Rechtssätze zur Zulässigkeit wirtschaftlicher Betätigung von Gemeinden zur Erfüllung ihrer Aufgaben finden sich in §§ 107 ff. Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GemO NRW). Aus der Vorschrift in § 107 Abs. 1 Satz 1 GemO NRW ergibt sich, unter welchen Voraussetzungen sich eine Kommune im Bereich der Telekommunikationsdienstleistungen wirtschaftlich betätigen darf. Insbesondere muss ein öffentlicher Zweck die Betätigung erfordern (§ 107 Abs. 1 Nr. 1 GemO NRW) und die Betätigung nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinde stehen (§ 107 Abs. 1 Nr. 2 GemO NRW). Nach § 107 Abs. 1 Satz 1 GemO NRW darf sich die Gemeinden nur „zur Erfüllung ihrer Aufgaben“ wirtschaftlich betätigen. Voraussetzung ist also neben der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen in § 107 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1-3 GemO NRW grundlegend die Wahrnehmung gemeindlicher Aufgaben.
39Vgl. Kaster, in: BeckOK Kommunalrecht Nordrhein-Westfalen, Dietlein/Heusch, 29. Edition, Stand 01.10.2024, § 107 GO NRW, Rn. 34.
40Warum die Verkabelungsdienstleistungen in der sogenannten letzten Netzstufe, d. h. die Verbindung zwischen dem sog. Hausübergabepunkt (dem Hausanschluss des Glasfasernetzes) und dem Wohnungs- oder Zimmeranschluss, in dem die Beklagte mit dem Wettbewerber des Klägers kooperiert, nicht mehr zu den von der Beklagten angebotenen Telekommunikationsdienstleistungen gehören soll, erschließt sich dem Gericht nicht. Auch diese Netzebene ist notwendige Voraussetzung für den Internetzugang des Dienstleistungsempfängers und wird von der Beklagten angeboten. Dass die Beklagte diese Tätigkeiten nicht durch eigene Mitarbeiter durchführt, sondern von einer privaten Firma ausführen lässt, ist für die Qualifizierung der Aufgabe als öffentlich-rechtliche Aufgabe in Sinne von § 2 Abs. 4 IFG NRW unerheblich.
41Die Wahrnehmung dieser öffentlich-rechtlichen Aufgabe ist der Beklagten von der Stadt Z., einem originär zu ihrer Erfüllung berufenen Hoheitsträger, übertragen worden.
42Der Tätigkeitsbereich der Beklagten als kommunale Energieversorgerin fällt in die grundsätzliche Zuständigkeit von Gemeinden. Die Zuständigkeit für alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft ist Ausdruck der Selbstverwaltungsgarantie in Art. 28 Abs. 2 GG. Dabei ist die wirtschaftliche Betätigung im Bereich der Daseinsvorsorge als eine der vom Selbstverwaltungsrecht geschützten gemeindlichen Hoheiten anzusehen. Zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft wird die örtliche Energieversorgung einschließlich der Energieerzeugung gerechnet. Dasselbe gilt, wenn die Kommunen im eigenen Hoheitsbereich ein Telekommunikationsnetz zur Verfügung stellen oder Dienstleistungen im Bereich der Telekommunikation erbringen.
43Vgl. Mehde, in: Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz-Kommentar, Werkstand: 104. EL April 2024, Art. 28 Rn. 237 ff.
44Die Tätigkeit der Beklagten beruht auch auf dem Entschluss der Stadt Z., der Beklagten diese Aufgaben zu übertragen. Die Gemeinde hat die Beklagte gegründet, und u.a. die Telekommunikationsdienstleistungen werden im Stadtgebiet von der Beklagten in der Rechtsform des privaten Rechts erbracht.
45Die Beklagte wird schließlich von der Stadt Z. beherrscht. Sie ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der Gemeinde. Auf der Internetseite der Stadt Z. heißt es zu den städtischen Tochtergesellschaften u.a. im Bereich Versorgung: „Die Stadt definiert die Aufgaben der Unternehmen, formuliert die damit verbundenen Ziele und stellt die notwendigen finanziellen Mittel bereit.“ Damit trägt die Stadt Z. die Gesamtverantwortung für das bestimmungsgemäße Handeln der Beklagten und ihren Fortbestand.
46Vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 17. November 2000 – 15 A 4409/18 –, juris Rn. 100 unter Verweis auf BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011 – 1 BvR 699/06 –, juris Rn. 54.
47Die Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben durch die Beklagte hat zur Folge, dass die Beklagte selbst für den Bereich der ihr übertragenen Aufgabenwahrnehmung verpflichtet ist, den Informationszugang nach § 4 Abs. 1 IFG NRW zu gewähren.
48Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. November 2000 – 15 A 4409/18 –, juris Rn. 104.
49Die vom Kläger begehrten Informationen, die dem wettbewerblichen Verfahren der Beklagte zugrunde liegen, nach welchem die K. / O. e.K. Vertragspartner der Beklagten geworden ist, sind bei der Beklagten auch vorhanden.
50Soweit die begehrten Informationen keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse enthalten, hat der Kläger damit Anspruch auf Zugang zu den Informationen, die dem genannten wettbewerblichen Verfahren der Beklagten zugrunde liegen. Andere Ausschlussgründe wurden von der Beklagten nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.
51Im Übrigen, d. h., soweit die begehrten Informationen Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse enthalten, steht dem Informationszugangsanspruch der Ausschlussgrund gemäß § 8 Satz 1 IFG NRW entgegen. Nach dieser Vorschrift ist der Antrag auf Informationszugang abzulehnen, soweit durch die Übermittlung der Informationen ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart wird und dadurch ein Schaden entstehen würde.
52Geschäftsgeheimnisse betreffen den kaufmännischen Teil eines Gewerbebetriebs, der nur einem begrenzten Personenkreis bekannt ist und mit Blick auf die berechtigten wirtschaftlichen Interessen nach dem Willen des Unternehmers geheim gehalten werden soll. Hierzu zählen Preiskalkulationen, Bezugsquellen, Ertragslage, Kreditwürdigkeit, Geschäftsverbindungen, Marktstrategien sowie Kundenlisten.
53Vgl. zu § 8 IFG NRW: OVG NRW, Urteile vom 18. August 2015 - 15 A 97/13 -, juris Rn. 99, vom 2. Juni 2015 - 15 A 1997/12 -, juris Rn. 115 und vom 17. Mai 2006 - 8 A 1642/05 -, juris Rn. 64.
54Nach Angaben der Beklagten verfügt sie in ihren Unterlagen über eine Zusammenstellung der von den zur Angebotsabgabe aufgeforderten Unternehmen, die sowohl Preiskalkulationen als auch Umsatzzahlen und weitere wirtschaftliche Kennzahlen und Informationen zu den Bieterunternehmen (Angaben zu: Versicherungen, Mitgliedschaften, Insolvenzdaten, eingesetzter Software, Bankauskünften etc.) beinhalteten.
55Bei diesen im Rahmen des Bieterwettbewerbs erteilten Auskünften der teilnehmenden Unternehmen handelt es sich um Geschäftsgeheimnisse. Es liegt in einem Wettbewerbsverfahren auf der Hand, dass die für die Vergabe des Auftrags relevanten geschäftlichen Informationen, insbesondere Preiskalkulation, Ertragslage und Kreditwürdigkeit vertraulich bleiben müssen, um eine Wettbewerbsverzerrung zu vermeiden.
56Durch die Offenbarung dieser Informationen entstünde sowohl der Beklagten selbst als auch den im Wettbewerb mit dem Kläger stehenden Unternehmen ein wirtschaftlicher Schaden.
57Ein wirtschaftlicher Schaden ist anzunehmen, wenn die in Anspruch genommene öffentliche Stelle oder der betroffene Dritte, auf den sich die begehrte amtliche Information bezieht, konkret und substantiiert deutlich machen, dass sich ihre Wettbewerbssituation durch die Offenbarung des Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses nachhaltig verschlechtern wird.
58Vgl. OVG NRW, Urteile vom 18. August 2015 - 15 A 97/13 -, juris Rn. 101, und vom 2. Juni 2015 - 15 A 1997/12 -, juris Rn. 119; Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 8 Rn. 878 f.
59Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, dass die Kenntnis von Preisen und bestehenden Versicherungen zu einem Informationsvorsprung des Klägers bei einem zukünftigen Verfahren führe, bei denen der Kläger zum wirtschaftlichen Nachteil der anderen Teilnehmer anbieten könnte, ohne dass ein fairer Wettbewerb hergestellt werden könnte. Dieser könne aus sich heraus nur dann stattfinden, wenn kein Teilnehmer Preise oder Leistungskennzeichen (z.B. Mitarbeiterzahl, Umsätze etc.) oder Preisbestandteile und -grundlagen (wie z.B. das Vorhandensein von Versicherungen) der Wettbewerber kenne. Auch bereits die Kenntnis der Wettbewerber, die am wettbewerblichen Verfahren der Beklagten teilgenommen hätten, führe zu einem Informationsvorsprung des Klägers.
60Das ist plausibel. Die Kenntnis von Preiskalkulationen, Umsatzzahlen und weiteren wirtschaftlichen Kennzahlen zu den Bieterunternehmen versetzt den Kläger in die Lage, Rückschlüsse auf die finanzielle Lage und Leistungsfähigkeit seiner Wettbewerber zu ziehen, während seine Konkurrenten ihrerseits nicht über entsprechende Informationen über den Kläger verfügen. Dies schließt einen fairen Wettbewerb bei künftigen Ausschreibungen der Beklagten aus. Würde der Beklagten der Wettbewerb um geeignete Kooperationspartner erschwert, nähme ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit im Bereich Telekommunikationsdienstleistungen Schaden. Auch den Konkurrenten des Klägers entstünde ein wirtschaftlicher Schaden, wenn sie durch dessen Informationsvorsprung bei einer künftigen Auftragsvergabe durch die Beklagte nicht mehr zum Zuge kämen und ihnen ein möglicher Auftrag entginge. Die Kenntnis der Bieterunterlagen wirkte sich mithin absehbar nachteilig auf die Wettbewerbssituation sowohl der Beklagten als auch der Konkurrenten des Klägers aus.
61Dem steht nicht entgegen, dass das Wettbewerbsverfahren in der Vergangenheit liegt und in der letzten Netzausbaustufe die Kooperation mit dem Konkurrenten des Klägers seit August 2024 beendet ist. Auch wenn aktuell keine neue Ausschreibung geplant ist, ist die Beklagte im Bereich Telekommunikationsdienstleistungen weiterhin tätig und kann es in Zukunft zu erneuten Bieterverfahren kommen. Auch dann wird der Kläger noch von der Kenntnis der Wettbewerber, die im vergangenen wettbewerblichen Verfahren der Beklagten teilgenommen haben, sowie der Kenntnis von deren wirtschaftlichen Kennzahlen zu Lasten der Beklagten und der Wettbewerber profitieren können. Die Kooperation in der vorletzten Netzausbaustufe mit dem Konkurrenten des Klägers läuft zudem nach wie vor.
62Soweit die Beklagte sich zudem auf eigene höchst sensible Geschäftsgeheimnisse berufen hat, ist nicht ersichtlich, um welche weiteren Informationen es sich hierbei handeln soll. Die informationspflichtige Stelle trägt die Darlegungslast sowie die Beweislast für das Vorliegen eines Ausschlussgrundes. Erforderlich ist die Darlegung von Tatsachen, aus denen sich im konkreten Fall die Beeinträchtigung des Schutzguts ergeben kann. Solche Tatsachen hat die Beklagte in Bezug auf eigene Geschäftsgeheimnisse nicht vorgetragen.
63Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Var. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 S. 2, 711 Zivilprozessordnung.
64Rechtsmittelbelehrung:
65Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
66Auf die seit dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
67Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
68Die Berufung ist nur zuzulassen,
691. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
702. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
713. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
724. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
735. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
74Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen.
75Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen.
76Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
77Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst 3-fach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
78Beschluss:
79Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
80Gründe:
81Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 2 GKG erfolgt.
82Rechtsmittelbelehrung:
83Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
84Auf die seit dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
85Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
86Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
87Die Beschwerdeschrift soll möglichst 3-fach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
88War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.