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Eine Flüchtlingsunterkunft muss - wie Betriebsleiterwohnungen - die für ein Gewerbegebiet typische und zulässige Immissionsbelastung hinnehmen. Sie muss sich mit den Immissionen abfinden, die generell im Gebiet der Hauptnutzung üblich und zulässig sind.
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird auf 7.500 Euro festgesetzt.
Gründe
2Der nach §§ 80 Abs. 5, 80a Abs. 1 und 3 VwGO zulässige Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 28 K 7036/24 gegen die der Beigeladenen von der Antragsgegnerin erteilten Baugenehmigung vom 00. August 2024 zur Umnutzung des Gebäudes auf dem Grundstück G01 (O.-straße 00) in I. in eine Notunterkunft für Flüchtlinge anzuordnen,
4ist unbegründet.
5Bei einem begünstigenden Verwaltungsakt mit belastender Drittwirkung kann das Gericht die durch Gesetz (§ 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 212a Abs. 1 BauGB) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs auf Antrag des Drittbetroffenen ganz oder teilweise nach Maßgabe des § 80a Abs. 3 VwGO i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO anordnen, wenn sein Interesse an der Aussetzung der Vollziehung des Verwaltungsaktes das Vollzugsinteresse des von dem Verwaltungsakt Begünstigten und / oder das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt. Maßgebliches Kriterium innerhalb dieser Interessenabwägung sind zunächst die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als zu Lasten des Antragstellers offensichtlich rechtswidrig, überwiegt grundsätzlich das private Aussetzungsinteresse die gegenläufigen öffentlichen und / oder privaten Vollzugsinteressen. Stellt der Verwaltungsakt sich als offensichtlich rechtmäßig dar, überwiegt in der Regel das Vollzugsinteresse. Lässt sich hingegen bei summarischer Überprüfung eine Offensichtlichkeitsbeurteilung nicht treffen, kommt es entscheidend auf eine Abwägung zwischen den für eine sofortige Vollziehung sprechenden Interessen einerseits und dem Interesse des Betroffenen an einer Aussetzung der Vollziehung bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren andererseits an. Die Erfolgsaussichten sind dabei auch unabhängig von einer fehlenden Offensichtlichkeit einzubeziehen. Je höher diese sind, umso größer ist das Interesse an der aufschiebenden Wirkung. Sind die Erfolgsaussichten demgegenüber gering, fällt das Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts stärker ins Gewicht. Bei offenem Ergebnis der Prüfung der Erfolgsaussichten oder wenn mit Blick etwa auf die Kürze der dem Gericht zur Verfügung stehenden Zeit eine Abschätzung der Erfolgsaussichten nicht angezeigt erscheint, kann auf der Grundlage einer Interessenabwägung entschieden werden.
6Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. Oktober 2011 - 2 B 1037/11 -, juris Rn. 20, m. w. N.
7Im Rahmen der sonach gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist nicht erkennbar, dass die Baugenehmigung vom 00. August 2024 die Antragstellerin in ihren (Nachbar)rechten verletzt, sodass abweichend von der gesetzlichen Wertung des § 212a BauGB die aufschiebende Wirkung der gegen die Baugenehmigung gerichteten Klage anzuordnen wäre.
8Die Anfechtungsklage eines Dritten gegen eine dem Nachbarn erteilte Baugenehmigung kann nur dann Erfolg haben, wenn diese Baugenehmigung Vorschriften verletzt, die dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt sind. Verstößt die Baugenehmigung indes lediglich gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften, die keine nachbarschützende Wirkung haben, muss der Drittanfechtungsklage der Erfolg versagt bleiben. Insoweit erfolgt im gerichtlichen Verfahren keine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle. Vielmehr beschränkt sich das gerichtliche Prüfprogramm darauf, ob durch die erteilte Baugenehmigung drittschützende Vorschriften verletzt sind, die dem Nachbarn einen Abwehranspruch gegen das Vorhaben vermitteln.
9Vgl. BVerwG, Urteile vom 19. September 1986 - 4 C 8.84 -, BRS 46 Nr. 173, 13. Juni 1980 - IV C 31.77 -, juris, und 23. August 1974 - IV C 29.73 -, juris, Beschlüsse vom 8. November 2010 - 4 B 43.10 -, juris, und 28. Juli 1994 - 4 B 94.94 -, juris; OVG NRW, Beschlüsse vom 29. August 2011 - 2 A 547/11 -, juris, und 12. Februar 2013 - 2 B 1336/12 -, juris.
10Die Baugenehmigung verstößt gegen keine Vorschriften des Bauplanungsrechts oder des Bauordnungsrechts, welche dem Schutz der Rechte der Antragstellerin als Nachbarin zu dienen bestimmt sind.
11Die Antragstellerin ist weder in ihrem Anspruch auf Wahrung der Gebietsart (Gebietsgewährleistungsanspruch oder Gebietserhaltungsanspruch) verletzt noch wird zu seinen Ungunsten das Rücksichtnahmegebot missachtet.
12Der Gebietserhaltungsanspruch gibt den Eigentümern von Grundstücken in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Baugebiet das Recht, sich gegen hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht zulässige Vorhaben zur Wehr zu setzen. Der Anspruch ist eine Folge davon, dass Baugebietsfestsetzungen kraft Gesetzes dem Schutz aller Eigentümer der in dem Gebiet gelegenen Grundstücke dienen. Die weitreichende nachbarschützende Wirkung beruht auf der Erwägung, dass die Grundstückseigentümer durch die Lage ihrer Anwesen in demselben Baugebiet zu einer Gemeinschaft verbunden sind, bei der jeder in derselben Weise berechtigt und verpflichtet ist. Im Hinblick auf diese wechselseitig wirkende Bestimmung von Inhalt und Schranken des Grundeigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) hat jeder Eigentümer – unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung – das Recht, sich gegen eine schleichende Umwandlung des Gebiets durch Zulassung einer gebietsfremden Nutzung zur Wehr zu setzen.
13Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 2007 - 4 B 55.07 -, juris Rn. 5, Urteile vom 23. August 1996 - 4 C 13.94 -, juris Rn. 48 ff., und vom 16. September 1993 - 4 C 28.91 -, juris Rn. 12; BayVGH, Beschluss vom 21. August 2018 - 15 ZB 17.2351 -, juris Rn. 5; OVG NRW, Urteil vom 21. Dezember 2010 - 2 A 1419/09 -, juris Rn. 83, Beschluss vom 22. Juni 2010 - 7 B 479/10 -, juris Rn. 7, Urteil vom 17. Dezember 2008 - 10 A 3001/07 -, juris Rn. 3; Vgl. VG Düsseldorf, Urteile vom 6. März 2023 - 28 K 5593/21 -, BeckRS 2023,3908 Rn. 39 - 40 und vom 7. Dezember 2023 - 28 K 8088/18 -, m. w. N.
14Das Vorhabengrundstück und das Grundstück der Antragstellerin liegen zwar in demselben durch den Bebauungsplan X. 000 „Gewerbegebiet Nord“ festgesetzten Baugebiet. In dem Gewerbegebiet ist die Flüchtlingsunterkunft jedoch der Art nach gemäß § 31 Abs. 1 BauGB i. V. m. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO i. V. m. § 246 Abs. 11 Satz 1 BauGB ausnahmsweise zulässig.
15Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind (§ 31 Abs.1 BauGB). Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO können in einem Gewerbegebiet ausnahmsweise Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke zugelassen werden. Das Vorhaben gehört zu den „Anlagen für soziale Zwecke“. Soweit in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 8 BauNVO Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können, gilt gemäß § 246 Abs. 11 Satz 1 BauGB § 31 Absatz 1 BauGB mit der Maßgabe, dass Anlagen für soziale Zwecke, die der Unterbringung und weiteren Versorgung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden dienen, dort bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 in der Regel zugelassen werden sollen.
16Der Gebietswahrungsanspruch kann in einem solchen Fall nur verletzt sein, wenn die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Zulässigkeit des Bauvorhabens seiner Art nach nicht gegeben wären. Das folgt aus dem beschränkten Inhalt dieses Anspruchs. Weil und soweit der einzelne Eigentümer gemeinsam mit anderen – benachbarten – Eigentümern in der Ausnutzung seines Grundstücks öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er grundsätzlich deren Beachtung im Verhältnis zu anderen Eigentümern verlangen. Der Eigentümer kann daher auf der Grundlage des Anspruchs auf Wahrung der Gebietsart nur eine bauliche Nutzung verhindern, die ihrer Art nach weder regelmäßig noch ausnahmsweise in dem jeweiligen Baugebiet zulässig ist.
17Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. September 2019 - 10 A 1114/17 -, juris Rn. 44.
18Zugleich wahrt die Zulassung des Vorhabens das von § 31 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 3 BauNVO vorausgesetzte Regel-Ausnahme-Verhältnis.
19Dass die in einem Baugebiet der BauNVO nur ausnahmsweise zulässigen Arten Ausnahmen bleiben müssen, legt der Verordnungsgeber durch die in §§ 2 ff. BauNVO beziehungsweise – über § 1 Abs. 3 Satz 2 BauNVO – der Bebauungsplan fest. Das Vorliegen einer Ausnahme ist daher tatbestandliche Voraussetzung der Ermessensentscheidung durch die Genehmigungsbehörde. Ein Vorhaben, dessen Zulassung das Regel-Ausnahme-Verhältnis beseitigt, darf die Behörde auch im Ermessenswege nicht zulassen. Ein Nachbar kann kraft seines Gebietserhaltungsanspruchs die Wahrung dieses Regel-Ausnahmeverhältnisses verlangen. Denn er hat einen Anspruch darauf, dass die regelhaft zulässigen Nutzungsarten ihr prägende Wirkung behalten und keine Gemengelage oder ein anderes Baugebiet entsteht.
20Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. März 2022 - 4 C 6/20 -, juris Rn. 17, m. w. N.
21Nach Auswertungen der verfügbaren Pläne und Luftbilder sowie auf Grund der Ausführungen der Antragstellerin bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Zulassung der Notunterkunft für Flüchtlinge das nach § 30 Abs. 1 BauGB Regel-Ausnahmeverhältnis des § 8 BauNVO stören könnte. Die in dem Gebiet des Bebauungsplan Nr. X. 000 „Gewerbegebiet Nord“ vorhandenen Nutzungen stellen sich – soweit im Eilverfahren aufklärbar – ganz überwiegend als in einem Gewerbegebiet nach § 8 Abs. 2 BauNVO regelhaft zulässige Nutzungsarten dar. Die Zulassung der Notunterkunft für Flüchtlinge vermag obdem das Regel-Ausnahme-Verhältnis des § 8 BauNVO in keiner Weise zu beseitigen. Zwar findet sich in der Nähe zum Grundstück der Antragstellerin auf dem Grundstück Gemarkung G02 (O.-straße 000) eine weitere Notunterkunft für Flüchtlinge. Diese liegt jedoch – worauf die Antragsgegnerin zu Recht hinweist – außerhalb des Plangebiets.
22Einen weitergehenden „Gebietsprägungserhaltungsanspruch“ hat die Antragstellerin nicht, unabhängig davon, ob man ein solchen annehmen möchte oder nicht.
23Vgl. Düsseldorf, Urteil vom 29. April 2021 - 28 K 2728/19 -, juris Rn. 71 ff.
24Zwar kann ein Vorhaben auch dann, wenn es im konkreten Baugebiet regelhaft zulässig ist, also mit der Gebietsart vereinbar ist, gleichwohl (generell) gebietsunverträglich sein, wenn es aufgrund seiner Nutzungsweise störend wirkt.
25Vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 15. Oktober 2019 - 15 ZB 19.1221 -, juris Rn. 10, m. w. N.
26Bei der anzustellenden, typisierenden Betrachtungsweise wirkt sich eine Flüchtlingsunterkunft jedoch im Gewerbegebiet nicht aufgrund ihrer Nutzungsweise störend aus. Dies ergibt sich zugleich aus den Wertungen des § 246 Abs. 11 BauGB. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll durch die Regelung zum Ausdruck gebracht werden, dass bei Zulassung der genannten Einrichtungen in der Regel kein Widerspruch zur Zweckbestimmung des jeweiligen Baugebiets besteht.
27Vgl. BT-Drs. 18/6185, Seite 54.
28Ebenso wenig ist zu erkennen, dass das Vorhaben nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO unzulässig wäre, weil es im Einzelfall nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widerspricht.
29Für die Annahme eines Widerspruchs ist erforderlich, dass sich das Vorhaben in Bezug auf die einzelnen Merkmale des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO im Vergleich zu den die Eigenart des Baugebiets (mit-)bestimmenden Faktoren als städtebaulicher Missgriff darstellt. Ein an sich seiner Art nach bauplanungsrechtlich zulässiges Vorhaben kann danach im Einzelfall unzulässig sein, wenn es in einer städtebaulichen Situation verwirklicht werden soll, in der es städtebaulich nicht mehr verträglich ist und die Umgebung es nicht (mehr) aufnehmen kann. Ein solcher Widerspruch muss sich offensichtlich aufdrängen.
30Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Dezember 2017 - 2 B 1369/17 -, juris Rn. 34, m. w. N.
31Um einen solchen Fall handelt es sich hier nicht. Es sind keine Gründe aufgezeigt oder ersichtlich, dass die Flüchtlingsunterkunft in einer solchen Weise „störend“ wirkt.
32Der Umstand, dass die Antragsgegnerin – soweit erkennbar – im Zusammenhang mit der Erteilung der Baugenehmigung keine nach § 31 Abs. 1 BauGB gebotene Ermessenentscheidung getroffen hat, von welcher durch die Regelung des § 246 Abs. 11 Satz 1 BauGB die Baugenehmigungsbehörde zumindest nicht gänzlich befreit sein dürfte, bedeutet nicht, dass die Baugenehmigung die Antragstellerin in eigenen Rechten verletzt. Ein Nachbar hat keinen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Baugenehmigungsbehörde darüber, ob das Bauvorhaben eines Dritten in dem Baugebiet, in dem auch sein Grundstück liegt, seiner Art nach ausnahmsweise zugelassen werden soll oder nicht.
33Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. September 2019 - 10 A 1114/17 -, juris Rn. 43; BVerwG, Urteil vom 29. März 2022 - 4 C 6/20 -, juris 19 ff.
34Obdem ist es zugleich ohne Belang, dass die Antragstellerin – was sie rügt – im Baugenehmigungsverfahren nicht beteiligt wurde.
35Das Vorhaben verstößt zugleich nicht gegen das in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verankerte nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme.
36Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme zugutekommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls kommt es deshalb wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist. In Bereichen, in denen Nutzungen unterschiedlicher Art mit unterschiedlicher Schutzwürdigkeit zusammentreffen, ist die Grundstücksnutzung mit einer spezifischen gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet.
37Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Juni 1990 - 4 C 6/87 -, juris und Beschluss vom 5. März 1984 - 4 B 171/83 -, juris.
38Dies führt nicht nur zu einer Verpflichtung desjenigen, der Beeinträchtigungen verursacht, sondern auch zu einer Duldungspflicht desjenigen, der sich solchen Beeinträchtigungen aussetzt.
39Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Mai 1995 - 4 C 20/94 -, juris.
40Mithin können nicht nur Vorhaben, von denen Beeinträchtigungen ausgehen, sondern auch solche, die an eine emittierende Anlage heranrücken und sich deren störenden Einwirkungen aussetzen, gegen das Rücksichtnahmegebot verstoßen.
41Vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. September 2000 - 4 B 56/00 -, juris und Urteil vom 14. Januar 1993 - 4 C 19/90 -, juris; BayVGH, Urteil vom 14. Juli 2006 - 1 BV 03.2179 -, juris Rn. 41 ff.
42Dass gegenüber einer heranrückenden Wohnbebauung vorhandene immissionsträchtige Gewerbebetriebe Rücksichtnahme verlangen und Abwehrrechte geltend machen können, ist ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.
43Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 11. Januar 1988 - 4 CB 49/87 -, juris Rn. 6, juris und vom 25. November 1985 - 4 B 202.85 -, juris.
44Eine heranrückende Wohnbebauung verletzt gegenüber einem bestehenden emittierenden Betrieb das Gebot der Rücksichtnahme, wenn ihr Hinzutreten die rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen der Betrieb arbeiten muss, gegenüber der vorher gegebenen Lage verschlechtert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Betrieb durch die hinzutretende Bebauung mit nachträglichen Auflagen rechnen muss.
45Vgl. BayVGH, Beschluss vom 21. Oktober 2022 - 1 CS 22.1917 -, juris Rn. 14, m.w.N., Beschluss vom 21. Januar 2022 - 1 CS 21.2866 -, juris Rn. 14; Beschluss vom 9. Juni 2020 - 15 CS 20.901 -, juris Rn. 27.
46Dem Betriebsinhaber kann gegen heranrückende Wohnbebauung aus dem Gebot der Rücksichtnahme darüber hinaus auch dann ein Abwehrrecht zustehen, wenn im Falle der Genehmigung des Vorhabens Beschränkungen der betriebswirtschaftlich sinnvollen und realistischen Entwicklung zu befürchten sind.
47Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Januar 1993 - 7 B 4430/92 -; BayVGH, Urteil vom 28. Juli 1988 - 2 B 87.0365 -, juris.
48Nach diesen Grundsätzen werden schutzwürdige Belange der Antragstellerin durch das Vorhaben der Beigeladenen nicht unzumutbar beeinträchtigt.
49Das Maß der gebotenen Rücksichtnahme und die Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für die Nachbarn werden grundsätzlich allgemein durch das Bundesimmissions-schutzgesetz mit Wirkung auch für das Baurecht bestimmt.
50Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 11. Oktober 2005 - 8 B 110/05 -, juris Rn. 25, und vom 3. September 1999 - 10 B 1283/99 -, NVwZ 1999, 1360 sowie Urteile vom 18. November 2002 - 7 A 2127/00 -, NVwZ 2003, 756 (757) und 18. März 2011 - 2 2580/09 -, juris Rn. 15; VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Oktober 2017 - 28 L 4963/17 -, juris Rn. 79.
51Obdem sind hier zur Bewertung der von der Antragstellerin eingewandten Emissionen ihres Betriebes die Immissionsrichtwerte für Gewerbegebiete – hier die der Nr. 6.1 Buchtstabe b) TA-Lärm – heranzuziehen.
52Die Flüchtlingsunterkunft muss – wie Betriebsleiterwohnungen – die für ein Gewerbegebiet typische und zulässige Immissionsbelastung hinnehmen. Sie muss sich mit den Immissionen abfinden, die generell im Gebiet der Hauptnutzung üblich und zulässig sind.
53Vgl. Battis / Mitschang / Reidt, Das Flüchtlingsunterbringungs-Maßnahmengesetz 2015, NVwZ 2015, 1633 (1637), m. w. N. ; Bayerischer VGH, Urteil vom 14. Februar 2018 - 9 BV 16.1694 -, juris Rn. 58.
54Auf diese Immissionsrichtwerte – tags 65 dB(A) und nachts 50 dB(A) – ist zugleich die Antragstellerin auf Grund der Lage des Betriebes im Gewerbegebiet beschränkt, so dass es durch die Zulassung der Flüchtlingsunterkunft zu keiner Einschränkung des Betriebes (in Bezug auf Lärmemissionen) kommen kann, welchen die Antragstellerin nicht ohnehin auf Grund der einzuhaltenden Richtwerte der TA-Lärm unterliegt.
55Überdies hat die Antragsgegnerin, ohne dass es darauf (in Bezug auf das Rücksichtnahmegebot im Verhältnis zu der Antragstellerin) aus den vorstehenden Gründen ankäme, im Rahmen einer zunächst in Auge gefassten Aufstellung des Bebbaungsplans X. 000 „Städtische Obdach O.-straße“ zur Ausweisung einer Gemeinbedarfsfläche zur Unterbringung von Obdachlosen im Bereich des Grundstücks G01 (O.-straße 00) in I. eine Immissionsprognose erstellen lassen. Nach dem Ergebnis der plausiblen und nachvollziehbaren Immissionsprognose des Ingenieurbüros Dr. Z. vom 00. Oktober 2023 sind selbst dann keine Konflikte aufgrund von Geräuschimmissionen durch Lärmquellen innerhalb des Plangebietes zu erwarten, wenn die Prognose an den Immissionsrichtwerten für Mischgebiete – tags 60 dB(A) und nachts 45 dB(A) – ausgerichtet wird. Die Immissionsrichtwerte für Gewerbegebiete werden nach den Ergebnissen der Berechnungen ohne weiteres eingehalten.
56Weitere Gesichtspunkte, welche zu einer Verletzung des Rücksichtnahmegebotes führen könnten, sind weder aufgezeigt noch ersichtlich. Soweit die Antragstellerin Geruchsimmissionen ins Feld führt, fehlt es an jeglicher Substantiierung, welcher jedoch gerade dann erforderlich ist wenn – wie hier bei einem Gerüstbaubetrieb – typischerweise nicht von solchen auszugehen ist. Ebenso ist auszuschließen, dass der von der Antragstellerin befürchtete Wertverlust ihres Grundstücks unzumutbare Auswirkungen des Vorhabens begründet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westflane bilden Wertminderungen als Folge der Ausnutzung der einem Dritten erteilten Genehmigung für sich genommen keinen Maßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Beeinträchtigungen im Sinne des Rücksichtnahmegebots. Der Einzelne hat keinen Anspruch darauf, generell vor jeglicher Wertminderung verschont zu bleiben. Eine Wertminderung ist lediglich dann beachtlich, wenn sie Folge einer dem Betroffenen unzumutbaren Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeiten des Grundstücks ist.
57Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. Mai 2024 - 22 D 77/23.AK -, juris Rn. 195, m. w. N.
58Das ist hier jedoch – wie vorstehend ausgeführt – gerade nicht der Fall.
59Soweit die Antragstellerin auf Gefahrenpotenziale durch vermehrten Fußverkehr im Umfeld der Betriebsstätten (und daraus resultierende Einschränkungen der Betriebe) und, Gefährdungen ihrer Mitarbeiter durch Grundstücksbetretungen einwendet, handelt es sich um Konflikte, welchen nicht mit Mitteln des Baurechts, sondern – wie in jedem gestörten Nachbarschaftsverhältnis – im Einzelfall mit den Mitteln des Polizei- und Ordnungsrechts oder des zivilen Nachbarrechts zu begegnen ist. Die Lösung sozialer Konflikte, die im Zusammenhang mit der Unterbringung von Flüchtlingen entstehen können, gehört im Übrigen nicht zu den Aufgaben des öffentlichen Baurechts.
60Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Juli 2019 - 10 A 1802/18 -, Rn. 20 ff.
61Die weiteren Einwände der Antragstellerin gegen die Flüchtlingsunterkunft, wie eine mangelnde Anbindung und Erreichbarkeit an die Innenstadt, eine unzureichende Beleuchtung des Gewerbegebiets und mangelnde Kenntnisse der Bewohner der Flüchtlingsunterkunft von den Verkehrsregeln in Deutschland, vermögen die Antragstellerin ganz offenkundig in keiner Weise in Nachbarrechten zu verletzen.
62Ebenso irrelevant sind obdem die Mutmaßungen der Antragstellerin, ob der Bauantrag – was ausweislich der Bauakten nicht der Fall ist – zunächst auf die Errichtung einer „Frauenobdach“ gerichtet war und ob die Beigeladene „nach den mit den Eigentümern geschlossenen Pacht- / Mietverträgen überhaupt dazu berechtigt ist, eine Baugenehmigung bzw. eine Nutzungsänderung im Gewerbegebiet zu beantragen“.
63Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht aus Billigkeit der Antragstellerin aufzuerlegen, da die Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich so keinem Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.
64Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG erfolgt. Sie ist an den Ziffern 7 Buchstabe b) und 14 Buchstabe a) des Streitwertkatalogs der Bausenate des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. Januar 2019 (BauR 2019, 610) orientiert.
65Rechtsmittelbelehrung:
66(1) Gegen die Entscheidung über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet.
67Auf die seit dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
68Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) eingeht.
69Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
70Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sind durch einen Prozessbevollmächtigten einzureichen. Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
71Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sollen möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
72(2) Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
73Auf die seit dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
74Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
75Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
76Die Beschwerdeschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
77War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.