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Die aufschiebende Wirkung der Klage 27 K 7349/23 gegen die Ziffer 2 der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 00. September 2023 wird angeordnet. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Der Streitwert wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.
Gründe:
2I.
3Der Antragsteller ist ein irakischer Staatsangehöriger, der am 00. G. 0000 in B. -U. (dem heutigen Bezirk L. ) im Irak geboren wurde. Er spricht die Sprachen kurdisch, deutsch, arabisch und türkisch.
4Am 00. Juli 2001 reiste der Antragsteller als Asylsuchender in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Asylantrag. Er wurde zunächst in den Bezirk des Landratsamtes D. zugewiesen. Mit Bescheid vom 00. Oktober 2001 lehnte das damalige Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Antrag des Antragstellers auf Anerkennung als Asylberechtigter ab, stellte jedoch fest, dass die Voraussetzungen des (damaligen) § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Iraks vorlagen. Zur Begründung führte es unter anderem aus, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass irakische Sicherheits- und Justizorgane bereits das Stellen eines Asylantrages mit staatlichen Repressionen belegten. In der Folge erhielt der Antragsteller am 00. November 2001 erstmals eine Aufenthaltsbefugnis.
5Im Jahr 2002 verzog der Antragsteller nach L1. . Er heiratete am 00. Juli 2003 die deutsche Staatsangehörige T. F. L2. (Ehename: B1. B2. ) und erhielt am 00. Januar 2004 eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Familienzusammenführung. Diese wurde in der Folge mehrfach verlängert.
6Am 00. K. 2004 wurde die Tochter P. der Eheleute geboren. Sie besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit.
7Mit Bescheid vom 00. April 2005 widerrief das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) die mit Bescheid vom 00. Oktober 2001 getroffene Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Es stellte zudem fest, dass weder die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen. Dieser Bescheid wurde in der Folge bestandskräftig.
8Im Jahr 2006 meldete der Antragsteller mehrere Gewerbe im Bereich des Textileinzelhandels in Niedersachsen (H. , O. , C. ) an.
9Am 00. N. 2006 wurde die eheliche Tochter G. geboren. Sie besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit.
10Im Dezember 2007 zog der Antragsteller in die Stadt W. um. Diese erteilte ihm am 00. Juni 2008 eine Niederlassungserlaubnis. Zum 00. Dezember 2008 gab der Antragsteller sein Gewerbe in H. auf.
11Am 00. B3….. 2009 wurde die eheliche Tochter B4. geboren. Sie besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit.
12Die Familie verzog am 00. Februar 2011 nach U1. .
13Am 00. N1. 2014 wurde der eheliche Sohn B5. geboren. Er besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit.
14Der Antragsteller war inzwischen mit der deutschen Staatsangehörigen L3. Q. als „Zweitfrau“ nach islamischem Ritus verheiratet, die seinerzeit in C1. T1. bei I. lebte. Der Antragsteller lebte abwechselnd mit beiden Familien zusammen. Frau Q. gebar drei weitere Kinder des Antragstellers: den am 00. N1. 2014 geborenen Sohn B6. , die am 00. B7. 2015 geborene Tochter B8. und die am 00. B3. 2016 geborene Tochter T2. . Die drei Kinder besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit. Frau Q. hat das alleinige Sorgerecht für diese Kinder inne.
15Am 00. O1. 2016 wurde der Antragsteller aufgrund eines Haftbefehls des Bundesgerichtshofs festgenommen. Im Rahmen des Zugangsgesprächs berichtete der Antragsteller in der Justizvollzugsanstalt, dass er seine Herkunftsfamilie im Irak etwa einmal jährlich besuche. Er erzählte weiterhin davon, dass er sich gegenüber seinen Kindern schuldig fühle, weil er diese vor der Inhaftierung vernachlässigt habe. Zu diesem Zeitpunkt beabsichtigten er und seine Ehefrau die Trennung.
16Am 00. K. 2017 erhob der Generalbundesanwalt Anklage (0 XJX 000/00-0, 0 XXX 00/00-0) u.a. gegen den Antragsteller zum OLG D1. . Betreffend den Antragsteller lautete der Tatvorwurf auf mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland, nämlich dem sogenannten Islamischen Staat (im Folgenden: IS), in vier Fällen, davon in zwei Fällen tateinheitlich mit Terrorismusfinanzierung sowie in einem Fall tateinheitlich mit öffentlicher Aufforderung zu Straftaten. Die Hauptverhandlung vor dem OLG D1. begann am 00. September 2017.
17Während dieser Zeit war der Antragsteller in der Justizvollzugsanstalt (im Folgenden: JVA) T3. (Niedersachsen) inhaftiert. Er erhielt dort regelmäßig Besuch sowohl von seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern als auch von Frau Q. und den gemeinsamen Kindern. Zwischen März 2020 und März 2021 kam es aufgrund der Corona-Pandemie (mit Ausnahme eines Besuches der Ehefrau im Dezember 2020) jedoch zu keinen Besuchen mehr, stattdessen erfolgten Videotelefonate.
18Der Antragsgegner begann in jener Zeit, die beabsichtigte Ausweisung des Antragstellers vorzubereiten. Nachdem der Generalbundesanwalt am 00. Januar 2019 sein Einverständnis mit der Ausweisung erteilt hatte, hörte der Antragsgegner den Antragsteller unter dem 00. Mai 2019 hierzu an. Zudem holte der Antragsgegner weitere Auskünfte, insbesondere zur familiären Situation, ein. Dazu nahm das Jugendamt des Antragsgegners einen Hausbesuch bei der Ehefrau des Antragstellers vor. Diese berichtete ausweislich des Vermerks des Jugendamtes vom 00. Mai 2019, dass ihre Kinder in U1. gut integriert seien. Sie habe momentan zweimal im Monat Kontakt zu dem Antragsteller und fahre dann mit den Kindern nach Niedersachsen. Sie habe eine gute Unterstützung durch ihre Eltern aus L1. und ihre Brüder.
19Am 00. Juli 2019 nahm der Antragsteller über seinen Prozessbevollmächtigten Stellung und führte im Wesentlichen aus, dass er vor seiner Inhaftierung zuletzt drei Bekleidungsgeschäfte betrieben und daraus ein Einkommen erzielt habe. Sozialleistungen habe er nie bezogen. Die Tatvorwürfe träfen nicht zu und seien auch noch nicht durch die Hauptverhandlung belegt. Soweit er sich in der Vergangenheit im Irak aufgehalten habe, seien diese Aufenthalte privater oder geschäftlicher Natur gewesen. Er habe im Nordirak die Vertretung des Gewerbes für die Softdrink-Marke „T4. D2. “ übernommen. Im Übrigen überwiege aufgrund seiner familiären Bindungen sein Bleibeinteresse. Im Irak verfüge er mit Ausnahme seiner alten Mutter nicht mehr über familiäre und soziale Bindungen. Zudem drohe ihm im Irak aufgrund der Vorwürfe aus der Anklageschrift die Todesstrafe.
20Laut einer Auskunft des Jobcenters des Antragsgegners sowie eines eingeholten Rentenversicherungsverlaufs zahlte der Antragsteller zunächst von 2002 bis 2006 in die Rentenversicherung ein. Danach erfolgten bis zum Jahr 2015 keine Einzahlungen mehr. Vom 00. Juni 2015 bis zum 00. August 2016 bezog der Antragsteller sodann Arbeitslosengeld II. Die Ehefrau und die ehelichen Kinder des Antragstellers bezogen nach seiner Inhaftierung weiterhin Arbeitslosengeld II.
21Mit Urteil vom 24. Februar 2021 (4 StE 1/17) verurteilte das OLG D1. den Antragsteller – der sich in der Hauptverhandlung nicht eingelassen hatte – wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und mit Terrorismusfinanzierung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten. Dazu traf das OLG D1. u.a. folgende Feststellungen:
22„Ein Zentrum der überwiegend aus jungen Menschen bestehenden IS-affinen islamistisch-jihadistischen Szene in Deutschland war im Tatzeitraum (Frühjahr 2014 bis September 2016) die Moschee des „Deutschsprachigen Islamkreis I. e.V.“ („DIK-Moschee“) in der Martin-Luther-Straße 41a in der Hildesheimer Nordstadt. In der DIK-Moschee war der Angeklagte B2. (genannt „Xxx. Xxxxx“) bis zu seiner Verhaftung als Imam und Prediger tätig. Der Angeklagte war Anhänger eines islamistisch-jihadistischen Weltbildes, teilte Ideologie und Zielsetzung der Vereinigung Islamischer Staat und billigte auch deren Vorgehen und Methoden. Er galt bei den salafistisch-jihadistischen Islamisten in Deutschland als eine führende Autorität und war mit Veranstaltungen - Predigten, Gebetsveranstaltungen, Vorträge und Seminare - mit großer Anziehungskraft innerhalb der Szene sowohl in der Hildesheimer DIK-Moschee als auch anderenorts im Bundesgebiet sowie - unter anderem mit Videoauftritten zu Themen des Islam - in sozialen Netzwerken aktiv.
23In Auftrag und Absprache mit der Führung des IS, die ihn als Vertreter mit der Befugnis zur Erstattung von Rechtsgutachten im Namen des IS und als Rekrutierer in Deutschland eingesetzt hatte, animierte der Angeklagte B2. seine Anhänger, zum IS auszureisen und sich der Organisation in deren Herrschaftsgebiet anzuschließen, zumindest aber in Deutschland für den IS - etwa durch die Begehung von Anschlägen - tätig zu werden. Ausreisewillige unterstützte er tatkräftig in vielfältiger Weise, etwa durch Vermittlung von Kontakten, durch Verhaltenshinweise sowie in finanzieller Hinsicht. Dies tat er, um seine Aktivitäten vor den Sicherheitsbehörden zu verbergen, i.d.R. im Rahmen seiner Predigten und Vorträge über Glaubensfragen des Islam nicht offen, sondern eher versteckt oder konkludent, wobei ihm zugutekam, dass es innerhalb der islamistischen Szene vielfach nicht erforderlich war, kritische Fragen wie die Hijra, also die Ausreise zum IS, unmissverständlich und eindeutig anzusprechen, sondern auch Äußerungen, mit denen etwa die Ausreise in ein islamisches Land und/oder das Leben in einem islamischen Land empfohlen wurde, von Eingeweihten aufgrund des Kontextes und des Rufes des Angeklagten B2. als Prediger des Islamischen Staates in dem vom Angeklagten gewünschten Sinne interpretiert und verstanden wurden, was dem Angeklagten auch klar und von ihm gewollt war. Am Rande seiner Veranstaltungen oder unabhängig von diesen etwa in Gesprächen im kleinen Kreis oder von Angesicht zu Angesicht vertrat der Angeklagte B2. aber auch offen und unverhohlen die Ideologie des IS und forderte zur Unterstützung des IS durch die Ausreise dorthin oder durch die Entfaltung von Aktivitäten für diesen in Deutschland bis hin zur Begehung von Anschlägen auf. Dabei machte er sich teilweise zunutze, dass er als anerkannte religiöse Autorität galt, auf deren Wort die Gläubigen aus der Szene hörten. So kam etwa bereits der Billigung von erwogenen Ausreisen zum IS oder von sonstigen Aktivitäten für diesen durch den Angeklagten in den Augen seiner Anhänger eine besondere Bedeutung bei der endgültigen Entschlussfassung zu, was dem Angeklagten B2. durchaus bewusst war und von ihm gezielt genutzt wurde.“ (S. 22-24 des Urteilsabdrucks) […]
24„Der Angeklagte B2. allerdings war vom IS als sein Vertreter in Deutschland eingesetzt, dessen Aufgabe es war, Propaganda für den IS zu betreiben und insbesondere Muslime für Ausreisen in den IS zu gewinnen und sie bei der Ausreise zu unterstützen. Er war in dieser Funktion Führungspersönlichkeiten des IS ungeachtet des Umstandes, dass er in Deutschland agierte, als einer der ihren bekannt. Er hatte direkten Kontakt zu Entscheidungsträgern des IS in dessem Herrschaftsgebiet und vermochte von Deutschland aus, Entscheidungsprozesse von IS-Führern im Herrschaftsgebiet des IS mitzubestimmen. So konnte er von Deutschland aus auf die Positionierung mit seiner Hilfe zum IS ausgereister Personen sowie auf den Umgang mit diesen im IS-Gebiet Einfluss nehmen. In Deutschland war er vom IS autorisiert, in dessem Namen zu handeln, und er durfte beispielsweise „Rechtsgutachten“ im Namen des IS erstatten.“ (S. 26 des Urteilsabdrucks) […]
25„N. M. […] begab […] sich im Juli 2014 angezogen vom Ruf des Angeklagten B2. alias Xxxu Xxxxx von seinem damaligen Wohnort M1. nach I. , wo er sich in den folgenden Monaten im Umfeld der dortigen DIK-Moschee bewegte. Spätestens hier wurde er Anhänger des IS und plante unter dem Einfluss des Angeklagten B2. , in das Herrschaftsgebiet des IS auszureisen und dort für die Vereinigung tätig zu werden. […] Der Angeklagte B2. befürwortete die Ausreise M. in das Herrschaftsgebiet des IS und dessen beabsichtigten Anschluss an den IS. Er ermunterte - seiner Funktion als vom IS eingesetzter Rekrutierer entsprechend - M. zur Umsetzung seiner Pläne und förderte diese. Der Angeklagte B2. entschloss sich, nicht nur dessen Reisepläne logistisch - durch Vermittlung von Schleuserkontakten - zu unterstützen, sondern ihm darüber hinaus mithilfe seines Einflusses innerhalb des IS eine bedeutende Position in der Organisation zu verschaffen und wurde entsprechend tätig, indem er M. beim IS ankündigte und für eine herausgehobene Tätigkeit empfahl. Zudem gab der Angeklagte B2. N. M. mindestens 2.000 Euro, um dessen Ausreise in das Herrschaftsgebiet des IS zu finanzieren. Dabei ging es dem Angeklagten B2. darum, die ihm vom IS übertragenen Aufgaben zu erfüllen und die Organisation des IS in Syrien und im Irak zu stärken. [N. M. ] schloss […] sich - wie geplant - dem IS an. Anders als ein Großteil der aus Deutschland zum Islamischen Staat ausgereisten IS-Anhänger wurde M. anschließend nicht dauerhaft als einfacher militärischer Kämpfer eingesetzt. Vielmehr kam er aufgrund der erfolgten Fürsprache und Unterstützung des Angeklagten B2. zeitnah in Kontakt zu hochrangigen IS-Anführern. Dies ebnete ihm den Weg in den Sicherheitsapparat des IS, letztlich zum „B9. “, dem dortigen Geheimdienst.“ (S. 32-33 des Urteilsabdrucks) […]
26„[Der Angeklagte B2. ] bezeichnete sich selbst gegenüber [B7. P1. und Z. T5. ] als Beauftragter des IS für Ausreisen in dessen Herrschaftsgebiet, wobei er ihnen ergänzend auf Nachfrage mitteilte, dass er selbst deshalb gegenwärtig nicht zum IS ausreise, weil er für den IS momentan in seiner Rolle als Rekrutierer von Ausreisenden in Deutschland wertvoller sei. Der Angeklagte B2. bot P1. und T5. finanzielle Unterstützung für ihre Ausreisen an, sagte beiden die Benennung von Kontaktpersonen im türkisch-syrischen Grenzgebiet und bei der Vereinigung IS zu und versicherte, für P1. und T5. gegenüber dem IS als Bürge einzutreten. Bei einem weiteren Gespräch in der DIK-Moschee in I. übergab der Angeklagte B2. an T5. zur Ausreisefinanzierung 500 Euro in bar, weil T5. - anders als P1. - nicht über hinreichende Finanzmittel für eine Reise zum IS verfügte. Dabei wusste der Angeklagte B2. aufgrund seiner Gespräche mit P1. und T5. , dass T5. plante, aus Deutschland in das Herrschaftsgebiet des IS zu reisen, um sich dort vom IS militärisch unterweisen zu lassen und sodann für den IS als aktiver militärischer Kämpfer tätig zu werden. Der Angeklagte B2. wollte T5. mit dem Geld die Ausreise zum IS und den Anschluss an den IS als Kämpfer in finanzieller Hinsicht ermöglichen. Dabei war ihm bekannt, dass der IS in den von ihm besetzten Gebieten terroristische Ausbildungslager unterhielt, in denen Rekruten ideologisch und religiös im Sinne des IS unterwiesen und einem paramilitärischen Training unterzogen wurden, welches u. a. auch den Umgang mit Schusswaffen, Sprengstoffen und Sprengvorrichtungen beinhaltete und grundsätzlich von jedem Neuankömmling zu durchlaufen war.“ (S. 36-37 des Urteilsabdrucks) […]
27„Schon nach kurzer Zeit in S. waren P1. und seine Ehefrau jedoch abgeschreckt und desillusioniert von dem Vorgehen des IS. […] P1. und seine Ehefrau entschlossen sich daher, vom IS zu fliehen und in die Türkei zurückzukehren. Ein erster Fluchtversuch scheiterte indes. P1. und seine Ehefrau wurden als vermeintliche Spione beziehungsweise Abtrünnige verhaftet und befanden sich vom 00. September 2015 bis zum 00. Dezember 2015 getrennt voneinander in S. in IS-Haft. Der Angeklagte B2. , der von der Inhaftierung P2. durch den IS aufgrund seiner engen Einbindung in die Organisation des IS zeitnah erfahren hatte, hatte Sorge, dass das Bekanntwerden einer längeren Inhaftierung oder gar Exekution des erst kürzlich zum IS ausgereisten P1. IS-Sympathisanten in Deutschland von einer Ausreise zum IS abhalten und damit für seine Tätigkeit für den IS in Deutschland nachteilig sein könnte. Er verwendete sich deshalb für P1. und spannte insbesondere N. M. in seine Bemühungen um eine Freilassung P2. ein. Ob der Angeklagte B2. daneben noch unmittelbar oder über andere IS-Angehörige als M. Einfluss auf Entscheidungsträger innerhalb der IS-Führung nahm oder ob bereits die Einflussnahme auf N. M. reichte, um die Freilassung der Familie P1. zu bewirken, konnte nicht geklärt werden. Jedenfalls wurden P1. sowie seine Ehefrau und sein Sohn letztlich aufgrund der Intervention des Angeklagten B2. freigelassen.“ (S. 45 des Urteilsabdrucks) […]
28„Alle Angeklagten blieben bis zu ihren Verhaftungen am 00. O1. 2016 in der islamistisch-jihadistischen Szene aktiv.“ (S. 47-48 des Urteilsabdrucks)
29Mit Beschluss vom 9. August 2022 (3 StR 500/21) verwarf der Bundesgerichtshof die Revision des Antragstellers gegen dieses Urteil, wobei sich die Beschlussbegründung einzig auf die strafrechtlichen Konkurrenzen der abgeurteilten Delikte bezog. Die in der Folge angetretene Strafhaft des Antragstellers endet am 00. Mai 2027.
30Die JVA T3. verfasste im August und September 2022 mehrere Berichte zum Verhalten des Antragstellers, insbesondere mit Blick auf eine mögliche Radikalisierung. Darin hieß es jeweils, dass das Verhalten des Antragstellers grundsätzlich unauffällig sei. Man habe ihm am 00. September 2022 mitgeteilt, dass der Bundesgerichtshof seine Revision verworfen habe. Damit sei es dem Antragsteller nicht gut gegangen, er habe seine Unschuld beteuert.
31Am 00. Oktober 2022 wurde der Antragsteller in die JVA X. X verlegt. Nach der Verlegung erhielt der Antragsteller weiterhin regelmäßig Besuch von seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern. Seine Zweitfamilie besuchte den Antragsteller in der JVA X. X nicht.
32Das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen (im Folgenden: MKJFGFI) übertrug am 14. Oktober 2022 die aufenthaltsrechtliche Zuständigkeit für den Antragsteller zunächst auf die Zentrale Ausländerbehörde F1. (im Folgenden: ZAB).
33Für diese fertigte der soziale Dienst der JVA X. X unter dem 00. Dezember 2022 eine Sozialprognose. Darin heißt es auszugsweise:
34„Aufgrund der recht kurzen Beobachtungszeit in der hiesigen Anstalt, kann derzeit keine abschließende Prognose hinsichtlich des zukünftigen Sozial- und Legalverhaltens getroffen werden. […] Seine Zukunftsperspektive beschreibt Herr B2. in Deutschland. […] Seine Familien bräuchten ihn, er könne nicht mehr Zeit als notwendig in Haft verbringen. Außerdem strebe er eine Verlegung in den offenen Vollzug an. Behandlungsmaßnahmen würde er nur in Anspruch nehmen wollen, wenn nicht über das Delikt gesprochen werde. Herr B2. versuche mit der Vergangenheit abzuschließen und wolle vermeiden, dass sich rumspreche, was im Urteil vermerkt ist. Herr B2. gibt an, dass er die aufgeführten Taten nicht begangen habe, sich jedoch nun damit abfinden müsse. Herr B2. verfügt in Deutschland über verlässliche Sozialkontakte in Form seiner Ehefrau und Kinder. Auch zu seiner Zweitfrau und den gemeinsamen Kindern besteht Kontakt. Nun, da Herr B2. in Nordrhein-Westfalen in Haft ist, erscheinen hier jedoch Besuchskontakte schwierig zu realisieren sein, da pro Strecke eine Anfahrt von dreieinhalb Stunden zu tätigen wäre. Hier bestehe deshalb derzeit nur postalischer Kontakt. Einen Antrag auf Telefonerlaubnis habe er bereits gestellt. Herr B2. gibt an, dass er sehr unter der Trennung von seinen Kindern leide und er bemerke, dass sich die lange Haftzeit schon erheblich auf die Beziehung zueinander ausgewirkt habe. […] Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass nicht abschließend beurteilt werden kann, ob es Herrn B2. in Zukunft gelingen wird ein straffreies Leben in Freiheit zu führen.“
35Am 00. Februar 2023 suchten Bedienstete des Polizeipräsidiums N1. den Antragsteller in der JVA auf, um ihm Asservate zu übergeben. In einem Vermerk über das Zusammentreffen hielten sie fest, dass der Antragsteller geäußert habe, dass ihn die Trennung von seiner Familie sehr schmerze und derzeit kein Kontakt zu der Zweitfamilie bestehe. Ihm würden bis zu vier Ehefrauen zustehen. Der Prozess sei ein Schauprozess mit falschen Vorwürfen gewesen. Er habe lediglich einige hetzerische Reden gehalten, sonst aber nichts gemacht. Seine damaligen Unterstützer hätten sich während der Inhaftierung allesamt von ihm abgewandt, was ihn sehr enttäuscht habe. Er habe seither keine Kontakte mehr zu diesen Personen.
36Unter dem 00. Februar 2023 gab die ZAB F1. dem Antragsteller abermals Gelegenheit, bis zum 00. März 2023 zu seiner beabsichtigten Ausweisung, der Abschiebung in den Irak, dem Erlass eines auf 20 Jahre befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbotes, der Beschränkung seines räumlichen Aufenthaltes auf den Bezirk der Ausländerbehörde des Antragsgegners, einer täglichen Meldeauflage, der Untersagung der Kontaktaufnahme zu allen Personen, welche dem IS angehören oder ihm angehört haben sowie der Nutzung von sozialen Netzwerken und Messengerdiensten Stellung zu nehmen. Zugleich gab die ZAB F1. der Ehefrau des Antragstellers und Frau Q. Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers beantragte unter dem 00. März 2023 Akteneinsicht und eine Verlängerung der Äußerungsfrist. Mit Schreiben vom 00. März 2023 teilte die ZAB F1. mit, dass in Abänderung des Schreibens vom 00. Februar 2023 nunmehr beabsichtigt sei, ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen, den Aufenthalt des Antragstellers auf die Stadt U1. zu beschränken und ihm nicht nur die Nutzung von sozialen Netzwerken und Messengerdiensten, sondern auch von EDV-gestützten Kommunikationsmitteln zu untersagen. Die Äußerungsfrist wurde bis zum 00. März 2023 verlängert. Am selben Tag gewährte die ZAB F1. dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers Akteneinsicht.
37Mit Schreiben vom 00. März 2023 äußerten sich die Ehefrau des Antragstellers sowie zwei seiner Töchter. Die Ehefrau des Antragstellers wies auf die psychische Belastung für ihre Kinder hin. Ihr gesamtes soziales Umfeld und ihr sozialer und kultureller Lebensmittelpunkt befinde sich in Deutschland. Ein Umzug würde das gesamte Lebensumfeld ihrer Kinder zerstören, die ihre Lebensplanung auf ein Leben in Deutschland ausgerichtet hätten. Die Kinder würden es ohne ihren Vater nicht aushalten können. Ihr Sohn B4. weine fast täglich. Der Antragsteller bereue es sehr, dass er vor seiner Inhaftierung nicht mehr Zeit mit der Familie verbracht habe und stattdessen viel Zeit online und in der Moschee gewesen sei. Er wünsche sich, die Zeit zurückdrehen zu können. Die Tochter P. B1. B2. des Antragstellers führte in ihrer Stellungnahme aus, dass der Antragsteller bereits so viel in ihrem Leben und dem ihrer Geschwister verpasst habe. Er sei vor seiner Inhaftierung ein guter Vater gewesen, der viel mit ihnen unternommen habe. Sie leide seit seiner Inhaftierung an Verlust- und Bindungsängsten. Seit sie die Nachricht erhalten habe, dass er im Irak in den Tod geschickt werde, sei sie psychisch am Ende. Sie habe Angst und wolle ihm nicht dorthin folgen. Sie habe dort keine Zukunft. Die Tochter B4. des Antragstellers erklärte im Wesentlichen, dass sie den Antragsteller sehr vermisse und wolle, dass er wieder bei ihnen sei.
38Der für den Antragsteller zuständige Abteilungsleiter in der JVA X. X fertigte unter dem 00. März 2023 einen Vermerk über ein Gespräch mit dem Antragsteller, in dem er als Fazit festhielt:
39„Herr B2. wirkt im Gespräch überwiegend angepasst und darum bemüht, den anwesenden Personen höflich gegenüberzutreten. […] Um seine vollzuglichen Ziele (§ 57 StGB/offener Vollzug) zu erreichen, sei er bereit, sämtliche Empfehlungen der Anstalt umzusetzen bzw. dies zu versuchen. Er selbst wolle jedoch am liebsten mit der Vergangenheit (d.h. der Phase seiner Radikalisierung) abschließen, da diese ihn belaste. Er verhalte sich mittlerweile in Teilen so, wie es früher sein strenger Glaube nicht zugelassen hätte. Er räumt auch in diesem Gespräch die Radikalisierung ein, negiert aber die Kontakte zum sog. Islamischen Staat. Ob Herr B2. weiterhin an den deliktursächlichen radikalen Ansichten festhält und die vorgegebene Distanzierung von religiösen Fragestellungen und Aktivitäten in Haft lediglich ein Zweckverhalten darstellt, kann von Seiten des Uz. auch nach diesem längeren Gespräch nicht beurteilt werden, dies war jedoch auch nicht der Zweck des Gesprächs.“
40Mit Stellungnahme vom 00. April 2023 erklärte das Jugendamt des Antragsgegners, dass es mit der Familie des Antragstellers einen weiteren von Seiten des Amtes initiierten Kontakt im Jahr 2021 gegeben habe. Anfragen der Familie an das Jugendamt habe es nicht gegeben. Unter dem 00. April 2023 teilte das Jobcenter des Antragsgegners mit, dass die Ehefrau und Kinder des Antragstellers weiterhin Leistungen nach dem SGB II bezögen.
41Am 00. Mai 2023 hob das MKJFGFI die Zuständigkeitsübertragung auf die ZAB F1. auf.
42Unter dem 00. Juni 2023 erstellte eine Bedienstete des Polizeipräsidiums N1. , bei der es sich um eine Islamwissenschaftlerin handelt, eine islamwissenschaftliche Bewertung zur polizeilichen Einschätzung des Antragstellers. Anlass für die Stellungnahme war der Antrag des Antragstellers, in den offenen Vollzug verlegt zu werden. Die Stellungnahme erfolgte auf der Basis von vier am 00. April, 00. Mai, 00. Mai und 00. Mai 2023 geführten Gesprächen zweier polizeilicher Islamwissenschaftler mit dem Antragsteller in der JVA. Darin heißt es auszugsweise wie folgt:
43„B. gibt an, dass der Kontakt zu seiner Zweitfrau derzeit schwierig sei und er nicht wisse wie die Beziehung nach seiner Haftentlassung weitergehe („Meine zweite Frau, das ist eine große Baustelle“). Seine Kinder vermisse er nach eigenen Angaben sehr stark und er würde sich einen Umzug seiner Zweitfrau nach Nordrhein-Westfalen wünschen, da er seine persönliche Zukunft nicht in Niedersachsen sehe. B. gibt an, dass er sich rückblickend nicht mehr für die Heirat einer weiteren Frau entscheiden würde. Innerhalb der hiesigen Gesellschaft seien die Frauen nicht „vorbereitet“ auf eine weitere Heirat des Ehemannes, sodass zahlreiche zwischenmenschliche Probleme wie Eifersucht entstünden.“ (S. 3) […]
44„Die Trennung von seinen Kindern, insbesondere den gemeinsamen Kindern mit der Erstfrau, schmerze ihn sehr. Wenn B. davon berichtet, weint er. Seine Kinder würden ebenfalls darunter leiden, dass er in Haft sei, was ihn selbst schwer belaste. Zu den Kindern mit seiner Zweitfrau bestehe kein intensiver Kontakt.“ (S. 4-5) […]
45„Fragen zu seiner irakischen Herkunft beantwortet B. nur zögerlich und weniger detailliert als Fragen zu anderen Inhalten. […] Seine Mutter könne das Gebet nicht korrekt verrichten, da sie es „falsch gelernt“ habe, gibt B. an. Die fehlerhafte religiöse Praktik seiner Mutter habe er bei Besuchen zu korrigieren versucht, aber auf Grund ihres fortgeschrittenen Alters sei er daran gescheitert sie dahingehend zu verändern. Zu ihr habe er momentan keinen Kontakt und wisse nicht, ob sie noch lebe […]. […] Als B. gebeten wird die Personen zu definieren, welche er als „Familie“ bezeichnet, erwähnt er eine Schwester und Cousinen, welche im Irak leben. Es kann nicht geklärt werden, ob diese Familienangehörigen tatsächlich existieren und ob B. zu ihnen einen Kontakt pflegt.“ (S. 8-11) […]
46„In den Gesprächen wurde festgestellt, dass der B. seine Taten, die zu seiner Inhaftierung geführt haben, nicht als Straftaten reflektiert hat. Er sieht sich vielmehr als Opfer eines Justizskandals und befürchtet keine zweite Chance zu erhalten. Momente der Reue, die durchaus ebenfalls vorhanden waren, bezogen sich ausschließlich auf seine Haftsituation. In diesen gibt er sich sehr niedergeschlagen und aussichtslos. Er benennt in diesen Momenten seine damalige Predigertätigkeit als Problem, jedoch nie als Straftat. Seine Rolle als Prediger Xxx Xxxxx bagatellisiert er an vielen Stellen. Er habe weder Menschen ideologisch zum IS gebracht, noch habe er eine besondere Rolle in der Predigerszene innegehabt. […] Es zeigte sich, dass er zahlreiche Aspekte seiner damaligen Position und auch in dem Gefüge eines salafistischen Netzwerkes als positiv erinnert. Insbesondere die Resonanz auf seine Person, sowie die Atmosphäre mit anderen Glaubensanhängern, beschreibt B. als positiv. Seine Radikalisierung, die er auch als solche benennt, vergleicht er an mehreren Stellen mit einer körperlichen und mentalen Sucht. […] Ein Rückfallrisiko wird an dieser Stelle aus islamwissenschaftlicher Perspektive als hoch eingeschätzt. […] Als alarmierend werden die geäußerten Drohungen eingeschätzt, die B. an einigen Stellen formuliert. So werde er ohnehin irgendwann aus der Haft entlassen und es sei besser, er werde vorher in den offenen Vollzug gelassen als dass er später mit „Hass“ aus dem geschlossenen Vollzug entlassen werden (sic!). Eine derartige Drohung ist aus sicherheitsbehördlicher Sicht nicht nur inakzeptabel, sondern offenbart zusätzlich, dass die Radikalität offenbar einen Rückzugsraum für ihn darstellt, in den er beliebig zurückkehren kann. Die Aussage verschärft somit das bereits hohe Rückfallrisiko.
47B. äußert zwar an einigen Stellen den Wunsch zur Deradikalisierung, jedoch entsteht der Eindruck, dass er dies nicht konkretisieren kann. Er scheint nicht zwischen dem radikalen und dem gemäßigten Weltbild unterscheiden zu können. Immer wieder fällt er verbal in jihadistische Sprache, ohne dass ihm das aufzufallen scheint. Neben Rechtfertigungen für Terroranschläge und terroristische Gruppierungen, zeigt sich immer wieder eine jihadistische Weltsicht in Gut und Böse bzw. gläubig und ungläubig. […] Eine Distanzierung vom religiösen Extremismus, sowie eine klare Verurteilung jihadistisch motivierter Straftaten war zu keinem Zeitpunkt klar erkennbar. Eine Bereitschaft radikale Ansichten aktiv und intrinsisch motiviert anzugehen, zeigt er nicht. […] Ohne eine aktive Deradikalisierungsunterstützung scheint ein ideologischer Ausstieg als höchst unwahrscheinlich. Und auch trotz einer derartigen Unterstützung ist nicht klar, ob ein Ausstieg aus der Ideologie möglich ist, da sein extremistisches Weltbild als sehr verankert wahrgenommen wurde. B. fehlt eine konkrete Strategie im Umgang mit radikalen Thesen und der Konfrontation mit ehemaligen Weggefährten, Anhängern und seiner Rolle als Abu Walaa. Er zeigt immer wieder, dass seine einzige Strategie ein Vergessen und Untertauchen ist. Er ist nicht vorbereitet auf mögliche Zusammentreffen mit ehemaligen Kontakten und Anhängern. Zudem besteht die Gefahr, dass er sich von positiven Rückmeldungen schnell umgarnt fühlen könnte und somit wieder rückfällig wird. […]
48In manchen Momenten wirkte B. durchaus überzeugend aus der radikalislamistischen Szene aussteigen zu wollen. In anderen hingegen zeigte sich ein klares jihadistisches Weltbild. Eine alleinige Umsetzung eines ideologischen Ausstieges wird ihm von der Unterzeichnerin nicht zugetraut, da er selbständig nicht zwischen radikalen und gemäßigten Inhalten unterscheiden konnte. Die hierfür notwendige Selbstreflektion war nicht gegeben. Anhand der zahlreichen, ausführlich dokumentierten Inhalte aus den Gesprächen wird ohne eine engmaschige Betreuung in Kombination mit einer theologisch-fundierten Deradikalisierungsarbeit von einem offenen Vollzug für den B. aus islamwissenschaftlicher Sicht klar abgeraten.“ (S. 64-67)
49Bereits mit Schreiben vom 00. Mai 2023 hatte der Antragsgegner das Bundesamt um eine „Stellungnahme nach § 72 Abs. 2 AufenthG“ ersucht und um Prüfung zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote gebeten. Das Bundesamt nahm mit am 00. Juli 2023 übermittelten Schreiben Stellung, in dem es im Wesentlichen ausführte: Der Antragsteller sei dort seit 18 Jahren nicht mehr in Erscheinung getreten. Auf die Taten, für die er in Deutschland verurteilt worden sei, stehe nach irakischem Strafrecht die Todesstrafe, die dort auch vollstreckt werde. Ein Verstoß gegen das Verbot der Doppelbestrafung läge im Falle einer erneuten Strafverfolgung durch irakische Justizbehörden wegen der in Deutschland abgeurteilten Taten nicht vor, weil die erneute Strafverfolgung von demselben Staat ausgehen müsse. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, sei eine erneute Verurteilung aber nicht zwangsläufig ein Verstoß gegen das Verbot der Doppelbestrafung. Es sei davon auszugehen, dass die Verurteilung des Antragstellers in Deutschland aufgrund der Medienberichterstattung auch den irakischen Behörden nicht verborgen geblieben sei und er dort als Gefährdung der inneren Sicherheit des Irak bewertet werde. Zwar habe er sich offenbar im Irak, den er bereits als Minderjähriger verlassen habe, nichts zuschulden kommen lassen. Eine abschließende Bewertung dessen könne nicht vorgenommen werden, weshalb im vorliegenden Fall aufgrund der Öffentlichkeitswirksamkeit und der daraus resultierenden Prominenz des Antragstellers in jedem Fall vor Erlass einer Ausweisungsverfügung oder einer Abschiebungsanordnung eine diplomatische Zusicherung von der irakischen Regierung erbeten werden sollte, die einerseits die Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe ausschließe und zudem – für den Fall einer Inhaftierung – die Einhaltung des Pakts über die bürgerlichen Rechte garantiere sowie die nach Art. 3 EMRK entwickelten Standards an die Haftbedingungen sicherstelle. Es würden dort derzeit keine Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens von Amts wegen gesehen. In der Folge bat der Antragsgegner das Auswärtige Amt mit Schreiben, das am 00. Juli 2023 auf den Dienstweg gegeben wurde, um die Einholung einer diplomatischen Zusicherung der irakischen Behörden.
50Unter dem 00. August 2023 nahm das Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen – Aussteigerprogramm Islamismus (im Folgenden: API) gegenüber der JVA X. X zur Teilnahme des Antragstellers an jenem Programm Stellung. Darin heißt es auszugsweise:
51„Das API wendet sich an stark radikalisierte und in die islamistische Szene fest eingebundene Personen. Ziel des API ist es unter anderem, ausstiegswilligen Personen eine Rückkehr in die demokratische Gesellschaft zu ermöglichen, einschlägige Straftaten zu verhindern und somit das islamistische Personenpotential zu reduzieren. Voraussetzungen einer Teilnahme am Programm sind Freiwilligkeit und ein ernsthafter Ausstiegswille. Die Ausstiegsprozesse sind langwierig, die Begleitung dauert in der Regel zwischen drei und fünf Jahren. Bei Klienten mit mehrjährigen Haftstrafen sind längere Begleitungszeiten möglich. […] Ein erstes Gespräch mit Herrn B2. erfolgte am 12. März 2023. Seitdem haben neun Gespräche stattgefunden. Zu Beginn der Gespräche machte Herr B2. aufgrund der langen Haftzeit und den fehlenden Perspektiven einen niedergeschlagenen und frustrierten Eindruck. Er empfindet seine zugeschriebene Rolle innerhalb der Szene als Rekrutierter (sic!) und Organisator für Ausreisewillige und sein hohes Strafmaß sowie den Umgang mit seiner Person als ungerecht, kann aber bis zu einem gewissen Grad die Auswirkung seiner Radikalisierung in Bezug auf seine Lebensgestaltung und innerhalb der Szene anerkennen. Er weist einen starken Familienbezug auf, spricht über die Folgen seiner Tat und die daraus resultierende Inhaftierung in Bezug auf seine Kinder und setzt sich mit der Verantwortung seiner Vaterrolle auseinander. Hierbei zeigt er sich emotional und benennt seine Familie als höchste Priorität in seiner Zukunftsgestaltung. […] Von der Szene möchte er sich distanzieren und den Kontakt zu Szeneanhängern meiden. Strategien diesbezüglich konnte Herr B2. bislang noch nicht für sich erarbeiten, fragt hierbei aber nach möglichen Unterstützungsangeboten seitens des API. Trotz der kurzen Begleitungsdauer zeigt sich Herr B2. gegenüber den Ausstiegsbegleitern gesprächsbereit und interessiert an Veränderungen zu arbeiten. […] Aufgrund der strafrechtlichen Vita ist bekannt, dass der Klient die Fähigkeit besitzt, Menschen für sich zu gewinnen und diese für seinen eigenen Vorteil zu nutzen. Dieser Umstand findet besondere Berücksichtigung in der Bewertung der Zusammenarbeit. Da bislang neun Gespräche stattgefunden haben und die ersten Gespräche in der Begleitung zum Beziehungsaufbau und zur Bedarfsevaluierung dienen, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch keine valide Aussage getroffen werden, inwieweit Herr B2. ernsthaft motiviert ist, sich kritisch mit seiner Straftat und seinem ideologischen Verständnis zu befassen. Allerdings erweckt der Klient bislang den Eindruck, sich mit den Inhalten der Gespräche tiefergehend auseinanderzusetzen, was einer möglichen Manipulation widersprechen könnte.“
52Das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (im Folgenden: LKA NRW) erstellte unter dem 00. September 2023 auf Basis der Gespräche mit dem Antragsteller im Rahmen der islamwissenschaftlichen Bewertung durch den Psychologen Herrn A. (M. Sc.) einen psychologischen Fachbericht über den Antragsteller. Darin heißt es auszugsweise:
53„Die DIK-Moschee in I. galt als ein sog. dschihadistisches Hotbed (aus dem Englischen Brutstätte) - eine Ortschaft/Gegend eines Landes, die hinsichtlich der Anzahl IS-Ausreisender besonders hervorsticht. Als ursächliche Faktoren für die Entstehung eines Hotbeds werden das Vorhandensein eines charismatischen Anführers und die von ihm ausgehenden Rekrutierungsinitiativen im Freundeskreis seiner Zuhörer gesehen […]. Gemäß FoDEx-Studie „Der ,Deutschsprachige Islamkreis I. "' (vgl. Klevesath et al., 2022) wird dem AA die Rolle eines charismatic leader zugeschrieben. […] Es ist festzuhalten, dass anhand von AAs Gesprächsverhalten zahlreiche Indizien aufgeführt werden können, die auf eine „scheinbare Kooperation" hindeuten. […]
54Ursächlich für die Delinquenz des AA war der rücksichtslos wirkende Drang nach Erfolg und Status und eine damit einhergehende - sich möglicherweise verstärkende - Ideologisierung. AA genoss den Zuspruch, den er aus seinen Kreisen erfuhr („Ich war radikal, aber auch glücklich“) und setzte seine Tätigkeiten fort, obwohl der Ermittlungsdruck der Sicherheitsbehörden zusehends stärker wurde. Eine Aufgabe seiner Funktion als Prediger im salafistisch-islamistischen Milieu kam ihm trotz seiner Verantwortung als Vater für sieben Kinder (aus zwei Ehen) nicht in den Sinn. Wichtiger für ihn waren der Zuspruch aus der Szene und die Bewahrung seines Rufes als Hardliner. […] Ein von AA beschriebener wesentlicher Bedingungsfaktor für seine Radikalisierung, das Diskriminierungserleben aufgrund behördlicher Maßnahmen, ist weiterhin gegeben. AA gibt im Interview an, dass seine Haft ein Justizskandal sei und man ihn zu Unrecht verurteilt habe. Hierdurch wird das (Feind-)Bild eines deutschen Staates, der ihm unrecht tut (hier in Vertretung durch die Justiz), weiter aufrechterhalten; aufgrund der Haftdauer von zehneinhalb Jahren und den begleitenden Sicherheitsauflagen (z.B. mehrere Jahre Isolationshaft) dürfte sich das Diskriminierungsempfinden eher noch gesteigert haben. Erschwerend kommt hinzu, dass die Delinquenz bedingenden Persönlichkeitsanteile, zu nennen sind hier bspw. die mangelnde Bereitschaft zu Verantwortungsübernahme und die internalisierte islamistische Ideologie, bisher nicht hinreichend bearbeitet wurden. […]
55AA wird sich, Stand heute, mit Haftentlassung in einer Lage vorfinden, welche aus situativen Gründen (Erstarken der Nachfolgeorganisation ISPK) wie auch aus personalen Motiven (Diskriminierungsempfinden), der Ausgangslage vor zu (sic!) seinem Einstieg in die Szene ähnelt. Daher wird im Folgenden ein Wiederholungs-Szenario (Zuwendung zur Szene) als wahrscheinliche Entwicklungshypothese beschrieben. […] AA wird sich nach Haftentlassung, mangels gemäßigter sozialer Kontakte, wieder mit Personen umgeben, die eine salafistische (und Islamismus-offene) Religionsauslegung verfolgen. Anknüpfungspunkte ergeben sich durch seine irakische Kernfamilie, die Familien der Erst- und Zweitfrau und durch sein während der Haft ruhendes Szenenetzwerk im In- und Ausland, welches er aktiv schätzungsweise fünf Jahre bedient hat; und welches ihn darüber hinaus während seiner Gerichtsverhandlung über mehrere Jahre begleitet hat. Eine vollständige Kappung der Szenekontakte ist aufgrund der langen Verweildauer in der Szene sowie seiner dortigen exponierten Stellung nicht anzunehmen. AA wird durch seine Szenekontakte Lob erfahren für das Durchlaufen der Haftzeit, welche in Szenekreisen als göttliche Prüfung stilisiert wird. Durch die Lobbekundungen erfährt AA den Zuspruch, den er braucht, um sein Bedürfnis nach Status und Anerkennung zu befriedigen. […] In der Szene kann AA sein Talent als Koranrezitator/Referent/Prediger ausspielen. Alternativen mit einem vergleichbaren Renommee bleiben aufgrund der fehlenden Berufsausbildung begrenzt. Selbst bei Aufnahme eines „einfachen Berufes" wird er auch aufgrund wirtschaftlicher Zwänge (sieben Kinder, zwei Ehefrauen, Drang nach Statussymbolen) mittelfristig umschwenken, oder wie vor der Inhaftierung, Parallelstrukturen zur Szene etablieren. AA wird in seinen Vorträgen das Diskriminierungsnarrativ von der unrechtmäßigen Haft (Justizskandal, überzogene Sicherheitsvorkehrungen) fortsetzen und dafür weiteren Zuspruch aus der Szene erfahren. […] Die Re-Etablierung in der Szene wird ein schleichender Prozess sein, der über seine Familiennetzwerke und über Szene-Einzelkontakte im In- und Ausland beginnen wird.“
56Mit Ordnungsverfügung vom 00. September 2023 wies der Antragsgegner den Antragsteller aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aus (Ziffer 1). Er drohte ihm die Abschiebung in den Irak oder in einen anderen Staat, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rücknahme verpflichtet sei, im Wege des unmittelbaren Zwanges aus der Haft heraus ohne Fristsetzung an. Für den Fall der Haftentlassung drohte er ihm die Abschiebung für den Fall an, dass er die Bundesrepublik Deutschland nicht innerhalb von sieben Tagen ab dem Zeitpunkt seiner Haftentlassung freiwillig verlassen haben sollte (Ziffer 2). Er erließ ein Einreise- und Aufenthaltsverbot, das ab dem Tag der Ausreise des Antragstellers unbefristet gilt (Ziffer 3). Er beschränkte den Aufenthalt des Antragstellers räumlich auf die Stadt U1. , mit Ausnahme der Erlaubnis, sich zur Erfüllung seiner Meldepflicht in der Stadt L4. aufzuhalten (Ziffer 4). Er verpflichtete ihn, sich täglich zwischen 10.00 und 12.00 Uhr bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle in L4. zu melden, wobei diese Verpflichtung ruhe, solange der Antragsteller sich in Haft befinde (Ziffer 5). Er untersagte ihm die Kontaktaufnahme zu allen Personen, welche dem IS angehören oder ihm angehört haben und bezeichnete einen dazu insbesondere gehörenden Personenkreis (Ziffer 6). Er untersagte dem Antragsteller, folgende Kommunikationsmittel zu nutzen: EDV-gestützte Kommunikationsmittel, Mobiltelefone aller Art, öffentliche und private Fernsprecher aller Art und Faxgeräte aller Art. Er nahm von diesem Verbot die Nutzung eines nicht-internetfähigen Mobiltelefons nach vorheriger Anzeige der Telefon-, Karten- und Gerätenummer sowie die Nutzung eines Mobiltelefons, das dem Antragsteller im Falle der elektronischen Aufenthaltsüberwachung von der für die elektronische Aufenthaltsüberwachung zuständigen Behörde zur Verfügung gestellt werde, aus (Ziffer 7). Der Antragsgegner drohte dem Antragsteller für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 4 die Anwendung unmittelbaren Zwangs an (Ziffer 8). Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 5 drohte er ihm ein Zwangsgeld i.H.v. 100 Euro an (Ziffer 9). Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 6 drohte er ihm ebenfalls ein Zwangsgeld i.H.v. 100 Euro an (Ziffer 10). Auch für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 7 drohte er ihm ein Zwangsgeld i.H.v. 100 Euro an (Ziffer 11). Der Antragsgegner ordnete die sofortige Vollziehung der Ziffern 1, 4 und 5 der Verfügung an (Ziffer 12). Zur Begründung führte der Antragsgegner u.a. aus: Im Falle des Antragstellers sei von besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteressen nach § 54 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 AufenthG auszugehen. Sein Aufenthalt stelle auch gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland dar. Der islamwissenschaftlichen Bewertung vom 00. Juni 2023 sei zu entnehmen, dass der Antragsteller seine Tat nicht als Straftat reflektiert habe und diesbezüglich keine Momente der Reue aufweise. Ein Rückfallrisiko werde als hoch eingeschätzt. Eine Distanzierung vom religiösen Extremismus sei zu keinem Zeitpunkt klar erkennbar. Der Antragsteller könne sich jedoch auch auf die besonders schwerwiegenden Bleibeinteressen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG und des § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG berufen. Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung überwiege auch unter Beachtung der Rechte des Antragstellers und seiner Familienangehörigen aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK in Anbetracht der hier besonders beachtlichen Gefahr für das Recht der Bevölkerung auf staatliche Abwehr terroristischer-extremistischer Gefahren das öffentliche Interesse an der Ausweisung des Antragstellers sein privates Interesse an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet. Soweit der Antragsteller sich auf zielstaatsbezogene Gefahren berufe, sei er, der Antragsgegner, an die Entscheidung des Bundesamtes zum Nichtbestehen von Abschiebungsverboten gemäß § 42 AsylG gebunden. Hinsichtlich der Ziffer 2 erwiesen sich die Abschiebungsandrohung und die für den Fall der Haftentlassung gewährte Ausreisefrist – auch soweit nach der neueren Rechtsprechung des EuGH unter anderem familiäre Bindungen zu berücksichtigen seien – als verhältnismäßig. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot (Ziffer 3) habe auf der Grundlage des § 11 Abs. 5b Satz 2 AufenthG unbefristet erlassen werden können. Die dafür erforderliche besondere Gefahr sei mit Blick auf das Gewicht und die Bedeutung der zu schützenden Rechtsgüter gegeben. Zudem sei der Antragsteller wegen eines in § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden. Seine vorzunehmende Ermessensentscheidung begründete der Antragsgegner im Weiteren. Die Beschränkung des Aufenthaltes des Antragstellers auf das Gebiet der Stadt U1. (Ziffer 4) sei aufgrund der von ihm ausgehenden erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit zwingend erforderlich. Aufgrund des in der islamwissenschaftlichen Bewertung prognostizierten hohen Rückfallrisikos bestehe eine Gefahr insbesondere bei Begegnungen mit ehemaligen Weggefährten. Nach Aussage des Antragstellers anlässlich dieser Bewertung kenne ihn in U1. keiner, weshalb die räumliche Beschränkung erforderlich sei. Es sei nicht verkannt worden, dass seine zweite Familie in Niedersachsen wohnhaft sei. Dabei könne ihm aber im Einzelfall eine Verlassenserlaubnis ausgestellt werden. Die Meldeauflage (Ziffer 5) sei erlassen worden, um das Risiko zu reduzieren, dass der Antragsteller seine Tätigkeit als Prediger wiederaufnehme. Bei dieser habe er sich insbesondere in der Vergangenheit sehr mobil gezeigt und etwa Seminare an verschiedenen Orten abgehalten. Weiterhin diene die Auflage auch der Kontrolle der in Ziffer 4 auferlegten räumlichen Beschränkung. Die Maßnahme werde durch den Antragsgegner als Dauerverwaltungsakt unter regelmäßiger Kontrolle gehalten und gegebenenfalls angepasst werden. Hinsichtlich der Untersagung bestimmter Kommunikationsmittel (Ziffer 7) sei das Ermessen wie tenoriert ausgeübt worden, da dem Antragsteller ansonsten ein zu großer Handlungsspielraum verbliebe, um sein sicherheitsgefährdendes Verhalten zugunsten des IS fortzuführen. Zwar stelle das Nutzungsverbot einen nicht unerheblichen Eingriff in die grundrechtlich geschützte persönliche Lebensführung des Antragstellers dar, jedoch sei er nicht vollständig vom Informationsaustausch abgeschnitten, da die Nutzung eines Mobiltelefons von der Untersagung ausgenommen sei. Die Androhung des unmittelbaren Zwangs sei zur Durchsetzung der in Ziffer 4 festgelegten räumlichen Beschränkung verhältnismäßig. Zwangsgeld könne angedroht werden, da die Anordnung von Zwangsgeldern geeignet und zweckmäßig sei, um zur Durchsetzung der jeweils festgelegten Verpflichtungen beizutragen. Dies gelte auch für die Höhe des Zwangsgeldes, bei deren Bemessung die wirtschaftliche Lage des Antragstellers – insbesondere der Umstand, dass er nicht erwerbstätig sei – gewürdigt worden sei. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung (Ziffer 12) begründete der Antragsgegner in einem gesonderten Abschnitt des Bescheides unter Hinweis auf die vom Antragsteller ausgehende Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik sowie der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Der Antragsgegner stellte den Bescheid neben dem Antragsteller auch dessen Ehefrau sowie Frau Q. zu.
57Der Antragsteller hat am 06. Oktober 2023 Klage gegen die Ordnungsverfügung vom 00. September 2023 erhoben – 27 K 7349/23 – und Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt.
58Zuvor hatte der Antragsgegner unter dem 00. Oktober 2023 im Rahmen einer Anfrage zur Beschaffung von Passersatzpapieren mitgeteilt, dass das Einverständnis der Vollstreckungsbehörde mit dem Absehen von der weiteren Vollstreckung der Freiheitsstrafe bei Abschiebung des Antragstellers noch nicht vorliegt.
59Am 00. O1. 2023 hatte der Antragsteller zwei Drittel seiner Haftstrafe verbüßt. Er hatte bereits am 00. Mai 2023 gegenüber der JVA X. X erklärt, mit einer Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung einverstanden zu sein. Die JVA X. X hat sich mit Stellungnahme vom 00. September 2023 dagegen ausgesprochen. Der Psychologische Dienst der Anstalt hat darin im Wesentlichen ausgeführt:
60„Herr B2. fühlte sich zwar immer noch zu Unrecht in Haft und ein Umgang mit dem ihm in seinen Augen geschehenen Unrecht fiel ihm schwer, gleichzeitig beschäftigte er sich jedoch wieder mit sinnvollen Alternativen im Umgang mit der Situation. […] Im Zuge des Sonderbesuchs mit der Ehefrau und der ältesten Tochter wurde deutlich, dass diese Herrn B. Unschuldsbehauptung unterstützen. Die Ehefrau gab an, Herr B2. habe damals seinen “Unterricht“ abgehalten und man habe daraus falsche Schlüsse gezogen. […]
61Beurteilung […] Auch auf Nachfrage konnten bestimmte Sachverhalte, hauptsächlich solche, die mit der Anlasstat, seiner Rolle beim IS etc. in Verbindung standen, wiederholt nicht aufgeklärt werden. Dies ist jedoch weniger auf sprachliche Defizite als vielmehr auf seinen mangelnden Willen, sich konkret zu bestimmten Themen einzulassen, zurückzuführen. In der Interaktion fiel Herr B2. mit erheblichem Misstrauen sowie wiederholten Manipulationsversuchen auf. […] In bisherigen Gesprächskontakten wurden erhebliche narzisstische Verhaltensanteile erkennbar. Herr B2. präsentierte sich nicht nur im Kontakt, sondern auch in seinen Einlassungen egozentrisch und ließ mangelnde empathische Fähigkeiten erkennen. Zudem wurden eine erhöhte Kränkbarkeit (mit hauptsächlich depressiven Reaktionsmustern) sowie eine Tendenz, eigene Verantwortung mittels Schuldverschiebungen und Abwertung anderer bei gleichzeitiger Aufwertung der eigenen Person abzuwehren, deutlich. […] Eine Verantwortungsübernahme für die Anlasstaten wurde bislang nicht erkennbar. Herr B2. leugnete vielmehr, Kontakte zum IS gehabt zu haben und stellte sich als Opfer des Staates dar, welcher ihn seinen Angaben zufolge trotz mangelnder Beweise aus politischen Gründen und zur Abschreckung der islamistischen Szene verurteilt habe […]. Kritisch zu sehen ist an dieser Stelle, dass Herr B2. vor dem Hintergrund seiner Persönlichkeitsproblematik diesbezüglich nach wie vor in Schwarz-Weiß-Kategorien denkt und den Staat, gegen den er sich im Rahmen seiner Taten gewendet hat, auch weiterhin (wenn auch in anderer Weise) als Feindbild betrachtet. Bezogen auf die eigenen Täteranteile konnte Herr B2. in ersten Ansätzen benennen, wie es zur Radikalisierung gekommen ist und was für ihn die Anziehung im Hinblick auf das (radikale) Predigen ausgemacht hat (Anerkennung, Lob, den „Kick“). Eine tiefergehende Auseinandersetzung mit der hiermit im Zusammenhang stehenden narzisstischen Persönlichkeitsproblematik oder den weitreichenden Konsequenzen für andere Menschen und/oder das Staatssystem wurde jedoch nicht ersichtlich. […] Die zur Radikalisierung und den Taten führende Persönlichkeitskonstitution liegt demnach weiterhin vor. Inwiefern Herr B2. darüber hinaus wie in der Voranstalt beschrieben von dem seinerzeit bestehenden radikalen Weltbild Abstand genommen hat, ist derzeit fraglich. Zwar zeigen sich keine Hinweise auf eine Beeinflussung von Mitgefangenen oder eine kritisch einzuschätzende religiöse Betätigung und Herr B2. hat nachweislich auch westliche Werte (Bildung in Form von Erlernen der Sprache, Vergnügungen etc.) in sein Wertesystem aufgenommen, seine fehlende Verantwortungsübernahme in Bezug auf die Anlasstaten und das nur oberflächlich anmutende Eingestehen seiner Radikalität ohne eine erkennbare Sensibilisierung für die damit im Zusammenhang stehenden Folgen und den Einfluss auf das Leben anderer ist jedoch kritisch zu sehen und lässt entsprechende Zweifel aufkommen. Eine Behandlungsnotwendigkeit in Bezug auf die narzisstischen Persönlichkeitsanteile ist angesichts deren Ausprägungsgrades und der vorhandenen Deliktrelevanz weiterhin gegeben. Herr B2. weist jedoch keine entsprechende Einsicht auf und sieht die Behandlung mit den in der JVA T3. geführten psychologischen Gesprächen als abgeschlossen an.“
62Im Ergebnis hat die JVA X. X – unter Einbeziehung der Islamwissenschaftlichen Bewertung und der Stellungnahme des API vom 00. August 2023 – folgendes Votum abgegeben: Von einer bedingten Haftentlassung des Antragstellers werde derzeit eher abgeraten. Er sei in der islamistischen Szene weiterhin Thema, was nach seiner Entlassung zu Überforderungssituationen führen könne. Eine längerfristige Vorbereitung auf die anspruchsvolle Situation des Antragstellers nach seiner Entlassung könne daher sinnvoll sein.
63Der Generalbundesanwalt ist einer Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung in seiner Stellungnahme vom 00. Oktober 2023 entgegengetreten. Danach sei die Aussetzung unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit nicht zu verantworten. Anzeichen für eine Abkehr von der tatauslösenden jihadistischen Ideologie und einen Reifungsprozess seien nicht im Ansatz ersichtlich. Mit Blick auf die vorliegenden, im Kern weitgehend übereinstimmenden Bewertungen seien im Ergebnis keinerlei Anhaltspunkte gegeben, die auf einen substantiellen Bewusstseinswandel, eine nachhaltige Deradikalisierung und eine stabile Neuorientierung des Antragstellers hindeuten könnten.
64Am 00. O1. 2023 und am 00. Dezember 2023 hat sich Frau Q. telefonisch bei dem Antragsgegner nach dem Sachstand erkundigt. In diesem Rahmen hat sie ausgeführt, seit geraumer Zeit keinen Kontakt mehr zum Antragsteller zu haben.
65Das API hat der JVA X. X unter dem 00. O1. 2023 eine ergänzende Stellungnahme übermittelt. Darin heißt es auszugsweise:
66„Bislang wurden 15 Gespräche mit dem Klienten geführt. Zu Beginn der Begleitung konnte ein starker Familienbezug festgestellt werden, der im Laufe der Begleitung als oberste Priorität für seine Zukunftsgestaltung und Perspektiventwicklung identifiziert werden konnte. Herr B2. setzt sich in den Gesprächen tiefergehend mit den Folgen seiner Radikalisierung sowie seiner Tat für die Familie und der daraus resultierenden Abwesenheit aufgrund seiner Inhaftierung auseinander […]. Nachdem Herr B2. zu Beginn der Gespräche im Hinblick auf seine Straftat eher die Opferrolle einnahm, wird ein zunehmendes Bewusstsein für das Ausmaß seiner Taten erkennbar. Weiterhin gibt er an, sich von der Szene distanzieren und Kontakte zu Szeneanhängern meiden zu wollen. Er entwickelt dazu zwischen den Gesprächsterminen verschiedene Szenarien, die bei einer späteren Entlassung auftreten könnten. […] Aufgrund seiner Tat und den Erkenntnissen vor der Inhaftierung stellt sich automatisch die Frage nach der Motivation des Klienten für die Zusammenarbeit mit dem API. Manche Klienten erhoffen sich gerade zu Beginn der Begleitung einen persönlichen Vorteil im Strafverfahren oder im Strafvollzug. Gradmesser für eine fortlaufende Betreuung ist diesbezüglich die Eigenmotivation des Klienten zur Mitarbeit und die Bereitschaft sich offen mit der eigenen Radikalisierung, deren Folgen und der kommenden Rolle in der Gesellschaft auseinanderzusetzen. Hier zeigt sich der Klient bis jetzt eher wenig taktisch geprägt und bringt von sich aus sehr emotionale und persönliche Themen ein, in denen er glaubhaft nach Orientierung sucht. Aufgrund der strafrechtlichen Vita ist bekannt, dass der Klient die Fähigkeit besitzt, Menschen für sich zu gewinnen und diese für seinen eigenen Vorteil zu nutzen. Dieser Umstand findet weiterhin besondere Berücksichtigung in der Bewertung der Zusammenarbeit. […] Die Verantwortungsübernahme seiner Tat und die Aufarbeitung seiner Ideologie bilden mittelfristig die Schwerpunkte in der Ausstiegsbegleitung. Eine weitere Begleitung durch das API ist sowohl während der Haftzeit als auch nach Entlassung vorgesehen.“
67Am 00. Dezember 2023 hat das OLG D1. den Antragsteller zur Frage seiner vorzeitigen Entlassung angehört. Ausweislich des dazu gefertigten Anhörungsvermerks hat der Antragsteller in diesem Rahmen u.a. ausgeführt:
68„Der Verurteilte erklärte, dass er jeden Tag mehr und mehr erfahre in welchem Irrtum er sich bei Begehung seiner Taten befunden habe. […] Das Schlimmste jedoch sei, dass er als Terrorist abgestempelt werde und er Angst habe, dieses Stigma nicht mehr beseitigen zu können. Jeden Tag werde ihm deutlich, was er alles getan habe und wie gefährlich er gewesen sei. Er könne nun nachvollziehen, warum die Behörden insbesondere die Polizei in Anbetracht der Gefährlichkeit seiner Vorgehensweise so wie geschehen gehandelt hätten. […] Er befinde sich nun seit gut neun Monaten im Aussteigerprogramm. Dort seien sie sehr ehrlich zu ihm und hätten ihn aufgebaut. Ihm sei jedoch bewusst, dass er außerhalb der Haft mit noch größeren Herausforderungen konfrontiert sei und daher Unterstützung von außen benötige. […] Der Verurteilte machte klar und deutlich, dass er sich von terroristischen Organisationen insbesondere vom IS und von Al-Qaida entschieden und unmissverständlich distanziere. Er bereue zutiefst, was er getan habe. Es mache ihn diesbezüglich sehr traurig, dass er manche Dinge nicht wieder gut machen könne. […]
69Auf Frage des Gerichts, was er an seinen früheren Taten konkret bereue:
70Der Verurteilte erklärte, dass es ein Fehler gewesen sei, wie er immer weiter und ohne nachzudenken in die Szene hineingeraten und dabei immer den schlimmsten und radikalsten Ansichten gefolgt sei. Er sei sehr emotional gewesen und habe nicht weiter nachgedacht, als er seiner Zuhörerschaft seine radikalen Ansichten vermittelt habe. Er habe dabei eine falsche Religion vermittelt, nur um Menschen zufriedenzustellen, die ihn dafür gefeiert und belobigt hätten. Er habe in der Vergangenheit die Folgen seines Tuns jedoch nicht bedacht und sein eigenes Verhalten nicht näher reflektiert. […]
71Der Verurteilte erklärte, dass er seine andere Familie durch die räumliche Trennung schon längere Zeit nicht gesehen habe. Er wolle sich jedoch auch um diese kümmern. Was seine berufliche Zukunft anbelangt, so wolle er langfristig wieder im Schuh- und Bekleidungsgeschäft als Selbstständiger Fuß fassen. […]
72Auf Frage des Gerichts, dass sich der Verurteilte ausweislich der Stellungnahme der JVA noch vor nicht allzu langer Zeit noch als Opfer der Justiz gesehen und das gegen ihn ergangene Urteil als Fehlurteil bezeichnet habe:
73Der Verurteilte erklärte, dass er sich wünschen würde, dass die Dinge anders gelaufen wären. Er habe sich lange als Opfer gesehen, weshalb er sich auch nicht mit der Tat auseinandergesetzt habe. Er habe seine damalige Rolle bei den Taten lange Zeit unterschätzt. Jetzt sehe er das anders. […] Er habe sich jedoch verändert, obwohl nicht jeder dies sehen wolle. Er sehe sich gegenwärtig nicht mehr als Opfer der Justiz. Vielmehr sei er jetzt aufgewacht. Er bereue, dass er nicht noch viel mehr gemacht habe. Im Rahmen der Gerichtsverhandlung sei jedoch (sic!) noch innerlich gefangen gewesen und bedaure sich nicht früher davon gelöst zu haben. Er wolle jedoch nunmehr nach vorne schauen und wünsche sich, dass die Menschen ihm abnehmen, dass er sich verändert habe.“
74Mit Schreiben vom 00. Dezember 2023 hat der Antragsteller seine Einwilligung in die vorzeitige Entlassung gegenüber dem OLG D1. zurückgenommen.
75Die Vollzugskonferenz der JVA X. X hat den Antrag des Antragstellers auf Verlegung in den offenen Vollzug am 00. Januar 2024 abgelehnt. Sie hat zur Begründung ihrer Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
76„Der Psychologische Dienst wurde im Wege der Konzeption zur Qualitätssicherung der Entscheidungen über die Verlegung in den offenen Vollzug unter Annahme eines Sonderfalles beteiligt. Die zuständige Mitarbeiterin votiert im Ergebnis wie folgt: […] Ebenfalls als positiv zu werten ist, dass Herr B2. sein früheres (Hass-)Predigen mittlerweile als problematisch zu erleben beginnt und zunehmend die Verantwortung für sein Fehlverhalten übernimmt. Zudem, dass er über haltgebende familiäre Beziehungen verfügt und mittlerweile das Konzept der Mehrfachehe in Frage stellt sowie zugunsten einer Stabilisierung seiner Ehe mit seiner ersten Frau eine Trennung von seiner zweiten Frau in Betracht zieht. Bezogen auf sein soziales Umfeld zeigt sich Herr B2. diesbezüglich mittlerweile empathischer und zur Perspektivenübernahme willens und in der Lage, sodass insgesamt eine beginnende Nachreifung seiner Persönlichkeit deutlich wird. […] Prognostisch ungünstig ist hingegen anzusehen, dass Herr B2. im Rahmen der Anlasstaten schwere staatsgefährdende Straftaten beging, wobei das bedrohte Rechtsgut erheblich war. Darüber hinaus, dass er sich die kriminogenen Situationen in Anbetracht seiner Persönlichkeitskonstitution selbst geschaffen hat und die begangenen Taten (nicht jedoch das Predigen) nach wie vor leugnet und mitunter nicht offen in seiner Selbstdarstellung ist. Darüber hinaus ist als negativ zu bewerten, dass Herr B2. nicht über eine abgeschlossene Berufsausbildung und eine Arbeitsstelle verfügt und insgesamt unklar ist, über welche Mechanismen (außer über seine Familie) er seinen Selbstwert stabilisieren kann. Trotz der bisherigen Weiterentwicklung wird eine nachhaltige Stabilität noch nicht ersichtlich. […] In der Gesamtschau und bei individueller Gewichtung der Prognosefaktoren überwiegen in Herrn Abdullahs Fall aktuell noch die prognostisch ungünstigen Faktoren. Insbesondere in Anbetracht der erst beginnenden Auseinandersetzung mit deliktrelevanten Persönlichkeitsanteilen, der noch nicht ausreichenden Stabilität und weitestgehend fehlenden selbstwertstabilisierenden Faktoren ist die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls in frühere maladaptive Verhaltensweisen noch als zu hoch zu erachten. Wenngleich nicht davon ausgegangen wird, dass Herr B2. sich im offenen Vollzug initial in der Rolle des Rekrutierers betätigen würde, so ist doch aufgrund der mangelnden selbstwerterhöhenden Alternativen und der Ambivalenz gegenüber staatlichen Instanzen eine erhöhte Beeinflussbarkeit durch Dritte zu befürchten, welche das Risiko für einen erneuten Einstieg in die Szene, insbesondere in für ihn als kränkend erlebten Situationen, erhöht. Inwiefern entsprechende Entwicklungen ausreichend im Blick behalten werden können, ist angesichts der mitunter mangelnden Offenheit Herrn Abdullahs als fraglich zu beurteilen.“
77Weiter heißt es darin:
78„Nach Einbringung der Voten und Stellungnahmen in die Konferenz sowie umfassender Erörterung der inhaltlichen Argumente kann der Antrag des Gefangenen […] nicht genehmigt werden. […] Zum Zeitpunkt der Konferenzentscheidung ist nach umfassender Würdigung aller die Missbrauchsgefahr betreffenden positiven und negativen Umstände aufgrund der genannten Punkte das Risiko unvertretbar hoch, dass Herr B2. sich im Falle der Verlegung in den offenen Vollzug insbesondere bei Kontaktaufnahmen durch Mitglieder der Szene oder bei eigener Unzufriedenheit bzw. eigenem Unterstützungsbedarf der Sogwirkung einer Szene, die dieselbe Ideologie verfolgt, von der er sich noch immer nicht ausreichend glaubhaft distanziert, nicht wird entziehen können. Sollte er dadurch mangels ausreichender und verfestigter Strategien wieder in alte Verhaltensmuster fallen, drohen erneute Unterstützungshandlungen für islamistische Zwecke im Aus- oder Inland und somit schwere Gefahren für die freiheitlich demokratische Grundordnung. Diese Risiken sind zum aktuellen Zeitpunkt auch mit Blick auf die überragende Bedeutung der geschützten Rechtsgüter, die lange verbleibende Zeit im offenen Vollzug und die Mannigfaltigkeit möglicher strafrechtlich relevanter Unterstützungshandlungen zu hoch.“
79Unter dem 00. Februar 2024 hat das Jugendamt des Antragsgegners auf gerichtliche Anfrage Stellung genommen. Darin heißt es im Wesentlichen:
80„Die Kinder und die Mutter benennen, dass sie die Möglichkeit einer Ausreise des Vaters nicht in ihrem Vorstellungshorizont haben. […] „Es gebe keinen Plan B." Frau B1. B2. ist marokkanischer Herkunft und in Deutschland aufgewachsen. Die Kinder sind hier geboren und fest integriert. Man spreche deutsch in der Familie, da die Dialekte sehr unterschiedlich seien. Die Kinder sprechen nur deutsch. Eine Umsiedlung in den Irak könne sich die Mutter für sich und ihre Kinder nicht vorstellen. Den Verlust des Vaters für ihre Kinder ebenso wenig.
81Die Kinder haben Trennungssituationen und damit verbunden Abbrüche im Zusammenhang mit ihrem Vater erleben müssen. Die mit der Trennung vor der Inhaftierung verbundene Belastung haben die Eltern durch viel Umgang des Vaters im Haushalt der Mutter und das Vermeiden von Auseinandersetzungen vor den Kindern geringhalten können. Die Inhaftierung stellte für die Familie zunächst einen Schock und dann über die letzten acht Jahre eine erhebliche Entbehrung des Vaters dar. Frau B1. B2. hat auch in dieser Situation die Bedürfnisse ihrer Kinder im Blick gehabt und sich um jede Möglichkeit für die Kinder bemüht, Kontakte zum Vater haben zu können. Die Kinder haben den Verlust des Vaters im Alltag deutlich gespürt und benannt.“
82Die minderjährigen Kinder des Antragstellers haben dem Jugendamt eigene Stellungnahmen überreicht, für deren Inhalt auf Bl. 121 ff. der Gerichtsakte im Verfahren 27 K 7349/23 verwiesen wird.
83Zur Begründung seines Eilantrages führt der Antragsteller im Wesentlichen aus, vom radikalen Islamismus Abstand genommen zu haben und an dem Aussteigerprogramm API des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen teilnehmen zu wollen. Die Ausweisung verletze ihn in seinem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG. Sie beeinträchtige ihn im immateriell-persönlichen Bereich seiner Ehe. Auf Dauer könne eine eheliche familiäre Beziehung nicht geführt werden, wenn die Eheleute in zwei verschiedenen Ländern lebten. Die Aufrechterhaltung von familiären Kontakten über Telefon und Internet sei auf Dauer nicht zumutbar, da dadurch das Niveau eines echten Familienlebens nicht erreicht werden könne. Auch mögliche Auslandsbesuche würden dies nicht beseitigen, da diese zum einen hohe Kosten verursachten und nicht regelmäßig finanzierbar seien und sich zum anderen aufgrund der erforderlichen Planung mit mehreren Kindern auf einige Male pro Jahr begrenzen würden. Den Bezug zu seinen Kindern mit Frau Q. habe er aufgrund der Inhaftierung bereits (fast) verloren. Sofern er das Bundesgebiet für immer verlassen müsste, werde die von ihm gewünschte Vater-Kind-Beziehung für immer zerstört. Daher seien die Ausweisungsverfügung und das unbefristete Einreise- und Aufenthaltsverbot offensichtlich rechtswidrig. Weiterhin verstoße die Ordnungsverfügung gegen seine schutzwürdigen Belange aus Art. 8 EMRK, namentlich sein Recht auf Achtung seines Privat- und Familienlebens. Er sei mit einer deutschen Staatsbürgerin verheiratet, mit der er vier deutsche Kinder habe, von denen drei noch minderjährig seien. Zudem verfüge er kaum über soziale Bindungen oder Kontakte im Irak. Sein Bruder sei nach seiner, des Antragstellers, Inhaftierung aus dem Irak ausgewandert. Dort lebe nur noch seine hochbetagte Mutter, die ihm bei der Integration nicht behilflich sein könne. Daher werde es ihm nicht möglich sein, dort dauerhaft ein Existenzminimum zu erwirtschaften. Zudem drohten ihm im Irak ernsthafte Gefahren wie die Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung aufgrund der Verurteilung in Deutschland. Auch die verfügte räumliche Beschränkung sei rechtswidrig, weil ihm dadurch die Möglichkeit genommen werde, seine Kinder in Niedersachsen zu besuchen und zu versuchen, den Kontakt mit ihnen wiederaufzunehmen. Die Wiederherstellung der Vater-Kind-Beziehung habe für ihn oberste Priorität. Aus diesem Grund sei auch die Meldepflicht rechtswidrig. Die Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Wohnort der Kinder in Niedersachsen dauere sechs Stunden, weshalb die Reise für ihn bis zur nächsten Meldeverpflichtung nicht möglich sei. Ebenso rechtswidrig sei die Beschränkung der ihm erlaubten Kommunikationsmittel. Es sei heutzutage sehr schwierig, ein nicht-internetfähiges Mobiltelefon zu kaufen. Zudem sei die Benutzung eines internetfähigen Mobiltelefons für ihn notwendig, um per Video einen ersten Kontakt zu seinen Kindern in Niedersachsen aufbauen zu können. Aufgrund der offensichtlichen Rechtswidrigkeit der Ordnungsverfügung seien auch die Zwangsgeldandrohungen rechtswidrig. Schließlich überwiege aus demselben Grund sein Aussetzungsinteresse das Vollzugsinteresse des Antragsgegners.
84Im Klageverfahren beantragt der Antragsteller, 1. die Ausweisungsverfügung vom 00. September 2023 aufzuheben, 2. das Einreise- und Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet aufzuheben, hilfsweise zu befristen, 3. die räumliche Aufenthaltsbeschränkung der Ziffer 4 der Verfügung vom 00. September 2023 aufzuheben, 4. die Meldepflicht der Ziffer 5 der Verfügung vom 00. September 2023 aufzuheben, 5. die Untersagungsverpflichtung der Ziffer 7 der Verfügung vom 00. September 2023 aufzuheben und 6. die Zwangsgeldandrohung der Ziffern 8, 9 und 11 aufzuheben.
85Im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beantragt der Antragsteller,
86die aufschiebende Wirkung seiner Klage 27 K 7349/23 anzuordnen bzw. wiederherzustellen.
87Der Antragsgegner beantragt,
88den Antrag abzulehnen.
89Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus: Die Aussage des Antragstellers bezüglich der Teilnahme am Aussteigerprogramm sei verfahrensangepasst, da er bisher alle Angebote zu einer Aufarbeitung seiner islamistischen Vergangenheit abgelehnt und vielmehr immer wieder angegeben habe, ein Justizopfer zu sein. Eine Distanzierung des Antragstellers vom religiösen Extremismus sei auch ausweislich der islamwissenschaftlichen Bewertung und des psychologischen Fachberichtes nicht zu erkennen. Die übrigen Argumente des Antragstellers insbesondere hinsichtlich seiner familiären Bezüge seien bereits bei Erlass der Ordnungsverfügung bekannt gewesen und darin berücksichtigt worden. Soweit der Antragsteller sich auf Gefahren berufe, die ihm aufgrund seiner Verurteilung in Deutschland im Irak drohten, bestehe nach § 42 AsylG eine Bindung an die Entscheidung des Bundesamtes. Soweit der Antragsteller bezüglich der räumlichen Beschränkung die Erschwerung des Kontaktes zu seinen Niedersachsen lebenden Kindern anführe, stehe es den Kindern frei, ihn in U1. zu besuchen. Soweit die Beschränkung der Kommunikationsmittel betroffen sei, sei die Anschaffung eines geeigneten Mobiltelefons zwar schwierig, aber nicht unmöglich. Die privaten Interessen des Antragstellers, wozu auch der Kontakt mit seinen Kindern über Video zähle, seien bereits bei Erlass der Ordnungsverfügung berücksichtigt worden.
90Der Antragsgegner hat am 00. April 2024 mitgeteilt, dass das Auswärtige Amt Anfang April 2024 eine Verbalnote an die irakische Botschaft in Berlin übermittelt habe mit dem Ziel, durch die irakische Regierung eine – in der Stellungnahme näher bezeichnete – diplomatische Zusicherung für die Rückführung des Antragstellers in den Irak zu erhalten.
91Der Antragsteller hat unter dem 00. April 2024 einen Asylfolgeantrag bei dem Bundesamt gestellt, der dort unter dem Aktenzeichen 00000000-438 bearbeitet wird. Eine Entscheidung des Bundesamtes zu der Frage, ob im Falle des Antragstellers ein weiteres Asylverfahren durchgeführt wird, ist nach telefonischer Auskunft des Bundesamtes vom 00. Mai 2024 noch nicht ergangen.
92Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners, der Strafakte einschließlich Vollstreckungsheft, der Gefangenenpersonalakte und des psychologischen Fachberichts vom 00. September 2023 Bezug genommen.
93II.
94Der am 6. Oktober 2023 sinngemäß gestellte Antrag,
95die aufschiebende Wirkung der Klage 27 K 7349/23 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 00. September 2023 bezüglich der Ziffern 2, 3, 7, 8, 9 und 11 anzuordnen und bezüglich der Ziffern 1, 4 und 5 wiederherzustellen,
96hat nur im tenorierten Umfang Erfolg. Er ist, soweit er die Ziffern 1, 4, 5, 7, 8, 9 und 11 der Ordnungsverfügung betrifft, zulässig, aber unbegründet (A.). Bezüglich der Bestimmung eines unbefristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots in Ziffer 3 der Ordnungsverfügung ist der Eilantrag bereits unzulässig (B.). Soweit der Antrag die Ziffer 2 der Ordnungsverfügung betrifft, ist er zulässig und begründet (C.).
97A. Der Antrag ist in Bezug auf die Ziffern 1, 4, 5, 7, 8, 9 und 11 zulässig (I.), aber unbegründet (II.).
98I. Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen einen Verwaltungsakt wiederherstellen, dessen sofortige Vollziehung die Behörde gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO kann das Gericht zudem die aufschiebende Wirkung anordnen, wenn der Verwaltungsakt bereits kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist hinsichtlich der Klage gegen die Ausweisung (Ziffer 1 der Ordnungsverfügung), die räumliche Aufenthaltsbeschränkung (Ziffer 4 der Ordnungsverfügung) und Meldeauflage (Ziffer 5 der Ordnungsverfügung) statthaft, da der Antragsgegner diesbezüglich in Ziffer 12 der Ordnungsverfügung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet hat. Betreffend die Ziffern 7, 8, 9 und 11 der Ordnungsverfügung ist hingegen der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage statthaft, weil der Klage gegen das Verbot der Nutzung bestimmter Kommunikationsmittel gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 56 Abs. 5 Satz 2 AufenthG und gegen die Zwangsmittelandrohungen gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO i. V. m. § 112 JustG NRW kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zukommt. Sofern § 56 Abs. 5 Satz 2 AufenthG in der zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Fassung, zuletzt geändert durch das Gesetz zur Verbesserung der Rückführung (Rückführungsverbesserungsgesetz) vom 21. Februar 2024 (BGBl. Teil I 2024, Nr. 54), welches am 27. Februar 2024 in Kraft getreten ist, nunmehr vorsieht, dass auch Anordnungen einer räumlichen Aufenthaltsbeschränkung und einer Meldeauflage nach § 56 Abs. 1 bzw. Abs. 2 AufenthG sofort vollziehbar sind und dies so zu verstehen sein sollte, dass insoweit auch bereits existierende Anordnungen nunmehr bereits kraft Gesetzes sofort vollziehbar würden, wäre auch insoweit der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung statthaft.
99II. Der gegen die Ziffern 1, 4, 5, 7, 8, 9 und 11 der Ordnungsverfügung vom 00. September 2023 gerichtete Eilantrag erweist sich als unbegründet.
100Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht auf Antrag im Rahmen einer eigenen Ermessensentscheidung die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen bzw. wiederherstellen, wenn das Interesse des Antragstellers an der beantragten Aussetzung der Vollziehung das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzbarkeit des Verwaltungsaktes überwiegt. Die dabei vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse und dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers hat sich maßgeblich – wenn auch nicht ausschließlich – an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren, wie diese sich bei der im Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung im vorliegenden Verfahren abschätzen lassen.
101Ausgehend von diesen Grundsätzen besteht kein Anlass, der Klage aufschiebende Wirkung zukommen zu lassen. Zunächst enthält die Anordnung der sofortigen Vollziehung – betreffend die Ziffern 1, 4 und 5 der Ordnungsverfügung,
102soweit dies für letztere noch erforderlich sein sollte, nachdem diese Maßnahmen bei Erlass der Ordnungsverfügung am 6. September 2023 auf der Grundlage von § 56 Abs. 5 AufenthG a.F. nicht kraft Gesetzes sofort vollziehbar waren, nunmehr aber von der sofortigen Vollziehbarkeit in § 56 Abs. 5 AufenthG n.F. erfasst werden,
103– eine den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügende Begründung. Insoweit bedarf es regelmäßig der Darlegung besonderer Gründe, die über die Gesichtspunkte hinausgehen, die den Verwaltungsakt selbst rechtfertigen. Geringere Begründungsanforderungen gelten jedoch ausnahmsweise in Fällen besonderer Dringlichkeit, etwa wenn aus Sicht der Behörde nur die Anordnung der sofortigen Vollziehung erheblichen Gefahren vorbeugen kann. Dann ist es ausreichend, wenn diese besonderen Gründe benannt werden und deutlich gemacht wird, dass sie ein solches Gewicht haben, das ein besonderes öffentliches Interesse gerade an der sofortigen Vollziehung zu belegen fähig ist.
104Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. O1. 2013 - 5 B 592/13 -, juris, Rn. 6 m.w.N.
105Diesen Anforderungen ist der Antragsgegner in der in einem gesonderten Abschnitt der Ordnungsverfügung erfolgten Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung gerecht geworden. Er hat unter Verweis auf Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ein besonderes öffentliches Interesse dargelegt, das ihn veranlasst hat, ein Überwiegen des öffentlichen Vollzugsinteresses anzunehmen. Dazu hat er einzelfallbezogen unter Auswertung der vorliegenden Erkenntnisse, insbesondere der islamwissenschaftlichen Bewertung vom 00. Juni 2023, ausgeführt, dass aus seiner Sicht ein hohes Risiko dafür besteht, dass der Antragsteller ohne die sofortige Vollziehbarkeit der Ausweisungsverfügung abermals Straftaten begeht. Auch bezüglich der Aufenthaltsbeschränkung und der Meldepflicht hat der Antragsgegner dargelegt, warum aus seiner Sicht die Anordnung der sofortigen Vollziehung geboten ist. Auf die Frage, ob die Annahmen des Antragsgegners die Anordnung des Sofortvollzugs auch inhaltlich tragen, kommt es im Rahmen des § 80 Abs. 3 VwGO dagegen nicht an.
106Im Rahmen der danach anzustellenden Abwägungsentscheidung des Gerichts nach § 80 Abs. 5 VwGO erweisen sich die Regelungen in Ziffern 1, 4, 5, 7, 8, 9 und 11 bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung der Sach‑ und Rechtslage als rechtmäßig (1.) und auch im Übrigen muss das private Interesse des Antragstellers, vorläufig von der Vollziehung verschont zu bleiben, aufgrund des Bestehens eines besonderen öffentlichen Vollzugsinteresses hinter dem öffentlichen Interesse an der effektiven Gefahrenabwehr zurückstehen (2.).
1071. Formelle Mängel der Ordnungsverfügung sind nicht erkennbar, insbesondere hat der Antragsgegner dem Antragsteller vor Erlass der Verfügung mit Schreiben vom 00. Mai 2019, 00. Februar 2023 und 00. März 2023 gemäß § 28 VwVfG NRW Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
108Auch in materieller Hinsicht fällt die Interessenabwägung des Gerichts zu Lasten des Antragstellers aus. Es spricht Überwiegendes dafür, dass die Ausweisung in Ziffer 1 der Ordnungsverfügung vom 00. September 2023 (a.), die in Ziffer 4 auferlegte räumliche Aufenthaltsbeschränkung (b.), die in Ziffer 5 verfügte Meldeauflage (c.), das in Ziffer 7 verfügte Verbot der Nutzung bestimmter Kommunikationsmittel (d.) sowie die Zwangsmittelandrohungen der Ziffern 8, 9 und 11 (e.) rechtmäßig sind.
109a) Die Voraussetzungen für die Ausweisung des Antragstellers sind zu dem für deren Überprüfung maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung gegeben.
110Vgl. zum maßgeblichen Zeitpunkt BVerwG, Urteile vom 15. O1. 2007 - 1 C 45/06 -, juris, Rn. 14 ff., und vom 13. Januar 2009 - 1 C 2/08 -, juris, Rn. 12.
111Rechtsgrundlage für die Ausweisung ist § 53 Abs. 1, Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3a AufenthG.
112§ 53 Abs. 1 AufenthG ist der Grundtatbestand des Ausweisungsrechts. Danach wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Hierbei sind insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen (§ 53 Abs. 2 AufenthG). Für die Abwägung hat der Gesetzgeber vorgegeben, unter welchen Voraussetzungen das öffentliche Ausweisungsinteresse (§ 54 AufenthG) und unter welchen Voraussetzungen das Bleibeinteresse des Ausländers (§ 55 AufenthG) als schwer bzw. als besonders schwer zu gewichten ist.
113Für bestimmte Personengruppen, wie für Ausländer, die einen Asylantrag gestellt haben, sieht § 53 Abs. 3, 3a und 4 AufenthG einen besonderen Ausweisungsschutz vor. Der Ausweisungstatbestand wird durch § 53 Abs. 4 AufenthG dahingehend eingeschränkt, dass diese Personengruppe nur unter der Bedingung ausgewiesen werden kann, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn 1. ein Sachverhalt vorliegt, der nach § 53 Abs. 3a AufenthG eine Ausweisung rechtfertigt oder 2. eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist. § 53 Abs. 3a AufenthG sieht vor, dass anerkannte Asylbewerber, Inhaber der Flüchtlingseigenschaft oder subsidiär Schutzberechtigte nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.
114Dieser Maßstab findet auf den Antragsteller, der unter dem 00. April 2024 einen (weiteren) Asylantrag bei dem Bundesamt gestellt hat (Az. 00000000-438), Anwendung. Insbesondere handelt es sich bei einem – hier angesichts des bestandskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens des Antragstellers allein in Betracht kommenden – Asylfolgeantrag um einen Asylantrag im Sinne des § 53 Abs. 4 AufenthG, und zwar ungeachtet der Frage, ob das Bundesamt schon eine Entscheidung zu der Frage getroffen hat, ob ein neues Asylverfahren durchgeführt wird.
115Vgl. dazu ausführlich VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15. April 2021 - 12 S 2505/20 -, juris, Rn. 81 ff.; ebenso VG München, Urteil vom 17.November 2022 - M 27 K 22.2308 -, juris, Rn. 38; VG Dresden, Urteil vom 20. Juni 2022 - 3 K 570/21 -, juris, Rn. 19; VG Würzburg, Urteil vom 26. Juli 2021 - W 7 K 20.612 -, juris, Rn. 48; Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 3. Auflage 2023, § 53 AufenthG, Rn. 44; Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Auflage 2022, § 53 AufenthG, Rn. 102; Neidhardt, in: HTK-AuslR / § 53 AufenthG Abs. 4, Rn. 4 f. (Stand: 3. Februar 2022); a.A: Fleuß, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, § 53 AufenthG, Rn. 135 (Stand: 1. Januar 2024) (nur, wenn nach Maßgabe des § 71 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 71a Abs. 1 AsylG ein weiteres Verfahren durchzuführen ist); offen gelassen: BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2021 - 1 C 60/20 -, juris, Rn. 37.
116Die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1, Abs. 4, 3a AufenthG liegen für die Ausweisung des Antragstellers vor. In seinem Falle sind Ausweisungsinteressen nach § 54 AufenthG erfüllt (aa.). Sein persönliches Verhalten stellt gegenwärtig eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 53 Abs. 1 AufenthG dar (bb.). Zudem liegen zwingende Gründe der nationalen Sicherheit vor, welche die Ausweisung des Antragstellers nach § 53 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3a AufenthG rechtfertigen (cc.). Unter Berücksichtigung der Bleibeinteressen des Antragstellers (dd.) überwiegen im Rahmen einer Abwägung die Ausweisungsinteressen mit der Folge, dass sich die Ausweisung für die Wahrung dieser Interessen als unerlässlich erweist (ee.).
117aa) Der Antragsteller verwirklicht die besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteressen des § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG (1) und des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (2). Ob er daneben noch – wie vom Antragsgegner angenommen – das besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse des § 54 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG erfüllt, kann dahingestellt bleiben.
118(1) Im Fall des Antragstellers besteht ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Nach dieser Vorschrift wiegt das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG besonders schwer, wenn der Ausländer wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist. Die Voraussetzungen der ersten Alternative liegen im Hinblick auf die Verurteilung des Antragstellers zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten vor.
119(2) Weiterhin liegt das Ausweisungsinteresse des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor. Nach dieser Vorschrift wiegt das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG besonders schwer, wenn der Ausländer die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Abs. 1 StGB bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Abs. 2 StGB vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand.
120Der Antragsteller erfüllt diese Voraussetzungen. Tatsachen rechtfertigen die Schlussfolgerung, dass er eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt – nämlich den sogenannten IS – (a), unterstützt (b) und ihr angehört hat (c). Ein erkennbares und glaubhaftes Abstandnehmen von diesem Handeln liegt nicht vor (d).
121(a) Bei dem IS handelt es sich auch aktuell,
122vgl. zum maßgeblichen Zeitpunkt Bayerischer VGH, Urteil vom 27. Oktober 2017 - 10 B 16.1252 -, juris, Rn. 38,
123um eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt, im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG.
124Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus, wenn sie sich selbst terroristisch betätigt oder wenn sie die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet. Die Schwelle der Strafbarkeit muss dabei nicht überschritten sein, da die Vorschrift der präventiven Gefahrenabwehr dient und auch die Vorfeldunterstützung durch sogenannte Sympathiewerbung erfasst. Der Tatbestand des Unterstützens des Terrorismus durch eine Vereinigung setzt allerdings voraus, dass die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung (auch) auf die Unterstützung des Terrorismus gerichtet sind; ein bloßes Ausnutzen der Strukturen einer Vereinigung durch Dritte in Einzelfällen reicht hierfür nicht aus.
125BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2017 - 1 C 3/16 -, juris, Rn. 29 m.w.N.
126Wesentliche Kriterien können dabei aus der Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl. 2003 II S. 1923), aus der Definition terroristischer Straftaten auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaft im Beschluss des Rates Nr. 2002/475/JI vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung (ABl. L 164 S. 3) sowie dem gemeinsamen Standpunkt des Rates 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Dezember 2001 (ABl. L 344 S. 93) gewonnen werden. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die Aufnahme einer Organisation in die vom Rat der Europäischen Union angenommene Liste terroristischer Organisationen im Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt 2001/931/GASP des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABI. L 344 S. 93 - vgl. auch ABl. L 116 vom 3. Mai 2002, S. 75) ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass die Organisation terroristischer Art ist oder im Verdacht steht, eine solche zu sein. Hier sind von den Tatsachengerichten allerdings ergänzende Feststellungen zu treffen. Dabei ist trotz einer gewissen definitorischen Unschärfe des Terrorismusbegriffs anerkannt, dass als terroristisch jedenfalls der Einsatz gemeingefährlicher Waffen und Angriffe auf das Leben Unbeteiligter zur Durchsetzung politischer Ziele anzusehen sind.
127Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2017 - 1 C 3/16 -, juris, Rn. 30 m.w.N.
128Bei dem IS handelt es sich nach diesen Maßgaben nach einhelliger Auffassung in der Rechtsprechung, der sich die Kammer anschließt,
129vgl. zu Abschiebungsanordnungen BVerwG in st. Rspr, siehe nur Beschlüsse vom 17. Mai 2023 - 1 VR 1/23 -, juris, Rn. 43, 46, vom 30. August 2017 - 1 VR 5/17 -, juris, Rn. 23, vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3/17 -, juris, Rn. 59 und vom 21. März 2017 - 1 VR 2/17 -, juris, Rn. 25; bezogen auf § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG etwa Thüringer OVG, Beschluss vom 18. Mai 2022 - 4 EO 161/22 -, juris, Rn. 79; OVG Bremen, Beschluss vom 9. Dezember 2020 - 2 B 240/20 -, juris, Rn. 41; VG Würzburg, Urteil vom 26. Juli 2021 - W 7 K 20.612 -, juris, Rn. 64; VG Hamburg, Urteil vom 20. Dezember 2017 - 2 K 2745/16 -, juris, Rn. 28; siehe auch Bayerischer VGH, Urteil vom 27. Oktober 2017 - 10 B 16.1252 -, juris, Rn. 39,
130um eine terroristische Vereinigung im Sinne des Ausländerrechts. Der IS konnte sich in Syrien und im Irak im Untergrund konsolidieren, nachdem die Stellung der Vereinigung als quasistaatlicher Akteur in Teilen Syriens und des Nordirak im Laufe des Jahres 2019 endgültig militärisch beendet worden ist. Regionalorganisationen des IS sind in vielen Teilen der Welt vertreten. Die terroristische Gefahr durch vom IS inspirierte Einzeltäter und Kleinstgruppen ist sowohl in islamischen Ländern als auch im Westen virulent, was zahlreiche im Namen des IS begangene Attentate belegen. Die IS-Propaganda findet aktuell über eine Reihe von Onlineplattformen Verbreitung, die sowohl als offizielle als auch als inoffizielle Sprachrohre dienen. Die Onlinedienste Instagram, Telegram und TikTok haben sich zur Verbreitung jihadistischer Propaganda etabliert bzw. an Bedeutung gewonnen. Insbesondere der IS-Ableger ISKP ist derzeit bestrebt, durch Anschlagsvorhaben im Westen und durch intensive Onlinepropagandaaktivitäten IS-Anhänger u.a. in Europa zu (re-)aktivieren, neue Jihad-Sympathisanten für den IS zu gewinnen und das „IS-Kalifat“ als Idee und Bestrebung neu zu beleben.
131Vgl. Bundesministerium des Innern und für Heimat, Verfassungsschutzbericht 2022 (Veröffentlichung: 20. Juni 2023), S. 211; Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration, Verfassungsschutzbericht 2023 (Stand: April 2024), S. 106 f.
132(b) Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Antragsteller den IS unterstützt hat.
133Die individuelle Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erfasst alle Verhaltensweisen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeit der Vereinigung auswirken. Darunter kann die Mitgliedschaft in der terroristischen oder in der unterstützenden Vereinigung ebenso zu verstehen sein wie eine Tätigkeit für eine solche Vereinigung ohne gleichzeitige Mitgliedschaft. Auf einen nachweisbaren oder messbaren Nutzen für diese Ziele kommt es nicht an, ebenso wenig auf die subjektive Vorwerfbarkeit der Unterstützungshandlungen. Im Hinblick auf den Schutz der Meinungsfreiheit und das Gebot der Verhältnismäßigkeit staatlicher Eingriffe in die grundrechtlich geschützte Betätigungsfreiheit des Einzelnen erfüllen allerdings solche Handlungen den Tatbestand der individuellen Unterstützung nicht, die erkennbar nur auf einzelne, mit terroristischen Zielen und Mitteln nicht im Zusammenhang stehende - etwa humanitäre oder politische - Ziele der Vereinigung gerichtet sind. Für den Ausländer muss schließlich die eine Unterstützung der Vereinigung, ihrer Bestrebungen oder ihrer Tätigkeit bezweckende Zielrichtung seines Handelns erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auf eine darüber hinaus gehende innere Einstellung des Ausländers kommt es hingegen nicht an.
134Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2017 - 1 C 3/16 -, juris, Rn. 31 ff.
135Dabei ist der Unterstützungsbegriff im Ausweisungsrecht nicht deckungsgleich mit dem strafrechtlichen Begriff des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung in § 129a Abs. 5 StGB.
136Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. April 2018 - 1 B 11/18 -, juris, Rn. 4.
137Im Bereich des Ausweisungsrechts gilt für die Fälle des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung ein abgesenkter Gefahrenmaßstab, der auch die Vorfeldunterstützung des Terrorismus erfasst und keine von der Person unmittelbar ausgehende konkrete und gegenwärtige Gefahr erfordert. Der Unterstützerbegriff ist weit auszulegen und anzuwenden, um damit auch der völkerrechtlich begründeten Zwecksetzung des Gesetzes gerecht zu werden, dem Terrorismus schon im Vorfeld die logistische Basis zu entziehen. Maßgeblich ist, inwieweit das festgestellte Verhalten des Einzelnen zu den latenten Gefahren der Vorfeldunterstützung des Terrorismus nicht nur ganz unwesentlich oder geringfügig beiträgt und deshalb selbst potenziell als gefährlich erscheint.
138Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2017 - 1 C 3/16 -, juris, Rn. 34 f.; Bayerischer VGH, Urteil vom 27. Oktober 2017 - 10 B 16.1252 -, juris, Rn. 38.
139Gemessen daran hat der Antragsteller auf Grundlage der überzeugenden Feststellungen des Oberlandesgerichtes D1. im Urteil vom 4. Februar 2021, welche sich die Kammer zu eigen macht, den IS in mehrfacher Hinsicht unterstützt. Er animierte seine Anhänger zwischen 2014 und 2016, entweder zum IS auszureisen und im damaligen Herrschaftsgebiet der Organisation tätig zu werden oder im Namen des IS in Deutschland aktiv zu werden, bis hin zur Begehung von Anschlägen. Ausreisewillige unterstützte er in vielfältiger Weise, etwa durch die Vermittlung von Kontakten, von Verhaltenshinweisen und in finanzieller Hinsicht. Agierte der Antragsteller im Rahmen seiner Predigten und Vorträge eher versteckt, vertrat er in kleinerem Kreis offen die Ideologie des IS. Konkret unterstützte der Antragsteller den Ausreisewilligen N. M. bei dessen beabsichtigtem Anschluss an den IS, indem er ihm etwa Schleuserkontakte vermittelte und ihm darüber hinaus mindestens 2.000,- Euro gab, um dessen Ausreise zu finanzieren. Nachdem M. ausgereist war und sich dem IS angeschlossen hatte, kam er aufgrund der Fürsprache und Unterstützung des Antragstellers zeitnah in eine bedeutende Position im Sicherheitsapparat der damals bestehenden Organisationsstruktur des IS und wurde letztlich Teil des „B6. “, des IS-Geheimdienstes. Weiterhin unterstützte der Antragsteller die Ausreisen von B7. P1. und Z. T5. , wobei er sich beiden gegenüber als Beauftragter des IS für Ausreisen in dessen Herrschaftsgebiet bezeichnete. Er bot beiden finanzielle Unterstützung an – T5. übergab er später 500,- Euro –, sagte ihnen die Benennung von Kontaktpersonen im Grenzgebiet und bei dem IS zu und versicherte, für sie gegenüber dem IS als Bürge einzutreten. Nachdem sich P1. nach seiner Ausreise aufgrund eines gescheiterten Fluchtversuchs vom IS in dessen Haft befand, intervenierte der Antragsteller und erwirkte dessen Freilassung.
140(c) Tatsachen rechtfertigen auch die Annahme, dass der Antragsteller dem IS angehört hat. Von einem „Angehören“ ist im Falle einer förmlichen Mitgliedschaft in der Vereinigung auszugehen, wenngleich es einer solchen nicht zwingend bedarf. Ein Angehören ist vielmehr auch dann anzunehmen, wenn der Ausländer im Einvernehmen mit der Vereinigung dauerhaft an ihrem Leben teilnimmt. Die bloße passive Mitgliedschaft ohne jeden Austausch zwischen Ausländer und Vereinigung genügt demgegenüber nicht.
141Vgl. Fleuß, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, § 54 AufenthG, Rn. 74 (Stand: 1. Januar 2024).
142Ausweislich der auch insoweit überzeugenden Feststellungen des OLG D1. war der Antragsteller Mitglied der Terrororganisation IS und als solches in deren Organisationsstruktur eingebunden. Bei seinen Handlungen im Bereich der Ausreiseunterstützung handelte er im Auftrag der und in Absprache mit der Führung des IS. Diese hatte ihn im Übrigen als Vertreter mit der Befugnis zur Erstattung von Rechtsgutachten im Namen des IS und als Rekrutierer in Deutschland eingesetzt. In seiner Funktion als Vertreter der Terrororganisation in Deutschland war der Antragsteller Führungspersönlichkeiten des IS als einer der ihren bekannt. Er hatte direkten Kontakt zu Entscheidungsträgern des IS in dessen damaligen Herrschaftsgebiet und vermochte von Deutschland aus, deren Entscheidungsprozesse mitzubestimmen.
143(d) Von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln hat der Antragsteller nicht im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG a.E. erkennbar und glaubhaft Abstand genommen.
144Ein Abstandnehmen in diesem Sinne setzt voraus, dass äußerlich feststellbare Umstände vorliegen, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Ausländer seine innere Einstellung verändert hat und auf Grund dessen künftig von ihm keine Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland mehr ausgeht. Allein der Umstand, dass Unterstützungshandlungen zwischenzeitlich eingestellt sind und schon mehrere Jahre zurückliegen, genügt nicht, um das in der Person des Ausländers zutage getretene Gefahrenpotential als nicht mehr gegeben anzusehen. Das Erfordernis der Veränderung der inneren Einstellung bedingt es vielmehr, dass der Ausländer in jedem Fall einräumen muss oder zumindest nicht bestreiten darf, in der Vergangenheit durch sein Handeln die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet zu haben.
145Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. April 2018 - 1 B 11/18 -, juris, Rn. 12; OVG Bremen, Beschluss vom 9. Dezember 2020 - 2 B 240/20 -, juris, Rn. 30; Bayerischer VGH, Urteil vom 8. Januar 2020 - 10 B 18.2485 -, juris, Rn. 41; ähnlich Thüringer OVG, Beschluss vom 18. Mai 2022 - 4 EO 161/22 -, juris, Rn. 90; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. Juni 2019 - 11 S 2118/18 -, juris, Rn. 12.
146Dieses Erfordernis stellt auch keinen Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen nemo tenetur-Grundsatz dar. Insoweit besteht kein gleichsam doppeltes Recht, einerseits im Strafverfahren zu schweigen und andererseits im gefahrenabwehrrechtlichen Verwaltungsverfahren von einer negativen Prognoseentscheidung verschont zu bleiben.
147Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 2023 - 1 VR 1/23 -, juris, Rn. 49.
148Gemessen daran ist ein Abstandnehmen des Antragstellers nicht erkennbar. Es existiert keine ausreichende tatsächliche Grundlage, um auf eine Veränderung seiner inneren Einstellung schließen zu können.
149Der Antragsteller hat seine Unterstützungshandlungen für den IS bis zum Entscheidungszeitpunkt bereits nicht mit der gebotenen Unmissverständlichkeit eingeräumt. In der Hauptverhandlung vor dem OLG D1. hat sich der Antragsteller diesbezüglich nicht eingelassen. Auch an anderer Stelle ist dies durch den Antragsteller nicht geschehen. In seiner Stellungnahme zu der (ersten) Anhörung zur beabsichtigten Ausweisung vom 100 Juli 2019 hat er vielmehr angegeben, weder aktiv zur Ausreise oder Unterstützung des IS aufgefordert noch hierbei unterstützt zu haben. Auch im Rahmen der Haft hat der Antragsteller zunächst stets abgestritten, die Taten, wegen derer er verurteilt worden ist, begangen zu haben, etwa gegenüber dem sozialen Dienst der JVA X. X (vgl. Sozialprognose vom 00. Oktober 2022) und gegenüber Beamten des Polizeipräsidiums N1. anlässlich einer Asservatenübergabe am 00. Februar 2023. Bei letzterer Gelegenheit äußerte der Antragsteller konkret, dass sein Prozess ein Schauprozess mit falschen Vorwürfen gewesen sei. Er habe lediglich einige hetzerische Reden gehalten, aber ansonsten nichts getan. Bei dieser Darstellung blieb der Antragsteller auch im Rahmen seiner im April und Mai 2023 erfolgten Befragung durch Islamwissenschaftler des Polizeipräsidiums N1. anlässlich seines Antrags auf Verlegung in den offenen Vollzug. Er führte aus, ungerechtfertigt inhaftiert zu sein und seiner Auffassung nach keine Straftaten begangen zu haben.
150In Anbetracht dieser über Jahre andauernden konstanten Bewertung seiner Verurteilung durch den Antragsteller als falsch sind auch seine Kontaktaufnahme zu dem Aussteigerprogramm API des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen sowie seine Äußerungen z.B. im Rahmen der Anhörung vor dem OLG D1. am 00. Dezember 2023 nicht zum Beleg eines Einstellungswandels geeignet. Auch in diesem Rahmen hat sich der Antragsteller nämlich nicht mit der gebotenen Klarheit zu seinen vorherigen Unterstützungshandlungen bekannt und sich nur oberflächlich und teilweise ausweichend eingelassen.
151Zwar räumt der Antragsteller inzwischen ein, dass er im Tatzeitraum islamistisch radikalisiert gewesen ist. Insoweit hat das API in seiner Stellungnahme vom 00. August 2023 ausgeführt, dass der Antragsteller bis zu einem gewissen Grad die Auswirkung seiner Radikalisierung erkennen könne. Unter dem 00. O1. 2023 hat das API weiter berichtet, dass bei dem Antragsteller, der zu Beginn der Begleitung eher die Opferrolle im Hinblick auf seine Straftat eingenommen habe, ein zunehmendes Bewusstsein für das Ausmaß seiner Taten erkennbar werde. Jedoch geht auch aus dieser Stellungnahme nicht hervor, dass der Antragsteller die Mitgliedschaft im IS und die konkreten Unterstützungshandlungen ausreisewilliger Personen eingeräumt hätte. Ähnliches gilt für die Angaben des Antragstellers in der Anhörung vor dem OLG D1. am 00. Dezember 2023. Zwar hat er in diesem Rahmen seine Radikalisierung pauschal eingestanden. So hat er u.a. erklärt, er sei den schlimmsten und radikalsten Ansichten gefolgt und habe seiner Zuhörerschaft seine radikalen Ansichten vermittelt. Er habe dabei eine falsche Religion vermittelt, nur um Menschen zufriedenzustellen, die ihn dafür gefeiert und belobigt hätten. Er erfahre jeden Tag mehr und mehr, in welchem Irrtum er sich bei der Begehung seiner Taten befunden habe. Welche Taten er damit meinte, bleibt aber offen. Die konkreten Tathandlungen, namentlich im Bereich der Ausreiseunterstützung und die damit in seinem Fall einhergehenden Beziehungen zum IS, wegen derer er verurteilt worden ist, hat er auch in dieser Anhörung nicht eingeräumt. Zu den Tatvorwürfen hat er sich nicht differenziert geäußert oder sich mit seinem Verhalten im Einzelnen befasst. Auf die ausdrückliche Frage des Gerichts, was er an seinen früheren Taten konkret bereut, hat sich der Antragsteller vielmehr – wie dargestellt – ausweichend allgemein auf seine Radikalität und seine Anerkennung in der islamistischen Szene bezogen. Eine fundierte Auseinandersetzung mit dem eigenen sicherheitsgefährdenden Handeln, die dem Antragsteller ein Abstandnehmen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 a.E. AufenthG erst ermöglichen könnte, tritt in der Anhörung nicht zutage. Dieses Bild ergibt sich auch aus der Stellungnahme des Psychologischen Dienstes der JVA im Rahmen der Entscheidung der Vollzugskonferenz vom 00. Januar 2024. Danach beginne der Antragsteller, früheres (Hass-)Predigen mittlerweile als problematisch zu erleben. Auch der Psychologische Dienst stellt im Folgenden allerdings fest, der Antragsteller leugne nach wie vor die begangenen Taten (nicht jedoch das Predigen) und sei mitunter nicht offen in seiner Selbstdarstellung.
152Ist ein erkennbares und glaubhaftes Abstandnehmen des Antragstellers im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG a.E. auf dieser Grundlage nicht ersichtlich, bedarf es keiner Vertiefung, ob und inwiefern die zeitlichen Abläufe hinsichtlich der Kontaktaufnahme des Antragstellers zum Aussteigerprogramm API im März 2023 und damit in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der erneuten Anhörung zur Ausweisung vom 00. Februar 2023, wie vom Antragsgegner angenommen, als verfahrensangepasstes Verhalten zu werten sind.
153bb) Das persönliche Verhalten des Antragstellers stellt gegenwärtig eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 53 Abs. 1 AufenthG dar.
154Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob im Falle einer Verwirklichung des besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG die gesonderte Feststellung einer (fortbestehenden) Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 53 Abs. 1 AufenthG entbehrlich ist.
155Zum Verhältnis der Vorschriften siehe BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2017 - 1 C 3/16 -, juris, Rn. 34; zum Streitstand siehe VG Bremen, Urteil vom 16. Dezember 2022 - 2 K 198/20 -, juris, Rn. 27.
156Denn eine Gefährdung im Sinne des § 53 Abs. 1 AufenthG ist vorliegend jedenfalls gegeben.
157Von dem Antragsteller geht nach Auswertung sämtlicher beigezogener Akten (der Gerichtsakten, Verwaltungsvorgänge, Strafakten, Gefangenenpersonalakte und des Vollstreckungshefts) auch noch zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine hinreichend große Gefahr der Verübung weiterer erheblicher Straftaten aus.
158Für die Feststellung der Wiederholungsgefahr gilt ein differenzierender, mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts.
159Vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Januar 2013 - 1 C 10/12 -, juris, Rn. 15, vom 10. Juli 2012 - 1 C 19/11 -, juris, Rn. 16, vom 2. September 2009 - 1 C 2/09 -, juris, Rn. 17, und vom 3. August 2004 - 1 C 30/02 -, juris, Rn. 26; OVG NRW, Beschluss vom 10. Januar 2003 - 18 B 2436/02 -, juris, Rn. 6.
160Bei bedrohten Rechtsgütern mit einer hervorgehobenen Bedeutung gelten für die im Rahmen tatrichterlicher Prognose festzustellende Wiederholungsgefahr eher geringere Anforderungen. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist.
161Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2012 - 1 C 19/11 -, juris, Rn. 16 m.w.N.
162Eine entsprechende umgekehrte Proportionalität von Schadenshöhe und Eintrittswahrscheinlichkeit entspricht ordnungsrechtlichen Grundsätzen und letztlich dem allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
163Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. April 2006 - 1 BvR 518/02 -, juris, Rn. 179.
164Bei der Prognose sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung und das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, aber auch die Persönlichkeit des Täters, seine Entwicklung und Lebensumstände, das Nachtatverhalten sowie der Verlauf von Haft und gegebenenfalls Therapie bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.
165Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Oktober 2016 - 2 BvR 1943/16 -, juris, Rn. 19; BVerwG, Beschluss vom 6. Mai 2011 - 10 B 30/10 -, juris, Rn. 6, und Urteil vom 16. O1. 2000 - 9 C 6/00 -, juris, Rn. 16.
166Der Antragsteller ist durch Urteil des OLG D1. vom 24. Februar 2021 wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und mit Terrorismusfinanzierung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Dabei hat das OLG u.a. festgestellt, dass der Antragsteller zwischen 2014 und 2016 im Auftrag und Absprache mit der Führung des IS als Vertreter dieser Terrororganisation in Deutschland eingesetzt war. In dieser Funktion hat er seine Anhänger animiert, zum IS auszureisen oder aber zumindest in Deutschland für den IS – etwa durch die Begehung von Anschlägen – tätig zu werden.
167Angesichts der besonders hochrangigen Rechtsgüter, die durch diese Straftaten des Antragstellers verletzt bzw. gefährdet worden sind, und seiner besonders hervorgehobenen und exponierten Stellung als Vertreter der Terrororganisation IS in Deutschland genügt in seinem Falle nach den oben dargestellten Grundsätzen eines abgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabs ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit für die Begehung neuer, vergleichbarer Straftaten.
168Eine derartige Wahrscheinlichkeit für die Begehung erneuter Straftaten, insbesondere eine erneute Betätigung in der islamistischen Szene und die Begehung staatsschutzrelevanter Straftaten, und eine damit einhergehende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch den Antragsteller ist nach Auffassung des Gerichts gegeben.
169Zwar ist der Antragsteller seit der letzten Tatbegehung im Jahr 2016 nach den vorliegenden Erkenntnissen in der Haft nicht weiter strafrechtlich auffällig geworden. Insbesondere hat er nach den Stellungnahmen der jeweiligen Justizvollzugsanstalten keine Versuche der Radikalisierung von Mitgefangenen unternommen. Jedoch hat das Gericht im Rahmen der im hiesigen Eilverfahren einzig möglichen summarischen Prüfung keine nachhaltige Deradikalisierung des Antragstellers erkennen können.
170Nach den Feststellungen der islamwissenschaftlichen Bewertung vom 00. Juni 2023 ist der Antragsteller zu einer eigenständigen Deradikalisierung von islamistischem bzw. salafistischem Gedankengut nicht in der Lage. Die polizeilichen Islamwissenschaftler haben dazu ausgeführt: Das Rückfallrisiko des Antragstellers sei aus islamwissenschaftlicher Sicht als hoch einzustufen. In den mit ihm geführten Gesprächen sei festgestellt worden, dass er seine Taten nicht als Straftaten reflektiert habe und er sich vielmehr – weiter – als Opfer eines Justizskandals sehe. Momente der Reue hätten sich ausschließlich auf seine Haftsituation bezogen. Seine Rolle als Prediger Xxx Xxxxx bagatellisiere er vielfach. Eine Reflektion seiner Straftaten sowie ein Schuldbewusstsein seien zu keinem Zeitpunkt ernsthaft erkennbar gewesen. Soweit er an einigen Stellen den Wunsch zur Deradikalisierung geäußert habe, sei der Eindruck entstanden, dass er dies nicht konkretisieren könne. Der Antragsteller scheine nicht zwischen einem radikalen und einem gemäßigten Weltbild unterscheiden zu können. Er verfalle immer wieder in jihadistische Sprache, ohne dies zu bemerken. Neben Rechtfertigungen für Terroranschläge und terroristische Gruppierungen zeige sich immer wieder eine jihadistische Weltsicht in gläubig und ungläubig. Der Antragsteller zeige keine Bereitschaft, radikale Ansichten aktiv und intrinsisch motiviert anzugehen. Ohne eine aktive Deradikalisierungsunterstützung scheine ein ideologischer Ausstieg höchst unwahrscheinlich. Selbst mit einer solchen Unterstützung sei ob des als sehr verankert wahrgenommenen extremistischen Weltbildes nicht klar, ob ein Ausstieg aus der Ideologie möglich sei.
171Das Gericht schließt sich dieser detaillierten und einzelfallbezogenen Stellungnahme der Gutachter nach eigener Würdigung an. Die Islamwissenschaftler haben für die Kammer überzeugend anhand mehrerer Beispiele dargelegt, welche Schwierigkeiten der Antragsteller beim Erkennen islamistischen Gedankenguts hat und dass er daher zu einer eigenständigen Deradikalisierung nicht in der Lage ist.
172Soweit der Antragsteller seit März 2023 die von den polizeilichen Islamwissenschaftlern für erforderlich gehaltene Deradikalisierungsunterstützung in Form der Begleitung durch das API erhält, führt dies zu keiner anderen Bewertung. Insoweit hat das API zur Konzeption dieses Aussteigerprogramms in seinen Stellungnahmen vom 00. August 2023 und vom 00. O1. 2023 ausgeführt: Das Programm richte sich auf freiwilliger Basis an stark radikalisierte und in die islamistische Szene fest eingebundene Person. Die Ausstiegsprozesse seien langwierig, die Begleitung dauere in der Regel zwischen drei und fünf Jahre.
173Unter Berücksichtigung dieser Angaben ist nach gut einjähriger Teilnahme des Antragstellers an dem Aussteigerprogramm bereits in zeitlicher Hinsicht noch nicht von einer erfolgreichen Deradikalisierung auszugehen. In seiner jüngsten Stellungnahme vom 00. O1. 2023 hat das API zur Begleitung des Antragstellers ausgeführt, dass mit diesem seit März 2023 fünfzehn Gespräche geführt worden sind. Der Antragsteller zeige ein zunehmendes Bewusstsein für das Ausmaß seiner Taten, nachdem er zu Beginn der Begleitung eher die Opferrolle eingenommen habe. Es würden Szenarien entwickelt, wie er nach einer späteren Haftentlassung Kontakte zu Szeneangehörigen meiden könne. In der Zusammenarbeit zeige sich der Antragsteller bisher eher wenig taktisch geprägt. Er signalisiere durch seine Mitarbeit die Bereitschaft, sich mit seinem Radikalisierungsprozess, seinem Werdegang, seiner Persönlichkeit und seinen Perspektiven auseinandersetzen zu wollen. Mittelfristig bildeten die Verantwortungsübernahme seiner Tat und die Aufarbeitung seiner Ideologie Schwerpunkte in der Ausstiegsbegleitung. Eine weitere Begleitung des Antragstellers sei vorgesehen.
174Dies berücksichtigt, geht das Gericht davon aus, dass der Antragsteller – dem Regelfall im API entsprechend – eine mehrjährige Begleitung benötigt, um eine erfolgreiche Deradikalisierung potentiell erreichen zu können. Dass der Antragsteller auch aus Sicht des insoweit fachkundigen API als derzeit (noch) nicht deradikalisiert betrachtet wird, zeigt sich deutlich an der für das Gericht nachvollziehbaren Schilderung der langjährigen Begleitungsdauer in den Stellungnahmen des Programms sowie den darin ebenfalls benannten mittelfristigen Zielen für die Zusammenarbeit mit dem Antragsteller.
175Hinzu tritt, dass ein unmissverständliches „Abstandnehmen“ des Antragstellers von seinem damaligen sicherheitsgefährdenden Handeln bis heute nicht zu erkennen ist. Diesbezüglich wird auf die obigen Ausführungen zu § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG verwiesen.
176Neben diesen Faktoren der fehlenden Verantwortungsübernahme für die Straftaten und der bisher nicht erfolgten Deradikalisierung wird die Wiederholungsgefahr im Falle des Antragstellers durch seine Persönlichkeitsstruktur und externe Risikofaktoren weiter erhöht. Diesem ist verschiedentlich – in für die Kammer nachvollziehbarer Weise – bescheinigt worden, dass seine narzisstische Persönlichkeitsstruktur im Zuge seiner Radikalisierung und Tätigkeit als Prediger eine wesentliche Rolle gespielt hat und eine ausreichende psychologische Aufarbeitung bislang nicht erfolgt ist. Ausweislich der islamwissenschaftlichen Bewertung hat der Antragsteller seine Radikalisierung in den geführten Gesprächen mehrfach mit einer körperlichen und mentalen Sucht verglichen. Er habe zahlreiche Aspekte seiner damaligen Position in dem Gefüge eines salafistischen Netzwerkes als positiv erinnert. Der auf Basis dieser Gespräche erstellte psychologische Fachbericht des LKA NRW vom 00. September 2023 ordnet die aufgrund dieser Darstellung erkennbare Persönlichkeitsstruktur als bedeutsames Merkmal für die bisherige Delinquenz ein. Die Selbstdarstellung des Antragstellers deute in Richtung einer geltungssüchtigen, narzisstischen Persönlichkeit. Seine Äußerungen, wonach er seine Predigten immer radikaler gestaltet habe, weil dies bei seinem Publikum gut angekommen sei, deuteten auf ein gesteigertes Selbstwertgefühl hinsichtlich seiner Predigertätigkeit hin. Auch gegenüber der Anstaltspsychologin der JVA X. X (vgl. Stellungnahme vom 00. September 2023) äußerte der Antragsteller, dass das radikale Predigen für ihn Anerkennung, Lob und einen Kick bedeutet habe. Eine tiefergehende Auseinandersetzung mit der hiermit im Zusammenhang stehenden narzisstischen Persönlichkeitsproblematik sei jedoch nicht ersichtlich geworden. Damit liege die zur Radikalisierung und den Taten führende Persönlichkeitskonstitution weiter vor. Die mit Blick auf die narzisstischen Persönlichkeitsanteile bestehende Behandlungsnotwendigkeit sehe der Antragsteller nicht ein. In ihrer Stellungnahme zur Entscheidung über die Verlegung in den offenen Vollzug führte die Anstaltspsychologin aus, dass insgesamt eine beginnende Nachreifung seiner Persönlichkeit erkennbar werde, die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls in frühere maladaptive Verhaltensweisen in Anbetracht der erst beginnenden Auseinandersetzung mit deliktrelevanten Persönlichkeitsanteilen, der noch nicht ausreichenden Stabilität und weitestgehend fehlenden selbstwertstabilisierenden Faktoren jedoch noch als hoch zu erachten sei.
177Zu diesen persönlichkeitsbedingten Faktoren treten weitere Faktoren, welche eine Wiederholungsgefahr hinsichtlich des Wiederanschlusses an die islamistische Szene und die sich daran anschließende Gefahr der Begehung von Staatsschutzdelikten im Falle der spätestens 2027 anstehenden Haftentlassung des Antragstellers, aber auch schon zuvor im Fall des Übergangs in einen offenen Vollzug begründen. Insoweit ist nach den genannten psychologischen Stellungnahmen erkennbar, dass diverse Risikofaktoren für eine erneute Delinquenz des Antragstellers bestehen, insbesondere weil nicht erkennbar ist, auf welche andere Weise er sein Bedürfnis nach Anerkennung und Selbstwertstabilisierung stillen soll. Der psychologische Fachbericht des LKA NRW vom 00. September 2023 benennt dabei unter anderem die unklare berufliche Situation des Antragstellers als Risikofaktor. Auch für die Kammer ist keine klare berufliche Perspektive erkennbar. Der Antragsteller hat in der Vergangenheit für einige Zeit – die genauen Zeitangaben des Antragstellers diesbezüglich variieren – selbständig mehrere Bekleidungsgeschäfte in Niedersachsen betrieben. Diese Geschäftstätigkeit hatte er ausweislich des vom Antragsgegner eingeholten Rentenversicherungsverlaufs vom 00. Juni 2019 indes bereits vor seiner Inhaftierung aufgegeben, da er ab dem 00. September 2015 Arbeitslosengeld II bezog. Eine anderweitige berufliche Perspektive für den Antragsteller ist nicht ersichtlich. Er ist 40 Jahre alt und hat in Deutschland keine Berufsausbildung absolviert. Eine berufliche Tätigkeit, die geeignet sein könnte, sein Bedürfnis nach Anerkennung hinreichend zu befriedigen, ist nicht im Ansatz erkennbar. Der Antragsteller hat im Rahmen der Anhörung vor dem OLG D1. angegeben, langfristig die selbständige Tätigkeit wieder aufnehmen zu wollen, wobei er wisse, dass ein Wiedereinstieg sehr hart werde. In seinem Schreiben an das OLG D1. vom 00. Dezember 2023 hat der Antragsteller zusätzlich angegeben, sich aufgrund seiner Vorkenntnisse im Textilbereich um eine Erwerbstätigkeit bei dem Großhändler imotex in O2. bemühen zu wollen. Dass er dies tatsächlich getan hat, ist für das Gericht jedoch nicht ersichtlich. Zudem ist die Kammer nicht davon überzeugt, dass eine Aufnahme einer Tätigkeit als (ungelernter) Angestellter das Bedürfnis des Antragstellers nach Anerkennung erfüllen und damit sein Radikalisierungsrisiko nachhaltig senken würde. Schließlich hat auch die vormalige Tätigkeit als Betreiber mehrerer Bekleidungsgeschäfte seine Radikalisierung nicht verhindert.
178Einen weiteren Risikofaktor für den Antragsteller stellt seine weiterhin bestehende Popularität in der islamistischen Szene dar.
179Dazu hat die Vollzugskonferenz der JVA X. X in ihrer Entscheidung vom 00. Januar 2024 ausgeführt, dass es nach Auskünften des Fachbereichs Radikalisierungsprävention im Justizvollzug in der islamistischen Szene Personen gibt, die gezielt Informationen über den Aufenthalt von inhaftierten Szenemitgliedern, insbesondere auch über deren Entlassung, sammeln und diese verbreiten. Der Antragsteller sei in der Szene keinesfalls in Vergessenheit geraten. So fänden sich etwa unter alten Predigervideos von ihm auch aktuelle Kommentare. Aufgrund seiner Bekanntheit sei zudem mit einer medialen Berichterstattung zu rechnen.
180Diese Tatsachenlage korrespondiert mit dem Risikoszenario, welches das LKA NRW in seinem psychologischen Fachbericht vom 00. September 2023 für den Antragsteller entwickelt hat. Dazu hat das LKA NRW folgende denkbare Hypothesen aufgestellt: „AA wird sich nach Haftentlassung, mangels gemäßigter sozialer Kontakte, wieder mit Personen umgeben, die eine salafistische (und Islamismus-offene) Religionsauslegung verfolgen. Anknüpfungspunkte ergeben sich durch seine irakische Kernfamilie, die Familien der Erst- und Zweitfrau und durch sein während der Haft ruhendes Szenenetzwerk im In- und Ausland, welches er aktiv schätzungsweise fünf Jahre bedient hat; und welches ihn darüber hinaus während seiner Gerichtsverhandlung über mehrere Jahre begleitet hat. Eine vollständige Kappung der Szenekontakte ist aufgrund der langen Verweildauer in der Szene sowie seiner dortigen exponierten Stellung nicht anzunehmen. AA wird durch seine Szenekontakte Lob erfahren für das Durchlaufen der Haftzeit, welche in Szenekreisen als göttliche Prüfung stilisiert wird. Durch die Lobbekundungen erfährt AA den Zuspruch, den er braucht, um sein Bedürfnis nach Status und Anerkennung zu befriedigen. Zur Steigerung seines Ansehens wird ihm nicht nur die Haftzeit als solches, sondern auch sein Verhalten in Haft dienen: Er wird sich als (ideologisch) standhaften Muslim darstellen, da er sich in Haft weder von der Szene oder dem sog. IS distanziert noch über Szene-Verbindungen o.ä. mit den Behörden geredet hat (Ausnahmen bilden hierbei lediglich die Personen, die ihn vor Gericht belastet haben). In der Szene kann AA sein Talent als Koranrezitator/Referent/Prediger ausspielen. Alternativen mit einem vergleichbaren Renommee bleiben aufgrund der fehlenden Berufsausbildung begrenzt. Selbst bei Aufnahme eines „einfachen Berufes" wird er auch aufgrund wirtschaftlicher Zwänge (sieben Kinder, zwei Ehefrauen, Drang nach Statussymbolen) mittelfristig umschwenken, oder wie vor der Inhaftierung, Parallelstrukturen zur Szene etablieren.“
181Entsprechende Befürchtungen äußert in Übereinstimmung mit dem vom LKA entwickelten Szenario auch die Anstaltspsychologin der JVA X. I in ihrer Stellungnahme zur Entscheidung über die Verlegung in den offenen Vollzug sowie die Vollzugskonferenz in ihrer Entscheidung vom 00. Januar 2024.
182Auch das Gericht erkennt aufgrund der fachkundigen Stellungnahmen, welche das Gericht als nachvollziehbar und plausibel erachtet, eine ausreichende Wahrscheinlichkeit für eine erneute Tätigkeit des Antragstellers in der islamistischen Szene im Falle einer Kontaktaufnahme durch Szenemitglieder. Durch seine öffentlichkeitswirksame Predigertätigkeit, welche der Antragsteller auch online umfassend ausgeübt hat, etwa in eigenen Telegram-Kanälen, hat er sich seinerzeit einen deutschlandweiten Bekanntheitsgrad erarbeitet. Es ist davon auszugehen – gerade unter Berücksichtigung der von der JVA X. X benannten Erkenntnisse des Fachbereichs Radikalisierungsprävention im Justizvollzug –, dass sich trotz der seit seiner Inhaftierung vergangenen Zeit weiterhin Anhänger des Antragstellers finden werden, die nach seiner Haftentlassung versuchen werden, zu ihm Kontakt aufzunehmen. Angesichts der oben geschilderten Persönlichkeitsstruktur ist es nicht fernliegend, anzunehmen, dass sich der Antragsteller in einem solchen Fall geschmeichelt fühlen wird und – möglicherweise in schwierigen Situationen nach der Haftentlassung, etwa aus familiären oder wirtschaftlichen Gründen – für eine solche Kontaktaufnahme empfänglich sein wird. Hinzu tritt, dass die Wohnanschrift des Antragstellers und seiner Familie in U1. ehemaligen Weggefährten aus der Szene bekannt geworden ist (vgl. etwa Ermittlungsakte der Generalbundesanwaltschaft, Sachakte, Band 4, Bl. 230), sodass entgegen der Angaben des Antragstellers nicht davon auszugehen ist, dass er dort vor einer solchen Kontaktaufnahme sicher ist.
183Schließlich ist auch nicht von einem Entfall der Wiederholungsgefahr aufgrund der familiären Einbindung des Antragstellers auszugehen. Soweit seine in Niedersachsen lebende Zweitfamilie betroffen ist, besteht zu dieser derzeit – ungeachtet deutlicher Hinweise aus der Ermittlungsakte und der islamwissenschaftlichen Bewertung auf eine jedenfalls zum Zeitpunkt der Festnahme des Antragstellers bestehende Einbindung der Zweitfrau in die islamistische Szene – nach übereinstimmenden Angaben des Antragstellers und seiner Zweitfrau kein Kontakt. Anders stellt sich dies hinsichtlich der in U1. lebenden Familie des Antragstellers dar, die ihn regelmäßig in der JVA besucht und in deren Haushalt er im Falle seiner Entlassung nach seinen Plänen zurückkehren würde. Jedoch hat ihn auch die familiäre Einbindung – insbesondere durch die 2004, 2006, 2009 und 2014 geborenen Kinder – nicht von der Begehung der Taten zwischen 2014 und 2016 abhalten können. Trotz der aus den vorliegenden Erkenntnissen hervorgehenden starken Familienorientiertheit des Antragstellers in jüngerer Zeit, die sowohl in der islamwissenschaftlichen Bewertung als auch in den Stellungnahmen des API als maßgeblicher Faktor herausgestellt worden ist, ist daher nicht anzunehmen, dass ihn die familiäre Einbindung im Falle des Eintretens ausreichender anderer Risikofaktoren von der Begehung von Staatsschutzdelikten abhalten würde. Hinzu kommt, dass nach den Erkenntnissen der Justizvollzugsanstalt im Rahmen eines zur Vorbereitung von Langzeitbesuchen geführten Gesprächs mit der Ehefrau sowie der volljährigen Tochter P. B1. B2. des Antragstellers beide (ebenfalls) der Überzeugung sind, dass der Antragsteller unschuldig ist. Dies gibt jedenfalls Anlass zu der Befürchtung, sie könnten ihn im Falle weiterer aus seiner Sicht bestehenden Diskriminierungserlebnisse in dieser Wahrnehmung unterstützen und bestärken.
184Besteht nach alldem eine Wiederholungsgefahr für eine erneute Betätigung des Antragstellers in der islamistischen Szene und eine damit zusammenhängende Begehung von Staatsschutzdelikten, bedarf es keines weiteren Eingehens auf die Hinweise im psychologischen Fachbericht des LKA NRW vom 00. September 2023 auf Auffälligkeiten im Gesprächsverhalten des Antragstellers und die Angaben der Anstaltspsychologin der JVA X. X in ihrer Stellungnahme vom 00. September 2023 zu Manipulationsversuchen.
185cc) Die Anforderungen des § 53 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3a AufenthG sind ebenfalls erfüllt. Es liegen zwingende Gründe der nationalen Sicherheit vor, welche die spezialpräventiv erfolgte Ausweisung des Antragstellers,
186nur eine solche ist im Anwendungsbereich des § 53 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3a AufenthG zulässig, vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht, BT-Drs. 19/10047, S. 34; unter Berufung darauf Fleuß, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, § 53 Rn. 123 (Stand: 1. Januar 2024); Neidhardt, in: HTK-AuslR / § 53 AufenthG - Abs. 3a Rn. 16, Stand: 28.03.2023,
187rechtfertigen.
188Zur Auslegung der Begriffe „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ kann auf die Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung der Begriffe der „öffentlichen Sicherheit“ und der „öffentlichen Ordnung“ im Sinne von Art. 27 und 28 der Unionsbürgerrichtlinie (RL 2004/38/EG) zurückgegriffen werden. Danach erfasst der Begriff der Sicherheit des Mitgliedstaates sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaates. Sie kann daher berührt werden durch die Beeinträchtigung des Funktionierens der Einrichtungen des Staates und seiner wichtigen öffentlichen Dienste, durch die Gefährdung des Überlebens (von Teilen) der Bevölkerung, durch die Gefahr einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder durch eine Beeinträchtigung der militärischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Auch die Begehung von Straftaten wie die in Art. 83 Abs. 1 UAbs. 2 AEUV bezeichneten Delikte können als besonders schwere Beeinträchtigung eines grundlegenden gesellschaftlichen Interesses anzusehen sein, die Ruhe und die physische Sicherheit der Bevölkerung unmittelbar bedrohen und damit dem Begriff der zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit unterfallen, sofern die Art und Weise der Begehung dieser Straftaten besonders schwerwiegende Merkmale aufweist. Der Begriff der „öffentlichen Ordnung“ setzt voraus, dass außer der sozialen Störung, die jeder Gesetzesverstoß darstellt, darüber hinaus eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend erhebliche Gefahr vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Hierunter sind Fälle mittlerer und schwerer Kriminalität zu subsumieren. Die zwingenden Gründe erfordern dann, dass die Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung einen besonders hohen Schweregrad aufweist. Die Feststellung des Vorliegens zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung muss auf einer individuellen Würdigung der genauen tatsächlichen Umstände des Einzelfalles gründen. Gegenstand dieser Würdigung ist insbesondere die Beurteilung des Schweregrades der Gefahr, die von dem Verhalten des Schutzberechtigten für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
189Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2017 - 1 C 3/16 -, juris, Rn. 51; VG Magdeburg, Beschluss vom 6. Dezember 2023 - 9 A 175/22 MD -, juris, Rn. 41 ff. unter Berufung u.a. auf EuGH, Urteile vom 24. Juni 2015 - C-373/13 -, juris, Rn. 77 ff., 86 ff., vom 22. Mai 2012 - C-348/09 -, juris, Rn. 28, und vom 23. O1. 2010 - C-145/09 -, juris, Rn. 43 f.
190Soweit – wie vorliegend – eine Wiederholungsgefahr für Handlungen im Bereich der Terrorismusunterstützung besteht, darf dies nach der Rechtsprechung des EuGH nicht automatisch zur Aufhebung eines Aufenthaltstitels des Ausländers führen. Vielmehr ist für die Feststellung des Vorliegens zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung in einem ersten Schritt zunächst zu prüfen, ob es sich bei der durch den Ausländer unterstützten Organisation um eine Terrororganisation im Sinne der europäischen Maßgaben handelt. Ist dies der Fall, ist in einem zweiten Schritt einzelfallbezogen die Rolle zu prüfen, die der Betreffende im Rahmen seiner Unterstützung dieser Organisation tatsächlich gespielt hat, und auch der Schweregrad der Gefahr zu beurteilen, die von seinen Handlungen für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
191Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2017 - 1 C 3/16 -, juris, Rn. 52, unter Berufung auf EuGH, Urteil vom 24. Juni 2015 - C-373/13 -, juris, Rn. 83 ff.
192Diese Anforderungen sind im Falle des Antragstellers erfüllt. Bei dem IS handelt es sich nach den Ausführungen zu § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG – auch unter Berücksichtigung unionsrechtlicher Maßgaben – um eine terroristische Organisation. Die Rolle des Antragstellers bei der Unterstützung des IS ist nach Würdigung aller Umstände des Einzelfalls auch von einem solchen Gewicht, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit und öffentlichen Ordnung seine Ausweisung rechtfertigen. Auch in diesem Rahmen ist – wie bereits ausgeführt – zu berücksichtigen, dass der Antragsteller nicht lediglich „einfacher“ Unterstützer des IS war, sondern als Mitglied fest in die damalige Organisationsstruktur der Terrororganisation eingebunden war. Er übernahm für den IS eine führende Rolle in Deutschland und stand dabei mit Führungskräften der Organisation in deren damaligem Herrschaftsgebiet in Kontakt. Trotz seiner Positionierung in Deutschland ermöglichte es ihm seine Stellung, von dort aus Einfluss auf den weiteren Weg der Personen zu nehmen, deren Ausreise er vermittelt hatte, was einen weiteren Beleg für seine exponierte Rolle darstellt. Dem IS-Anhänger N. M. vermittelte er so eine Position im Geheimdienst des IS. Für den Ausgereisten B7. P1. konnte er – von Deutschland aus – dessen Freilassung aus einem IS-Gefängnis erwirken. Neben diesem Einfluss, welchen der Antragsteller im damaligen Herrschaftsgebiet der Terrororganisation im Irak und in Syrien geltend machen konnte, übte er auch in Deutschland sowohl durch seine Predigten in der Hildesheimer DIK-Moschee und andernorts als auch durch seine Onlinepräsenz eine besondere Anziehungskraft auf IS-Sympathisanten aus.
193dd) Den im Fall des Antragstellers bestehenden Ausweisungsinteressen stehen besonders schwerwiegende Bleibeinteressen im Sinne von § 55 Abs. 1 AufenthG entgegen. Zum einen besaß er zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung am 00. September 2023,
194vgl. BVerwG, Urteil vom 15. O1. 2007 - 1 C 45/06 -, juris, Rn. 23 ff.,
195eine Niederlassungserlaubnis und hat sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Hinzu tritt das besonders schwerwiegende Bleibeinteresse gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG, das Ausländern zur Seite steht, die mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft leben, ihr Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem ihr Umgangsrecht ausüben. Der Antragsteller kann sich jedenfalls mit Blick auf seine Ehefrau T. B1. B2. und die Ausübung des Sorgerechts für seine Kinder G. , B3. und B4. auf dieses Bleibeinteresse berufen, mit denen er – ungeachtet der konkreten Art und Intensität der Paar- bzw. Eltern-Kind-Beziehung während der Inhaftierungszeiten des Antragstellers – zum maßgeblichen Zeitpunkt jedenfalls regelmäßig familiären Umgang gepflegt hat.
196Zudem verfügt der Antragsteller über weitere, nicht normierte Bleibeinteressen. So befindet sich im Bundesgebiet seine deutsche „Zweitfrau“ L3. Q. , mit der er nach islamischem Ritus verheiratet ist, sowie die drei gemeinsamen deutschen Kinder. Auch wenn der Antragsteller für diese nicht die Personensorge ausübt und angesichts des während seiner Inhaftierung abgebrochenen Kontaktes nicht davon auszugehen ist, dass der Antragsteller nach seiner Haftentlassung eine familiäre Lebensgemeinschaft mit diesen Kindern wiederherstellen wird, hat der Antragsteller ein Interesse daran, im Bundesgebiet zu verbleiben, um den Kontakt zu Frau Q. und den gemeinsamen Kindern wieder zu intensivieren. Weiterhin ist sein Interesse an der Führung einer familiären Beziehung mit seiner volljährigen Tochter P. B1. B2. im Bundesgebiet sowie das Interesse seiner Tochter daran zu berücksichtigen. Schließlich ist davon auszugehen, dass der Antragsteller während seines langjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet Sozialkontakte aufgebaut hat, an deren weiterer Pflege im Bundesgebiet er ebenfalls ein Interesse hat.
197ee) Die Ausweisung des Antragstellers erweist sich schließlich auch unter Abwägung der gegen ihn bestehenden Ausweisungsinteressen mit seinen Bleibeinteressen als verhältnismäßig.
198In die nach § 53 Absatz 1 AufenthG vorzunehmende umfassende Abwägung der Umstände des Einzelfalles sind zudem die in § 53 Abs. 2 AufenthG genannten Gesichtspunkte einzubeziehen, die sich im Wesentlichen an den sog. Boultif/Üner-Kriterien der Rechtsprechung des EGMR orientieren.
199Vgl. EGMR, Entscheidung vom 22. Januar 2013 - Nr. 66837/11 [E ./. Deutschland] -.
200Daher sind zugunsten des Ausländers einerseits die auch in § 55 AufenthG hervorgehobenen Bleibeinteressen zu berücksichtigen, aber auch die Dauer seines rechtmäßigen Aufenthaltes und seine schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet. Außerdem sind die Folgen der Ausweisung für die Familienangehörigen des Ausländers, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft leben, in die Abwägung einzustellen (vgl. § 53 Abs. 2 AufenthG). Die von Art. 2 Abs. 1 GG sowie Art. 6 Abs. 1 und 2 GG und Art. 8 EMRK geschützten Belange sind dabei entsprechend ihrem Gewicht und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in der Gesamtabwägung zu berücksichtigen.
201Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. August 2009 - 1 C 25/08 -, juris, Rn. 23; OVG NRW, Urteil vom 22. März 2012 - 18 A 951/09 -, juris, Rn. 81.
202Nicht zu berücksichtigen sind im Rahmen der Abwägung hingegen geltend gemachte Gefahren im Herkunftsstaat, die die Schwelle zu einem zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbot im Sinne von § 60 AufenthG überschreiten, jedenfalls insoweit, als für das Abschiebungsverbot eine ausschließliche Prüfungszuständigkeit des Bundesamts besteht und dieses ein solches Verbot bisher nicht festgestellt hat. Dies gilt insbesondere für zielstaatsbezogene Gefahren, die ihrer Art nach objektiv geeignet sind, eine Anerkennung als Asylberechtigter oder Flüchtling oder die Zuerkennung subsidiären Schutzes zu begründen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein Ausländer mit einem materiellen Asylbegehren nach § 13 AsylG hinsichtlich aller zielstaatsbezogener Schutzersuchen und Schutzformen auf das Asylverfahren vor dem Bundesamt zu verweisen; er hat kein Wahlrecht zwischen einer Prüfung durch die Ausländerbehörde und einer Prüfung durch das Bundesamt. Hat er bereits erfolglos ein Asylverfahren durchgeführt, ist unabhängig davon die Ausländerbehörde zudem gemäß § 6 Satz 1 und § 42 Satz 1 AsylG an die in jenem Verfahren (zuletzt) getroffene Entscheidung des Bundesamts oder des Verwaltungsgerichts gebunden. Diese Bindungswirkung kommt nach ständiger Rechtsprechung auch negativen Entscheidungen des Bundesamts zu. Auch bei nachträglicher erheblicher Änderung der Sachlage ist ausschließlich das Bundesamt zur Korrektur seiner einmal getroffenen Feststellungen befugt, und zwar unabhängig von dem Zeitraum, der seit der Erstentscheidung des Bundesamts verstrichen ist. Die Ausländerbehörde ist deshalb im Ausweisungsverfahren an eine negative Entscheidung des Bundesamtes gebunden. Sie ist nach bisheriger Rechtsprechung auch nicht verpflichtet, das Ausweisungsverfahren auszusetzen, bis das Bundesamt eine aktuelle Entscheidung über einen Asylfolgeantrag oder ein Folgeschutzgesuch getroffen hat, sondern darf ihre Entscheidung (zunächst) auf der unterstellten, nicht notwendigerweise weiterhin zutreffenden tatsächlichen Grundlage treffen, dass kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot vorliegt.
203Vgl. BVerwG, Urteile vom 16. Februar 2022 - 1 C 6/21 -, juris, Rn. 34, und vom 16. Dezember 2021 - 1 C 60/20 -, juris, Rn. 53 f.
204Es sind jedoch solche Nachteile in die Abwägung einzubeziehen, die keinen strikten verfassungs- oder völkerrechtlichen Schutz in dem Sinne genießen, dass die deutschen Behörden unter allen Umständen verpflichtet wären, den Ausländer durch Absehen von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen vor ihrem Eintritt zu bewahren. Dies sind solche Nachteile, die das Gewicht eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nicht erreichen, aber gleichwohl so erheblich sind, dass sie sich auf die durch Art. 7 GRC und Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Belange des Ausländers auswirken können.
205Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Februar 2022 - 1 C 6/21 -, juris, Rn. 35.
206Hiernach kann das Vorbringen des Antragstellers, ihm drohten im Irak Gefahren wie die Todesstrafe, Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, insbesondere im Rahmen einer abermaligen Inhaftierung,
207vgl. zur Verhängung der Todesstrafe und Folter im Irak BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 2023 - 1 VR 1.23 -, juris, Rn. 82, 95 f.; zur Doppelbestrafung Rn. 90 ff.,
208im Rahmen der Abwägung nach § 53 Abs. 1 AufenthG keine Berücksichtigung finden. Insoweit besteht gemäß § 6 Satz 1 und § 42 AsylG eine Bindung der Ausländerbehörde und des Gerichts an die bisherigen negativen Feststellungen des Bundesamtes. Dieses hat mit bestandskräftigem Bescheid vom 00. April 2005 die mit Bescheid vom 00. Oktober 2001 getroffene Feststellung, dass die Voraussetzungen des damaligen § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, widerrufen und festgestellt, dass betreffend den Antragsteller weder die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG noch Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG vorliegen. Mit seinem diesbezüglichen Vorbringen ist der Antragsteller aus diesem Grund auf das zwischenzeitlich angestrengte weitere Asylverfahren (Az. 00000000-438) zu verweisen. Insbesondere ist zum Entscheidungszeitpunkt für das Gericht ohne das Vorliegen einer diplomatischen Zusicherung nicht ersichtlich, dass es sich bei den vom Antragsteller geltend gemachten, ihm im Irak drohenden Gefahren um solche handeln könnte, die das Gewicht eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbotes nicht erreichen mit der Folge, dass diese im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen wären. Das Bundesamt hatte bereits im Rahmen des Verwaltungsverfahrens gegenüber dem Antragsgegner ausgeführt, dass auf die Taten, für die der Antragsteller in Deutschland verurteilt worden sei, im irakischen Strafrecht die Todesstrafe stehe, die dort auch vollstreckt werde. Aufgrund der Öffentlichkeitswirksamkeit und der daraus resultierenden Prominenz des Antragstellers solle in jedem Fall eine diplomatische Zusicherung von der irakischen Regierung erbeten werden, die einerseits die Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe ausschließe und zudem – für den Fall einer Inhaftierung – die Einhaltung des Pakts über die bürgerlichen Rechte garantiere sowie die nach Art. 3 EMRK entwickelten Standards an die Haftbedingungen sicherstelle. Eine solche diplomatische Zusicherung liegt zum Entscheidungszeitpunkt jedoch noch nicht vor. Sofern eine solche in der Zukunft erteilt werden sollte, wird gegebenenfalls im Hauptsacheverfahren – oder gegebenenfalls einem Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO – zu prüfen sein, ob auf dieser Grundlage in Betracht zu ziehen sein kann, dass dem Antragsteller im Irak aufgrund seiner IS-Zugehörigkeit Gefahren drohen, die unterhalb der Schwelle eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbotes liegen und mithin im Rahmen der Interessenabwägung einzubeziehen wären.
209Dies berücksichtigt, erweist sich die Ausweisung des Antragstellers unter Berücksichtigung sämtlicher Bleibeinteressen – insbesondere von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK – als verhältnismäßig.
210Zugunsten des Antragstellers ist dabei unter Berücksichtigung von Art. 6 GG zunächst sein Interesse an der Führung einer familiären Lebensgemeinschaft mit seiner Ehefrau T. B1. B2. und seinen minderjährigen deutschen Kindern G. , B3. , B4. , B5. , B8. und T2. in die Abwägung einzustellen sowie das Interesse dieser Kinder und seiner Ehefrau an der Aufrechterhaltung der familiären Beziehungen zum Antragsteller im Bundesgebiet.
211Hierzu gilt folgendes: Die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, verpflichtet die Ausländerbehörden und die Gerichte, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich ebenfalls im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, das heißt entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren eines Ausländers dessen familiäre Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen. Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalls geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu würdigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalls.
212Vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Dezember 2021 - 2 BvR 1333/21 -, juris, Rn. 45; BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 2022 - 1 C 8/21 -, juris, Rn. 20; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23. September 2021 - 11 S 1966/19 -, juris, Rn. 113; VG Stuttgart, Beschluss vom 19. Februar 2024 - 3 K 958/24 -, juris, Rn. 8.
213Ausländerrechtliche Schutzwirkungen entfaltet Art. 6 GG freilich nicht schon aufgrund formal-rechtlicher familiärer Bindungen. Entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit der Familienmitglieder. Schutz genießt insbesondere die familiäre (Lebens-)Gemeinschaft zwischen einem Elternteil und seinem minderjährigen Kind, die durch tatsächliche Anteilnahme am Leben und Aufwachsen des Kindes geprägt ist. Bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die den Umgang mit einem Kind berühren, ist maßgeblich auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob eine Hausgemeinschaft zwischen dem betreffenden Ausländer und seinem Kind besteht und ob die von ihm tatsächlich erbrachte Zuwendung auch (allein) vom anderen Elternteil oder Dritten erbracht werden. Vielmehr sind die Belange des Elternteils und des Kindes umfassend zu berücksichtigen.
214Vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Dezember 2021 - 2 BvR 1333/21 -, juris, Rn. 46 ff.; VG Stuttgart, Beschluss vom 19. Februar 2024 - 3 K 958/24 -, juris, Rn. 9 m.w.N.
215Dementsprechend ist im Einzelfall zu würdigen, in welcher Form die Elternverantwortung ausgeübt wird und welche Folgen eine endgültige oder vorübergehende Trennung für die gelebte Eltern-Kind-Beziehung und das Kindeswohl hätte. Hier ist davon auszugehen, dass der persönliche Kontakt des Kindes zu seinen Eltern und der damit verbundene Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in der Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dienen. Dem Kindeswohl dient im Regelfall insbesondere die Wahrnehmung des von der elterlichen Sorge umfassten Umgangsrechts. Dieses Recht ermöglicht es jedem Elternteil, sich von dem körperlichen und geistigen Befinden des Kindes und seiner Entwicklung durch Augenschein fortlaufend zu überzeugen, die verwandtschaftlichen Beziehungen zum Kind aufrechtzuerhalten, einer Entfremdung vorzubeugen sowie dem Liebesbedürfnis beider Teile Rechnung zu tragen.
216Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 25. Mai 2022 - 1 BvR 326/22 -, juris, Rn. 13, und vom 9. Dezember 2021 - 2 BvR 1333/21 -, juris, Rn. 48; VG Stuttgart, Beschluss vom 19. Februar 2024 - 3 K 958/24 -, juris, Rn. 10.
217Die Zumutbarkeit einer auch nur vorübergehenden Trennung zwischen einem Elternteil und seinem Kind wird umso eher zu verneinen sein, je mehr davon auszugehen ist, dass hierdurch die emotionale Bindung des Kindes zu diesem Elternteil Schaden nimmt. Ein hohes, gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechendes Gewicht haben die Folgen einer vorübergehenden Trennung insbesondere dann, wenn ein noch sehr kleines Kind betroffen ist, das den nur vorübergehenden Charakter einer räumlichen Trennung möglicherweise nicht begreifen kann und diese rasch als endgültigen Verlust erfährt.
218Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 9. Dezember 2021 - 2 BvR 1333/21 -, Rn. 48, und vom 5. Juni 2013 - 2 BvR 586/13 -, juris, Rn. 14.
219Dies schließt es allerdings nicht aus, im konkreten Einzelfall sonstigen Interessen der Bundesrepublik Deutschland Vorrang vor dem Wohl eines Kindes oder sonstigen familiären Belangen einzuräumen; dies gilt beispielsweise für das sicherheitspolitische Interesse, das Gemeinwesen vor Terrorismus, Betäubungsmittelkriminalität und Gewaltdelikten zu schützen. Denn selbst aus einer Zusammenschau von Art. 6 Abs. 1 und 2 GG mit Art. 3, Art. 9 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 1 der UN-Kinderrechtskonvention folgt kein Anspruch auf einen voraussetzungslosen Kinder- oder Elternnachzug. Das Kindeswohl ist zwar vorrangig zu berücksichtigen; es genießt aber keinen unbedingten Vorrang. Ein solcher ergibt sich aufgrund von Art. 52 Abs. 1 EU-GR-Charta auch nicht aus den in Art. 24 EU-GR-Charta verankerten Grundrechten des Kindes.
220Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 2022 - 1 C 8/21 -, juris, Rn. 20; VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 25. Juli 2023 - 11 S 985/22 -, juris, Rn. 22, und vom 4. Juli 2023 - 11 S 448/23 -, juris, Rn. 11; VG Stuttgart, Beschluss vom 19. Februar 2024 - 3 K 958/24 -, juris, Rn. 13.
221Für das Recht der Achtung des Familienlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK sowie Art. 7 EU-GR-Charta gilt im Grundsatz nichts anderes. Dem Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK unterliegen allerdings auch gelebte Paarbeziehungen, die nicht als Ehe geführt werden.
222Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 4. Juli 2023 - 11 S 448/23 -, juris, Rn. 13; VG Stuttgart, Beschluss vom 19. Februar 2024 - 3 K 958/24 -, juris, Rn. 15.
223Nach diesen Maßgaben ist neben den Beziehungen des Antragstellers zu seiner Ehefrau T. B1. B2. und seinen Kindern aus beiden Paarbeziehungen auch die Beziehung zu seiner weiteren Ehefrau nach islamischem Ritus, L3. Q. , dem Grunde nach von Art. 8 Abs. 1 EMRK erfasst.
224Jedoch ist die Beziehung zu Frau Q. nach Art. 8 Abs. 1 EMRK zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt nur eingeschränkt zu berücksichtigen, da sie nach den übereinstimmenden Angaben des Antragstellers und Frau Q. sowie den weiteren vorliegenden Erkenntnissen derzeit nicht als Paarbeziehung gelebt wird. Ausweislich der Besuchslisten der JVA X. X hat Frau Q. den Antragsteller seit seiner Verlegung in die JVA X. X im Oktober 2022 nicht mehr besucht. Der Antragsteller hatte zwar angegeben, sich um eine Telefonerlaubnis zu bemühen, jedoch ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass in der Folge tatsächlich Telefonate mit Frau Q. erfolgt sind. Der Antragsteller hat vielmehr erklärt, derzeit keinen Kontakt zu Frau Q. zu haben, und im Rahmen der Gespräche für die islamwissenschaftliche Bewertung dazu angemerkt, dass die Beziehung zu ihr eine große Baustelle sei. Im Einklang damit hat Frau Q. dem Antragsgegner am 00. O1. 2023 mitgeteilt, bereits seit geraumer Zeit keinen Kontakt mehr zum Antragsteller zu haben, und dies am 00. Dezember 2023 bestätigt.
225Weiterhin sind zugunsten des Antragstellers seine Beziehungen zu seiner volljährigen Tochter P. B1. B2. in die Abwägung einzustellen. Ein Schutz unter dem Gesichtspunkt des Familienlebens nach Art. 6 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK kommt diesen jedoch nicht zu. Insoweit entfalten Beziehungen zwischen volljährigen Familienmitgliedern sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als auch des EGMR aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen nur unter der Voraussetzung, dass ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe eines anderen Familienmitglieds angewiesen ist, bzw. wenn über die sonst üblichen Bindungen hinaus zusätzliche Merkmale einer Abhängigkeit vorhanden sind.
226Vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 1995 - 2 BvR 901/95 -, juris; EGMR, Urteile vom 12. Januar 2010 - 47486/06 [Abdul Waheed Khan] -, InfAuslR 2010, 369, und vom 15. Juli 2003 - 52206/99 [Mokrani] -, InfAuslR 2004, 183.
227Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist nichts ersichtlich. Zwar hat P. B1. B2. in ihrer Stellungnahme, welche der Stellungnahme ihrer Mutter im Rahmen des Anhörungsverfahrens vom 00. März 2023 beigefügt war, ausgeführt, dass sie bereits seit der Inhaftierung des Antragstellers an „Bindungs- und Verlustängsten“ leide. Seit der Anhörung sei sie „psychisch am Ende“ und leide unter Schlafstörungen. Auch wenn daraus ersichtlich wird, dass P. B1. B2. eine Bindung zu dem Antragsteller als ihrem Vater aufweist und dessen drohende Ausweisung bzw. Ausreise/Abschiebung sie belastet, ist weder ersichtlich, dass die volljährige Tochter vom Antragsteller über die bestehende Bindung hinaus abhängig ist noch dass sie dessen Lebenshilfe benötigt.
228Bei der Abwägung ist mit Blick auf den langjährigen Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet weiterhin zu berücksichtigen, ob dieser sich als sog. faktischer Inländer auf sein nach Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Recht auf Achtung seines Privatlebens berufen kann. Dies kommt grundsätzlich für solche Ausländer in Betracht, die aufgrund eines Hineinwachsens in die hiesigen Verhältnisse bei gleichzeitiger Entfremdung von ihrem Heimatland so eng mit der Bundesrepublik Deutschland verbunden sind, dass sie gewissermaßen deutschen Staatsangehörigen gleichgestellt werden können, während sie mit ihrem Heimatland im Wesentlichen nur noch das formale Band ihrer Staatsangehörigkeit verbindet.
229Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 1998 - 1 C 8/96 -, juris, Rn. 30; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 2. März 2020 - 11 S 2293/18 -, juris, Rn. 30.
230Jedoch ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt, dass eine Ausweisung sogenannter „faktischer Inländer“ nicht von vornherein unzulässig ist. Vielmehr ist der besonderen Härte, die mit einer solchen Ausweisung einhergeht, durch eine auf den konkreten Einzelfall bezogene individuelle Gefahrenprognose unter Berücksichtigung aktueller Tatsachen, die die Gefahr entfallen lassen oder nicht unerheblich vermindern können, sowie im Rahmen der Interessenabwägung durch eine besonders sorgfältige Prüfung und Erfassung der individuellen Lebensumstände des Ausländers, seiner Verwurzelung in Deutschland einerseits und seiner Entwurzelung im Herkunftsland andererseits Rechnung zu tragen.
231Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Oktober 2016 - 2 BvR 1943/16 -, juris, Rn. 19; BVerwG, Beschluss vom 2. August 2023 - 1 B 20/23 -, juris, Rn. 3, Urteil vom 16. Februar 2022 - 1 C 6/21 -, juris, Rn. 33.
232Nach diesen Maßgaben handelt es sich bei dem Antragsteller bereits nicht um einen „faktischen Inländer“, da sich – ungeachtet der Frage, ob er in Deutschland verwurzelt ist – jedenfalls eine Entwurzelung im Irak nicht feststellen lässt. Der Antragsteller hat die ersten siebzehn Jahre seines Lebens und damit prägende Jahre seine Kindheit und Jugend im Irak verbracht. Er spricht sowohl die arabische als auch die kurdische Sprache. Auch nach seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland hat der Antragsteller zudem den Bezug zur irakischen Kultur nicht verloren. So hat er im Rahmen des Zugangsgesprächs in der JVA nach seiner Festnahme im O1. 2016 berichtet, dass er seine Herkunftsfamilie im Irak etwa einmal jährlich besuche. Noch im Jahr 2015 und damit kurz vor seiner Inhaftierung hat sich der Antragsteller mehrfach im Irak aufgehalten und war dort nach seinen Angaben auch beruflich als Handelsvertreter tätig.
233Bei Abwägung dieser für den Antragsteller sprechenden Belange erweist sich seine Ausweisung dennoch angesichts der erheblichen Ausweisungsinteressen als verhältnismäßig und der Eingriff im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK auch als in einer demokratischen Gesellschaft notwendig. Diese Belange müssen mit Blick auf die von ihm ausgehende hohe Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland zurücktreten.
234Zulasten des Antragstellers ist dabei in die Abwägung einzustellen, dass das durch seine Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung verwirklichte Ausweisungsinteresse ganz erhebliches Gewicht hat und am oberen Bereich des Möglichen anzusiedeln ist. Nicht allein die eigenhändige Vornahme terroristischer Handlungen, auch deren Unterstützung berührt Rechtsgüter von höchstem Gewicht und ist u.a. im nationalen Aufenthaltsrecht – etwa in § 5 Abs. 4, § 54 Abs. 1 Nr. 2 oder 4, § 58a AufenthG – und unionsrechtlich, vgl. Richtlinie 2017/541 vom 15. März 2017 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates, auf das Schärfste geächtet, weil sie nach dem Erwägungsgrund 2 der RL 2017/541 einen der schwersten Angriffe auf die Grundsätze der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit, die allen Mitgliedstaaten gemein sind und die der Union zugrunde liegen, darstellt; auch das Völkerrecht verpflichtet die Staaten auf eine wirksame Bekämpfung des Terrorismus, etwa durch das Internationale Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999, BGBl. 2003 II S. 1923.
235Vgl. für die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung BVerwG, Urteil vom 9. Mai 2019 - 1 C 21/18 -, juris, Rn. 27.
236Der Schutz der Allgemeinheit vor Terroranschlägen kann vor diesem Hintergrund auch sehr weitreichende Eingriffe in die Rechte Einzelner rechtfertigen.
237Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17. Mai 2023 - 1 VR 1/23 -, juris, Rn. 64, und vom 19. September 2017 - 1 VR 8/17 -, juris, Rn. 41, jeweils m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
238Zulasten des Antragstellers ist neben der Betroffenheit höchstrangiger Rechtsgüter zudem seine exponierte Rolle innerhalb der Terrororganisation IS zu berücksichtigen. Nach den Feststellungen des OLG D1. war der Antragsteller nämlich kein Mitläufer oder schlichter Unterstützer bzw. Bewunderer des IS. Er war von der Führung der Terrororganisation selbst vielmehr als Vertreter mit der Befugnis zur Erstellung von Rechtsgutachten und als Rekrutierer eingesetzt. Führungskräften des IS war er trotz seines Agierens von Deutschland aus als einer der ihren bekannt. Dabei galt er innerhalb der salafistisch-islamistischen Szene in Deutschland als führende Autorität. Die von ihm durchgeführten Veranstaltungen übten eine große Anziehungskraft nicht nur im Hildesheimer Raum, in welchem der Antragsteller in der DIK-Moschee tätig war, sondern bundesweit aus. Seine enorme Reichweite verstärkte der Antragsteller durch seine Internetpräsenz in sozialen Netzwerken. Korrespondierend mit dieser hervorgehobenen Rolle innerhalb der Terrororganisation ist der Antragsteller zudem zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt worden, die mit zehn Jahren und sechs Monaten die in § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG genannte Schwelle von einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren für das Vorliegen eines besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses ganz erheblich überschreitet.
239Vgl. zur Maßgeblichkeit des letztgenannten Aspektes BVerwG, Beschluss vom 2. August 2023 - 1 B 20/23 -, juris, Rn. 4.
240Zudem ist nichts dafür ersichtlich, dass es dem Antragsteller nicht gelingen sollte, sich im Irak erfolgreich zu integrieren. Er verfügt – wie bereits ausgeführt – über gute Kenntnisse der irakischen Lebensweise und Gesellschaft, da er dort 17 Jahre lang gelebt hat und auch nach seiner Ausreise regelmäßig dorthin gereist ist, wobei er sogar beruflich tätig war. Zudem ist davon auszugehen, dass er dort – auch wenn seine Angabe gegenüber dem Gericht, wonach er außer seiner hochbetagten Mutter keine Familienmitglieder im Irak habe, als zutreffend unterstellt wird – über Kontakte verfügt, etwa aus seiner beruflichen Tätigkeit, die ihm bei der Integration im Irak behilflich sein können.
241Die Kammer verkennt nicht, dass durch die Aufenthaltsbeendigung des Antragstellers die Beziehung zu seinen minderjährigen Kindern und die Beziehung seiner Kinder zu ihm erheblich belastet wird. Nach den Schilderungen des Antragstellers, der Angaben seiner Ehefrau T. B1. B2. und seiner Kinder im Anhörungsverfahren sowie der Stellungnahme des Jugendamtes vom 00. Februar 2024 geht das Gericht davon aus, dass zwischen dem Antragsteller und seinen minderjährigen Kindern G. , B3. und B4. ein nach Art. 6 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 24 EU-GR-Charta schützenswertes familiäres Näheverhältnis besteht. Insoweit geht aus den durch das Gericht beigezogenen Akten hervor, dass der Kontakt zwischen dem Antragsteller und seinen Kindern auch nach dessen Inhaftierung im Jahr 2016 kontinuierlich weitergeführt worden ist. Während der Antragsteller von 2016 bis Herbst 2022 in Niedersachsen inhaftiert war, haben Frau B1. B2. und die Kinder ihn regelmäßig in der JVA besucht und auch Telefontermine wahrgenommen bzw. in Zeiten pandemiebedingter Besuchsverbote Videotelefonate geführt. Nachdem der Antragsteller im Oktober 2022 in die JVA X. X verlegt worden ist, haben sich die Besuchskontakte zwischen dem Antragsteller und G. , B3. und B4. weiter intensiviert. Da Frau Q. und ihre Kinder keine Besuchstermine bei dem Antragsteller in X. wahrgenommen haben bzw. wahrnehmen, worauf noch einzugehen sein wird, können die genannten Kinder aus seiner Beziehung mit Frau B1. B2. häufiger Besuchstermine bei dem Antragsteller wahrnehmen. Dabei gestaltet sich der Besuchskontakt ausweislich der Stellungnahme des Jugendamtes vom 00. Februar 2024 so, dass zweimal im Monat „normale“ Besuche für je 90 Minuten stattfinden, einmal im Monat ein Kinderbesuch für 90 Minuten sowie einmal im Monat ein Langzeitbesuch für drei Stunden, bei dem der Antragsteller in der Regel für die Familie kocht. Zusätzlich finden Telefongespräche statt. Unter Würdigung dieser zeitlichen Gegebenheiten und sonstigen Erkenntnisse ist von einer schützenswerten familiären Lebensgemeinschaft von G. , B3. und B4. mit dem Antragsteller auszugehen. Diese Kinder nutzen ausweislich der Stellungnahme des Jugendamtes und ihrer eigenen Stellungnahmen die durchgeführten Besuche, um sich mit dem Antragsteller auszutauschen. Alle Kinder benennen die persönliche und emotionale Bedeutung, die der Kontakt zum Vater für sie hat und benennen Beispiele, wie sie diese Bindung in ihrem Alltag erleben. So hat seine Tochter G. etwa ausgeführt, dass es der Antragsteller sei, der sie schulisch sehr motiviere und stärke.
242Bezüglich der Kinder B5. , B8. und T2. aus seiner Beziehung zu Frau Q. ist zum Entscheidungszeitpunkt jedoch keine nach Art. 6 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 24 EU-GR-Charta schutzwürdige Vater-Kind-Beziehung zu dem Antragsteller erkennbar. Zu diesen Kindern hat der Antragsteller seit seiner Verlegung in die JVA X. X im Oktober 2022 und damit seit gut eineinhalb Jahren keinen Kontakt mehr. Auch mit Blick auf das Alter dieser Kinder, die bei Inhaftierung des Antragstellers zwei Jahre, ein Jahr bzw. wenige Monate alt waren, ist nicht anzunehmen, dass nach einer anderthalbjährigen Zeit ohne Kontakt noch eine familiäre Lebensgemeinschaft besteht. Das bekundete Interesse des Antragstellers an einer Wiederherstellung der Vater-Kind-Beziehung allein begründet keinen Schutz nach Art. 6 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 24 EU-GR-Charta.
243Die Kammer hält die Ausweisung des Antragstellers jedoch auch unter Berücksichtigung des darin mit Blick auf die Beziehung zu seiner Ehefrau und zu seinen Kindern G. , B3. und B4. liegenden Eingriffs in den Schutzbereich des Art. 6 GG, des Art. 8 Abs. 1 und – betreffend die Kinder – Art. 24 EU-GR-Charta für verhältnismäßig.
244Aus Sicht des Antragstellers ist zu berücksichtigen, dass er durch seine Straffälligkeit in Kenntnis der Folgen für seinen Aufenthalt die Trennung von seiner Familie selbst verursacht hat. Schwerwiegender ist die Aufenthaltsbeendigung aus Sicht seiner Ehefrau und Kinder. Jedoch ist mit Blick auf die Kinder des Antragstellers zu berücksichtigen, dass sie zwar – wie oben ausgeführt – seit der Inhaftierung des Antragstellers im Jahr 2016 mit diesem weiterhin regelmäßigen Kontakt pflegen, dieser sich seither aber nur im Rahmen des nach den Bedingungen der jeweiligen Justizvollzugsanstalten möglichen bewegt. In häuslicher Gemeinschaft haben die Kinder des Antragstellers mit diesem zuletzt vor über sieben Jahren gelebt, wobei weiter zu berücksichtigen ist, dass das Zusammenleben damals insoweit reduziert erfolgte, dass der Antragsteller seine Anwesenheitszeiten zwischen der Familie in U1. und der weiteren Familie in Niedersachsen aufteilte. Die im Jahr 2006 geborene Tochter G. des Antragstellers war bei dessen Inhaftierung zehn Jahre alt und hat damit einen weiten Teil ihrer Jugend in Abwesenheit des Antragstellers verbracht. Noch erheblicher stellen sich die Abwesenheitszeiten des Antragstellers mit Blick auf die jüngeren Kinder B3. , die bei seiner Inhaftierung sieben Jahre alt war, und B4. dar, der damals erst zwei Jahre alt war. Diese beiden Kinder haben den überwiegenden Teil ihres Lebens ohne häusliche Gemeinschaft mit dem Antragsteller verbracht. Weiterhin ist mit Blick auf alle Kinder in den Blick zu nehmen, dass sie in einem Alter sind, in dem ihnen eine Aufrechterhaltung des Kontakts zum Antragsteller über Fernkommunikationsmittel, etwa Videotelefonate, und Besuche im Irak möglich ist. Dieses gilt umso mehr für die Ehefrau des Antragstellers.
245Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Kinder, insbesondere wohl der Sohn B4. , ausweislich der Stellungnahme des Jugendamtes sowie ihrer eigenen Angaben den Verlust des Antragstellers im Alltag zwar deutlich spüren und benennen. Ausweislich der Erkenntnisse des Jugendamtes hat sich Frau B1. B2. jedoch trotz der schwierigen Situation aufgrund der Inhaftierung des Antragstellers sehr für das Wohl ihrer Kinder eingesetzt, sodass diese schulisch und am Wohnort gut integriert sind. Zudem kann die Familie auf Hilfe der Verwandtschaft von Frau B1. B2. zurückgreifen. Laut Angaben von Frau B1. B2. gegenüber dem Jugendamt des Antragsgegners am 00. Mai 2019 hat sie in der Vergangenheit bereits von Unterstützung durch ihre Eltern aus L1. und ihren Brüdern Gebrauch gemacht.
246Die Folgen für die Kinder des Antragstellers wiegen schwer – dem ist aber die erhebliche Bedeutung der durch das Verhalten des Antragstellers gefährdeten Rechtsgüter entgegenzuhalten. Terroristische Organisationen wie der IS, dem der Antragsteller vor seiner Inhaftierung angehört hat, bedrohen durch ihr Handeln nicht nur eine unbestimmte Vielzahl an Menschenleben, sondern richten sich auch gegen den Staat und seine Einrichtungen.
247Nichts anderes ergibt sich für die Abwägung unter Berücksichtigung der sonstigen Familien- und Sozialkontakte des Antragstellers im Bundesgebiet. Insbesondere ist es seiner volljährigen Tochter P. B1. B2. ebenfalls möglich, mit dem Antragsteller über Fernkommunikationsmittel Kontakt zu halten bzw. diesen im Irak zu besuchen.
248Erweist sich die Ausweisung des Antragstellers danach unter Berücksichtigung aller Umstände als verhältnismäßig, ergibt sich aus Art. 20 AEUV nichts Anderes.
249Ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht sui generis, das aus Art. 20 AEUV abgeleitet wird, kann einem Drittstaatsangehörigen dann zustehen, wenn ein von diesem abhängiger Unionsbürger ohne den gesicherten Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen faktisch gezwungen wäre, das Unionsgebiet zu verlassen und ihm dadurch der tatsächliche Genuss des Kernbestands seiner Rechte als Unionsbürger verwehrt wird. Dies kann jedoch nur „ausnahmsweise“ oder bei „Vorliegen ganz besondere(r) Sachverhalte“ erfolgen, nämlich in Situationen, in denen der Unionsbürger für sich keine andere Wahl sieht als einem Drittstaatsangehörigen, von dem er rechtlich, wirtschaftlich oder affektiv abhängig ist, bei der Ausreise zu folgen oder sich zu ihm ins Ausland zu begeben und deshalb das Unionsgebiet zu verlassen.
250Vgl. EuGH, Urteile vom 5. Mai 2022 - C-451/19 und C-532/19 (Subdelegación del Gobierno en Toledo gegen XU u. gegen QP) -, juris, Rn. 45 ff., und vom 8. Mai 2018 - C-82/16 (K.A. u.a.) -, juris, Rn. 51 f. m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2018 - 1 C 16/17 -, juris, Rn. 34 f.
251Nach jüngerer Rechtsprechung des EuGH besteht Anlass zu der widerlegbaren Vermutung, dass zwischen einem minderjährigen Unionsbürger und seinem drittstaatsangehörigen Elternteil ein Abhängigkeitsverhältnis unabhängig davon besteht, dass sein anderer Elternteil als Staatsangehöriger des Mitgliedstaats, in dem die Familie lebt, über ein nicht an Bedingungen geknüpftes Recht verfügt, sich in diesem Mitgliedstaat aufzuhalten – wie vorliegend Frau B1. B2. und Frau Q. als deutsche Staatsbürgerinnen –, wenn der minderjährige Unionsbürger mit beiden Elternteilen dauerhaft zusammenlebt und sich diese daher täglich das Sorgerecht sowie die rechtliche, finanzielle und affektive Sorge für ihn teilen.
252Vgl. EuGH, Urteil vom 5. Mai 2022 - C-451/19 und C-532/19 (Subdelegación del Gobierno en Toledo gegen XU u. gegen QP) -, juris, Rn. 69.
253Ein solches „unionsrechtliches Aufenthaltsrecht eigener Art“, hat zur Folge, dass eine Aufenthaltsbeendigung nur möglich ist, wenn von dem so Aufenthaltsberechtigten eine tatsächliche gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit ausgeht, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, und die Aufenthaltsbeendigung unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls, des Kindeswohls und der Grundrechte verhältnismäßig ist.
254Vgl. EuGH, Urteil vom 8. Mai 2018 - C-82/16 (K.A. u.a.) -, juris, Rn. 92 f.; OVG Bremen, Beschluss vom 8. Januar 2021 - 2 B 235/20 -, juris, Rn. 27.
255Nach diesen Maßgaben kommt dem Antragsteller kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht eigener Art aus Art. 20 AEUV zu, da keine Abhängigkeit seiner deutschen Kinder von ihm in der Form besteht, dass sie sich gezwungen sehen werden, ihm in den Irak zu folgen. Unabhängig davon, ob mit Blick auf die derzeitige Inhaftierung des Antragstellers und die zuvor jedenfalls zeitweise gegebene häusliche Gemeinschaft mit seinen Kindern eine Vermutung für ein derartiges Abhängigkeitsverhältnis eingreift, wäre eine solche Vermutung hier jedenfalls widerlegt. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkenntnisse zur Vater-Kind-Beziehung geht das Gericht davon aus, dass eine solche Abhängigkeit nicht besteht. Für die Kinder aus der Beziehung mit Frau Q. gilt dies bereits mit Blick darauf, dass diese zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt keinen Kontakt zum Antragsteller haben. Soweit die Kinder G. , B3. und B4. betroffen sind, ist trotz des durchgängigen Kontakts zum Antragsteller nicht von einer Abhängigkeit dieser Kinder von ihm im Sinne des Art. 20 AEUV auszugehen. Wie bereits dargelegt, sind die Kinder längere Abwesenheitszeiten des Antragstellers aufgrund der vergangenen Inhaftierungszeiten gewohnt. Daher ist die Kammer davon überzeugt, dass Frau B1. B2. die maßgebliche Bezugsperson der Kinder ist. In Anbetracht dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass die Kinder des Antragstellers im Falle seiner ausweisungsbedingten Ausreise bzw. Abschiebung – auch wenn die Kammer die damit einhergehenden Belastungen für die Kinder nicht verkennt – mit Frau B1. B2. in Deutschland verbleiben werden. Dafür spricht nicht zuletzt auch die von Frau B1. B2. gegenüber dem Jugendamt des Antragsgegners ausweislich dessen Stellungnahme vom 00. Februar 2024 getroffene Aussage, dass die Kinder in Deutschland fest integriert seien und nur deutsch sprächen, weshalb sie sich eine Umsiedlung in den Irak für sich und ihre Kinder nicht vorstellen könne.
256Selbst wenn – selbständig tragend – ein Aufenthaltsrecht des Antragstellers aus Art. 20 AEUV unterstellt wird, ist seine Ausweisung verhältnismäßig, wofür auf die obigen Ausführungen zur Abwägung verwiesen wird. Auch unter ergänzender Berücksichtigung des zu Art. 20 AEUV dargelegten Maßstabes überwiegt das öffentliche Interesse an der Ausweisung des Antragstellers seine Bleibeinteressen und erweist sich die Ausweisung als verhältnismäßig.
257b) Ziffer 4 der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 00. September 2023, wonach der Aufenthalt des Antragstellers außer zur Erfüllung seiner in Ziffer 5 verfügten Meldepflicht räumlich auf die Stadt U1. beschränkt wird, erweist sich nach summarischer Prüfung ebenfalls als rechtmäßig. Diese Maßnahme findet ihre Rechtsgrundlage in § 56 Abs. 2 AufenthG, wonach der Aufenthalt eines Ausländers, gegen den – wie gegen den Antragsteller – eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses u.a. nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG besteht, auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt ist, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft. Während die in dieser Norm enthaltene Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde kraft Gesetzes entsteht, ermächtigt die Norm die Ausländerbehörde, diese räumliche Beschränkung im pflichtgemäßen Ermessen zu modifizieren.
258Vgl. etwa Schleswig-Holsteinisches VG, Urteil vom 19. Oktober 2022 - 11 A 10/20 -, juris, Rn. 72; VG Würzburg, Urteil vom 26. Juli 2021 - W 7 K 20.613 -, juris, Rn. 49; Fleuß, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, § 56 Rn. 39 ff. (Stand: 1. Januar 2024); Neidhardt, in: HTK-AuslR / § 56 AufenthG, Rn. 86 ff., Stand: 03.02.2022.
259Ermessensfehler des Antragsgegners bei der Anordnung der gegenüber der gesetzlichen Regelung auf das Gebiet der Stadt U1. modifizierten räumlichen Beschränkung sind nicht erkennbar. Die Maßnahme ist insbesondere geeignet, um einen Rückfall des Antragstellers in die islamistisch-salafistische Szene zu erschweren. Die Erwägungen des Antragsgegners, wonach der Antragsteller selbst angeführt habe, dass ihn „in U1. keiner kenne“, dürften der Sache nach insbesondere mit Blick auf den außerordentlich hohen Rang der durch den Antragsteller gefährdeten Rechtsgüter nicht zu beanstanden sein. Zwar ist seine Wohnanschrift in U1. nach den Erkenntnissen aus dem gegen ihn geführten Strafverfahren einigen anderen Szenemitgliedern bekannt geworden. Das Risiko, dass der Antragsteller – ob ungewollt oder bewusst – auf Mitglieder der islamistischen Szene trifft, ist dennoch geringer, wenn sein räumlicher Bewegungsradius entsprechend beschränkt ist. Das Interesse des Antragstellers, Besuchskontakte zu seiner in Niedersachsen lebenden Zweitfrau und den gemeinsamen Kindern aufzunehmen, hat der Antragsgegner bei Erlass der Verfügung berücksichtigt und ihn diesbezüglich in voraussichtlich nicht zu beanstandender Weise auf die Möglichkeit der Erteilung einer Verlassenserlaubnis nach § 12 Abs. 5 AufenthG verwiesen.
260Der Antragsgegner hat diese Anordnung als Dauerverwaltungsakt – insbesondere bei länger andauernder Unmöglichkeit der Aufenthaltsbeendigung – unter Kontrolle zu halten,
261vgl. zur Vorgängervorschrift des § 54a Abs. 1 und 2 AufenthG BVerwG, Urteil vom 30. Juli 2013 - 1 C 9/12 -, juris, Rn. 29,
262und wird dabei je nach Entwicklung der Sachlage etwaige Lockerungen der Beschränkung zu erwägen haben. Dies kann etwa für den Fall in Betracht zu ziehen sein, dass der Antragsteller – etwa im Rahmen eines offenen Vollzuges oder bei vorzeitiger Entlassung – ein konkret vorliegendes Arbeitsplatzangebot außerhalb von U1. benennen sollte.
263c) Auch die in Ziffer 5 der Ordnungsverfügung vom 00. September 2023 verfügte Verpflichtung des Antragstellers, sich einmal täglich bei der polizeilichen Dienststelle in L4. zu melden, ist voraussichtlich nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner kann diese Anordnung auf § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG stützen. Nach dieser Vorschrift unterliegt ein Ausländer, gegen den – wie im Falle des Antragstellers – eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses u.a. nach § 54 Absatz 1 Nr. 2 AufenthG besteht, der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Auch diesbezüglich besteht nach der Gesetzeskonzeption die Möglichkeit der Ausländerbehörde, die kraft Gesetzes entstehende wöchentliche Meldepflicht durch Verwaltungsakt zu modifizieren.
264Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Oktober 2018 - 18 B 895/16 -, juris, Rn. 21.
265Dabei dient diese Regelung der Gefahrenabwehr. Durch die Bestimmung soll die Gefahr einer Weiterführung von Handlungen im Vorfeld des Terrorismus eingedämmt werden, die von den nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 AufenthG ausgewiesenen Ausländern ausgeht. Dies gilt auch in den Fällen, in denen mit einer baldigen Aufenthaltsbeendigung nicht zu rechnen ist. Zudem dient die Meldepflicht nach der gesetzlichen Konzeption jedenfalls auch dem Zweck, die Anwesenheit im Bereich der räumlichen Beschränkung des Aufenthalts regelmäßig zu kontrollieren. Dabei hat die Ausländerbehörde den mit der Meldepflicht verbundenen Grundrechtseingriff unter Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit zu beschränken und – insbesondere bei länger andauernder Unmöglichkeit der Aufenthaltsbeendigung – unter Kontrolle zu halten.
266Vgl. BayVGH, Beschluss vom 3. April 2020 - 19 CS 18.1704 -, juris, Rn. 34; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 19. Juli 2019 - 11 S 1631/19 -, juris, Rn. 44; OVG NRW, Beschluss vom 23. Oktober 2018 - 18 B 895/16 -, juris, Rn. 46 ff. m.w.N.; VG Karlsruhe, Urteil vom 17. Januar 2023 - 8 K 702/21 -, juris, Rn. 136; zur Vorgängerregelung in § 54a Abs. 1 AufenthG BVerwG, Urteil vom 30. Juli 2013 - 1 C 9/12 -, juris, Rn. 29.
267Nach diesen Maßgaben erweist sich die Anordnung der täglichen Meldepflicht des Antragstellers nach summarischer Prüfung jedenfalls zum aktuellen Zeitpunkt als ermessensfehlerfrei. Der Antragsgegner hat diese Maßnahme in nicht zu beanstandender Weise mit der Notwendigkeit einer engmaschigen Überwachung des Antragstellers begründet. Er hat insbesondere zutreffend ausgeführt, dass der Antragsteller in der Vergangenheit bei seinen islamistischen Aktivitäten eine erhöhte Mobilität an den Tag gelegt und Veranstaltungen an verschiedenen Orten im Bundesgebiet durchgeführt hat. Die Bestimmung der von der gesetzlichen Konzeption abweichenden täglichen Meldepflicht erschwert dem Antragsteller die Wiederaufnahme derartiger Aktivitäten erheblich. Zudem hat der Antragsgegner zutreffend in seine Ermessensentscheidung einbezogen, dass durch die Anordnung der täglichen Meldepflicht die Kontrolle der Einhaltung der räumlichen Aufenthaltsbeschränkung (Ziffer 4 der Ordnungsverfügung) erleichtert wird.
268Vgl. zum letztgenannten Aspekt BayVGH, Beschluss vom 3. April 2020 - 19 CS 18.1704 -, juris, Rn. 35; OVG NRW, Beschluss vom 23. Oktober 2018 - 18 B 895/16 -, juris, Rn. 44; VG Karlsruhe, Urteil vom 17. Januar 2023 - 8 K 702/21 -, juris, Rn. 137.
269Soweit aus der Bezugnahme (auch) auf § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG gefolgert wird, dass der Gesetzgeber auch in Fällen mit Terrorismusbezug grundsätzlich die wöchentliche Meldepflicht als ausreichend ansieht, um den Überwachungszweck regelmäßig zu erreichen und die Ausländerbehörde bei einer zeitlich engmaschigeren Bestimmung daher nachvollziehbar begründen muss, aus welchen Gründen dies geboten ist, wobei die Effektivität der häufigeren Meldung gegenüber der bloß wöchentlichen Meldung grundsätzlich kein taugliches Argument sein soll,
270vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 12. Juni 2018 - 8 ME 36/18 -, juris, Rn. 21; VG Augsburg, Beschluss vom 12. Dezember 2022 - Au 1 S 22.2157 -, juris, Rn. 32,
271erfüllt die Anordnung in Ziffer 5 auch diese Anforderungen. Mit der Bezugnahme des Antragsgegners auf die erhöhte Mobilität des Antragstellers vor seiner Inhaftierung, der für Predigten und Seminare an vielen verschiedenen Orten in der Bundesrepublik Deutschland aufgetreten ist, hat er nachvollziehbar und bezogen auf den Einzelfall des Antragstellers begründet, warum eine häufigere als eine wöchentliche Kontrolle vorliegend geboten ist. Eine etwaige Wiederaufnahme entsprechender Tätigkeiten in der islamistischen Szene durch den Antragsteller, die letztlich zu abermaligen terroristischen Aktivitäten führen könnte, wird dadurch deutlich erschwert.
272Soweit der Antragsteller schließlich ausgeführt hat, dass die Meldepflicht die Wiederherstellung der Vater-Kind-Beziehung zu seinen in Niedersachsen lebenden Kindern um ein Vielfaches erschwere, da sie ihm aufgrund der Fahrtdauer mit öffentlichen Verkehrsmitteln den Besuch dieser Kinder unmöglich mache, führt dies zu keiner anderen Bewertung. Insoweit hat der Antragsgegner zutreffend ausgeführt, dass die Kinder den Antragsteller in U1. besuchen können. Zudem ist gerade mit Blick auf etwaige Besuche des Antragstellers bei seinen Kindern in Niedersachsen zu berücksichtigen, dass deren Wohnort in Lamspringe (weiterhin) räumlich nah am Haupttätigkeitsort des Antragstellers während seiner Tätigkeit für den IS, nämlich I. , liegt. Dem Interesse des Antragstellers an einem Besuch seiner Kinder stehen daher besonders hohe Risiken einer erneuten Kontaktaufnahme – und sei es im Rahmen einer zufälligen Begegnung – zu ehemaligen Weggefährten entgegen. Soweit der Antragsgegner in seinem Schriftsatz vom 00. Oktober 2023 weiter auf die Möglichkeit einer Verlassenserlaubnis verwiesen hat, deutet dieses Vorbringen aus Sicht des Gerichts im Übrigen darauf hin, dass der Antragsgegner zudem bereit ist, im Rahmen einer solchen Erlaubnis auch einzelfallbezogene Ausnahmen von der Meldepflicht zuzulassen.
273Im Übrigen ist der Antragsgegner – wie bereits zur räumlichen Beschränkung ausgeführt – auch bezüglich der Meldepflicht verpflichtet, seine Anordnung unter Kontrolle zu halten und ggf. anzupassen.
274d) Ziffer 7 der Ordnungsverfügung vom 00. September 2023, wonach dem Antragsteller bis zu seiner Ausreise untersagt wird, EDV-gestützte Kommunikationsmittel, Mobiltelefone aller Art, öffentliche und private Fernsprecher aller Art sowie Faxgeräte aller Art mit Ausnahme eines nicht-internetfähigen Mobiltelefons nach Anzeige der Telefon-, Karten- und IMEI-Nummer sowie eines Mobiltelefons für den Falle der elektronischen Aufenthaltsüberwachung zu nutzen, erweist sich nach summarischer Prüfung ebenfalls als rechtmäßig. Der Antragsgegner kann diese Anordnung auf § 56 Abs. 4 Satz 1 AufenthG stützen. Danach kann der Ausländer u.a. verpflichtet werden, bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Diese Voraussetzungen sind voraussichtlich erfüllt. Der Antragsteller ist u.a. nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ausgewiesen worden. Die Untersagung der Nutzung der genannten Kommunikationsmittel erschwert es ihm, sein staatsgefährdendes Handeln im Falle eines Wiedereintritts in die islamistische Szene aufzunehmen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass er vor seiner Inhaftierung auch in sozialen Netzwerken über eine große Reichweite verfügt hat. Beispielsweise hatten etwa 1.500 Personen im September 2016 seinen Telegram-Kanal „XxxXxxxx0“ abonniert. Zudem verbleiben dem Antragsteller mit dem zugelassenen nicht-internetfähigen Mobiltelefon Kommunikationsmittel. Dabei ist für das Gericht nicht ersichtlich, dass die Beschaffung eines solchen Telefons ihm unmöglich wäre mit der Folge, dass keine Kommunikationsmittel verbleiben. Auch der Antragsteller, der sich (lediglich) auf Beschaffungsschwierigkeiten berufen hat, hat dies nicht vorgebracht. Es ist dem Antragsteller zumutbar, diese Schwierigkeiten zu überwinden.
275Auch ist diese Beschränkung zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die innere Sicherheit und Leib und Leben Dritter notwendig. Nach den obigen Ausführungen besteht die Gefahr, dass der Antragsteller (abermals) aufgrund einer erneuten Einbindung in die islamistische Szene Staatsschutzdelikte begeht und etwa auch – wie zuvor – zur Begehung von Anschlägen in der Bundesrepublik Deutschland aufruft, die das Leib und Leben einer unbestimmten Vielzahl von Dritten gefährden. Zur Abwehr dieser Gefahr ist insbesondere in Ansehung des Umstandes, dass der Antragsteller nach den Feststellungen des OLG D1. vor seiner Festnahme über eine reichweitenstarke Präsenz in sozialen Netzwerken verfügte, ein milderes Mittel nicht ersichtlich. Gerade Kontakte in sozialen Medien und über andere Fernkommunikationsmittel ermöglichten es dem Antragsteller, im Falle von – insbesondere durch den psychologischen Fachbericht nachvollziehbar aufgezeigten – Frustrationserlebnissen nach seiner Haftentlassung niedrigschwellig Kontakt zu Unterstützern aufzunehmen.
276Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass die Nutzung der elektronischen Kommunikationsmittel in der Form von Messengerdiensten, Chatforen und ähnlichen Einrichtungen für Personen im Umfeld des internationalen Terrorismus eine wichtige Plattform zur Verbreitung von Sympathiewerbung und Propaganda darstellt, wobei die systemimmanenten Schwierigkeiten der Überwachung durch staatliche Sicherheitsorgane bewusst ausgenutzt werden. Gerade wegen der genannten Überwachungsprobleme ergeben sich erhebliche Beeinträchtigungen der effektiven staatlichen Gefahrenabwehr.
277Vgl. VG Würzburg, Urteil vom 26. Juli 2021 - W 7 K 20.613 -, juris, Rn. 53.
278Schließlich erweist sich die Maßnahme in ihrer konkreten Ausgestaltung auch – jedenfalls für den Zeitraum unmittelbar nach einer möglichen Haftentlassung – angesichts der dargestellten erheblichen Gefahren als verhältnismäßig im engeren Sinne. Insbesondere ist es dem Antragsteller weiterhin möglich, mit seiner Familie in Niedersachsen mit dem erlaubten nicht internet-fähigen Mobiltelefon zu telefonieren. Dabei ist nicht ersichtlich, dass er zur Wiederherstellung eines Erstkontaktes – wie von ihm vorgetragen – auf Videotelefonate mit seinen Kindern angewiesen ist und dieser nicht auch über herkömmliche Telefonate erfolgen kann. Im Übrigen ist es dem Antragsteller zumutbar, Hilfe seiner Familie in Anspruch zu nehmen, soweit für Angelegenheiten des täglichen Lebens Zugang zum Internet erforderlich ist. Insoweit ist etwa denkbar, dass seine Ehefrau T. B1. B2. oder seine volljährige Tochter P. B1. B2. für ihn tätig werden. Schließlich wird der Antragsgegner auch insoweit die Entwicklung nach Haftentlassung abzuwarten und die Maßnahmen ggf. entsprechend anzupassen haben.
279e) Rechtliche Bedenken gegen die in Ziffer 8 der Ordnungsverfügung vom 6. September 2023 verfügte Androhung unmittelbaren Zwangs für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die räumliche Aufenthaltsbeschränkung gemäß Ziffer 4 der Verfügung bestehen nicht. Diese Maßnahme findet ihre rechtliche Grundlage in §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 3, 62, 69 VwVG NRW. Insbesondere ist die Annahme des Antragsgegners nach summarischer Prüfung nicht zu beanstanden, dass andere Zwangsmittel nicht in Betracht kommen oder keinen Erfolg versprechen oder unzweckmäßig sind (vgl. § 62 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW), vor allem mit Blick auf die fehlende Eignung des Zwangsgeldes zur Erreichung des Zweckes der Aufenthaltsbeschränkung.
280Ferner ist auch die in den Ziffern 9 bzw. 11 der Ordnungsverfügung enthaltene Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 100,- Euro für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die in Ziffer 5 der Verfügung auferlegte Meldepflicht bzw. das in Ziffer 7 der Verfügung enthaltene Verbot der Nutzung von Kommunikationsmitteln nicht zu beanstanden. Diese Maßnahmen finden ihre rechtliche Grundlage in den §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60 Abs. 1 Satz 1, 63 VwVG NRW. Bedenken gegen die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes, die sich im unteren Bereich des von § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW eröffneten Rahmens bewegt und bei deren Bestimmung der Antragsgegner die wirtschaftliche Situation des Antragstellers berücksichtigt hat, bestehen ebenfalls nicht.
2812. Erweist sich die Ordnungsverfügung vom 00. September 2023 im hier streitgegenständlichen Umfang als rechtmäßig, besteht für die Ausweisung – ungeachtet des Umstandes, dass die ausweisungsbedingte Abschiebungsandrohung aufgrund des durch den Antragsteller gestellten Folgeantrages derzeit nicht vollziehbar ist (dazu sogleich unter C.) –, die räumliche Aufenthaltsbeschränkung und die Meldeauflage,
282soweit dies bezüglich der letzteren, auf § 56 Abs. 1 bzw. Abs. 2 AufenthG gestützten, Maßnahmen, die bei ihrem Erlass am 6. September 2023 auf der Grundlage von § 56 Abs. 5 AufenthG a.F. nicht kraft Gesetzes sofort vollziehbar waren, nunmehr aber von der sofortigen Vollziehbarkeit in § 56 Abs. 5 AufenthG n.F. erfasst werden, noch erforderlich sein sollte,
283auch ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung. Für die Ausweisung als Maßnahme spezifischer Gefahrenabwehr ist ein solches regelmäßig dann zu bejahen, wenn die auf Tatsachen gestützte, begründete Besorgnis besteht, die von dem Ausländer ausgehende, mit der Ausweisung bekämpfte Gefahr werde sich schon vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens realisieren.
284Vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2005 - 2 BvR 485/05 -, juris, Rn. 22; OVG NRW, Beschluss vom 6. Juli 2022 - 18 B 632/22 -, juris, Rn. 49.
285So liegt es im Falle des Antragstellers, da nach den obigen Ausführungen die Gefahr besteht, dass er sich im Bundesgebiet bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens erneut der islamistischen Szene anschließt und in der Folge abermals Staatsschutzdelikte begeht.
286Ebenso zu einem früheren IS-Kämpfer auch OVG Bremen, Beschluss vom 9. Dezember 2020 - 2 B 240/20 -, juris, Rn. 50.
287Etwas anderes gilt auch nicht aufgrund des Umstandes, dass sich der Antragsteller derzeit in der JVA X. X befindet und diese die Verlegung des Antragstellers in den offenen Vollzug mit Beschluss vom 00. Januar 2024 abgelehnt hat. Denn auch wenn der Antragsteller sich derzeit weiterhin im geschlossenen Vollzug befindet, besteht die Möglichkeit, dass dem Antragsteller künftig – vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens – Lockerungen, namentlich eine Verlegung in den offenen Vollzug, gewährt werden, die ihm die Kontaktaufnahme zur islamistischen Szene bzw. dieser Szene die Kontaktaufnahme zu ihm ermöglichen könnten. Zudem ist mit Blick auf den hohen Rang der durch den Antragsteller gefährdeten Rechtsgüter auch insoweit nach allgemeinen gefahrenabwehrrechtlichen Grundsätzen eine geringere Wahrscheinlichkeit der Gefahrverwirklichung vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens ausreichend. Aus diesen Erwägungen heraus besteht auch für die Anordnung des Sofortvollzuges der räumlichen Aufenthaltsbeschränkung und der Meldepflicht ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse.
288B. Dem Antrag bleibt ebenfalls der Erfolg versagt, soweit der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Bestimmung des unbefristeten ausweisungsbedingten Einreise- und Aufenthaltsverbotes begehrt (Ziffer 3 der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 00. September 2023).
289Mit Blick auf die nach den vorstehenden Ausführungen gegebene voraussichtliche Rechtmäßigkeit der Ausweisung bestehen keine rechtlichen Bedenken in Bezug auf die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbotes als solcher. Insoweit ist auch den Vorgaben des Unionsrechts nach Art. 3 Abs. 6 RL 2008/115/EG,
290vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Februar 2022 - 1 C 6/21 -, juris, Rn. 51 ff.,
291Genüge getan, indem der Antragsgegner das Einreise- und Aufenthaltsverbot zusammen mit der Abschiebungsandrohung als Rückkehrentscheidung erlassen hat.
292Soweit sich der Antragsteller gegen die auf § 11 Abs. 5b Satz 2 AufenthG gestützte Anordnung eines unbefristeten Einreise- und Aufenthaltsverbotes wendet, ist sein Eilantrag indes unzulässig. Zwar kommt (auch) der Klage gegen diese Anordnung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 84 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG keine aufschiebende Wirkung zu. Jedoch fehlt es dem Antragsteller am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Die Frage der Rechtmäßigkeit des unbefristeten Verbotes kann im Hauptsacheverfahren geklärt werden.
293Denn selbst bei unterstellter ermessensfehlerhafter Befristung ist – vor dem Hintergrund der von dem Antragsteller ausgehenden Gefahren und angesichts der Schwere des Ausweisungsinteresses – nicht ersichtlich, dass auch im Falle einer neu vorgenommenen ermessensfehlerfreien Befristung das Einreise- und Aufenthaltsverbot, auch unter Berücksichtigung der familiären Bindungen des Antragstellers, die Dauer des Hauptsacheverfahrens unterschreiten würde.
294Hierzu auch VG Bremen, Beschlüsse vom 16. April 2024 - 4 V 424/24 -, juris, Rn. 49, und vom 13. Juli 2020 - 2 V 199/20 -, juris, Rn. 67, bestätigt durch OVG Bremen, Beschluss vom 9. Dezember 2020 - 2 B 240/20 -, juris, Rn. 51.
295Dies gilt insbesondere mit Blick darauf, dass die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 5a Satz 1 AufenthG 20 Jahre betragen soll, wenn der Ausländer – wie der Antragsteller – zur Abwehr einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde.
296C. Der Antrag hat hingegen Erfolg, soweit er sich gegen die Abschiebungsandrohung in Ziffer 2 der Ordnungsverfügung vom 00. September 2023 richtet. Er ist zulässig, insbesondere als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO statthaft, weil der Klage gegen die Regelung der Ausreisefrist mit Abschiebungsandrohung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO i. V. m. § 112 JustG NRW kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zukommt.
297Der Antrag erweist sich auch als begründet, weil das Aussetzungsinteresse des Antragstellers diesbezüglich das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsandrohung überwiegt.
298Zwar dürfte sich die auf § 59 AufenthG gestützte Abschiebungsandrohung zum Entscheidungszeitpunkt als rechtmäßig erweisen. Nach dieser Norm ist die Abschiebung unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen, wenn keine Abschiebungsverbote vorliegen und der Abschiebung weder das Kindeswohl noch familiäre Bindungen noch der Gesundheitszustand des Ausländers entgegenstehen.
299Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Antragsteller ist zum Entscheidungszeitpunkt trotz der Stellung seines Asylfolgeantrags weiter ausreisepflichtig (vgl. § 50 Abs. 1 AufenthG). Insbesondere liegt (derzeit) keine Aufenthaltsgestattung im Sinne von § 55 AsylG vor. Denn ein Asylfolgeantrag löst – bis zur Einleitung eines weiteren Asylverfahrens durch das Bundesamt, worüber zum Entscheidungszeitpunkt nach der telefonischen Auskunft des Bundesamtes vom 00. Mai 2024 noch nicht entschieden ist – die Aufenthaltsgestattung des § 55 Abs. 1 AsylG nicht aus.
300Vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15. April 2021 - 12 S 2505/20 -, juris, Rn. 94; OVG Lüneburg, Beschluss vom 25. O1. 2019 - 13 ME 331/19 -, juris, Rn. 14 m.w.N.
301Daher bedarf es hier keiner Entscheidung, welche Auswirkungen die Erteilung einer Aufenthaltsgestattung auf die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung hätte.
302Vgl. zu dieser Streitfrage VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15. März 2024 - 12 S 392/24 -, juris, Rn. 6 ff.
303Zudem stehen nach den obigen Ausführungen zur Ausweisung, die auch im Rahmen der Abschiebungsandrohung Geltung beanspruchen, weder Abschiebungsverbote noch das Wohl der minderjährigen Kinder des Antragstellers oder seine sonstigen familiären Bindungen der Abschiebung als Duldungsgründe entgegen. Soweit er sich darauf beruft, dass ihm im Falle einer Abschiebung u.a. die Folter durch den irakischen Staat droht, gilt auch hinsichtlich der Abschiebungsandrohung, dass dies als zielstaatsbezogener Aspekt, der potentiell zur Zuerkennung internationalen Schutzes bzw. eines nationalen Abschiebungsverbotes führen kann, durch das Gericht im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen ist. Auch insoweit besteht für Gericht und Ausländerbehörde eine Bindungswirkung gemäß §§ 6 Satz 1, 42 AsylG an die Entscheidungen des Bundesamtes vom 00. Oktober 2001 und vom 00. April 2005.
304Die Bestimmung einer Ausreisefrist für den Fall, dass sich der Antragsteller in Haft befindet, war gemäß §§ 59 Abs. 5, 58 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG entbehrlich. Soweit der Antragsgegner dem Antragsteller für den Fall der Haftentlassung eine Frist von sieben Tagen ab dem Zeitpunkt der Haftentlassung eingeräumt hat, ist diese Frist angesichts der vom Antragsteller ausgehenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung und den vom Antragsgegner angestellten Ermessenserwägungen nicht zu beanstanden.
305Jedoch überwiegt ungeachtet dessen das Aussetzungsinteresse des Antragstellers, da er trotz fehlender Aufenthaltsgestattung aufgrund der Stellung seines Asylfolgeantrags derzeit nicht in den Irak abgeschoben werden darf. § 71 Abs. 5 Satz 3 AsylG in der aktuellen Fassung, zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung (Rückführungsverbesserungsgesetz) vom 21. Februar 2024 (BGBl. Teil I 2024, Nr. 54), sieht nämlich vor, dass die Abschiebung eines Ausländers nach der Stellung eines Asylfolgeantrages – außer in den hier nicht einschlägigen, von § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG n.F. erfassten Fällen – erst nach Ablauf der Frist des § 74 Abs.1, 2. Hs. AsylG und im Fall eines innerhalb der Frist gestellten Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO erst nach der gerichtlichen Ablehnung dieses Antrags vollzogen werden darf. Selbst im Fall der Ablehnung dieses Asylantrags als unzulässig gemäß § 29 Abs. 1 Ziffer 5 AsylG darf eine Abschiebung des Antragstellers mithin nicht vor Bekanntgabe der Entscheidung des Bundesamtes über seinen Asylfolgeantrag und bei Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes vor Entscheidung im gerichtlichen Eilverfahren vollzogen werden. Daneben spricht weiterhin für ein Überwiegen des Aussetzungsinteresses im Entscheidungszeitpunkt, dass nach Angaben des Antragsgegners im Rahmen der Passersatzpapier-Beschaffung vom 4. Oktober 2023 (Beiakte Heft 2, Bl. 1854) das Einverständnis der Staatsanwaltschaft mit dem Absehen von der weiteren Vollstreckung der Freiheitsstrafe des Antragstellers nach § 456a StPO, das Voraussetzung für eine Abschiebung des Antragstellers vor Ablauf seiner Haftzeit ist, bislang nicht vorliegt. Es ist auch weder vom Antragsgegner mitgeteilt worden, dass dieses Einverständnis zwischenzeitlich erteilt worden ist, noch ist dies sonst, etwa aus dem übersandten Vollstreckungsheft, ersichtlich. Sollten die Voraussetzungen des § 71 Abs. 5 Satz 3 AsylG n.F. vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens eintreten und die Staatsanwaltschaft das Einverständnis nach § 456a StPO erteilen, ist es dem Antragsgegner unbenommen, einen Abänderungsantrag nach § 80 Abs. 7 VwGO zu stellen.
306Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Angesichts der Vielzahl der streitgegenständlichen Regelungen kommt der Frage der Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung nur untergeordnete Bedeutung zu. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Das Gericht hat dabei unter Berücksichtigung von Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 für die Ausweisung mitsamt Abschiebungsandrohung und Einreise- und Aufenthaltsverbot, die räumliche Aufenthaltsbeschränkung, die Meldepflicht und das Verbot der Nutzung bestimmter Kommunikationsmittel jeweils die Hälfte des Auffangstreitwertes angesetzt.
307Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2. Dezember 2021 - 18 A 2230/21 -, juris, Rn. 134.
308Die Zwangsmittelandrohungen hat das Gericht in Anlehnung an Ziffer 1.7.2 des Streitwertkataloges für die Bemessung des Streitwertes außer Betracht gelassen.
309Rechtsmittelbelehrung:
310(1) Gegen die Entscheidung über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet.
311Auf die seit dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
312Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) eingeht.
313Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
314Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sind durch einen Prozessbevollmächtigten einzureichen. Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
315Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sollen möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
316(2) Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
317Auf die seit dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
318Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
319Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
320Die Beschwerdeschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
321War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.