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Bei der Frage der Zumutbarkeit der Ableistung des Wehrdienstes in Aserbaidschan zur Beschaffung eines aserbaidschanischen Nationalpasses bei einem in Deutschland aufgewachsenen aserbaidschanischen Staatsangehörigen ist ein strenger Maßstab anzulegen.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
2Der am 0. G. 1999 geborene Kläger ist aserbaidschanischer Staatsangehöriger. Er reiste erstmals am 00. April 2002 gemeinsam mit seiner Mutter und seiner Schwester in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte sodann am 00. April 2002 beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) seine Anerkennung als Asylberechtigter. Mit Bescheid vom 00. Juni 2002 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als offensichtlich unbegründet ab.
3Am 0. September 2014 erteilte der Landrat des Beklagten dem Kläger erstmals eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG.
4Am 00. Oktober 2016 legte der Kläger dem Beklagten einen am selben Tag ausgestellten und bis zum 00. Oktober 2021 gültigen aserbaidschanischen Reisepass vor.
5Am 00. August 2021 erteilte der Beklagte dem Kläger eine Niederlassungserlaubnis.
6Mit Schreiben vom 0. Juli 2022 wies der Landrat des Beklagten den Kläger darauf hin, dass die Gültigkeitsdauer seines Passes am 14. Oktober 2021 abgelaufen sei, und forderte ihn auf, binnen 14 Tagen nachzuweisen, dass er einen neuen Pass beantragt habe bzw. sofern er bereits im Besitz eines gültigen Passes sei, einen Termin für die Erteilung, Verlängerung oder Übertragung eines Aufenthaltstitels zu vereinbaren.
7Mit E-Mail vom 00. September 2022 beantragte der Kläger die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer, da es ihm wegen der Kriegssituation nicht möglich sei, nach Aserbaidschan einzureisen.
8Mit Schreiben vom 0. Oktober 2022 wies der Landrat des Beklagten den Kläger darauf hin, dass die Erteilung eines Reiseausweises für Ausländer nur in Betracht komme, wenn die Passbeschaffung unzumutbar sei. Dies habe der Kläger bislang nicht dargelegt und nachgewiesen. Der Kläger wurde dazu aufgefordert, bei der aserbaidschanischen Auslandsvertretung im Bundesgebiet einen Termin zur Verlängerung bzw. Neuausstellung seines Reisepasses zu vereinbaren.
9Mit E-Mail vom 00. Oktober 2022 übersandte der Kläger ein Schreiben der Botschaft der Republik Aserbaidschan in Berlin vom 00. November 2021, wonach bestätigt werde, dass nach den geltenden Vorschriften der Republik Aserbaidschan über die Wehrpflicht die männlichen Personen zwischen 18 und 35 Jahren wehrpflichtig seien. Zur Beantragung eines aserbaidschanischen Reisepasses müssten die aserbaidschanischen Staatsangehörigen im o. g. Jahresalter entweder einen Wehrpass oder eine Aufschubbescheinigung vom Wehrdienst vorlegen. Die Befreiung vom Wehrdienst sei aufgrund der Gesundheitsstörungen möglich. Die Feststellung des Gesundheitszustandes sei nur in Aserbaidschan beim entsprechenden Kommissariat für Mobilisierung und Wehrdienst in der Republik Aserbaidschan möglich. Der Kläger sei weder im Besitz eines Wehrpasses noch einer Aufschubbescheinigung. Von daher sei die Ausstellung eines aserbaidschanischen Reisepasses über die Konsularabteilung der Botschaft der Republik Aserbaidschan zurzeit nicht möglich.
10Mit Schreiben vom 00. Januar 2023 hörte der Landrat des Beklagten den Kläger zu der beabsichtigten Ablehnung des Antrages auf Erteilung eines Reiseausweises für Ausländer an.
11Mit E-Mail vom 00. Februar 2023 nahm der Kläger den Antrag auf Erteilung eines Reiseausweises für Ausländer zurück.
12Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 00. April 2023 beantragte der Kläger erneut die Erteilung eines Reiseausweises für Ausländer. Zur Begründung führte er aus, die Wehrpflicht betrage in Aserbaidschan 18 Monate. Die Ausreise für mehr als 18 Monate sei ihm jedoch aus persönlichen Gründen nicht zumutbar. Er sei bereits im Alter von zwei Jahren nach Deutschland eingereist und kenne sein Heimatland nur durch Urlaubsaufenthalte. Er habe eine Niederlassungserlaubnis erhalten. Zudem befänden sich seine sämtlichen persönlichen Kontakte in Deutschland. Er stehe ferner in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis. Sollte er zunächst seine Wehrpflicht erfüllen müssen, sei der erreichte Besitzstand gefährdet. Darüber hinaus lehne er den Wehrdienst für eine Regierung ab, die das Land autoritär führe und Menschenrechte missachte. Es gebe in Aserbaidschan keine Möglichkeit, einen Ersatzdienst zu leisten.
13Mit Schreiben vom 00. April 2023 hörte der Landrat des Beklagten den Kläger zu der beabsichtigten Ablehnung seines Antrages auf Erteilung eines Reiseausweises für Ausländer an.
14Mit Ordnungsverfügung vom 00. Juli 2023, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt gegen Empfangsbekenntnis am 00. Juli 2023, lehnte der Landrat des Beklagten den Antrag des Klägers auf Erteilung eines Reiseausweises für Ausländer ab (Ziffer I.) und setzte für die Bearbeitung des Antrages eine Gebühr in Höhe von 100,- EUR fest (Ziffer II.). Zur Begründung führte er aus, der Kläger habe nicht nachweisen können, dass er einen Pass oder Passersatz nicht in zumutbarer Weise erlangen könne. Grundsätzlich seien Ausnahmeregelungen oder ein Aufschub der Wehrpflicht möglich. Es sei jedoch nicht erkennbar, dass sich der Kläger um eine solche Ausnahmeregelung bemüht habe. Eine generelle Unzumutbarkeit der Wehrpflicht sei jedoch nicht gegeben. Der Kläger habe keine in seiner Person liegenden Gründe für einen Ausnahmefall begründende Umstände dargelegt und nachgewiesen. Glaubhafte konkrete Nachweise dafür, dass der Kläger den Wehrdienst für die Republik Aserbaidschan ablehne, habe er nicht vorgelegt. Darüber hinaus sei der Kläger zwar im Alter von drei Jahren nach Deutschland eingereist. Aufgrund des Aufwachsens mit seiner älteren Schwester im Haushalt der Eltern erscheine es jedoch lebensnah, dass er neben der deutschen auch die aserbaidschanische Sprache beherrsche. Auch habe der Kläger im Januar 2023 seine Berufsausbildung abgeschlossen, sodass eine Unterbrechung der Ausbildung, die eine unzumutbare Härte begründen könnte, nicht ersichtlich sei. Auch sei eine längerfristige Ausreise des Klägers von mehr als sechs Monaten nicht mit negativen Auswirkungen auf sein Aufenthaltsrecht verbunden, wenn die Ausreise der Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht im Heimatstaat diene. Ein Ermessen sei mangels entsprechender Ausnahmetatbestände nicht eröffnet, zumal der Kläger die Unzumutbarkeit nicht substantiiert dargelegt und eingehend begründet habe.
15Am 00. August 2023 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor, er sei bislang genau einmal nach Aserbaidschan gereist, um seinen mittlerweile abgelaufenen Reisepass zu beantragen. Ansonsten hätten ihn die jüngsten Ereignisse um C. -L. darin bestärkt, dass seine Ablehnung der Machthaber richtig sei. Eine Einverleibung von C. -L. mit militärischen Mitteln und die Vertreibung der Bevölkerung lehne er ab.
16Der Kläger beantragt,
17den Beklagten zu verpflichten, ihm unter Aufhebung der Ordnungsverfügung vom 00. Juli 2023 einen Reiseausweis für Ausländer auszustellen.
18Der Beklagte beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Zur Begründung nimmt er Bezug auf die Begründung der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung und führt weiter aus, es sei bislang unklar, ob der Kläger einen Wehrdienst ableisten müsse, da eine förmliche Einberufung bislang nicht vorliege. Es sei nicht nachgewiesen, dass der Kläger überhaupt wehrdiensttauglich sei und ihm die Einberufung drohe. Auch sei nicht geklärt, ob er eine der diversen Möglichkeiten eines Aufschubs des Wehrdienstes nutzen könne. Dass dem Kläger nicht eine zeitweise Abwesenheit zur Wehrdienstregistrierung/Musterung möglich sei, sei nicht ersichtlich. Weiterhin bediene sich der Kläger pauschaler Verweise, nunmehr auf die aktuellen Ereignisse zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Region C. -L. , um seine Unwilligkeit bezüglich der Ableistung eines Wehrdienstes für seinen Herkunftsstaat zu begründen, hierbei aber weiterhin auf eine Vertiefung des geltend gemachten Gewissenskonfliktes verzichte. Auch die aktuellen Ereignisse ließen in diesem Kontext keine andere Entscheidung zu, insbesondere da – zumindest von der „unterlegenen“ Seite – nunmehr ein Friedensabkommen und somit eine friedliche Lösung des Konfliktes angestrebt werde.
21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen.
22Entscheidungsgründe:
23Das Gericht entscheidet gemäß § 6 Abs. 1 VwGO durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin, weil ihr die Kammer den Rechtsstreit mit Beschluss vom 13. Dezember 2023 zur Entscheidung übertragen hat.
24Die als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die Ordnungsverfügung des Landrates des Beklagten vom 00. Juli 2023 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer.
25Nach § 6 Satz 1Nr. 1 AufenthV darf im Inland ein Reiseausweis für Ausländer nach Maßgabe des § 5 AufenthV ausgestellt werden, wenn der Ausländer u. a. – wie hier der Kläger – eine Niederlassungserlaubnis besitzt. Gemäß § 5 Abs. 1 AufenthV kann einem Ausländer, der nachweislich keinen Pass oder Passersatz besitzt und ihn nicht auf zumutbare Weise erlangen kann, nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen ein Reiseausweis für Ausländer ausgestellt werden.
26Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zwar besitzt der Kläger derzeit nachweislich keinen Pass oder Passersatz mehr, nachdem sein aserbaidschanischer Nationalpass am 00. Oktober 2021 abgelaufen ist. Allerdings kann der Kläger vorliegend einen aserbaidschanischen Nationalpass auf zumutbare Weise erlangen. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass der Kläger vor der Ausstellung eines Reisepasses durch die aserbaidschanischen Behörden zunächst den 18-monatigen Wehrdienst in Aserbaidschan ableisten müsste.
27Nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 AufenthV gilt als zumutbar im Sinne des Absatzes 1 insbesondere die Wehrpflicht, sofern deren Erfüllung nicht aus zwingenden Gründen unzumutbar ist, und andere zumutbare staatsbürgerliche Pflichten zu erfüllen. Insoweit ist zum einen die Wertung des deutschen Gesetzgebers zu berücksichtigen, wonach die Durchsetzung der vormaligen Wehrpflicht auch ein zwingender Passversagungsgrund sein konnte (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 7 und 8 PassG). Infolgedessen ist es keineswegs ein sachfremder Grund, wenn ein Staat die Passerteilung von der Erfüllung der Wehrpflicht abhängig macht. Zum anderen ist auch die Folge einer Anerkennung der Wehrpflicht als unzumutbar in den Blick zu nehmen. Sie stellt einen Eingriff in die Passhoheit des Heimatstaates dar, der den Ausländer faktisch von der Erfüllung seiner staatsbürgerlichen Pflicht im Heimatstaat freistellt.
28Vgl. VG Münster, Beschluss vom 15. Oktober 2020 – 3 L 747/20 –, juris Rn. 21 ff.; Nieders. OVG, Beschluss vom 4. April 2011 – 13 ME 205/10 –, juris Rn. 8.
29Unter Anlegung des vor diesem Hintergrund gebotenen strengen Maßstabs,
30vgl. Nieders. OVG, Beschluss vom 4. April 2011 – 13 ME 205/10 –, juris Rn. 8,
31ist dem Kläger die Ableistung des Wehrdienstes in Aserbaidschan nicht aus zwingenden Gründen unzumutbar.
32Eine Unzumutbarkeit der Wehrpflicht in der armenischen Armee selbst folgt zunächst nicht aus einer drohenden konkreten Gefährdung des Klägers. Dabei verkennt die Einzelrichterin nicht, dass der Wehrdienst in Aserbaidschan bisweilen möglicherweise gefährlich sein kann. Anhand neuerer Erkenntnisse kann der Wehrdienst in Aserbaidschan aber nicht (mehr) als grundsätzlich gesundheitsgefährdend und teilweise lebensgefährlich bewertet werden.
33Hierzu früher: VG Ansbach, Urteil vom 23. Oktober 2006 – AN 15 K 06.30435 –, juris Rn. 23 f.
34Es ist nicht davon auszugehen, dass ein Wehrdienst im Allgemeinen und für den Kläger persönlich derart gefährlich wäre, dass ihm ein ernsthafter Schaden (der nicht zu den hinzunehmenden allgemeinen Risiken eines Militärdienstes gehört) drohen würde. Denn in den der Einzelrichterin vorliegenden Erkenntnismitteln wird fortwährend nachvollziehbar berichtet, dass sich die Bedingungen in der aserbaidschanischen Armee verbessert hätten und schikanöse Praktiken rückläufig seien. Inzwischen sei eine Telefonhotline für Soldaten eingerichtet worden. Diese könnten sich auf diese Weise beschweren. Die Bedingungen in den Streitkräften hätten sich insgesamt verbessert.
35Vgl. VG Berlin, Urteil vom 12. März 2019 – 35 K 18.19 A –, juris Rn. 43 ff.; United States Department of State, Country Reports on Human Rights Practices für 2017, Azerbaijan, S. 4; United States Department of State, Country Report on Human Right Practices 2015, Azerbaijan.
36Der weitere Einwand des Klägers, er lehne das aserbaidschanische Regime ab, stellt ebenfalls keinen zwingenden Grund für die Unzumutbarkeit der Erfüllung der Wehrpflicht dar.
37Vgl. zur Türkei: VG Berlin, Urteil vom 8. Februar 2012 – 16 K 291.09 –, juris Rn. 20.
38Ungeachtet dessen konnte der Kläger die Einzelrichterin aber auch nicht davon überzeugen, dass bei ihm insoweit ein ernsthafter Gewissenskonflikt vorliegt. Als eine Gewissensentscheidung ist dabei jede ernste sittliche, d. h. an den Kategorien von „Gut“ und „Böse“ orientierte Entscheidung anzusehen, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, sodass er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte.
39Vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Dezember 1960 – 1 BvL 21/60 –, juris Rn. 30.
40Die pauschale Behauptung des Klägers, das Regime in Aserbaidschan abzulehnen, genügt jedoch für sich genommen nicht für die Annahme eines tiefgreifenden Gewissenskonflikts.
41Auch das bestehende unbefristete Arbeitsverhältnis des Klägers als Kaufmann im Einzelhandel bei der Altzschner GmbH in Neukirchen-Vluyn begründet keine Unzumutbarkeit der Ableistung des Wehrdienstes im Ausland. Zwar ist diesbezüglich die in § 12 Abs. 4 Sätze 1 und 2 Nr. 3 lit. e) WPflG getroffene Wertung des deutschen Gesetzgebers zugrunde zu legen. Danach soll ein Wehrpflichtiger auf Antrag vom Wehrdienst zurückgestellt werden, wenn die Heranziehung zum Wehrdienst für ihn wegen persönlicher, insbesondere häuslicher, wirtschaftlicher oder beruflicher Gründe eine besondere Härte bedeuten würde. Eine solche liegt in der Regel vor, wenn die Einberufung des Wehrpflichtigen eine bereits begonnene Berufsausbildung unterbrechen oder die Aufnahme einer rechtsverbindlich zugesagten oder vertraglich gesicherten Berufsausbildung verhindern würde. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Denn der Kläger hat seine Berufsausbildung im Januar 2023 bereits erfolgreich abgeschlossen. Der Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit kommt jedoch nach der Parallelwertung des § 12 Abs. 4 Satz 1 WPflG nur dann der Vorrang vor dem Wehrdienst zu, wenn es sich um eine einmalige und außergewöhnliche Berufschance handelt.
42Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Januar 1993 – 8 C 32.92 –, juris Rn. 9 und Beschluss vom 1. Februar 1996 – 8 C 47.95 –, juris Rn. 3; VG Potsdam, Beschluss vom 13. Dezember 2011 – 8 L 669/11 –, juris Rn. 14.
43Hierfür gibt der vorgelegte Arbeitsvertrag allerdings keine Anhaltspunkte.
44Schließlich droht bei einer 18-monatigen Ausreise des Klägers nach Aserbaidschan zur Ableistung des Wehrdienstes auch nicht die ihm erteilte Niederlassungserlaubnis zu erlöschen. Zwar erlischt der Aufenthaltstitel nach § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG, wenn der Ausländer ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist. Dies gilt nach § 51 Abs. 3 AufenthG jedoch dann nicht, wenn die Frist lediglich – wie hier – wegen Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht im Heimatstaat überschritten wird und der Ausländer innerhalb von drei Monaten nach der Entlassung aus dem Wehrdienst wieder einreist.
45Ohne, dass es für das vorliegende Verfahren entscheidungserheblich darauf ankommt, weist die Einzelrichterin auf Folgendes hin: Bei der entsprechenden Anwendung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 AufenthV im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen für die Ausstellung eines Ausweisersatzes nach § 55 Abs. 1 AufenthV kann nach der Auffassung der Kammer unter dem Gesichtspunkt des fehlenden unmittelbaren Eingriffs in die Passhoheit des Heimatstaates tendenziell ein weniger strenger Maßstab zur Anwendung kommen.
46So auch: Nieders. OVG, Beschluss vom 4. April 2011 – 13 ME 205/10 –, juris Rn. 8.
47Insoweit dürfte für eine Unzumutbarkeit der Ableistung des Wehrdienstes insbesondere sprechen, dass der Kläger keine Bindung mehr zu Aserbaidschan hat und die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit nur noch ein formales Band darstellt. Der Kläger hat bereits im Alter von drei Jahren Aserbaidschan verlassen und ist nach seiner glaubhaften Einlassung in der mündlichen Verhandlung seitdem nur einmal zur Abholung seines mittlerweile abgelaufenen Nationalpasses dorthin zurückgekehrt. Er hat weiter vorgetragen, die aserbaidschanische Sprache nicht fließend zu sprechen, ein Muttersprachler würde merken, dass er nicht in Aserbaidschan aufgewachsen sei.
48Vgl. zu ähnlichen Fällen: VG Münster, Beschluss vom 15. Oktober 2020 – 3 L 747/20 –, juris Rn. 26; OVG Bremen, Beschluss vom 8. Dezember 2020 – 1 B 295/10 –, juris Rn. 8.
49Mit der Ausstellung eines Ausweisersatzes dürfte zudem den vordringlichen Interessen des Klägers – der Möglichkeit des Erwerbs eines Führerscheins und des Bezugs einer eigenen Wohnung – zunächst Rechnung getragen werden können.
50Hinsichtlich der in Ziffer II. der Ordnungsverfügung festgesetzten Gebühr in Höhe von 100,- EUR ist die Klage ebenfalls jedenfalls unbegründet, da Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Festsetzung weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich sind.
51Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
52Rechtsmittelbelehrung:
53Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
54Auf die seit dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
55Die Berufung ist nur zuzulassen,
561. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
572. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
583. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
594. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
605. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
61Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen.
62Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen.
63Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
64Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
65Beschluss:
66Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 bis 3 GKG i. V. m. Nr. 8.4 und Nr. 3.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit auf 5.100,- EUR festgesetzt.
67Rechtsmittelbelehrung:
68Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
69Auf die seit dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
70Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
71Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
72Die Beschwerdeschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
73War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.