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Die fehlende Bindung eines Mitgliedstaates der Europäischen Union an die Richtlinie 2013/32/EU (Asylverfahrensrichtlinie) und an die Richtlinie 2011/95/EU (Anerkennungsrichtlinie) steht einer Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG nicht entgegen, wenn der durch diesen Mitgliedstaat gewährte Schutz inhaltlich mit den unionsrechtlichen Schutzgehalten vergleichbar ausgestaltet ist. Im Falle der Gewährung subsidiären Schutzes durch Dänemark ist die Vergleichbarkeit zu bejahen.
Familiäre Belange begründen - auch unter Einbezug der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofesl vom 15. Februar 2023, - C-484/22 - keinen Anspruch auf Zuerkennung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Soweit die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten tragen jeweils die Hälfte der Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
2Die nach eigenen Angaben am 0. Januar 0000 in Syrien geborene Klägerin ist syrische Staatsangehörige. Sie reiste am 16. Dezember 2022 in das Bundesgebiet ein und stellte am 11. Januar 2023 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag. Ausweislich einer Eurodac-Abfrage vom 16. Dezember 2022 ist der Klägerin bereits am 13. September 2017 in Dänemark internationaler Schutz gewährt worden (Bl. 5 BA).
3Die dänische Migrationsbehörde teilte in ihrem Antwortschreiben an das Bundesamt vom 6. Februar 2023 mit, dass der Klägerin „asylum“ bis zum 3. April 2023 gewährt worden sei („was granted asylum in Denmark valid until 3 April 2023“) und bestätigte, dass sie innerhalb von sechs Monaten Dänemark betreten könne.
4Im Rahmen der persönlichen Anhörung der Klägerin zur Zulässigkeit des Asylantrags vom 11. April 2023 gab sie an, dass sie in Dänemark über ihre Eltern, die noch dort seien, einen Asylantrag gestellt und Schutz erhalten habe. Einen Bescheid habe sie nicht mehr, weil sie diesen weggeschmissen habe. Sie sei nach Deutschland gekommen, weil ihr Ehemann, den sie am 9. September 2020 in Dänemark geheiratet habe, hier lebe. Hierzu sei sie auch von den Behörden in Dänemark aufgefordert worden. Ihr gefalle es in Dänemark nicht, weil die Bevölkerung dort rassistisch sei. Vor einiger Zeit hätten sie zudem angefangen, Syrer zurückzuschicken. Schließlich gab sie an, dass sie im 7. Monat schwanger sei und legte einen Mutterpass vor, wonach am 14. Mai 2023 der voraussichtliche Entbindungstermin sei.
5Mit Bescheid vom 14. April 2023 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2), drohte der Klägerin die Abschiebung nach Dänemark an, wenn sie das Bundesgebiet nicht innerhalb von einer Woche verlasse (Ziffer 3 Satz 1 und 2), stellte fest, dass die Klägerin nicht nach Syrien abgeschoben werden dürfe (Ziffer 3 Satz 3) und ordnete einen auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot an (Ziffer 4). Zur Begründung wird auf den Inhalt des Bescheids Bezug genommen.
6Hiergegen hat die Klägerin am 4. Mai 2023 Klage erhoben.
7Am 23. Oktober 2023 hat die dänische Migrationsbehörde eine Antwort auf ein Inforequest des Bundesamtes zum Schutzstatus der Klägerin übersandt (Bl. 51 GA). Darin heißt es:
8„On 13 September 2017 the abovementioned was granted a residence permit in Denmark with reference to the temporary protected status in accordance with Aliens Act section 7 (3) valid until 3 April 2023. No appeal been lodged against the decision. Consequently, her residence permit has expired. Nevertheless, the said person still has her status in Denmark and upon arrival she will be able to apply for his residence permit not to be considered as lapsed. No interview has been conducted with the said person as she was a minor accompanied by her mother when she applied for asylum in Denmark. It is possible for the said person to apply for change of her status at the Refugee Appeals Board.“
9Zur Begründung der Klage trägt die Klägerin vor, dass sich aus dem Schreiben der dänischen Behörden ergebe, dass ihrer Mutter und damit auch ihr lediglich ein „temporary protected status" zugesprochen worden sei. Damit sei ihr noch nicht einmal der gemäß Artikel 7 Abs. 2 des dänischen Ausländergesetzes geregelte Schutz „subsidiary protection" zuerkannt worden. Nach der Rechtsprechung (OVG NRW, Urteil vom 12. September 2022 - 11 A 369/22.A -; VG Aachen, Urteil vom 6. Januar 2022 -1 K 2434/20.A -) entspreche noch nicht einmal der Status „subsidiary protection" nach dem dänischen Ausländergesetz rechtssicher dem subsidiären Schutz gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Dänemark sei nicht an die Qualifikationsrichtlinie, die die Voraussetzungen und Folgen der Zuerkennung internationalen Schutzes regele, gebunden. Selbst wenn man die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Januar 2024 zu Grunde lege, ergebe sich aus der anliegenden Auskunft des Deutschlandfunkes vom 18. März 2023, dass Abschiebungen seitens des dänischen Berufung-Ausschusses in die syrische Provinz Latakia erlaubt worden seien. Es bestehe deshalb in erheblichem Umfang Besorgnis, dass dies hinsichtlich der schwachen Schutzgewährung bei ihr auch der Fall sein werde. Überdies lägen individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe vor, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes nach Artikel 17 Abs. 1 Dublin-III-VO notwendig machten. Die auf §§ 34, 35 AsylG gestützte Abschiebungsandrohung sei rechtswidrig und verletze sie in ihren Rechten. Artikel 8 EMRK und Artikel 6 GG geböten von ihrer Abschiebung nach Dänemark abzusehen. Ihr Ehemann verfüge über ein Daueraufenthaltsrecht, da ihm eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 S. 1, 1. Alternative AufenthG mit einer 3-jährigen Gültigkeitsdauer erteilt worden sei. Überdies habe sie am 3. Mai 2023 ein Kind entbunden, dem mit Bescheid des Bundesamtes vom 27. November 2023 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden sei.
10Nachdem die Beklagte mit Bescheid vom 9. April 2024 (Bl. 70 GA) Ziffern 3 und 4 des Bescheids des Bundesamtes vom 14. April 2023 aufgehoben hat und die Beteiligten das Verfahren insoweit für erledigt erklärt haben, beantragt die Klägerin nunmehr schriftsätzlich,
11Ziffern 1 und 2 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 14. April 2023 aufzuheben, hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG hinsichtlich Dänemark bestehen.
12Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
13die Klage abzuweisen.
14Zur Begründung bezieht sie sich auf die Gründe des angefochtenen Bescheids und trägt ergänzend wie folgt vor: Das klägerseits zitierte Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen betreffe lediglich "subsidiary protection status" nach Section 7 (2) des dänischen Ausländergesetzes. Vorliegend handele es sich laut IR Antwort um den "subsidiary protection status" nach Section 7 (3). Mithin sei nicht zwangsläufig davon auszugehen, dass in diesem Fall kein ausreichender Schutzstatus vorliege.
15Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
16Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den der dazu beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe:
18Die Einzelrichterin ist für die Entscheidung zuständig, nachdem der Rechtsstreit ihr durch Beschluss der Kammer gemäß § 76 Abs. 1 AsylG zur Entscheidung übertragen worden ist.
19Mit Einverständnis der Beteiligten kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO).
20Soweit die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war es in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
21Die Klage hat keinen Erfolg.
22Sie ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des Bundesamtes vom 14. April 2023 ist – in dem noch angefochtenen Umfang – rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs.1 Satz 1 VwGO).
23I. Das Bundesamt hat den Asylantrag mit Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids zu Recht als unzulässig abgelehnt.
24Nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat.
25Der Klägerin ist von dem Königreich Dänemark, einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, am 13. September 2017 internationaler Schutz i.S.d. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt worden (dazu unter 1.), der im Zeitpunkt dieser Entscheidung noch fort gilt (dazu unter 2.). Es ist der Beklagten auch nicht aus Gründen höherrangigen Rechts verwehrt, den Asylantrag auf der Grundlage des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als unzulässig abzulehnen (dazu unter 3.).
261. Der Klägerin ist in Dänemark internationaler Schutz i. S. d. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt worden.
27Ausweislich des Treffers aus der EURODAC-Datenbank (Bl. 5 eBA) sowie der Mitteilung der dänischen Migrationsbehörde vom 23. Oktober 2023 (Bl. 51 GA) ist der Klägerin am 13. September 2017 von dem Königreich Dänemark „subsidiary protection status“ nach Art. 7 Abs. 3 des dänischen Ausländergesetzes gewährt worden.
28Darin liegt die Gewährung internationalen Schutzes im Sinne von § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, da der durch Dänemark gewährte Schutz inhaltlich mit den unionsrechtlichen Schutzgehalten vergleichbar ausgestaltet ist.
29§ 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG setzt Art. 33 Abs. 2 lit. a) RL 2013/32/EU (Asylverfahrensrichtlinie) in nationales Recht um. Die Mitgliedstaaten können danach einen Antrag auf internationalen Schutz nur dann als unzulässig betrachten, wenn ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt hat.
30„Internationaler Schutz“ ist nach Art. 2 lit. i) Asylverfahrensrichtlinie die Flüchtlingseigenschaft und der subsidiäre Schutzstatus im Sinne der Buchstaben j) und k). Die Flüchtlingseigenschaft ist in Art. 2 lit. j) Asylverfahrensrichtlinie definiert als die Anerkennung eines Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtling durch einen Mitgliedstaat. „Als „subsidiärer Schutzstatus“ definiert Art. 2 lit. k) Asylverfahrensrichtlinie die Anerkennung durch einen Mitgliedstaat eines Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz, die wiederum nach Art. 2 lit. h) Asylverfahrensrichtlinie ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser ist, der die Voraussetzungen des Artikels 2 lit. f) der Richtlinie 2011/95/EU (Anerkennungsrichtlinie) erfüllt. Danach haben Drittstaatsangehörige, die die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling nicht erfüllen, aber insbesondere stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht haben, dass sie bei einer Rückkehr in das Herkunftsland tatsächlich Gefahr liefen, einen ernsthaften Schaden im Sinne des Art. 15 der Richtlinie zu erleiden, und auf den Artikel 17 Absätze 1 und 2 der Richtlinie keine Anwendung findet und der den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Gefahr nicht in Anspruch nehmen will.
31Zwar ist Dänemark weder an die Asylverfahrensrichtlinie noch an die Anerkennungsrichtlinie gebunden. Nach Art. 1 Unterabs. 1 Satz 1 des Protokolls Nr. 22 über die Position Dänemarks zum Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme von Maßnahmen durch den Rat, die nach dem Dritten Teil Titel V des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union - wozu auch das gemeinsame europäische Asylsystem gehört - vorgeschlagen werden. Art. 2 Satz 1 dieses Protokolls sieht vor, dass Vorschriften des Dritten Teils Titel V des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, nach jenem Titel beschlossene Maßnahmen, Vorschriften internationaler Übereinkünfte, die von der Union nach jenem Titel geschlossen werden, sowie Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union, in denen solche Vorschriften oder Maßnahmen oder nach jenem Titel geänderte oder änderbare Maßnahmen ausgelegt werden, für Dänemark nicht bindend oder anwendbar sind.
32Auch hat Dänemark von der Möglichkeit des Art. 7 des Protokolls, wonach es jederzeit einseitig und ohne Mitwirkung der übrigen Mitgliedstaaten seine Bindung an die entsprechenden Rechtsvorschriften herbeiführen kann, weder hinsichtlich der Asylverfahrensrichtlinie noch hinsichtlich der Anerkennungsrichtlinie Gebrauch gemacht.
33Vgl. Bay. VGH, Urteil vom 9. Januar 2024 - 24 B 23.30364 -, juris, Rn. 16.
34Die fehlende Bindung eines Mitgliedstaates der Europäischen Union an die Asylverfahrensrichtlinie und an die Anerkennungsrichtlinie steht einer Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG allerdings nicht entgegen, wenn der durch diesen Mitgliedstaat gewährte Schutz – wie vorliegend aus den noch auszuführenden Gründen – inhaltlich mit den unionsrechtlichen Schutzgehalten vergleichbar ausgestaltet ist.
35Vgl. Bay. VGH, Urteil vom 9. Januar 2024 - 24 B 23.30364 -, juris, Rn. 19.
36Insoweit schließt sich die Kammer nicht der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen an, wonach aus den vom Europäischen Gerichtshof im Urteil vom 20. Mai 2021 - C-8/20 -, juris, hervorgehobenen Gründen der Rechtssicherheit keiner Überprüfung bedarf, ob der durch Dänemark nach Section 7 (2) des dänischen Ausländergesetzes gewährte „subsidiary protection status“ dasselbe Schutzniveau wie der subsidiären Schutz enthält.
37Vgl. OVG NRW, Urteil vom 12. September 2022 - 11 A 369/22.A -, juris, Rn. 35 ff.
38Zwar hat der Europäische Gerichthof entschieden, dass Art. 33 Abs. 2 lit. d) Asylverfahrensrichtlinie einer Regelung eines Mitgliedstaates entgegensteht, nach der ein Antrag auf internationalen Schutz im Sinne von Art. 2 Buchst. b) Asylverfahrensrichtlinie ganz oder teilweise als unzulässig abgelehnt werden kann, der in diesem Mitgliedstaat von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellt wird, dessen früherer, im Königreich Dänemark gestellter Antrag auf internationalen Schutz von letzterem Mitgliedstaat abgelehnt wurde. Dieses Ergebnis hat der Gerichtshof auf die Erwägung gestützt, dass es sich bei einem Antrag auf internationalen Schutz, der bei den zuständigen Behörden des Königreichs Dänemark nach den innerstaatlichen Bestimmungen dieses Mitgliedstaats gestellt wird, zwar unbestreitbar um einen bei einem Mitgliedstaat gestellten Antrag handele, dieser jedoch im Sinne der maßgeblichen Definition des Art. 33 Abs. 2 lit. d) i.V.m. Art. 2 lit. q) und b) Asylverfahrensrichtlinie keinen Antrag darstelle, „[mit dem] die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder die Gewährung des subsidiären Schutzstatus [im Sinne der Anerkennungsrichtlinie angestrebt wird]“, weil diese Richtlinie auf das Königreich Dänemark keine Anwendung finde. Der Begriff der „bestandskräftigen Entscheidung“ bezeichne zudem gemäß der Definition in Art. 2 lit. e) Asylverfahrensrichtlinie eine Entscheidung darüber, ob einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gemäß der Anerkennungsrichtlinie die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutzstatus zuzuerkennen sei, und gegen die kein Rechtsbehelf nach Kapitel V der Asylverfahrensrichtlinie mehr eingelegt werden könne.
39Vgl. EuGH, Urteil vom Urteil vom 22. September 2022 - C-497/21 -, juris, Rn. 43 ff.; siehe auch schon zu Norwegen EuGH, Urteil vom 20. Mai 2021 - C-8/20 -, InfAuslR 2021, 292 = juris, Rn. 36 f.
40Indes ist diese nach Ablehnung eines vorangegangenen Asylantrags in Dänemark zu Art. 33 Abs. 2 lit. d Asylverfahrensrichtlinie ergangene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs nicht auf Unzulässigkeitsentscheidungen wegen anderweitiger Sicherheit vor Verfolgung (Art. 33 Abs. 2 lit. a), b) und c) Asylverfahrensrichtlinie) übertragbar. Denn eine Übertragung dieser Entscheidung lässt die wesentlichen Unterschiede in den Unzulässigkeitstatbeständen des Art. 33 Abs. 2 Asylverfahrensrichtlinie unberücksichtigt.
41So auch Bay. VGH, Urteil vom 9. Januar 2024 - 24 B 23.30364 -, juris, Rn. 28; Sowie zur Unzulässigkeitsentscheidung nach Flüchtlingsanerkennung in Dänemark VG Hamburg, Urteil vom 25. August 2023 - 7 A 1252/23 -, juris, Rn. 37 ff.
42Während es bei unzulässigen Folgeanträgen (Art. 33 Abs. 2 lit. d Asylverfahrensrichtlinie) um die Behandlung eines weiteren Antrags nach vorangegangener Ablehnung einer Schutzgewährung in Dänemark und damit um die Sicherung des Asylverfahrensrechts geht,
43vgl. Hailbronner in: Hailbronner, Ausländerrecht, § 29 AsylG, Rn. 141a,
44geht es bei Unzulässigkeitsentscheidungen nach vorangegangener Schutzgewährung in Dänemark (Art. 33 Abs. 2 lit. a) Asylverfahrensrichtlinie) um die Sicherung hinreichenden Schutzes. Art. 33 Abs. 2 lit. a) Asylverfahrensrichtlinie beruht auf der Prämisse, dass es infolge der Schutzgewährung durch den zuständigen Mitgliedstaat einer neuerlichen Sachentscheidung über den im Bundesgebiet gestellten Asylantrag nicht bedarf, da der andere Mitgliedstaat weiterhin oder erneut der für den Schutzsuchenden verantwortliche Mitgliedstaat ist und diesem in Ausübung seiner Verantwortung hinreichenden Schutz gewährt.
45Vgl. Hailbronner in: Hailbronner, Ausländerrecht, § 29 AsylG, Rn. 130h.
46Letzteres ist vorliegend – aus den noch darzustellenden Gründen – der Fall.
47Dass der Europäische Gerichtshof mit dem o.g. Begründungselement, wonach die mangelnde Bindung des Königreichs Dänemark an die Anerkennungsrichtlinie dazu führen soll, dass ein weiterer Asylantrag nach einem abgelehnten Antrag in Dänemark nicht als Folgeantrag behandelt werden darf, keine über den konkreten Kontext hinausgehende Aussage getroffen hat, verdeutlicht im Übrigen der innere Widerspruch, der ansonsten entstünde:
48Auch die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. EU Nr. L 180, S. 31 – Dublin III-VO) knüpft an den Begriff des „Antrags auf internationalen Schutz“ an. Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat wird gemäß Art. 3 Dublin III-VO in Abhängigkeit von einem „Antrag auf internationalen Schutz“ bestimmt. Das Verfahren zu Bestimmung des zuständigen Staates wird gleichermaßen erst durch einen „Antrag auf internationalen Schutz“ ausgelöst (Art. 20 Abs. 1 Dublin III-VO). Auch die Wiederaufnahmeverpflichtung des als zuständig bestimmten Staates nach Art. 20 Abs. 5 bzw. Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO knüpft an zentraler Stelle daran an, dass in dem um Wiederaufnahme zu ersuchenden Staat zuvor ein „Antrag auf internationalen Schutz“ bzw. (damit gleichbedeutend) ein „Antrag“ gestellt wurde. Der in all diesen Bestimmungen genannte „Antrag auf internationalen Schutz“ wird in Art. 2 Buchst. b) Dublin III-VO dabei nahezu wortgleich zu Art. 2 Buchst. b) Asylverfahrensrichtlinie, insbesondere unter Bezugnahme auf Art. 2 Buchst. h) Anerkennungsrichtlinie, definiert. Verstände man den Begriff des „Antrags auf internationalen Schutz“ im Sinne der Dublin III-Verordnung allerdings ohne Berücksichtigung des jeweiligen Kontexts genauso, wie es in der zitierten Passage aus dem Urteil vom 22. September 2022 für Art. 2 lit. b) Asylverfahrensrichtlinie angelegt ist – d.h. in dem Sinne, dass es einen solchen Antrag in Dänemark schlechthin nicht geben kann –, könnte jedenfalls das Wiederaufnahmeverfahren nach der Dublin III-Verordnung bei erster Antragstellung im Königreich Dänemark tatbestandlich keine Anwendung finden. Von dieser Konsequenz geht der Europäische Gerichtshof jedoch selbst nicht aus, wenn er in demselben Urteil vom 22. September 2022 (Rn. 49) formuliert, dass in einem Fall wie dem des dortigen Ausgangsverfahrens ein anderer Mitgliedstaat, in dem die Betroffenen einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, das Königreich Dänemark um Wiederaufnahme der betreffenden Person ersuchen könne.
49Vgl. VG Hamburg, Urteil vom 25. August 2023 - 7 A 1252/23 -, juris, Rn. 40 m.w.N.
50Damit einhergehend würde die Übertragung dieser Entscheidung auf Unzulässigkeitsentscheidungen nach Art. 33 Abs. 2 lit. a) RL 2013/32 zu einem weiteren – nicht hinnehmbaren – Widerspruch führen: Während es einem Asylbewerber bei einer Komplettablehnung des dänischen Schutzes zuzumuten ist, alle weiteren Asylanträge in Dänemark prüfen zu lassen, würde die Zuerkennung des dänischen Schutzes unterhalb der Flüchtlingsanerkennung nicht genügen,
51vgl. zur Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG nach vorangegangener Flüchtlingsanerkennung in Dänemark OVG NRW, Urteil vom 3. Februar 2022 - 11 A 219/22.A -, juris, Rn. 9 ff.,
52um die Person hierauf zu verweisen. Denn im ersten Fall bleibt Dänemark für den Betroffenen grundsätzlich zuständig und ist verpflichtet, diesen nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. d Dublin III-Verordnung wiederaufzunehmen.
53Vgl. Bay. VGH, Urteil vom 9. Januar 2024 - 24 B 23.30364 -, juris, Rn. 28 unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 22. September 2022 - C-497/21 - Rn. 49.
54Im zuletzt genannten Fall ist der Anwendungsbereich der Dublin III-VO demgegenüber aufgrund der erfolgten Schutzgewährung verlassen, da nach Art. 23 Abs. 1 i.V.m. Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO nur nicht entschiedene oder abgelehnte Anträge die Wiederaufnahmepflicht eines anderen Staates auslösen können.
55Vgl. Bay. VGH, Urteil vom 9. Januar 2024 - 24 B 23.30364 -, juris, Rn. 29 m.w.N.; Hailbronner in: Hailbronner, Ausländerrecht, § 29 AsylG, Rn. 130f.
56Anlass zu einer abweichenden Beurteilung bietet auch nicht, dass der Europäische Gerichtshof in der vorstehend zitierten Entscheidung zusätzlich darauf abgestellt, dass es aus Gründen der Rechtssicherheit auch nicht in Betracht kommt, eine Unzulässigkeitsentscheidung in Folgeverfahren nach konkreter Prüfung des im Erstverfahren zur Anwendung gekommenen dänischen (Asyl-)Verfahrensniveaus zu ermöglichen.
57Vgl. EuGH, Urteil vom Urteil vom 22. September 2022 - C-497/21 -, juris, Rn. 53.; siehe auch schon zu Norwegen EuGH, Urteil vom 20. Mai 2021 - C-8/20 -, InfAuslR 2021, 292 = juris, Rn. 47.
58Insbesondere kann die Erwägung zur Rechtssicherheit nicht auf die Gesamtregelung des Art. 33 Abs. 2 Asylverfahrensrichtlinie übertragen werden. Denn Art. 33 Abs. 2 lit. b) und c) i.V.m. Art. 35 (erster Asylstaat) bzw. 38 (sicherer Drittstaat) Asylverfahrensrichtlinie verlangt für die Frage, ob dem Drittstaatsangehörigen bereits anderweitig zugänglicher Schutz die Ablehnung seines Antrags auf internationalen Schutz als unzulässig rechtfertigt, ausdrücklich eine konkrete Prüfung des Schutzniveaus in dem anderen Staat.
59So auch VG Hamburg, Urteil vom 25. August 2023 - 7 A 1252/23 -, juris, Rn. 41.
60Damit hätte die Übertragung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Folge, dass eine Unzulässigkeitsentscheidung bei einer Schutzgewährung durch Norwegen, einem nicht EU-Mitgliedstaat, nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG zulässig ist,
61vgl. zu § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG BVerwG, Urteil vom 4. Mai 2020 - 1 C 5.19 , juris, Rn. 20,
62während eine Schutzgewährung in Dänemark unterhalb der Anerkennung als Flüchtling aber keine Unzulässigkeitsentscheidung ermöglicht.
63Zudem spricht auch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 25. Mai 2023, wonach Art. 33 Abs. 2 lit. d) Asylverfahrensrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, einen Folgeantrag auf internationalen Schutz als unzulässig abzulehnen, wenn die Entscheidung über den früheren Antrag zwar nicht die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus betraf, aber nach einer Prüfung des Vorliegens von Abschiebungsverboten erlassen wurde und diese Prüfung inhaltlich mitderjenigen vergleichbar ist, die im Hinblick auf die Zuerkennung dieses Status vorgenommen wird,
64vgl. EuGH Urteil vom 25. Mai 2023 - C-364/22 -, juris, Rn. 46 f.,
65dass der Gerichtshof eine Vergleichbarkeitsprüfung nicht in Bezug auf weitere Fallkonstellationen des Art. 33 Abs. 2 Asylverfahrensrichtlinie hat ausschließen wollen.
66Bei der nach alldem durchzuführende Vergleichbarkeitsprüfung gelangt die Kammer zu dem Ergebnis, dass der durch Dänemark gewährte Schutz „temporary protected status“ nach Art. 7 Abs. 3 des dänischen Ausländergesetzes,
67in englischer Sprache abrufbar unter file://srzms06c004/VGD/HOMES/vg4009/zbs/Downloads/aliens_consolidation_act_239_100319.pdf,
68inhaltlich mit den unionsrechtlichen Schutzgehalten vergleichbar ausgestaltet ist. Hierzu hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 9. Januar 2024 – 24 B 23.30364 –, (juris, Rn. 33 ff.) folgendes ausgeführt:
69„5. Bei einer Gewährung subsidiären Schutzes nach dänischem Recht ist die Vergleichbarkeit mit dem unionsmigrationsrechtlichen Schutzniveau zu bejahen. Das dänische Recht gewährt mit seinen Schutzkategorien auch außerhalb des Flüchtlingsschutzes nach der Genfer Flüchtlingskonvention einen mit dem unionsrechtlichen subsidiären Schutz, namentlich mit dem Kapitel VI (Art. 18 f.) und Kapitel VII (Art. 20 ff.) der Anerkennungsrichtlinie in einem ausreichenden Maße vergleichbaren Schutz. Der Senat hat im Rahmen des § 293 ZPO, der nach § 173 Satz 1 VwGO auch im Verwaltungsprozess Anwendung findet (vgl. BVerwG, U.v. 29.11.2012 – 10 C 4.12 – juris Rn. 18), eigene Nachforschungen zur dänischen Rechtslage angestellt und mit Schreiben vom 24. Juli 2023 unter Hinweis auf verfügbare Quellen den Beteiligten Gelegenheit gegeben, sich hierzu zu äußern (vgl. zum gerichtlichen Verfahren Huber in Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 293 Rn. 2; Meissner/Steinbeiß-Winkelmann in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand März 2023, § 173 VwGO Rn. 219 (Stand der Kommentierung Oktober 2014)).
70a) Das dänische Asylrecht ist im Wesentlichen im Udlændingeloven (Ausländergesetz, im Folgenden: dänAuslG) geregelt; zuständig für Prüfung und Zuerkennung ist die sog. Udlændingestyrelsen (Ausländer- bzw. Einwanderungsbehörde, vgl. https://t1p.de/n7nyi). Die aktuelle konsolidierte amtliche Fassung in dänischer Sprache ist abrufbar unter https://t1p.de/77wj0; eine konsolidierte Fassung auf dem Stand vom März 2019 in englischer Sprache – „Aliens (Consolidation) Act“ – ist im gemeinsamen amtlichen Internetauftritt des Danish Immigration Service und der Danish Agency for International Recruitment and Integration (SIRI) unter https://t1p.de/fmxbo abrufbar.
71b) Hinsichtlich der Schutzgewährung wird in Dänemark zwischen der Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Abs. 1, nach § 7 Abs. 2 und nach § 7 Abs. 3 dänAuslG unterschieden; daneben gibt es noch eine Aufenthaltserlaubnis für Kontingentflüchtlinge nach § 8 dänAuslG (zur Rechtslage s. a. die Darstellung des EGMR (GK), U.v. 9.7.2021 – 6697/18 (M. A./Dänemark) – juris Rn. 24 ff., insoweit nicht abgedruckt in NVwZ-RR 2022, 877 ff.; VG Hamburg, U.v. 25.8.2023 – 7 A 1252/23 – juris Rn. 33). § 7 Abs. 1 dänAuslG rekurriert auf den Flüchtlingsschutz der Genfer Flüchtlingskonvention („convention status“). § 7 Abs. 2 dänAuslG regelt den „protected status“, der voraussetzt, dass der Ausländer bei Rückkehr in sein Heimatland Gefahr läuft, der Todesstrafe, Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung zu unterliegen; insoweit kommt es darauf an, dass diese drohende Behandlung auf individuellen Gründen beruht. Ist eine entsprechende Behandlung lediglich Folge einer allgemeinen Situation im Herkunftsland wird Schutz nach § 7 Abs. 3 dänAuslG gewährt („temporary protected status“ – zu den Benennungen vgl. die Darstellung im gemeinsamen amtlichen Internetauftritt des Danish Immigration Service und der Danish Agency for International Recruitment and Integration (SIRI), abrufbar unter https://t1p.de/ohaor; s. a. die Übersicht der Flüchtlingshilfsorganisation REFUGEES.DK vom 22.8.2022, abrufbar unter https://t1p.de/ugybi). Der „temporary protected status“ – auch als „subsidiary protection“ bezeichnet – entspricht im Wesentlichen Art. 15 Buchst. c Anerkennungsrichtlinie (vgl. insoweit auch VG Bremen, B.v. 9.8.2021 – 5 V 1297/21 – juris Rn. 31; s. a. die Stellungnahme des UNHCR zur Einführung des „temporary subsidiary protection status in § 7.3“ vom November 2014, abrufbar unter https://t1p.de/mp0ar). Schutz bzw. ein Antrag auf Aufenthaltserlaubnis nach § 7 dänAuslG kann abgelehnt werden, wenn nach der Dublin-III-Verordnung ein anderer Staat zuständig ist (§ 29a dänAuslG) oder ein solcher bereits Schutz gewährt hat (§ 29b dänAuslG).
72Die neben einer Schutzgewährung notwendige Aufenthaltserlaubnis wird befristet. Ihre Gültigkeitsdauer hängt von der Art des Schutzstatus ab (vgl. für diesbezügliche sekundärrechtliche Vorgaben Art. 24 Anerkennungsrichtlinie). Bei Zuerkennung des Konventionsstatus ist die Aufenthaltserlaubnis auf zwei Jahre befristet und kann um jeweils bis zu zwei Jahre verlängert werden. Bei Zuerkennung des Schutzstatus nach § 7 Abs. 2 dänAuslG wird grundsätzlich eine einjährige Aufenthaltserlaubnis erteilt, die anschließend jeweils um bis zu zwei Jahre verlängert werden kann. Im Falle von § 7 Abs. 3 dänAuslG wird ebenfalls eine grundsätzlich einjährige Aufenthaltserlaubnis erteilt, die zunächst nur um jeweils ein Jahr verlängert werden kann; nach drei Jahren kann eine Verlängerung um bis zu zwei Jahren erfolgen (vgl. https://t1p.de/ohaor; s. a. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Dänemark v. 29.6.2021, S. 7). Ausländer mit Schutzstatus werden also weder zurückgewiesen noch in ihr Herkunftsland oder einen anderen Staat abgeschoben (vgl. für diesbezügliche sekundärrechtliche Vorgaben Art. 21 Anerkennungsrichtlinie).
73c) Mit den Schutzformen nach § 7 Abs. 2 und 3 dänAuslG sind spezielle Regelungen beim Zugang zu Familienzusammenführung verbunden (vgl. für diesbezügliche sekundärrechtliche Vorgaben Art. 23 Anerkennungsrichtlinie). Diese kann in der Regel erst nach zwei Jahren Aufenthalt beantragt werden, ist aber grundsätzlich möglich (vgl. die Darstellung im gemeinsamen amtlichen Internetauftritt des Danish Immigration Service und der Danish Agency for International Recruitment and Integration (SIRI), abrufbar unter https://t1p.de/s6z4q; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Dänemark v. 29.6.2021, S. 7; s. a. U.S. Department of State, Country Reports on Human Rights Practices: Denmark, 2022, pdf-S. 8, abrufbar unter https://t1p.de/dv3au; kritisch insoweit die Bewertung des Migrant Integration Policy Index (MIPEX) 2019, abrufbar unter https://t1p.de/s4npr, Stichwort: „family reunification“).
74d) Die Beachtung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung und der Aufenthalt in Dänemark ist jedenfalls derzeit auch nicht durch die Einfügung des neuen § 29 dänAuslG in Frage gestellt. Mit dieser Vorschrift wurde grundsätzlich die Möglichkeit der Überstellung von Asylbewerbern zur Bearbeitung ihres Asylverfahrens und zur Unterbringung in einem Drittstaat geschaffen (Gesetz zur Änderung des Ausländergesetzes und des Rückführungsgesetzes, Gesetz Nr. 1191 vom 8.6.2021, abrufbar unter https://t1p.de/hwpss). § 29 dänAuslG n.F. ist zum einen noch nicht in Kraft getreten. Nach § 3 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 1191 vom 8. Juni 2021 legt der Minister für Einwanderung und Integration das Datum für das Inkrafttreten des Gesetzes fest (vgl. zu dieser Möglichkeit die Darstellungen im einschlägigen Handbuch des Justizministeriums aus dem November 2023, S. 75, abrufbar unter https://t1p.de/xh0nv). Davon hat er, soweit ersichtlich, noch keinen Gebrauch gemacht (entsprechend ist § 29 in der amtlichen Darstellung unter https://t1p.de/77wj0 nicht in der neuen Fassung enthalten; ebenso nicht in der privat betriebenen Datenbank unter https://t1p.de/kwjgh). Zum anderen ist die Möglichkeit der extraterritorialen Unterbringung nicht ohne entsprechendes Abkommen mit einem Drittstaat gegeben. Ein solches Abkommen ist zwar mit Ruanda beabsichtigt gewesen. Aber mehr als ein Memorandum of Understanding vom 27. April 2021 und ein gemeinsames Joint Statement vom 9. September 2022 gibt es nicht (vgl. die Pressemitteilung vom 9.9.2022, abrufbar unter https://t1p.de/5u7pg; s. a. Sachstandsmitteilung des Wissenschaftlichen Diensts des Deutschen Bundestags v. 28.10.2022 – WD 3 - 3000 - 133/22 – abrufbar unter https://t1p.de/jumur). Inzwischen hat Dänemark offenbar die Bemühungen, ein solches Abkommen abzuschließen, eingestellt (vgl. Bericht der Tagesschau vom 25.1.2023, abrufbar unter https://t1p.de/en4t6). Insoweit kann der Senat offen lassen, ob eine extraterritoriale Unterbringung von Ausländern mit Schutzstatus mit Unionsrecht vereinbar wäre (vgl. hierzu Tan/Vedsted-Hansen, Denmark’s Legislation on Extraterritorial Asylum in Light of International and EU Law, 15.11.2021, abrufbar unter https://t1p.de/u75te) und welche Auswirkungen auf die Möglichkeit von Unzulässigkeitsentscheidungen dies haben könnte.
75e) Wurde nach der skizzierten Rechtslage einem Ausländer durch Dänemark Schutz gewährt, so werden Integrationsmaßnahmen sowohl auf nationaler als auch auf lokaler Ebene durchgeführt (vgl. die Mitteilung der EU-Kommission, The European Website on Integration (EWSI), abrufbar unter https://t1p.de/yqc1s; siehe auch die nähere Beschreibung der insbesondere kommunalen Ebene durch die Flüchtlingshilfsorganisation REFUGEES.DK vom 4.1.2024, abrufbar unter https://t1p.de/55iof; siehe knapp zur kommunalen Zuständigkeit auch die Bewertung von REFUGEES.DK v. 23.6.2023, abrufbar unter https://t1p.de/d7qoo). Die für den Aufenthalt bestehenden Regelungen Dänemarks sind in ausreichender Weise mit den unionsrechtlichen Vorgaben der Anerkennungsrichtlinie vereinbar.
76aa) Maßgebliche Prägung erhält der Status von Ausländern in Dänemark durch das Integrationsgesetz, das erstmals zum 1. Januar 1999 in Kraft trat und seither vielfach geändert wurde (die aktuelle konsolidierte amtliche Fassung in dänischer Sprache ist abrufbar unter https://t1p.de/94qby; siehe auch die Mitteilung der EU-Kommission zu Änderungen des Gesetzes im Jahr 2017, The European Website on Integration (EWSI), abrufbar unter https://t1p.de/vfty0. Eines der Kernelemente des Gesetzes ist das Integrationsprogramm für erwachsene Flüchtlinge (vgl. die Mitteilung der EU-Kommission, The European Website on Integration (EWSI), abrufbar unter https://t1p.de/yqc1s; zum „Danish integration programme“ bis zum Jahr 2019 vgl. Schultz/Klausen, Integrationspolitik in Dänemark, 2019 (Konrad-Adenauer-Stiftung), abrufbar unter https://t1p.de/ikozv; Bredgaard/Ravn, Denmark: from integration to repatriation, in Galgóczi (ed.), Betwixt and between: integrating refugees into the EU labour market, Brussels, 2021, 67/76, abrufbar unter https://t1p.de/plbkz).
77bb) Die besonders integrationsfreundliche Ausrichtung des Gesetzes von 1999 besteht heute nicht mehr. Beginnend mit dem Jahr 2015 wurden die asyl- bzw. ausländerrechtlichen Regelungen verschärft (vgl. Mitteilung der EU-Kommission, The European Website on Integration (EWSI), abrufbar unter https://t1p.de/n1lss). Anfang 2019 hat die dänische Regierung einen Paradigmenwechsel („paradigm shift“) im Asylrecht und in der Integrationspolitik beschlossen. Durch Gesetz Nr. 174 vom 27. Februar 2019 wurde u.a. das Gesetz zur Änderung des Ausländergesetzes, des Integrationsgesetzes, des Rückführungsgesetzes und verschiedener anderer Gesetze beschlossen (in dänischer Sprache abrufbar unter https://t1p.de/jdc40). Hierdurch wurde das Ziel von der Integration in die dänische Gesellschaft hin zur Rückführung in die Herkunftsländer verschoben. Entsprechend wurde das bisherige Integrationsprogramm in „Selbsthilfe und Rückführungsprogramm“ umbenannt. Ein Aufenthalt soll möglichst vorübergehend und nicht dauerhaft sein. Aufenthaltstitel werden kürzer befristet und nicht mehr mit der Möglichkeit eines Daueraufenthalts erteilt, bisherige Integrationsindikatoren (wie Sprachkompetenz oder ehrenamtliches Engagement) haben weniger Bedeutung, finanzielle Anreize zur Förderung der Rückreisebereitschaft wurden eingeführt (näher zur Reform eine amtliche Zusammenfassung vom 1.3.2019, abrufbar unter https://t1p.de/fn5fh; s. a. Bredgaard, From integration to repatriation, 14.4.2020, abrufbar unter https://t1p.de/yucdw; Bredgaard/Ravn, Denmark: from integration to repatriation, in Galgóczi (ed.), Betwixt and between: integrating refugees into the EU labour market, Brussels, 2021, 67 (78 ff.), abrufbar unter https://t1p.de/plbkz; Mitteilung der EU-Kommission, The European Website on Integration (EWSI), abrufbar unter https://t1p.de/yqc1s; knapp auch U.S. Department of State, Country Reports on Human Rights Practices: Denmark, 2022, pdf-S. 9, abrufbar unter https://t1p.de/dv3au). Flankiert wird der Paradigmenwechsel durch einen neuen Integrationsaktionsplan („Regeringens Integrationshandlingsplan“) aus dem Dezember 2020 (abrufbar unter https://t1p.de/e0hkc; hierzu die Mitteilung der EU-Kommission, The European Website on Integration (EWSI) vom 21.12.2020, abrufbar unter https://t1p.de/ahw7p).
78cc) Trotz der skizzierten Veränderungen ist die Integration insbesondere in den Arbeits-, Wohnungs- und Bildungsmarkt weiterhin möglich. Die maßgeblichen Integrationsvorschriften und die dazugehörigen Programme sind weiterhin in Kraft (vgl. die Mitteilung der EU-Kommission, The European Website on Integration (EWSI), abrufbar unter https://t1p.de/yqc1s). Auch wenn sich im Vergleich zu den Jahren vor 2015 und insbesondere vor 2019 die (Aufenthalts-)Perspektiven der Betroffenen verschlechtert haben und damit auch psychologische Ungewissheiten verbunden sind (hierauf bezogene Kritik beim UNHCR, recommendations to Denmark on strengthening refugee protection in Denmark, Europe and globally, November 2022, abrufbar unter https://t1p.de/433un), ist nicht erkennbar, dass Menschen, denen durch eine Aufenthaltserlaubnis Schutz gewährt wurde, aus den Programmen rechtlich oder auch nur faktisch ausgeschlossen werden. Insgesamt werden weiterhin Sozialleistungen (vgl. für diesbezügliche sekundärrechtliche Vorgaben Art. 29 Anerkennungsrichtlinie) und Zuschüsse gewährt sowie Wohnraum zur Verfügung gestellt (vgl. für diesbezügliche sekundärrechtliche Vorgaben Art. 32 Anerkennungsrichtlinie), Sprachunterricht und Beschäftigungsinitiativen angeboten (vgl. für diesbezügliche sekundärrechtliche Vorgaben Art. 26 Anerkennungsrichtlinie; vgl. auch die Erkenntnisse des EGMR (GK), U.v. 9.7.2021 – 6697/18 (M. A./Dänemark) – juris Rn. 34, insoweit nicht abgedruckt in NVwZ-RR 2022, 877 ff.). Auch der Zugang zu Bildung wird gewährleistet, es besteht ein Anspruch auf Schulbildung (vgl. die Darstellung durch die Flüchtlingshilfsorganisation REFUGEES.DK vom 29.3.2022, abrufbar unter https://t1p.de/qhpwq). Insgesamt ist daher die ausreichende Vergleichbarkeit des nach dänischem Recht gewährten subsidiären Schutzes mit dem entsprechenden unionsmigrationsrechtlichen Schutzniveau zu bejahen.“
79Die Kammer schließt sich diesen Feststellungen an, denen die Klägerin auch nicht hinreichend entgegengetreten ist. Soweit sie geltend macht, es ergebe sich aus der Auskunft des Deutschlandfunkes vom 18. März 2023, dass Abschiebungen seitens des dänischen Berufung-Ausschusses in die syrische Provinz Latakia erlaubt worden seien, ist weder hinreichend substantiiert vorgetragen, noch sonst erkennbar, dass auch Syrier, die – wie die Klägerin – bereits einen Schutzstatus nach Art. 7 Abs. 3 dänAuslG erhalten haben, in ihr Heimatland abgeschoben werden. Im Gegenteil: Die aktuellen Auskünfte führen aus, dass es trotz der Einschätzung, dass Damaskus sicher sei, zu keinen zwangsweisen Rückführungen von Schutzberechtigten nach Syrien kommt.
80Vgl. USDOS – Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2022 vom 20. März 2023 https://www.state.gov/reports/2022-country-reports-on-human-rights-practices/denmark/ unter e).
81Jedenfalls aber ist die Klägerin im Falle ihrer beabsichtigten Abschiebung nach Syrien auf die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes in Dänemark zu verweisen.
822. Der der Klägerin in Dänemark gewährte internationale Schutz gilt auch im Zeitpunkt dieser Entscheidung noch fort.
83Zwar ist infolge ihrer Ausreise der Aufenthaltstitel, aber nicht der Schutzstatus erloschen. Zudem besteht die Möglichkeit, bei einer Rückkehr zu beantragen, dass der Aufenthaltstitel nicht als erloschen betrachtet wird. Damit einhergehend heißt es in der Mitteilung der dänischen Migrationsbehörde vom 23. Oktober 2023 (Bl. 51 GA), dass die Aufenthaltserlaubnis der Klägerin zwar nur bis zum 3. April 2023 gültig gewesen und folglich abgelaufen ist. Allerdings hat die Klägerin weiterhin ihren Status in Dänemark und kann bei ihrer Ankunft beantragen, dass ihre Aufenthaltserlaubnis nicht als erloschen gilt.
843. Es ist der Beklagten auch nicht aus Gründen höherrangigen Rechts verwehrt, den Asylantrag auf der Grundlage des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als unzulässig abzulehnen. Insbesondere lässt sich nicht feststellen, dass die Ablehnung des Asylgesuchs als unzulässig gegen Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GRCh) i. V. m. Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Asylverfahrensrichtlinie verstößt, dessen Umsetzung in deutsches Recht mit Inkrafttreten des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG erfolgt ist.
85Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Asylverfahrensrichtlinie ist dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat nicht verbietet, die durch diese Bestimmung eingeräumte Befugnis auszuüben, einen Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als unzulässig abzulehnen, wenn der Antragsteller keiner ernsthaften Gefahr ausgesetzt wäre, aufgrund der Lebensumstände, die ihn in dem anderen Mitgliedstaat als Schutzberechtigten erwarten würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-GRCh zu erfahren.
86Vgl. EuGH, Urteil vom 19. März 2019, Ibrahim u. a., C-297/17, Celex-Nr. 62017CJ0297, Ausspruch zu 3., juris.
87Es ist insoweit darauf hinzuweisen, dass das Unionsrecht auf der grundlegenden Prämisse beruht, dass jeder Mitgliedstaat mit allen anderen Mitgliedstaaten eine Reihe gemeinsamer Werte teilt – und anerkennt, dass sie sie mit ihm teilen –, auf die sich, wie es in Art. 2 EUV heißt, die Union gründet. Diese Prämisse impliziert und rechtfertigt die Existenz gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten bei der Anerkennung dieser Werte und damit bei der Beachtung des Unionsrechts, mit dem sie umgesetzt werden, und gegenseitigen Vertrauens darauf, dass die nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten in der Lage sind, einen gleichwertigen und wirksamen Schutz der in der Charta anerkannten Grundrechte, insbesondere ihren Art. 1 und 4, in denen einer der Grundwerte der Union und ihrer Mitgliedstaaten verankert ist, zu bieten.
88Vgl. EuGH, Urteil vom 19. März 2019, Ibrahim u. a., C-297/17, Celex-Nr. 62017CJ0297, Rn. 83, m.w.N., juris.
89Folglich muss im Kontext des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems die Vermutung gelten, dass die Behandlung der Personen, die internationalen Schutz beantragen, in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta, der Genfer Konvention und der EMRK steht. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernsthafte Gefahr besteht, dass Personen, die internationalen Schutz beantragen, in diesem Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten unvereinbar ist. Insoweit ist gleichgültig, ob es zum Zeitpunkt der Überstellung, während des Asylverfahrens oder nach dessen Abschluss dazu kommt, dass die betreffende Person einer ernsthaften Gefahr ausgesetzt wäre, eine solche Behandlung zu erfahren.
90Vgl. EuGH, Urteil vom 19. März 2019, Ibrahim u. a., C-297/17, Celex-Nr. 62017CJ0297, Rn. 85 ff., m.w.N., juris.
91Die genannten Schwachstellen fallen indes nur dann unter Art. 4 der Charta, der Art. 3 EMRK entspricht und nach Art. 52 Abs. 3 der Charta die gleiche Bedeutung und Tragweite hat, wie sie ihm in der EMRK verliehen wird, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen, die von sämtlichen Umständen des Falles abhängt. Diese besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit wäre erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. Diese Schwelle ist daher selbst in durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern sie nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund deren die betreffende Person sich in einer solch schwerwiegenden Situation befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann.
92Vgl. EuGH, Urteil vom 19. März 2019, Ibrahim u. a., C-297/17, Celex-Nr. 62017CJ0297, Rn. 89 ff., m.w.N., juris.
93Unter Berücksichtigung der Bedeutung, die der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens für das Gemeinsame Europäische Asylsystem hat, hindern Verstöße gegen Bestimmungen des Kapitels VII der Anerkennungsrichtlinie, die nicht zu einer Verletzung von Art. 4 der Charta führen, die Mitgliedstaaten nicht daran, ihre durch Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Asylverfahrensrichtlinie eingeräumte Befugnis auszuüben. Der Umstand, dass Schutzberechtigte in dem Mitgliedstaat, der dem Antragsteller diesen Schutz gewährt hat, keine oder im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten nur in deutlich eingeschränktem Umfang existenzsichernde Leistungen erhalten, ohne jedoch anders als die Angehörigen dieses Mitgliedstaats behandelt zu werden, kann nur dann zu der Feststellung führen, dass dieser Antragsteller dort tatsächlich der Gefahr ausgesetzt wäre, eine gegen Art. 4 der Charta verstoßende Behandlung zu erfahren, wenn dieser Umstand zur Folge hat, dass sich dieser Antragsteller aufgrund seiner besonderen Verletzbarkeit unabhängig von seinem Willen und seinen persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die den in den oben genannten Kriterien entspricht.
94Vgl. EuGH, Urteil vom 19. März 2019, C-297/17, Celex-Nr. 62017CJ0297, Rn. 92 ff., m.w.N., juris.
95Dass die Klägerin nach diesen Maßstäben der ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-GRCh ausgesetzt wäre, ist weder hinreichend substantiiert geltend gemacht, noch sonst erkennbar.
96Weder aus den aktuellen allgemein zugänglichen Erkenntnismitteln,
97vgl. AI - amnesty international - Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2022) vom 28. März 2023 https://www.ecoi.net/de/dokument/2094503.html; USDOS – Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2022 vom 20. März 2023 https://www.state.gov/reports/2022-country-reports-on-human-rights-practices/denmark/ ; Freedom House, Jahresbericht zu politischen Rechten und bürgerlichen Freiheiten im Jahr 2021, vom 24. Februar 2022 - https://freedomhouse.org/country/denmark/freedom-world/2022; BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Dänemark, Stand: 29.6.2021, S. 7; Raphaelswerk, Dänemark: Informationen für Geflüchtete, Stand 2/2019, S. 3.
98noch der Rechtsprechung ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass die Verhältnisse in Dänemark mit Art. 4 EU-GRCh bzw. Art. 3 EMRK unvereinbar sind.
99Ebenso zuletzt: Bay. VGH, Urteil vom 9. Januar 2024 - 24 B 23.30364 -, juris, Rn. 44; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 22. April 2024 - 22 K 1075/24.A - und Beschluss vom 19. Oktober 2023 - 22 L 2615/23.A -, n. V.; VG Hamburg, Urteil vom 25. August 2023 - 7 A 1252/23 -, juris Rn. 34; VG Ansbach, Urteil vom 10. März 2023, - AN14 K22.50426 - juris; sowie auch im Falle, dass das erste Asylverfahren in Dänemark durchgeführt wurde und mit der Flüchtlingszuerkennung nach dänischem Recht endete OVG NRW, Beschluss vom 3. Februar 2022 - 11 A 219/22.A -, juris, Rn. 9 ff.
100Individuelle Umstände, die eine abweichende Betrachtung rechtfertigen könnten, lassen sich ebenfalls nicht feststellen. Solche ergeben sich – aus den bereits genannten Gründen – insbesondere auch nicht aus der mit Schriftsatz vom 23. April 2024 geäußerten Befürchtung, ihr drohe mit Blick darauf, dass Abschiebungen seitens des dänischen Berufung-Ausschusses in die syrische Provinz Latakia erlaubt worden seien, die Abschiebung nach Syrien.
101II. Auch die Feststellung in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, wäre auf den im Hauptantrag der Klage enthalten statthaften isolierten Anfechtungsantrag,
102vgl. zur Statthaftigkeit der Anfechtungsklage, die gegen einen Asylbescheid mit Unzulässigkeitsentscheidung insgesamt gerichtet ist, im Einzelnen: BVerwG, Urteile vom 27. Oktober 2015 ‑ 1 C 32.14 ‑, juris, Rn. 13 ff. und vom 14. Dezember 2016 - 1 C 4.16 -, juris, Rn. 16 f. (in Bezug auf eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG); OVG NRW, Urteile vom 7. März 2014 ‑ 1 A 21/12.A ‑, juris, Rn. 28 ff., und vom 16. September 2015 ‑ 13 A 800/15.A ‑, juris, Rn. 22 ff. m.w.N.,
103nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand nicht aufzuheben.
104Die Feststellung findet ihre Ermächtigungsgrundlage in § 31 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 AsylG. Danach ist in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen. Mit Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids ist vollziehbar festgestellt, dass der Asylantrag des Antragstellers unzulässig ist. Im Übrigen liegen nach den obigen Ausführungen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass in der Person des Antragstellers ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf Dänemark vorliegen könnte.
105Insbesondere liegen die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 5 AufenthG nicht aufgrund des Umstands vor, dass sich der Ehemann der Klägerin sowie ihre am 3. Mai 2023 geborenen Tochter, der mit Bescheid vom 27. November 2023 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. § 60 Abs. 5 AufenthG, wonach ein Ausländer nicht abgeschoben werden darf, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist, bezieht sich lediglich auf zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse nach der EMRK. Abschiebungshindernisse, die sich etwa aus Art. 8 EMRK ergeben, wenn mit einer Abschiebung eine Trennung des Betroffenen von seiner Familie droht, sind inlandsbezogen und daher von der Ausländerbehörde zu prüfen.
106Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris, Rn. 35; VG Regensburg, Urteil vom 10. Mai 2024 - RO 13 K 21.30906 -, juris, Rn. 42; VG Düsseldorf, Urteil vom 9. April 2024 - 17 K 8423/21.A -, juris, Rn. 110; Koch, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 39. Edition, Stand: 1. Juli 2020, § 60 Rn. 36 m. w. N.
107§ 60 Abs. 5 AufenthG ist auch nicht aufgrund des Beschlusses des Europäischen Gerichtshofs vom 15. Februar 2023 - C-484/22 - (nunmehr) unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass auch die im Inland bestehenden familiären Bindungen der Klägerin bereits im Asylverfahren durch das Bundesamt zu berücksichtigen und diese grundsätzlich geeignet sind, ein Abschiebungsverbot zu begründen. Diese Rechtsprechung ist auf die nationale Vorschrift des § 60 Abs. 5 AufenthG nicht übertragbar. Die Vorgaben aus Art. 5 der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) betreffen lediglich die nach Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Nr. 4 Rückführungsrichtlinie zu treffende Rückkehrentscheidung bzw. konkret nach nationalem Recht die zu erlassende Abschiebungsandrohung. Insofern können schutzwürdige Belange im Sinn von Art. 5 Buchst. a und b Rückführungsrichtlinie nicht zu mehr als dem – hier bereits erfolgten – Unterbleiben einer Rückkehrentscheidung im Sinn von Art. 6 Abs. 1 Rückführungsrichtlinie führen (vgl. auch nunmehr § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG n.F.). Diese Belange verlangen also gerade nicht die Gewährung eines (weitergehenden) Abschiebungsschutzstatus, der im Fall des § 60 Abs. 5 AufenthG überdies grundsätzlich in die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis münden würde (vgl. § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG).
108So auch VG Regensburg, Urteil vom 10. Mai 2024 - RO 13 K 21.30906 -, juris, Rn. 43 f.; VG Düsseldorf, Urteil vom 9. April 2024 - 17 K 8423/21.A -, juris, Rn. 112 ff.; VG München, Gerichtsbescheid vom 6. März 2024 - M 10 K 24.30366 -, juris, Rn. 17; VG Gelsenkirchen, Urteile vom 26. Januar 2024 - 15a K 4469/22.A -, juris, Rn. 108 und vom 21. Juli 2023 - 6a K 2402/21.A -, juris, Rn. 23 ff.; VG Hamburg, Urteil vom 14. Juli 2023 - 8 A 490/21 -, juris, Rn. 62; VG Leipzig, Urteil vom 19. Juni 2023 - 1 K 496/22.A -; VG München, Urt. v. 3. April 2023 - M 27 K 22.30441 -; Schleswig-Holsteinisches VG, Urt. v. 3. Mai 2023 - 7 A 285/22 -, juris, Rn. 12; Zimmerer, in: BeckOK MigR, Stand 15.Oktober 2023, § 60 AufenthG Rn. 26 m.w.N.; a.A.: VG Gelsenkirchen, Urteil vom 13. Juni 2023 - 9a K 250/21.A -, juris, Rn. 20.
109Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO, §§ 83b, 83c AsylG.
110Soweit sich das Verfahren erledigt hat, entscheidet die Kammer nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens. Hierbei ist der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen. Billigem Ermessen entspricht es im Regelfall, demjenigen die Kosten aufzubürden, der ohne das erledigende Ereignis voraussichtlich unterlegen wäre oder durch sein Verhalten in überwiegender Verantwortung des prozessualen Geschehens den Anlass für die Erledigung gesetzt hat.
111Vgl. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO-Kommentar, 28. Aufl. 2022, § 161 Rn. 16 f.
112Ausgehend hiervon entspricht es billigem Ermessen die Kosten des erledigten Verfahrens der Beklagten aufzuerlegen, weil sie Ziffern 3. und 4. des streitgegenständlichen Bescheids aufgehoben und damit – insoweit – dem Klagebegehren entsprochen hat. Es liegt auch kein Fall vor, der unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 156 VwGO einen Anlass zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung bietet.
113Danach fallen dem Kläger die Kosten zur Last, wenn der Beklagte durch sein Verhalten keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben und den Anspruch sofort anerkannt hat. Sofortige Anerkennung bedeutet, dass der Beklagte innerhalb einer den Umständen nach angemessenen Frist, nachdem er die klagebegründenden Tatsachen kannte oder kennen musste und auch Gelegenheit zur Prüfung der Berechtigung des Anspruchs hatte, den Anspruch als berechtigt anerkennt.
114Vgl. VG München, Beschluss vom 27. Mai 2016 - M 1 S7 16.1570 -, juris, Rn. 29.
115Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zwar erfolgte die Aufhebung der Ziffern 3. und 4. des streitgegenständlichen Bescheides aufgrund einer geänderten Sachlage, nämlich aufgrund des Umstands, dass die Klägerin am 3. Mai 2023 eine Tochter geboren hat, der das Bundesamt am 27. November 2023 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, womit der Abschiebung nach der am 27. Februar 2024 in Kraft getretenen Neuregelung des § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG familiäre Belange entgegenstanden. Allerdings lag im Zeitpunkt der Abhilfeentscheidung vom 9. April 2024 jedenfalls kein sofortiges Anerkenntnis mehr vor. Dass die Tochter der Klägerin am 3. Mai 2023 geboren wurde,
116was auch bereits vor Neuregelung des § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG mit Blick auf die bereits erwähnte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 15. Februar 2023 - C-484/22 als schutzwürdiger Belang im Sinn von Art. 5 Buchst. a und b Rückführungsrichtlinie zu berücksichtigen war,
117war der Beklagten spätestens mit der am 25. Juli 2023 erfolgten Asylantragstellung bekannt geworden. Gleichwohl hat die Beklagte mit Schreiben vom 9. Mai 2023 die Abweisung der Klage beantragt und noch mit Schreiben vom 4. Dezember 2023 angegeben, dass sie an dem Bescheid (vollumfänglich) festhält. Zudem nahm die Beklagte auch nicht den mit Schriftsatz vom 10. Januar 2024 erfolgten Hinweis der Klägerin auf die (am 27. November 2023 erfolgte) Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu Gunsten ihrer Tochter, zum Anlass, die Abschiebungsandrohung nebst Einreise- und Aufenthaltsverbot aufzuheben. Vielmehr hob die Beklagte Ziffern 3. und 4. des Bescheids erst auf die gerichtliche Hinweisverfügung vom 5. April 2024 auf.
118Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §167 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.
119Rechtsmittelbelehrung:
120Soweit das Verfahren eingestellt worden ist, ist die Entscheidung unanfechtbar (vgl. § 92 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog).
121Im Übrigen gilt: Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung die Zulassung der Berufung beantragt werden. Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster.
122Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1231. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
1242. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
1253. ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
126Der Antrag ist schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
127Auf die seit dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
128In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen.
129Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
130Die Antragsschrift soll möglichst einfach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.