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1. Zu den statthaften Antragsarten im einstweiligen Rechtsschutz gegen die Ablehnung eines Folgeantrags als unzulässig, die Ablehnung der Abänderung der Entscheidung zu nationalen Abschiebungsverboten sowie gegen eine drohende Aufenthaltsbeendigung ohne erneute Abschiebungsandrohung (unter Berufung auf die bestandskräftige Abschiebungsandrohung aus dem Asylerstverfahren).2. Nach dem Maßstab des Eilverfahrens ist davon auszugehen, dass § 71 Abs. 6 Satz 1 AsylG nicht mit der Richtlinie (EG) 2008/115 (Rückführungs-RL) vereinbar ist.
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Ausländerbehörde des L. mitzuteilen, dass die Antragsteller auf der Grundlage der Abschiebungsandrohungen aus den Bescheiden des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 15.09.2021 (zu den Antragstellerinnen zu 2. und 3.), vom 20.09.2021 (zum Antragsteller zu 4.) sowie vom 17.02.2022 (zum Antragsteller zu 1.) vorläufig nicht abgeschoben werden dürfen.
Im Übrigen werden die Anträge abgelehnt.
Die Antragsteller und die Antragsgegnerin tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens jeweils zur Hälfte.
Gründe:
2Der sachgerecht auszulegende Antrag vom 16.07.2024 mit dem wörtlichen Begehren,
3die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragsteller 21 K 5386/24.A gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 05.07.2024 anzuordnen,
4hilfsweise, der Antragsgegnerin aufzugeben, der für die Durchführung der Abschiebung zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegenüber den Antragstellern vorzunehmen,
5hat im tenorierten Umfang Erfolg. Im Übrigen war der Antrag abzulehnen.
6Nach der gemäß § 122 Abs. 1 i. V. m. § 88 VwGO nicht entscheidend an der Fassung des Antrags, sondern maßgeblich am tatsächlichen Begehren auszurichtenden Auslegung erstreben die Antragsteller möglichst umfassenden einstweiligen Rechtsschutz gegenüber den ihnen infolge des Bescheides des Bundesamtes vom 5. Juli 2024 (Az. 10404622-223) drohenden Abschiebungen.
7Der einstweilige Rechtsschutzantrag richtet sich danach zunächst gegen die den Aufenthalt der Antragsteller betreffenden verfahrensrechtlichen Folgen der Ablehnung des erneuten (auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise des subsidiären Schutzstatus gerichteten) Asylantrags als unzulässig durch Ziffer 1 des angegriffenen Bescheides. Ungeachtet der Frage, welche Rechtsposition ein Asylfolgeantrag im Hinblick auf den Aufenthalt im Bundesgebiet vermittelt,
8vgl. dazu Funke-Kaiser in: GK-AsylG, Stand Juli 2023, § 71 Rn. 142 ff.,
9geht mit diesem jedenfalls ein rechtliches Hindernis einher, den Aufenthalt der Folgeantragsteller zwangsweise zu beenden. Diese den Aufenthalt sichernde verfahrensrechtliche Wirkung des Folgeantrags entfällt nach nationalem Recht mit dessen Ablehnung als unzulässig und der Mitteilung dieser Entscheidung an die zuständige Aufenthaltsbehörde (§ 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG). Daher zielt der einstweilige Rechtsschutzantrag in erster Linie auf eine Sicherung des Aufenthalts der Antragsteller, bis über ihre Klage gegen die Ablehnung ihrer Folgeanträge als unzulässig entschieden wurde.
10Darüber hinaus stützt sich der Antrag auf den von den Antragstellern mit ihrer Klage hilfsweise geltend gemachten Anspruch, dass entgegen Ziffer 2 des Bescheides vom 05.07.2024 (nationale) Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festzustellen seien. Entsprechend hilfsweise, für den Fall, dass einstweiliger Rechtsschutz nicht bereits im Hinblick auf die Klage gegen die Ablehnung des Folgeantrags gewährt wird, begehren die Antragsteller eine Sicherung ihres Aufenthalts bis zur Entscheidung über ihre auf Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gerichteten Klagen.
11Schließlich zielt der Antrag auf die Abwehr sonstiger Rechtsverstöße, die mit einer Aufenthaltsbeendigung infolge des Bescheides vom 05.07.2024 verbunden wären. Der Rechtsschutzantrag der Antragsteller umfasst damit auch die Sicherung von etwaigen Rechten, die ihnen gegen den streitigen Bundesamtsbescheid unabhängig von der Rechtmäßigkeit der mit dessen Ziffern 1 und 2 getroffenen Entscheidungen zustehen. Danach erstreckt sich die von den Antragstellern beantragte gerichtliche Kontrolle auch darauf, ob sie entsprechend der Annahme des Bundesamtes im angegriffenen Bescheid vom 05.07.2024 ohne erneute Abschiebungsandrohung auf der Grundlage der in ihren Asylerstverfahren mit den im Tenor genannten Bescheiden erlassenen Abschiebungsandrohungen abgeschoben werden dürfen.
12Der so auszulegende Antrag hat teilweise Erfolg.
13Den Antragstellern ist einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren, soweit ihnen infolge des Bundesamtsbescheides vom 05.07.2024 eine Abschiebung auf der Grundlage der Abschiebungsandrohungen aus den Asylerstverfahren Az. 8140291-223, 8140292-223 und 8340096-223 in den im Tenor genannten Bescheiden droht (dazu unten 3.).
14Soweit die Antragsteller darüber hinaus eine Sicherung ihres Aufenthalts bis zur Entscheidung über ihre Klage gegen die Ablehnung ihres Folgeantrags als unzulässig durch Ziffer 1 oder jedenfalls gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Änderung der Entscheidung zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG durch Ziffer 2 des angegriffenen Bescheides begehren, hat der Antrag keinen Erfolg (dazu 1. und 2.).
151.
16Der auf die Ablehnung des Asylfolgeantrags bezogene zulässige Rechtsschutzantrag erweist sich als unbegründet.
17a)
18Der Antrag ist zulässig und insbesondere statthaft.
19Für das Begehren der Antragsteller, ihren Aufenthalt bis zur Entscheidung über ihre Klage gegen die Ablehnung ihres Folgeantrags durch Ziffer 1 des Bescheides vom 05.07.2024 zu sichern, ist grundsätzlich der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO statthaft. Danach kann das Gericht, wenn einer Anfechtungsklage entgegen der "Grundregel" des § 80 Abs. 1 VwGO aufgrund (u. a.) einer bundesgesetzlichen Regelung keine aufschiebende Wirkung zukommt, diese anordnen. Diese Voraussetzungen liegen vor. Gegen die Ablehnung eines Asylfolgeantrags als unzulässig ist in der Hauptsache eine Anfechtungsklage statthaft (BVerwG, Urt. v. 14. Dezember 2016 - 1 C 4.16 -, juris Rn. 15 ff.). Die Antragsteller können ihr diesbezügliches Begehren mit der von ihnen insoweit erhobenen Anfechtungsklage gegen Ziffer 1 des Bescheides vom 05.07.2024 erreichen. Die Anfechtungsklage gegen die Ablehnung des Asylfolgeantrags als unzulässig hat gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung, da kein Fall des § 38 Abs. 1 AsylG vorliegt.
20Der Statthaftigkeit des Aussetzungsantrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO steht nicht entgegen, dass das Bundesamt in Anwendung des § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG davon abgesehen hat, eine (erneute) Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung zu erlassen. Abgesehen davon, dass diese Vorgehensweise durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet (dazu 3. b)), folgt daraus nicht, dass die Ablehnung des Asylfolgeantrags als unzulässig keinen vollziehbaren Inhalt hätte. § 80 VwGO gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten (§ 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO). So liegt der Fall hier. Abgesehen von der (verfahrensrechtlich wirkenden) Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gestaltet der angegriffene Bescheid unmittelbar die auf den Aufenthalt bezogene verfahrensrechtliche Stellung der Antragsteller zu deren Nachteil,
21vgl. VG Augsburg, Beschl. v. 28. Februar 2018 - Au 6 E 18.30245 -, juris dfRn. 22.
22Insoweit ähnelt die Ablehnung eines Folgeantrags der Ablehnung eines Antrags auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels. Auch diese lässt neben der Sachentscheidung der Versagung des begehrten Aufenthaltstitels die mit dem Antrag verbundenen, den Aufenthalt sichernden Fiktionswirkungen des § 81 Abs. 3 oder Abs. 4 Satz 1 AufenthG entfallen,
23vgl. dazu Samel, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 81 AufenthG Rn. 18 ff., 45 ff.
24Hieran knüpft § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG an, der (ungeachtet der zugrundeliegenden Verpflichtungskonstellation) bestimmt, dass Widerspruch und Klage gegen die Ablehnung eines Antrags auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels keine aufschiebende Wirkung haben.
25Danach ist das Rechtsschutzziel der Antragsteller, vorläufig eine zwangsweise Aufenthaltsbeendigung zu verhindern, mit dem Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Ablehnung des Folgeantrags als unzulässig zu verfolgen. Wird diesem Antrag entsprochen, dürfen aus der Ablehnung des Folgeantrags einstweilen keine Folgen mehr gezogen werden bzw. ist von einer vorläufigen Wirksamkeitshemmung auszugehen (vgl. dazu, ob die aufschiebende Wirkung nach § 80 VwGO die Wirksamkeit oder (lediglich) die Vollziehbarkeit des angefochtenen Verwaltungsakts hemmt, W.-R. Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, § 80 Rn. 22 ff., m. w. N.). Die Antragsteller werden bei einem Erfolg ihres Antrags so gestellt, als sei über ihren Folgeantrag noch nicht entschieden. Damit scheidet ihrem Rechtsschutzziel entsprechend insbesondere eine Abschiebung einstweilen aus. Das Bundesamt hat die zuständige Ausländerbehörde über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung und die damit verbundenen Rechtsfolgen in Kenntnis zu setzen,
26vgl. VG München, Beschl. v. 8. Mai 2017 - M 2 E 17. 37375 -, juris Rn. 12 ff.; VG Münster, Beschl. v. 24. November 2017 - 3 L 1944/17.A -, juris Rn. 12; VG Köln, Beschl. v. 18. Februar 2022 - 22 L 2171/21.A -, juris Rn. 25.
27Angesichts dessen bedarf es zur Gewährleistung einstweiligen Rechtsschutzes keines Rückgriffs auf eine einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO. Vielmehr steht dem § 123 Abs. 5 VwGO entgegen, wonach § 123 Abs. 1 bis 3 VwGO nicht für die Fälle des § 80 VwGO gilt. Soweit die Gegenauffassung einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung der gegen die Unzulässigkeitsentscheidung des Bundesamtes gerichteten Klage die Eignung abspricht, das Rechtsschutzziel der vorläufigen Verhinderung der Abschiebung zu erreichen,
28vgl. HessVGH, Beschl. v. 13. September 2018 – 3 B 1712/18.A -, juris Rn. 3 ff., m. w. N. zum Streitstand,
29vermag dies nach den vorstehenden Ausführungen nicht zu überzeugen. Die (über die Entscheidung zum Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG hinausgehende) rechtsgestaltende Wirkung der Ablehnung eines Folgeantrags als unzulässig kann suspendiert werden. Hierfür spricht die dargelegte Ähnlichkeit zwischen der Ablehnung eines Folgeantrags und der Ablehnung eines Antrags auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels, der eine der Fiktionen des § 81 Abs. 3, Abs. 4 Satz 1 AufenthG begründet hat. Vor dem Hintergrund der Regelung des § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG ist in diesen Fällen einstweiliger Rechtsschutz trotz der in der Hauptsache bestehenden Verpflichtungskonstellation mit einem Aussetzungsantrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO zu verfolgen (vgl. Samel, a. a. O., § 81 AufenthG Rn. 47, § 84 AufenthG Rn. 32). Umso mehr erscheint es sachgerecht, in der vorliegenden Anfechtungskonstellation das hierfür vorgesehene Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO heranzuziehen. Ob etwas Anderes dann gilt, wenn der Mitteilung an die Ausländerbehörde nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG kein (anfechtbarer) Bescheid über die Unzulässigkeit des Folgeantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG vorausgegangen ist, bedarf keiner Entscheidung. Abgesehen davon, dass der betroffene Antragsteller regelmäßig erst durch die Bekanntgabe der Entscheidung des Bundesamtes über seinen Folgeantrag von dem entsprechenden Verfahrensfortgang Kenntnis erhalten wird, ist hier - entsprechend der zumindest verbreiteten Verwaltungspraxis - die Mitteilung an die Ausländerbehörde nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG dadurch erfolgt, dass dieser der streitige Bescheid nach dessen Erlass übersandt wurde.
30Ungeachtet der danach für das Eilrechtsschutzbegehren der Antragsteller rechtlich überzeugenderen Statthaftigkeit eines Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO (vgl. auch Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juli 2021, § 80 Rn. 57f) wirkt sich der Streit über die statthafte Antragsart in Fällen der vorliegenden Art nicht entscheidend auf das Ergebnis aus. Zur Wahrung des verfassungsrechtlichen Anspruchs des Betroffenen auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG)) ist grundsätzlich unerheblich, ob Eilrechtsschutz über § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO oder über § 123 Abs. 1 VwGO gewährt wird,
31vgl. BVerfG, Beschl. v. 8. November 2017 - 2 BvR 809/17 -, juris Rn. 13.
32Dies gilt auch im Hinblick auf die für einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO bestehende Zulässigkeitsvoraussetzung, dass die in der Hauptsache angegriffene behördliche Entscheidung nicht bestandskräftig geworden sein darf. Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO ist ebenfalls (bereits) unzulässig - und nicht erst unbegründet -, wenn bestandskräftig feststeht, dass das zu sichernde oder zu regelnde Recht nicht besteht,
33Happ in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 123 Rn. 42 m. w. N.
34b)
35Der Antrag ist jedoch unbegründet.
36Angesichts der dargelegten Funktion vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO bestimmt sich die Begründetheit eines Aussetzungsantrags maßgeblich nach den Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs. Dabei kann, wenn dem Antragsteller im Fall der Versagung einstweiligen Rechtsschutzes eine endgültige Verletzung seiner Rechte droht und insoweit auch Grundrechtspositionen von Gewicht in Rede stehen, von Verfassungs wegen bereits im Eilverfahren eine umfassende, nicht bloß summarische Prüfung des im Hauptsacheverfahren in Rede stehenden materiellen Anspruchs geboten sein,
37BVerfG, Beschl. v. 23. Juli 2020 - 2 BvR 939/20 -, juris Rn. 17 m. w. N.
38Es kann dahinstehen, ob diese allgemeinen Maßstäbe für eine gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO im vorliegenden Fall durch § 71 Abs. 4 Halbs. 1 i. V. m. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG modifiziert werden. Gemäß dieser Vorschrift darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgt aus der in § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG normierten Einschränkung der gerichtlichen Aufklärungspflicht allerdings nicht, dass sich das Verwaltungsgericht mit einer bloßen Prognose zur voraussichtlichen Richtigkeit der behördlichen Entscheidung begnügen dürfe; vielmehr habe es die Frage, ob nach Stellung eines Folgeantrags die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen, erschöpfend, wenngleich mit Verbindlichkeit allein für das Eilverfahren zu klären und insoweit über eine lediglich summarische Prüfung hinauszugehen,
39BVerfG, Beschl. v. 23. Juli 2020, a. a. O., Rn. 18 f.
40Auch bei einer entsprechend umfassenden Rechtskontrolle erweist sich die Anfechtungsklage der Antragsteller gegen Ziffer 1 des Bescheides des Bundesamtes vom 05.07.2024 als unbegründet. Die Ablehnung des Folgeantrags der Antragsteller als unzulässig ist (auch) unter Zugrundelegung der Sach- und Rechtslage in dem für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) rechtmäßig und verletzt die Antragsteller daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
41aa)
42Die Ablehnung des erneuten Asylantrags der Antragsteller als unzulässig ist formell rechtmäßig ergangen. Insbesondere ist unschädlich, dass die Antragsteller vor der Entscheidung nicht persönlich angehört wurden.
43Gemäß § 29 Abs. 2 Satz 2, § 71 Abs. 3 Satz 3 AsylG kann von einer Anhörung abgesehen werden. Diese Regelung steht mit den Vorgaben der Richtlinie (EU) 2013/32 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (nachfolgend: Richtlinie (EU) 2013/32) für Folgeanträge in Einklang (vgl. Funke-Kaiser, a. a. O., § 71 Rn. 135). Diese eröffnet für Fälle der vorliegenden Art die Option, die Zulässigkeitsprüfung auf der Grundlage schriftlicher Angaben ohne persönliche Anhörung durchzuführen (Art. 42 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. b) der Richtlinie (EU) 2013/32). Dem wird § 71 Abs. 3 AsylG gerecht, wonach der Folgeantragsteller auf Verlangen die ihm obliegende Angabe der Tatsachen und Beweismittel, aus denen sich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG ergibt, schriftlich zu machen hat (§ 71 Abs. 3 Satz 1 und 2 AsylG). Diese Vorgaben und die in das Ermessen des Bundesamtes gestellte Entscheidung, von einer Anhörung abzusehen, gewährleisten hinreichend, dass der Zugang zu einem neuen Verfahren weder unmöglich gemacht noch effektiv aufgehoben oder erheblich beschränkt werden (Art. 42 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie (EU) 2013/32).
44Das Bundesamt hat das ihm durch § 71 Abs. 3 Satz 3 AsylG eingeräumte Ermessen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeübt,
45vgl. dazu Funke-Kaiser, a. a. O., § 71 Rn. 137 ff.
46Es hat weder die rechtlichen Grenzen des Ermessens überschritten noch von dem Ermessen in einer dem Zweck des § 71 Abs. 3 Satz 3 AsylG nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (§ 114 Satz 1 VwGO). Die Antragsteller hatten Gelegenheit, ihre Gründe für den Folgeantrag schriftlich darzulegen. Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, wenn das Bundesamt den schriftlichen Ausführungen entnommen hat, dass kein Anlass für eine weitere Sachaufklärung durch eine Anhörung der Antragsteller bestand.
47bb)
48Auch in materieller Hinsicht ist die angefochtene Entscheidung rechtmäßig. Das Bundesamt hat den erneuten Asylantrag der Antragsteller zu Recht als unzulässig abgelehnt.
49Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn im Falle eines Folgeantrags nach § 71 AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist. Ein Folgeantrag liegt vor, wenn ein Antragsteller - wie hier - nach unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag stellt. Ein neues Asylverfahren ist auf einen solchen Antrag nur dann durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen (§ 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG). Voraussetzung für eine Asylverfahrensrelevanz nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist somit, dass einer der in § 51 Abs. 1 VwVfG aufgeführten Wiederaufgreifensgründe vorliegt. Erforderlich ist danach, dass sich die der Ablehnung des Asylerstantrags zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat (Nr. 1), neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (Nr. 2), oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind (Nr. 3). Nach § 51 Abs. 2 VwVfG ist der Antrag nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Asylverfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen. § 51 Abs. 3 VwVfG bestimmt, dass der Antrag binnen drei Monaten ab Kenntnis des Betroffenen von dem Grund für das Wiederaufgreifen gestellt werden muss.
50Ungeachtet der Bedenken im Hinblick auf die in § 51 Abs. 3 VwVfG bestimmte Frist (vgl. EuGH, Urt. v. 9. September 2021 - C-18/20 -, juris Rn. 54 ff.) steht die nationale Regelung des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 51 Abs. 1 und 2 VwVfG mit den Regelungen für Folgeanträge in Art. 40 und 42 der Richtlinie (EU) 2013/32 in Einklang. Nach Art. 40 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2013/32 wird ein Folgeantrag auf internationalen Schutz für die zunächst zu treffende Entscheidung über seine Zulässigkeit daraufhin überprüft, ob zu der Frage, ob der Antragsteller als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz anzuerkennen ist, neue Elemente oder Erkenntnisse zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind. Wenn diese erste Prüfung ergibt, dass neue Elemente oder Erkenntnisse zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind, die erheblich zu der Wahrscheinlichkeit beitragen, dass der Antragsteller als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz anzuerkennen ist, wird der Antrag nach den allgemeinen Regeln weiter geprüft (Art. 40 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie (EU) 2013/32). Nach Art. 40 Abs. 4 der Richtlinie (EU) 2013/32 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass der Antrag nur dann weiter geprüft wird, wenn der Antragsteller ohne eigenes Verschulden nicht in der Lage war, die mit dem Folgeantrag dargelegten Sachverhalte im früheren Verfahren, insbesondere durch Wahrnehmung seines Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf vorzubringen. Die Begriffe in Art. 40 Abs. 2 und 3 der Richtlinie (EU) 2013/32 ("neue Elemente oder Erkenntnisse") einerseits und in § 51 Abs. 1 Nr. 1 ("Sach- oder Rechtslage nachträglich [...] geändert hat") und Nr. 2 ("neue Beweismittel") andererseits stimmen hinreichend überein; etwaigen Friktionen kann durch eine unionsrechtskonforme Auslegung des § 51 Abs. 1 Nr. 1 und 2 VwVfG Rechnung getragen werden,
51VG Minden, Beschl. v. 28. April 2021 - 1 L 741/20.A -, juris Rn. 32.
52Der (vorbehaltlich einer Qualifizierung als "neue Elemente oder Erkenntnisse") im Unionsrecht nicht vorgesehene, in § 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG geregelte Fall des Vorliegens von Wiederaufnahmegründen entsprechend § 580 ZPO begünstigt den Betroffenen und ist (abgesehen von Art. 40 Abs. 3 Satz 2 der Richtlinie (EU) 2013/32) schon aus diesem Grund gemäß Art. 5 der Richtlinie (EU) 2013/32 unbedenklich.
53Dies zugrunde gelegt ist der Folgeantrag der Antragsteller unzulässig. Er erfüllt (bereits) nicht die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 VwVfG. Es liegt kein Grund für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens vor. Insbesondere genügt der Vortrag der Antragsteller in keiner Weise zur Darlegung, dass sich die Sachlage nachträglich zu ihren Gunsten geändert hat. Zudem steht der Asylverfahrensrelevanz des Vortrags, insbesondere im Hinblick auf die erstmals im Rechtsanwaltsschreiben vom 06.10.2023 behaupteten Schwierigkeiten, § 51 Abs. 2 VwVfG entgegen. Insgesamt hat das Bundesamt zutreffend dargelegt, dass und warum die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 51 Abs. 1 und 2 VwVfG nicht erfüllt sind. Auf die entsprechenden Ausführungen im angegriffenen Bescheid kann daher gemäß § 77 Abs. 2 AsylG verwiesen werden.
54Bei dem sehr eingehend dargestellten und umfangreichen Verfolgungsschicksal im schriftlichen Folgeantrag der Antragsteller durch ihre Prozessbevollmächtigte vom 06.10.2023 ist nicht nachvollziehbar oder erklärlich, warum dies in den Erstverfahren der Antragsteller im Verwaltungsverfahren beim Bundesamt in keiner Weise auch nur andeutungsweise erkennbar geworden ist. Die Erklärung, dies sei aufgrund von Verständigungsschwierigkeiten mit dem Sprachmittler nicht in der Anhörung aufgenommen worden, überzeugt in keiner Weise. Die Protokolle der Anhörungen der Antragsteller enthalten keine Elemente, die auf solche Probleme in irgendeiner Weise hinweisen (wie Nachfragen, Rückfragen, Verwirrung o.Ä.). Auch ist in beiden Anhörungen jeweils zu Beginn enthalten, dass der Antragsteller bzw. die Antragstellerin sich mit dem Sprachmittler verständigen kann. Weiter haben beide am Ende ihrer jeweiligen Anhörung bestätigt, dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gab. Mithin ist kein Grund ersichtlich, dass das Vorbringen aus dem Folgeantrag vom 06.10.2023 nicht im ersten Verfahren, gegebenenfalls durch Rechtsmittel, hätte geltend gemacht werden können.
55Das Vorbringen aus dem Klageverfahren zum Erstverfahren (21 K 2449/22.A) ähnelt dem nunmehr vorgetragenen Sachverhalt, ohne auch nur annähernd dessen Detailtiefe zu erreichen. Es war auch ein anderer Rechtsanwalt bevollmächtigt. Es war jedoch nicht so, dass das Gericht die Klage gegen die ablehnenden Bescheide des Erstverfahrens mangels Überzeugungskraft oder wegen fehlender Belege abgewiesen hat. Die Klage ist vielmehr ohne erkennbaren Anlass im Jahr 2023 nach einem zwischenzeitlichen Aufenthalt der Antragsteller in Frankreich und einem Überstellungsverfahren zurück nach Deutschland zurückgenommen worden. Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Streit um das nunmehrige Vorbringen (einschließlich angeblich neuer Beweismittel) nicht in jenem Verfahren geführt worden ist.
56Das neue Vorbringen aus dem Folgeantrag der Antragsteller vom 06.10.2023 ist auch ungeachtet einer Präklusion nicht geeignet, dem Folgeantrag zum Erfolg zu verhelfen. Aus dem Umstand, dass dies in den Anhörungen zum Erstverfahren in keiner Weise auch nur andeutungsweise vorgebracht worden ist, folgt, dass das spätere Vorbringen nicht glaubhaft ist. Es ist nämlich weder im Klageverfahren des Erstverfahrens 21 K 2449/22.A und auch mit dem Folgeantrag nicht nachvollziehbar erläutert worden, warum dies zuvor nicht angegeben worden war. Der Antragsteller zu 1. hat in seiner Anhörung im Erstverfahren umfänglich von wirtschaftlichen Schwierigkeiten und der allgemeinen Situation in Angola berichtet; er wollte mit seiner Familie am liebsten nach USA oder Kanada, gegebenenfalls auch nach Deutschland; Asylgründe und Verfolgungsfurcht gab er auch auf intensives Nachfragen nicht an. Die Antragstellerin zu 2. wurde insofern in ihrer Anhörung beim Bundesamt im Erstverfahren (8140292-223, Beiakte 2 Bl. 148 ff.) am 09.06.2021 noch deutlicher:
57„Was ich noch sagen wollte, ist, dass die Leute im Camp uns gesagt haben, dass wir irgendwas erzählen müssen, was wir erlebt haben, damit unser Asyl genehmigt wird. Etwas politisches oder irgendetwas. (Vermerk: Die Antragstellerin beginnt zu weinen.)
58Aber wie kann ich etwas erzählen, was ich nicht erlebt habe? Was unwahr ist? Wenn es eine Möglichkeit gibt, auch wenn ich jetzt kein Verfolgungsschicksal habe, möchte ich hier leben. Das ist das, was ich möchte.“
59Die Antragstellerin hat aufrichtig verdeutlicht, dass sie keine Verfolgung erlebt hat und aus anderen Gründen hier leben möchte. Sie wollte nicht lügen, und hat dies im Erstverfahren auch nicht versucht. Anscheinend sind die Antragsteller in der Folgezeit zu ihrem Vorbringen beraten worden und haben es beginnend mit dem Klageverfahren im Erstverfahren angepasst. Mit dem Folgeantrag haben sie es in der hier im Streit stehenden Weise ausführlich ausgeführt und vertieft.
60Auf dieser Grundlage ist offensichtlich, dass das Vorbringen im Folgeantrag unabhängig von der gesetzlich vorgegebenen und oben dargelegten Präklusion auch für sich genommen unglaubhaft ist.
612.
62Der auf Sicherung des hilfsweise geltend gemachten Anspruchs auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zielende Antrag ist zulässig (a)) und im Übrigen jedoch unbegründet (b)).
63a)
64Der Antrag ist insofern zulässig nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
65Soweit die Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz unter Berufung auf das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG begehren, ist ihr Antrag als Antrag auf Erlass einer Sicherungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO statthaft. Danach kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Dies entspricht dem Begehren der Antragsteller. Diese machen geltend, dass ihnen infolge des Bundesamtsbescheides vom 05.07.2024 eine Beendigung ihres Aufenthalts im Bundesgebiet drohe und hierdurch ihnen aus § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zustehende Rechte verletzt würden.
66Der Statthaftigkeit des Antrags nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO steht nicht § 123 Abs. 5 VwGO entgegen. Im Hinblick auf den geltend gemachten Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG liegt keine § 80 VwGO unterfallende Anfechtungssituation vor. Entsprechend dem insoweit im Klageverfahren 21 K 5386/24.A formulierten Hilfsantrag ist das auf die Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten gerichtete Begehren in der Hauptsache mit einer Verpflichtungsklage zu verfolgen,
67vgl. BVerwG, Urt. v. 14. Dezember 2016, a. a. O., Rn. 20; VG München, Beschl. v. 8. Mai 2017, a. a. O., Rn. 17 f.
68b)
69Jedoch erweist sich der auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG bezogene Antrag auf Erlass einer Sicherungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO auch als unbegründet.
70Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO ist, dass aufgrund der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren feststellbaren, erforderlichenfalls gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2, § 294 Abs. 1 ZPO vom Antragsteller glaubhaft zu machenden Tatsachen ein Anordnungsanspruch, also der im Hauptsacheverfahren geltend gemachte bzw. geltend zu machende materiell-rechtliche Anspruch, sowie ein Anordnungsgrund, also eine besondere Eilbedürftigkeit bzw. Dringlichkeit, bestehen. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Den Antragstellern steht der mit der hilfsweise erhobenen Verpflichtungsklage geltend gemachte Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht zu.
71aa)
72Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK -) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Wie § 60 AufenthG insgesamt erfasst auch dessen Absatz 5 (nur) Abschiebungsverbote, die an die Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung anknüpfen,
73vgl. BVerwG, Urt. v. 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris Rn. 35.
74Das Vorliegen eines solchen Abschiebungsverbots haben die Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass sie bei einer Rückkehr nach Angola wegen der dortigen Verhältnisse Gefahren ausgesetzt sein könnten, die die Annahme eines Verstoßes gegen Rechte und Freiheiten rechtfertigen könnten, die durch die Europäische Menschenrechtskonvention gewährt werden.
75Insofern wird zunächst wiederum auf die Ausführungen des Bundesamtes im angegriffenen Bescheid Bezug genommen. Es liegen schon die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen nicht vor; es ist nicht ersichtlich, warum die Antragsteller das nunmehrige Vorbringen nicht bereits im Vorverfahren geltend gemacht haben. Weiterhin sind die Ausführungen zu den nunmehr geltend gemachten Erkrankungen nicht substantiiert und vorgelegte Atteste und Bescheinigungen nicht hinreichend aktuell. Auch ansonsten ist der Begründung des Bundesamtes nichts hinzuzufügen.
76bb)
77Das vorstehend Ausgeführte gilt entsprechend im Hinblick auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei sind Gefahren, denen die Bevölkerung allgemein ausgesetzt ist, grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (§ 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG). Eine zielstaatsbezogene Gefahr i. S. v. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist weder von den Antragstellern dargelegt worden noch sonst ersichtlich.
78Ergänzend nimmt das Gericht zum Fehlen eines Anspruchs auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG auf die diesbezüglichen Ausführungen im angegriffenen Bescheid Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG).
793.
80Soweit mit dem Antrag (hilfsweise) Schutz vor einer Abschiebung ohne erneute Abschiebungsandrohung erstrebt wird, hat der Antrag Erfolg.
81a)
82Der an das Fehlen einer zureichenden Abschiebungsandrohung anknüpfende Antrag ist als Antrag auf Erlass einer Sicherungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO zulässig.
83Für das Begehren der Antragsteller, ungeachtet der behaupteten Ansprüche auf Zuerkennung internationalen Schutzes oder Feststellung nationaler Abschiebungsverbote jedenfalls nicht ohne erneute Abschiebungsandrohung auf der Grundlage der in den Asylerstverfahren Az. 8140291-223, 8140292-223 und 8340096-223 erlassenen Abschiebungsandrohungen abgeschoben zu werden, ist ein Antrag nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO statthaft. Insbesondere liegt insoweit keine § 80 VwGO unterfallende, gemäß § 123 Abs. 5 VwGO "vorrangige" Anfechtungssituation vor. Die im Tenor im Einzelnen bezeichneten Abschiebungsandrohungen selbst können nicht (mehr) angefochten werden. Diese sind bestandskräftig. Deren Rechtmäßigkeit steht auch nicht in Streit. Vielmehr geht es in der Hauptsache um die Feststellung, dass die früheren Abschiebungsandrohungen aus den Erstverfahren gegenüber den Antragstellern keine Wirkung mehr entfalten, jedenfalls keine zureichende Grundlage für die Vollstreckung ihrer Ausreisepflicht sind,
84vgl. VG Bremen, Urt. v. 22. August 2023 - 7 K 263/22 -, juris Rn. 59 ff.
85Angesichts der in der Hauptsache zu erhebenden Feststellungsklage richtet sich der einstweilige Rechtsschutz nach § 123 Abs. 1 VwGO.
86Ebenso wie die gegen die Ablehnung des Folgeantrags als unzulässig und die Versagung der Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten gerichteten Anträge ist auch der an das Fehlen einer zureichenden Abschiebungsandrohung anknüpfende Antrag zurecht gegen die Antragsgegnerin gerichtet worden. Diese ist als Rechtsträgerin des Bundesamtes Antragsgegnerin, soweit gegen eine drohende Abschiebung Einwendungen erhoben werden, die der Prüfung durch das Bundesamt unterliegen,
87VG Würzburg, Beschl. v. 27. April 2023 - W 4 E 23.30232 -, juris Rn. 22 m. w. N.
88Dies trifft auf die Anwendung des § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG zu. Es liegt im Verantwortungsbereich des Bundesamtes, dass gegenüber den Antragstellern keine erneute Abschiebungsandrohung erlassen wurde und die Abschiebungsandrohungen aus den Erstverfahren als ausreichende Grundlagen für eine Abschiebung angesehen werden. Die Ausländerbehörde ist an diese Auffassung des Bundesamtes gebunden. Dementsprechend ist sowohl die insoweit in der Hauptsache zu erhebende Feststellungsklage als auch ein darauf bezogener Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen die Antragsgegnerin zu richten,
89vgl. VG Bremen, Urt. v. 22. August 2023, a. a. O.; VG Würzburg, a. a. O., m. w. N.
90Die Antragsteller haben diese Feststellungsklage auch im Klageverfahren 21 K 5386/24.A als zweiten Hilfeantrag anhängig gemacht.
91b)
92Der an das Fehlen einer zureichenden Abschiebungsandrohung anknüpfende Antrag ist begründet. Insoweit liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer Sicherungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO vor.
93Der Anordnungsgrund ergibt sich daraus, dass den Antragstellern nach Erlass des Bundesamtsbescheides vom 05.07.2024 und dessen Mitteilung an die zuständige Ausländerbehörde des L. auf der Grundlage der Abschiebungsandrohungen aus den Erstverfahren die Abschiebung nach Angola droht. Wie dargelegt ist die Ausländerbehörde an den Bundesamtsbescheid gebunden. Mit der Entscheidung des Bundesamtes steht danach - neben dem Wegfall des vor Bescheiderlass bestehenden Abschiebungshindernisses (§ 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG) und der Feststellung, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG bestehen – fest, dass es für eine Abschiebung der Antragsteller keiner erneuten Abschiebungsandrohung bedarf.
94Es besteht auch ein Anordnungsanspruch. Entgegen der auf § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG gestützten Auffassung des Bundesamtes sind die Abschiebungsandrohungen aus den in den Asylerstverfahren ergangenenen Bescheiden jedenfalls mit einer den Erlass einer Sicherungsanordnung gebietenden Wahrscheinlichkeit keine zureichende Grundlage für eine Abschiebung der Antragsteller. Da die Antragsteller nach den vorliegenden Informationen nach den Asylerstverfahren das Bundesgebiet verlassen haben, kommt ihre Abschiebung auf der Grundlage der Abschiebungsandrohungen aus den Erstverfahren nur in Anwendung des § 71 Abs. 6 Satz 1 i. V. m. Abs. 5 Satz 1 AsylG in Betracht. Die Anwendbarkeit des § 71 Abs. 6 Satz 1 AsylG begegnet aber durchgreifenden Bedenken. Die Vorschrift ist nach der im vorliegenden Verfahren veranlassten vorläufigen Prüfung nicht mit unionsrechtlichen Vorgaben vereinbar. Bei dieser Sachlage überwiegt das Interesse der Antragsteller, vorläufig nicht aufgrund der alten Abschiebungsandrohungen aus den Erstverfahren abgeschoben zu werden, gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse.
95Soweit ersichtlich haben die Antragsteller das Bundesgebiet nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens im Erstverfahren – wohl im Verlauf des Jahres 2022 –verlassen. Nach ihren Angaben haben sie sich sowohl in Frankreich als auch in Portugal aufgehalten. Nachdem das Bundesamt in diesem Verfahren hieran Zweifel geäußert hatte, haben sie umfangreiche Unterlagen vorgelegt, die ihren Aufenthalt in diesen beiden Ländern in jenem Zeitraum ausreichend sicher belegen. Das Bundesamt hat daraufhin auch seine hiergegen gerichteten Zweifel nicht wiederholt, sondern sich allein auf §§ 71 Abs. 5, Abs. 6 S. 1 AufenthG berufen. Das als Beiakte 5 zum Klageverfahren vorliegende Überstellungsverfahren (Az. 9275022-223) von Frankreich nach Deutschland im Jahr 2022, welches zu einer Überstellung am 29.08.2022 von Frankreich nach Deutschland führte, belegt dies eindrücklich.
96Sind die Antragsteller nach Abschluss der Asylerstverfahren nach Frankreich und Portugal ausgereist, kann sich eine Eignung der in diesen erlassenen und im Tenor bezeichneten Abschiebungsandrohungen als Grundlage für eine Abschiebung der erneut in das Bundesgebiet eingereisten Antragsteller allein aus § 71 Abs. 6 Satz 1 i. V. m. Abs. 5 Satz 1 AsylG ergeben. Nach § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG bedarf es für den Vollzug der Abschiebung eines Ausländers, der einen nicht asylverfahrensrelevanten Folgeantrag stellt, nachdem eine nach Stellung des früheren Asylantrags ergangene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist, keiner erneuten Fristsetzung und Abschiebungsandrohung. § 71 Abs. 6 Satz 1 AsylG bestimmt, dass dies auch dann gilt, wenn der Ausländer zwischenzeitlich das Bundesgebiet verlassen hatte.
97Zur der Anwendung dieser Normen entgegenstehenden fehlenden Vereinbarkeit von §§ 71 Abs. 5, Abs. 6 Satz 1 AsylG mit dem Unionsrecht hat das VG Leipzig mit Beschluss vom 25.10.2023 – 4 L 345/23.A – ausgeführt:
98„Ausgangspunkt der Regelung des § 71 Abs. 6 Satz 1 AsylG ist, dass eine (in einem Asylverfahren ergangene) Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung grundsätzlich "verbraucht" ist, wenn der Ausländer seiner Ausreisepflicht durch Verlassen des Bundesgebiets genügt hat. Ungeachtet etwaiger fortbestehender Rechtswirkungen bei einer Aufenthaltsbeendigung im Wege der Abschiebung (vgl. zum Streitstand Dollinger in: Bergmann/Dienelt, a. a. O., § 59 AufenthG Rn. 74) erledigt sich eine Abschiebungsandrohung bei einem Verlassen des Bundesgebiets (jedenfalls) in dem Sinn, dass sie nicht als Grundlage für die zwangsweise Beendigung eines späteren neuen Aufenthalts herangezogen werden kann (VG Bremen, Urt. v. 22. August 2023, a. a. O., Rn. 67; VG Mainz, Beschl. v. 25. März 2019 - 4 L 99/19.MZ -, juris Rn. 5; VG Freiburg, Beschl. v. 9. Februar 2021 - 10 K 3748/20 -, juris Rn. 10 m. w. N.). Abweichend von dieser grundsätzlichen Folge einer Erfüllung der Ausreisepflicht bestimmt § 71 Abs. 6 Satz 1 AsylG, dass sich die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung aus dem vorangegangenen Asylverfahren trotz zwischenzeitlicher Aufenthaltsbeendigung nicht verbraucht hat (BGH, Beschl. v. 16. Mai 2019 - V ZB 1/19 -, juris Rn. 18). Ohne die Regelung des § 71 Abs. 6 Satz 1 AsylG wäre § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG auf zwischenzeitlich ausgereiste Folgeantragsteller nicht anwendbar. Die Vorschrift gilt allerdings nur für den Fall, dass der Ausländer nach seiner Wiedereinreise einen (nicht asylverfahrensrelevanten) Folgeantrag i. S. v. § 71 Abs. 1 i. V. m. § 13 Abs. 1 und 2 AsylG stellt. Ist dies nicht der Fall, stellt der Ausländer also keinen erneuten Antrag bei dem Bundesamt oder beschränkt er seinen Antrag auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG, verbleibt es bei dem Grundsatz, dass die ("alte") Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung aus dem vorangegangenen Asylverfahren als Grundlage für eine Abschiebung ausscheidet. Es bedarf dann einer erneuten Abschiebungsandrohung (vgl. OVG Nds., Beschl. v. 7. März 2008 - 2 ME 133/08 -, juris Rn. 10; VG Mainz, Beschl. v. 25. März 2019, a. a. O., Rn. 7; VG Freiburg, Beschl. v. 9. Februar 2021, a. a. O., Rn. 10).
99Es ist davon auszugehen, dass § 71 Abs. 6 Satz 1 AsylG nicht mit der Richtlinie (EG) 2008/115 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (nachfolgend Richtlinie (EG) 2008/115 – Rückführungs-RL) vereinbar ist (so VG Bremen, Urt. v. 22. August 2023, a. a. O., Rn. 63 ff.; Beschl. v. 27. Juni 2022 - 7 V 712/22 -, juris Rn. 19 ff.; VG Würzburg, Beschl. v. 27. April 2023, a. a. O., Rn. 36 ff.; VG Leipzig, Beschluss vom 25.10.2023 – 4 L 345/23.A –, juris Rn. 55 ff.; Funke-Kaiser, a. a. O., § 71 Rn. 329, 333; Müller in: Hofmann, Ausländerrecht, 3 Aufl. 2023, § 71 AsylG Rn. 6, 48; a. A. VG Potsdam, Beschl. v. 1. März 2023 - 6 L 300/22.A -, juris Rn. 16).
100Die Richtlinie (EG) 2008/115 (Rückführungs-RL) enthält Normen und Verfahren, die in den Mitgliedstaaten bei der Rückführung von sich illegal aufhaltenden Drittstaatsangehörigen im Einklang mit den Grundrechten als allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschafts- und des Völkerrechts, einschließlich der Verpflichtung zum Schutz von Flüchtlingen und zur Achtung der Menschenrechte, anzuwenden sind (Art. 1 der Richtlinie (EG) 2008/115). Sie soll gewährleisten, dass der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen im Wege eines fairen und transparenten Verfahrens beendet wird und diesbezügliche Entscheidungen in Übereinstimmung mit allgemeinen Grundsätzen des EU-Rechts auf der Grundlage des Einzelfalls und anhand objektiver Kriterien getroffen werden (Erwägungsgrund 6). Zu den "in gebührender Weise" zu berücksichtigenden Umständen gehören nach Art. 5 der Richtlinie (EG) 2008/115 neben der Einhaltung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung das Wohl des Kindes (Buchst. a)), familiäre Bindungen (Buchst. b)) sowie der Gesundheitszustand des betreffenden Drittstaatsangehörigen (Buchst. c)). Zentrales Instrument zur Erreichung der mit der Richtlinie (EG) 2008/115 verfolgten Ziele ist die Rückkehrentscheidung, also die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird (Art. 3 Nr. 4 der Richtlinie (EG) 2008/115). Die Rückkehrentscheidung ist nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie (EG) 2008/115 abgesehen von den Ausnahmen nach den Absätzen 2 bis 5 der Vorschrift gegen alle sich im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaates aufhaltenden Drittstaatsangehörigen zu erlassen. Nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie (EG) 2008/115 sieht eine Rückkehrentscheidung unbeschadet der Ausnahmen nach den Absätzen 2 und 4 der Vorschrift eine angemessene Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise vor. Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie (EG) 2008/115 bestimmt, dass die Mitgliedstaaten alle erforderlichen Maßnahmen zur Vollstreckung der Rückkehrentscheidung ergreifen, wenn nach Artikel 7 Absatz 4 der Richtlinie keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt wurde oder die betreffende Person ihrer Rückkehrverpflichtung nicht innerhalb der eingeräumten Frist für die freiwillige Ausreise nachgekommen ist. Für diesen Fall ordnet Art. 11 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie (EG) 2008/115 an, dass die Rückkehrentscheidung mit einem nach näheren Maßgaben anzuordnenden Einreiseverbot einhergeht. Nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie (EG) 2008/115 ergehen Rückkehrentschei-dungen sowie gegebenenfalls Entscheidungen über ein Einreiseverbot oder eine Abschiebung grundsätzlich schriftlich und enthalten eine sachliche und rechtliche Begründung sowie Informationen über mögliche Rechtsbehelfe. Hierzu bestimmt Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie (EG) 2008/115, dass die betreffenden Drittstaatsangehörigen das Recht haben, bei einer zuständigen Justiz- oder Verwaltungsbehörde oder einem sonstigen unparteiischen und unabhängigen Gremium einen wirksamen Rechtsbehelf gegen Entscheidungen in Bezug auf die Rückkehr einzulegen oder die Überprüfung solcher Entscheidungen zu beantragen.
101Es ist nicht ersichtlich, dass § 71 Abs. 6 Satz 1 AsylG mit diesen Vorgaben in Einklang steht. Die Beendigung des erneuten Aufenthalts zwischenzeitlich ausgereister Folgeantragsteller fällt in den Anwendungsbereich der Richtlinie (EG) 2008/115. Diese gilt nach ihrem Art. 2 Abs. 1 grundsätzlich für alle sich illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhaltenden Drittstaatsangehörigen. Ein Fall des der Anwendung entgegenstehenden Art. 2 Abs. 2 oder 3 der Richtlinie (EG) 2008/115 liegt ersichtlich nicht vor. Der Geltung der (Rückführungs-) Richtlinie (EG) 2008/115 im Anwendungsbereich des § 71 Abs. 6 Satz 1 AsylG stehen auch nicht die Regelungen der (Asylverfahrens-) Richtlinie (EU) 2013/32 für Folgeanträge entgegen. Nach der Richtlinie (EU) 2013/32 erwerben grundsätzlich auch Folgeantragsteller das in Art. 9 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie statuierte Recht, bis zur erstinstanzlichen Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz im Hoheitsgebiet des maßgeblichen Mitgliedstaates verbleiben zu dürfen. Allerdings können die Mitgliedstaaten nach Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2013/32 unter den (abschließenden) Voraussetzungen des Art. 41 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie Ausnahmen vom Recht auf Verbleib bei Folgeanträgen vorsehen. Von dieser Option hat die Bundesrepublik Deutschland aber keinen Gebrauch gemacht. Insbesondere enthält § 71 AsylG einschließlich des hier zu beurteilenden Absatz 6 Satz 1 keine Regelung, die Art. 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Richtlinie (EU) 2013/32 umsetzt. Anders als nach der Richtlinienregelung für eine Ausnahme vom Recht auf Verbleib für Folgeantragsteller notwendig stellt § 71 AsylG nicht auf den (kumulativ erforderlichen) Umstand ab, dass der Folgeantrag nur zur Verzögerung einer Abschiebung gestellt wurde (vgl. VG Bremen Urt. v. 22. August 2023, a. a. O., Rn. 68; Funke-Kaiser, a. a. O., § 71 Rn. 155 ff.). Angesichts dessen kann an dieser Stelle dahinstehen, ob ein Gebrauchmachen von der Option des Art. 41 der Richtlinie (EU) 2013/32 (überhaupt) die Anwendbarkeit der (Rückführungs-) Richtlinie (EG) 2008/115 infrage stellen würde (dazu weiter unten).
102Ist in den Fällen des § 71 Abs. 6 Satz 1 AsylG die Richtlinie (EG) 2008/115 anwendbar, ist gemäß deren Art. 6 Abs. 1 im Zusammenhang mit der Ablehnung des Folgeantrags eine Rückkehrentscheidung zu erlassen. Als Rückkehrentscheidung kommt nach nationalem Recht allein eine Abschiebungsandrohung in Betracht. Insbesondere sind die mit dem angegriffenen Bescheid zu dem nicht asylverfahrensrelevanten Folgeantrag und dem Nichtvorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG getroffenen Entscheidungen (als solche) keine Rückkehrentscheidung i. S. v. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie (EG) 2008/115. Die in Art. 6 Abs. 2 bis 5 der Richtlinie (EG) 2008/115 geregelten Ausnahmen, bei denen von einer Rückkehrentscheidung abgesehen werden kann, greifen in der vorliegenden Fallkonstellation nicht ein. Auch im Übrigen enthält die Richtlinie (EG) 2008/115 keine Regelung, die für die vorliegende Fallkonstellation rechtfertigen könnte, von einer Rückkehrentscheidung abzusehen. Insbesondere sieht die Richtlinie (EG) 2008/115 für die § 71 Abs. 6 Satz 1 AsylG unterfallenden Fälle der zwischenzeitlichen Ausreise des Drittstaatsangehörigen nicht vor, dass auf den Erlass einer (neuen) Rückkehrentscheidung verzichtet und für die Aufenthaltsbeendigung die vor der zwischenzeitlichen Rückkehr erlassene Rückkehrentscheidung herangezogen werden kann. Vielmehr geht die Richtlinie (EG) 2008/115 davon aus, dass das unionsrechtlich geregelte Rückkehrverfahren mit einer Rückkehr des Drittstaatsangehörigen abgeschlossen ist (vgl. Funke-Kaiser, a. a. O., § 71 Rn. 329). Wie dargelegt wird dem Drittstaatsangehörigen mit der Rückkehrentscheidung eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder diese festgestellt (Art. 3 Nr. 4 der Richtlinie (EG) 2008/115). Rückkehr ist nach Art. 3 Nr. 3 der Richtlinie (EG) 2008/115 die Rückreise des Drittstaatsangehörigen in freiwilliger Erfüllung einer Rückkehrverpflichtung oder erzwungener Rückführung in dessen Herkunftsland, ein Transitland nach Maßgabe entsprechender Vereinbarungen oder ein anderes aufnahmebereites Drittland, in das der Drittstaatsangehörige freiwillig zurückkehren will. Dementsprechend ist nach einer solchen Rückkehr das Rückkehrverfahren beendet. Ebenso wie eine Abschiebungsandrohung nach nationalem Recht grundsätzlich durch eine diese erfüllende Ausreise (jedenfalls als Grundlage für die zwangsweise Beendigung eines Aufenthalts) verbraucht ist, erledigt sich auch eine Rückkehrentscheidung mit einer ihr entsprechenden Rückkehr (vgl. VG Bremen, Urt. v. 22. August 2023, a. a. O., Rn. 68). Nach einer erneuten Einreise des Drittstaatsangehörigen bedarf es nach der Richtlinie (EG) 2008/115 daher für eine Aufenthaltsbeendigung einer erneuten Rückkehrentscheidung (Funke-Kaiser, a. a. O.).
103Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, wonach die praktische Wirksamkeit der Richtlinie (EG) 2008/115 verlangt, ein nach dieser Richtlinie eingeleitetes Verfahren, in dessen Rahmen eine Rückkehrentscheidung ergangen ist, in dem Stadium, in dem es wegen der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz unterbrochen wurde, wieder aufzunehmen, sobald dieser Antrag erstinstanzlich abgelehnt wurde (EuGH, Urt. v. 15. Februar 2016 - C-601/15 PPU -, juris Rn. 75 f.). Dieses Urteil bezieht sich auf die Folgen der "Stellung eines Asylantrags durch eine Person, die Gegenstand eines Rückführungsverfahrens ist, [für] eine zuvor im Rahmen dieses Verfahrens ergangene Rück- kehrentscheidung" (Rn. 75). Dies ist mit der § 71 Abs. 6 Satz 1 AsylG zugrundeliegenden Fallkonstellation nicht vergleichbar (vgl. VG Bremen, Urt. v. 22. August 2023, a. a. O., Rn. 71; VG Würzburg, Beschl. v. 27. April 2023, a. a. O., Rn. 40). Insbesondere geht es in dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 15. Februar 2016 nicht um die hier relevante Frage, ob eine im Rahmen eines Asylverfahrens ergangene Rückkehrentscheidung durch eine der Rückkehrverpflichtung entsprechende Rückkehr verbraucht ist oder (ungeachtet des seither verstrichenen Zeitraums) bei einer erneuten Einreise wiederaufleben kann, wenn der Ausländer einen Folgeantrag stellt.
104Abgesehen von dem Fehlen einer entsprechenden Regelung in der Richtlinie (EG) 2008/115 steht § 71 Abs. 6 Satz 1 AsylG auch im Übrigen mit den unionsrechtlichen Vorgaben nicht in Einklang. Vielmehr werden diese durch § 71 Abs. 6 Satz 1 i. V. m. Abs. 5 AsylG unterlaufen. So wird dem zwischenzeitlich ausgereisten Folgeantragsteller entgegen Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie (EG) 2008/115 keine Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt. Die Ausreisefrist der Abschiebungsandrohungen im Ausgangsbescheid ist regelmäßig - wie hier - längst abgelaufen (vgl. VG Bremen, Urt. v. 22. August 2023, a. a. O., Rn. 70; VG Würzburg, Beschl. v. 27. April 2023, a. a. O., Rn. 38). Dass ein zwischenzeitlich ausgereister Drittstaatsangehöriger nach seiner Wiedereinreise einen Folgeantrag stellt, erfüllt keinen der in Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie (EG) 2008/115 geregelten Gründe, die rechtfertigen, von der Gewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen. Ferner hindert eine Anwendung des § 71 Abs. 6 Satz 1 i. V. m. Abs. 5 AsylG, dass familiäre und gesundheitliche Umstände in der (insbesondere) durch Art. 5 der Richtlinie (EG) 2008/115 vorgeschriebenen Weise berücksichtigt werden (vgl. dazu EuGH, Beschl. v. 15. Februar 2023 - C-484/22 -, juris Rn. 22 ff.). Diese Umstände können sich seit Erlass der Abschiebungsandrohung im vorangegangenen Asylverfahren geändert haben. Das gilt insbesondere dann, wenn seitdem mehrere Jahre vergangen sind (vgl. VG Bremen, Urt. v. 22. August 2023, a. a. O.; VG Würzburg, Beschl. v. 27. April 2023, a. a. O.). Zudem wird durch die nach nationalem Recht eingeräumte Möglichkeit, trotz zwischenzeitlicher Ausreise des Folgeantragstellers, von einer erneuten Abschiebungsandrohung abzusehen, die in Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie (EG) 2008/115 vorgesehene Rechtsschutzmöglichkeit des Betroffenen (zumindest) gefährdet (vgl. VG Würzburg, Beschl. v. 27. April 2023, a. a. O.). Anders als bei einer im Zusammenhang mit der Ablehnung eines Folgeantrags als unzulässig gemäß § 71 Abs. 4 i. V. m. §§ 34, 35 und 36 AsylG erlassenen neuen Abschiebungsandrohung enthält der über § 71 Abs. 6 Satz 1 AsylG anwendbare § 71 Abs. 5 AsylG keine entsprechenden Rechtsschutzmechanismen. Zwar bestehen insoweit bei einer Anrufung des Verwaltungsgerichts (insbesondere) über Art. 19 Abs. 4 GG Möglichkeiten, dieses Regelungsdefizit "aufzufangen" (vgl. Funke-Kaiser, a. a. O., § 71 Rn. 159.1). Dies genügt aber nicht den Anforderungen aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1, Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie (EG) 2008/115. Seinen Ausdruck findet das Regelungsdefizit in der Gestaltung der in Anwendung des § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG erlassenen Bescheide des Bundesamtes. Diese verschärfen die Rechtsschutzproblematik. Die Bundesamtsbescheide, die § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG anwenden, weisen mit einem (auch in dem angegriffenen Bescheid) verwendeten Textbaustein lediglich (in einem Satz) darauf hin, dass die (im vorangegangenen Asylverfahren) "erlassene Abschiebungsandrohung [...] weiter gültig und vollziehbar" sei. Der Folgeantragsteller wird aber entgegen Art. 12 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie (EG) 2008/115 nicht darüber informiert, dass zur Vermeidung einer drohenden Abschiebung einstweiliger Rechtsschutz erforderlich und auch möglich ist. Etwas Anderes ergibt sich nicht aus dem dem Bescheid beigefügten Hinweis auf die Möglichkeit, sich auf eine "nach Erlass einer Abschiebungsandrohung eingetretene Änderung [zu] berufen, die in Anbetracht der Rückführungsrichtlinie 2008/115 und insbesondere ihres Art. 5 (zum Beispiel die familiären Bindungen oder Ihr Gesundheitszustand) erheblichen Einfluss auf die Beurteilung [der] Situation haben kann". Vielmehr ist dieser Hinweis ausdrücklich auf den Fall beschränkt, "dass der übersandte/ausgehändigte Bescheid des Bundesamtes [...] eine Abschiebungsandrohung enthält".
105Insgesamt ist davon auszugehen, dass das Unionsrecht gegenüber einem Drittstaatsangehörigen, der einer Rückkehrentscheidung nachgekommen ist, bei einem erneuten illegalen Aufenthalt den Erlass einer neuen, aktuellen Rückkehrentscheidung verlangt. Dies gilt auch dann, wenn die (durch Rückkehr erfüllte) Rückkehrentscheidung im Rahmen eines Verfahrens auf Zuerkennung internationalen Schutzes ergangen ist und der Drittstaatsangehörige nach seiner Wiedereinreise einen Folgeantrag stellt. Dafür, dass auch in diesem Fall eine neue Rückkehrentscheidung erforderlich ist, spricht zudem Art. 41 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie (EU) 2013/32. Danach können die Mitgliedstaaten eine Ausnahme vom Recht auf Verbleib nur dann machen, wenn die Asylbehörde die Auffassung vertritt, dass eine Rückkehrentscheidung keine völker- und unionsrechtswidrige Zurückweisung zur Folge hat. Die Vorschrift geht mithin selbst dann, wenn der Folgeantrag kein Recht des Folgeantragstellers auf Verbleib begründet, von dem Erfordernis einer Rückkehrentscheidung aus (vgl. Müller, a. a. O., § 71 Rn. 6, 48). Dem wird die Regelung des § 71 Abs. 6 Satz 1 i. V. m. Abs. 5 AsylG nicht gerecht. Vielmehr gewährleistet diese "Sonderregelung" des nationalen Rechts entgegen dem mit der Richtlinie (EG) 2008/115 nach deren Erwägungsgrund 6 verfolgten Ziel nicht, dass der erneute illegale Aufenthalt eines zwischenzeitlich ausgereisten Ausländers, der einen nicht verfahrensrelevanten Folgeantrag stellt, im Wege eines fairen und transparenten Verfahrens beendet wird und diesbezügliche Entscheidungen in Übereinstimmung mit allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts auf der Grundlage des Einzelfalls getroffen werden.
106Ob unabhängig von § 71 Abs. 6 Satz 1 AsylG die Anwendung des § 71 Abs. 5 AsylG für zwischenzeitlich nicht ausgereiste Folgeantragsteller unionsrechtskonform ist, kann dahinstehen. Ebenso bedarf keiner Entscheidung, ob und gegebenenfalls inwieweit eine andere Bewertung veranlasst sein kann, wenn im Zeitpunkt der Wiedereinreise und Stellung des Folgeantrags infolge des Vollzugs der im vorangegangenen Asylverfahren erlassenen Rückkehrentscheidung ein Einreise- und Aufenthaltsverbot bestand. Dass ein solcher Fall vorliegt, ist nicht feststellbar. Insbesondere ist nicht dargelegt, dass die Antragsteller nach dem Asylerstverfahren abgeschoben wurden. Nach den vorliegenden Informationen stand ihrer Wiedereinreise ins Bundesgebiet und dem anschließenden Verbleib daher kein Einreise- und Aufenthaltsverbot entgegen. Dieses knüpft bei wie hier nicht ausgewiesenen Ausländern an eine Abschiebung - und nicht etwa bereits an eine Abschiebungsandrohung - an (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie (EG) 2008/115). Die Annahme des Verwaltungsgerichts Potsdam (Beschl. v. 1. März 2023, a. a. O.), § 71 Abs. 6 Satz 1 AsylG sei im Hinblick auf die Funktion einer Abschiebungsandrohung als Grundlage für ein Einreiseverbot nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie (EG) 2008/115 unionsrechtskonform, vermag - abgesehen von der fehlenden Auseinandersetzung mit den dargelegten, gegen eine Vereinbarkeit mit Unionsrecht sprechenden Gründen - die Unionsrechtswidrigkeit des § 71 Abs. 6 Satz 1 AsylG in Fällen der freiwilligen Ausreise nicht infrage zu stellen.
107Ist danach davon auszugehen, dass § 71 Abs. 6 Satz 1 i. V. m. Abs. 5 AsylG (jedenfalls für Fälle der vorliegenden Art) unionsrechtswidrig ist, überwiegt das Interesse der Antragsteller, vorläufig nicht ohne erneute Abschiebungsandrohung auf der Grundlage der im Tenor bezeichneten Abschiebungsandrohungen abgeschoben zu werden. Der Berücksichtigung der anzunehmenden Unionsrechtswidrigkeit im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren stehen keine (prozess-) rechtlichen Hindernisse entgegen (vgl. W.-R. Schenke, a. a. O., § 80 Rn. 163). Relevante öffentliche Interessen, die trotz voraussichtlicher Unionsrechtswidrigkeit die Anwendung des § 71 Abs. 6 Satz 1 i. V. m. Abs. 5 AsylG rechtfertigen könnten, lassen sich nicht feststellen.
108Die Antragsgegnerin kann sich nicht darauf berufen, bei fehlender Asylverfahrensrelevanz des Folgeantrags eines zwischenzeitlich ausgereisten Folgeantragstellers auf § 71 Abs. 6 Satz 1 i. V. m. Abs. 5 AsylG als Instrument zur Beendigung des Aufenthalts angewiesen zu sein. Dem steht bereits entgegen, dass die Unionsrechtswidrigkeit der nationalen Regelung in ihrem Verantwortungsbereich liegt. Zudem ermöglicht das geltende nationale Recht (auch) im Hinblick auf die gebotene Rückkehrentscheidung ein unionsrechtskonformes Vorgehen. Das Bundesamt ist unter Zugrundelegung des § 71 AsylG in der geltenden Fassung nicht gezwungen, § 71 Abs. 6 Satz 1 i. V. m. Abs. 5 AsylG anzuwenden. Vielmehr eröffnet die Vorschrift dem Bundesamt ein Ermessen, ob es nach § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG von einer erneuten Abschiebungsandrohung absieht oder eine solche in Anwendung des § 71 Abs. 4 AsylG erlässt (vgl. VG Würzburg, Beschl. v. 27. April 2023, a. a. O., Rn. 43; Funke-Kaiser, a. a. O., § 71 Rn. 327; Müller, a. a. O., § 71 Rn. 48, jeweils m. w. N.). Angesichts dessen ergibt sich ein Anordnungsanspruch neben der Unionsrechtswidrigkeit des § 71 Abs. 6 Satz 1 i. V. m. Abs. 5 AsylG auch aus dem voraussichtlich verletzten Recht des Antragstellers, dass das Bundesamt das ihm eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausübt (vgl. VG Würzburg, Beschl. v. 27. April 2023, a. a. O.). Insbesondere dürfte im Hinblick auf den Vortrag des Antragstellers die Vorgabe des Art. 5 der Richtlinie (EG) 2008/115, in gebührender Weise familiäre Bindungen zu berücksichtigen, eine Ermessensausübung (auf der Basis weitergehender behördlicher Ermittlungen) gebieten.
109Im Übrigen ist es (jedenfalls) grundsätzlich auch möglich, eine der maßgeblichen Sachentscheidung nicht beigefügte Abschiebungsandrohung nachträglich zu erlassen. Dem steht nicht etwa das in § 34 Abs. 2 Satz 1 AsylG als Soll-Vorschrift normierte Gebot entgegen, die Abschiebungsandrohung mit der Entscheidung über den Asylantrag zu verbinden. Abgesehen davon, dass die Vorschrift kein subjektives Recht des betroffenen Ausländers begründet (Müller, a. a. O., § 34 AsylG Rn. 13; Funke-Kaiser, a. a. O., § 34 Rn. 133 m. w. N.), hindert sie das Bundesamt nicht, eine irrig oder gar rechtswidrig unterlassene Abschiebungsandrohung nachzuholen. Ungeachtet der Erkenntnisse aus dem insoweit durchzuführenden Verfahren sind auch ansonsten keine rechtlichen Hindernisse ersichtlich, gegenüber dem Antragsteller eine (neue) Abschiebungsandrohung zu erlassen. Mit einer (nachträglichen) Abschiebungsandrohung auf der Grundlage des § 71 Abs. 4 i. V. m. §§ 34, 35 und 36 AsylG ließe sich dabei - ungeachtet der Frage des Erfordernisses eines Abänderungsantrags entsprechend § 80 Abs. 7 VwGO (zur analogen Anwendbarkeit dieser Vorschrift auf einstweilige Anordnungen nach § 123 VwGO, vgl. W.-R. Schenke, a. a. O., § 123 Rn. 35 m. w. N.) - auch eine Grundlage für eine zeitnahe Aufenthaltsbeendigung erreichen. (...)“
110VG Leipzig, Beschluss vom 25.10.2023 – 4 L 345/23.A –, Juris Rn. 60 ff.; im Ergebnis und in der Begründung im Wesentlichen ebenso: VG Würzburg, Beschluss vom 27.04.2023 – W 4 E 23.30232 –, juris Rn. 36 ff.; VG Hamburg, Beschluss vom 15.07.2024 – 21 AE 2266/24 –, juris Rn. 6 ff.; VG Bremen, Beschluss vom 04.08.2023 – 6 V 1651/23 –, juris S. 5 f. des Entscheidungsumdrucks; in einer Hauptsacheentscheidung VG Bremen, Urteil vom 22.08.2023 – 7 K 263/22 –, juris Rn. 63 ff.; in der Wissenschaft ebenso: Funke-Kaiser, GK-AsylG, § 71 Rn. 311 ff.
111Der Einzelrichter schließt sich dieser Auffassung sowie deren überzeugender Begründung an.
112Die entgegenstehende Auffassung des VG Sigmaringen kann die überzeugenden Darlegungen nicht entkräften, zudem und vorrangig lag der Entscheidung ein in entscheidungserheblicher Weise abweichender Sachverhalt zugrunde, in dem – anders als vorliegend – ein zweiter Folgeantrag nach Wiedereinreise gestellt wurde.
113VG Sigmaringen, Beschluss vom 08.04.2024 – A 7 K 1096/24 –, juris Rn. 33 ff.
114Die inhaltlich teils anders klingende Entscheidung des VGH Baden-Württemberg vom 17.11.2023 – 12 S 986/23 – ist nicht einschlägig, da es dort um eine Situation ohne Folgeantrag ging, in der zudem die „alte“ Abschiebungsandrohung, um deren „Verbrauch“ es ging, noch nicht bestandskräftig war.
115VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.11.2023 – 12 S 986/23 –, juris Rn. 16 ff.
116Aus den vorstehenden Gründen war dem Antrag im tenorierten Umfang stattzugeben und der Antrag im Übrigen abzulehnen. Die (teilweise) Antragsablehnung beruht darauf, dass die den Antragstellern wegen Fehlens einer zureichenden Abschiebungsandrohung zustehende vorläufige Sicherung ihres Aufenthalts (grundsätzlich) hinter der Sicherung des Aufenthalts zurückbleibt, die mit einem Erfolg des auf die Anfechtungsklage gegen die Ablehnung des Folgeantrags gestützten Aussetzungsantrags oder einer an das Vorliegen von nationalen Abschiebungsverboten anknüpfenden Sicherungsanordnung verbunden wären. Die beiden letztgenannten Anträge entfalteten grundsätzlich für die Dauer des Hauptsacheverfahrens bzw. bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss Wirkung. Der den Antragstellern zustehende Sicherungsanspruch hat wie dargelegt keine entsprechende (zeitliche) Reichweite.
1174.
118Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dabei bewertet das Gericht den Teil des Antrags, mit dem die Antragsteller obsiegt haben, gleichgewichtig zu dem nicht erfolgreichen Teil des Antrags. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
119Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).