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Eine bestandskräftige Entscheidung des Bundesamtes, den Asylantrag gemäß § 29 Abs. 1 Nr. a AsylG als unzulässig abzulehnen, ist keine unanfechtbare Ablehnung eines Asylantrages i. S. des § 71 Abs. 1 S. 1 AsylG.
Die aufschiebende Wirkung der Klage 15 K 8077/24.A gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 00. September 2024 wird angeordnet, soweit den Antragstellern dort unter Ziffer 5 die Abschiebung in die Mongolei angedroht ist.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Gründe:
2Das am 00. September 2024 bei Gericht eingegangene vorläufige Rechtsschutzgesuch mit dem sinngemäß (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO) gestellten Antrag
3die aufschiebende Wirkung der Klage 15 K 8077/24.A gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 00. September 2024 anzuordnen, soweit den Antragstellern dort unter Ziffer 5 die Abschiebung in die Mongolei angedroht ist,
4hat Erfolg.
5Der Rechtsschutzantrag ist zulässig.
6Namentlich ist er als Anordnungsbegehren gemäß den §§ 123 Abs. 5, 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO statthaft, weil der Klage gegen den Ablehnungsbescheid des Bundesamtes nach § 75 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes in der zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 15. Juli 2024 (BGBl. I Nr. 236) geänderten Fassung (AsylG) der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798) kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zukommt. Auch ist das Rechtsschutzgesuch gegenüber der Abschiebungsandrohung, die auf die §§ 30, 34 Abs. 1 S. 1, 36 Abs. 1 AsylG gestützt ist, innerhalb der Antragsfrist des § 36 Abs. 3 S. 1 AsylG gestellt. Denn die Antragsteller haben, nachdem der angegriffene Bundesamtsbescheid ihren Prozessbevollmächtigten am 23. September 2024 als Einschreibebrief zugegangen ist, mit dem am 26. September 2024 gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes die hierfür gesetzlich vorgegebene Wochenfrist ‑ und mit der zeitgleich erhobenen Klage die für diese geltende Frist von einer Woche (§ 74 Abs. 1 Hs. 2 AsylG) ‑ jedenfalls gewahrt.
7Das danach zulässige Rechtsschutzgesuch ist auch begründet.
8Es bestehen ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung, die es nach § 36 Abs. 4 S. 1 AsylG rechtfertigen, gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage entgegen der gesetzlichen Grundentscheidung des § 75 AsylG anzuordnen. Die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass der Abschiebungsandrohung liegen nicht vor.
9Nach § 34 Abs. 1 S. 1 AsylG droht das Bundesamt dem Ausländer, der keinen Aufenthaltstitel besitzt und dem sowohl die Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16 a Abs. 1 GG) als auch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 Abs. 1 AsylG) und die Gewährung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) versagt wird und in dessen Person die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG sowie des § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AsylG nicht erfüllt sind, die Abschiebung nach den §§ 59 und 60 Abs. 10 AufenthG an; eine Anhörung des Ausländers vor Erlass der Abschiebungsandrohung ist nicht erforderlich (§ 34 Abs. 1 S. 2 AsylG). Die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist beträgt im Fall der offensichtlichen Unbegründetheit des Asylantrages gemäß § 36 Abs. 1 AsylG eine Woche.
10Gemessen daran ist die den Antragstellern gegenüber erlassene und mit einer Frist von einer Woche versehene Abschiebungsandrohung rechtswidrig.
11Die Ablehnung des Asylgesuchs der Antragsteller als offensichtlich unbegründet findet in der vom Bundesamt als Rechtsgrundlage herangezogenen ‑ und hier nach dem derzeitigen Sachstand allein in Betracht kommenden ‑ Vorschrift des § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG keine Stütze. Danach ist ein unbegründeter Asylantrag ‑ soweit hier von Interesse ‑ dann als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn der Ausländer einen Folgeantrag im Sinne des § 71 Abs. 1 AsylG gestellt hat und ein weiteres Asylgesuch gestellt wurde. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt.
12Offenbleiben kann, ob der Asylantrag der Antragsteller entsprechend der Rechtsauffassung des Bundesamtes nicht begründet ist, weil die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl (Art. 16a Abs. 1 GG) und die Zuerkennung internationalen Schutzes (§§ 3, 4 AsylG) nicht vorliegen. Denn das vom Bundesamt mit dem angegriffenen Bescheid beschiedene Asylgesuch der Antragsteller ist kein Folgeantrag.
13Als Folgeantrag ist nach der Legaldefinition gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG i. V. m. § 71 Abs. 1 S. 1 AsylG ein Asylantrag zu qualifizieren, den der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrages stellt. Im Sinne dessen ist dem durch das Bundesamt mit dem angegriffenen Bescheid vom 00. September 2024 als offensichtlich unbegründet abgelehnten Asylantrag der Antragsteller aber kein zuvor unanfechtbar abgelehntes Asylgesuch voraufgegangen.
14Zwar hat das Bundesamt mit Bescheid vom 00. Januar 2023 (Gz.: 0000000 - 457) den Asylantrag der Antragsteller vom 00. Dezember 2022 als unzulässig abgelehnt und ihre Abschiebung nach Belgien angeordnet. Die seinerzeit mit der Begründung auf § 29 Abs. 1 Nr. 1 a) AsylG gestützte Unzulässigkeitsentscheidung, Belgien sei nach Maßgabe der Bestimmungen der Dublin III‑Verordnung wegen der den Antragstellern ausgestellten Visa für die Bearbeitung und Entscheidung ihres Asylgesuchs zuständig, stellt indes schon keine Ablehnung eines früheren Asylantrags gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 AsylG. Eine solche Entscheidung setzt nach Maßgabe der einschlägigen Bestimmungen der Europäischen Union nämlich begrifflich voraus, dass die Ablehnungsentscheidung ergangen ist, nachdem die zuständige Behörde in das Verfahren zur Sachprüfung des Asylgesuchs eingetreten ist. Eine nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 a) AsylG erfolgte Zuständigkeitsbestimmung erfüllt diese Voraussetzung nicht.
15Nach Art. 32 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. L 180 vom 29. Juni.2013, S. 60 ff.) können die Mitgliedstaaten im Falle von unbegründeten Anträgen, bei denen einer der in Art. 31 Abs. 8 Richtlinie 2013/32/EU aufgeführten Umstände gegeben ist, einen Antrag als offensichtlich unbegründet betrachten, wenn dies ‑ wie hier in § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG ‑ so in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen ist.
16Gemäß Art. 31 Abs. 8 Buchs. f) Richtlinie 2013/32/EU können die Mitgliedstaaten festlegen, dass das Prüfungsverfahren im Einklang mit den Grundsätzen und Garantien nach Kapitel II beschleunigt und/oder an der Grenze oder in Transitzonen nach Maßgabe von Artikel 43 durchgeführt wird, wenn der Antragsteller einen Folgeantrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der gemäß Art. 40 Abs. 5 Richtlinie 2013/32/EU nicht unzulässig ist.
17Nach der Begriffsbestimmung in Art. 2 Buchst. q) Richtlinie 2013/32/EU bezeichnet "Folgeantrag" einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz, der nach Erlass einer bestandskräftigen Entscheidung über einen früheren Antrag gestellt wird, auch in Fällen, in denen der Antragsteller seinen Antrag ausdrücklich zurückgenommen hat oder die Asylbehörde den Antrag nach der stillschweigenden Rücknahme durch den Antragsteller gemäß Art. 28 Abs. 1 Richtlinie 2013/32/EU abgelehnt hat. Dabei ist gemäß Art. 2 Buchst. e) Richtlinie 2013/32/EU eine „bestandskräftige Entscheidung“ eine Entscheidung darüber, ob einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gemäß der Richtlinie 2011/95/EU die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutzstatus zuzuerkennen ist, und gegen die kein Rechtsbehelf nach Kapitel V der vorliegenden Richtlinie mehr eingelegt werden kann, unabhängig davon, ob ein solcher Rechtsbehelf zur Folge hat, dass Antragsteller sich bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf in dem betreffenden Mitgliedstaat aufhalten dürfen.
18Die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (2011/95/EU; ABl. L 337 vom 20. Dezember 2011, S. 9 ff.) greift dementsprechend auch Art. 40 Abs. 2 Richtlinie 2013/32/EU auf, der bestimmt, dass für die Zwecke der gemäß Art. 33 Abs. 2 Buchst. d) Richtlinie 2013/32/EU zu treffenden Entscheidung über die Zulässigkeit eines Antrags auf internationalen Schutz ein Folgeantrag auf internationalen Schutz zunächst daraufhin geprüft wird, ob neue Elemente oder Erkenntnisse betreffend die Frage, ob der Antragsteller nach Maßgabe der Richtlinie 2011/95/EU als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz anzuerkennen ist, zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind. Gemäß Art. 40 Abs. 5 Richtlinie 2013/32/EU wird ein Folgeantrag gemäß Art. 33 Abs. 2 Buchst. d) Richtlinie 2013/32/EU als unzulässig betrachtet, wenn er nach Artikel 40 nicht weiter geprüft wird.
19Demnach liegt ein Folgeantrag im Sinne des § 71 Abs. 1 S. 1 AsylG nicht vor, wenn in dem zuvor abgeschlossenen Asylverfahren keine Entscheidung im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU getroffen ist, sondern die in diesem Verfahren bestandkräftig getroffene Entscheidung darauf beschränkt ist, die Zuständigkeit für Bearbeitung und Bescheidung des Asylgesuchs des Ausländers zu bestimmen.
20Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. August 2021, 1 C 55/20, juris Rdnr. 18.
21Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylG.
22Der Gegenstandswert des Verfahrens ergibt sich aus § 30 RVG.
23Der Beschluss ist unanfechtbar; § 80 AsylG.