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Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Gründe:
2Die Zuständigkeit des Einzelrichters für die Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergibt sich aus § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG.
3Der am 2. September 2024 sinngemäß gestellte Antrag,
4die aufschiebende Wirkung der Klage 12 K 7240/24.A gegen die Abschiebungsanordnung in Ziffer 3 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14. August 2024 anzuordnen,
5hat keinen Erfolg.
6Der Antrag ist zwar zulässig. Er ist nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft, da der in der Hauptsache erhobenen Klage gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung zukommt. Der Antragsteller hat auch die Wochenfrist zur Stellung des Antrags gemäß § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG eingehalten, denn der in der Hauptsache angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) wurde ihm am 27. August 2024 durch Aushändigung zugestellt.
7Der Antrag ist jedoch unbegründet. Die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung in Ziffer 3 des Bescheides nach § 80 Abs. 5 VwGO liegen im gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht vor.
8Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht auf Antrag im Rahmen einer eigenen Ermessensentscheidung die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn das Interesse des Antragstellers an der beantragten Aussetzung der Vollziehung das bezüglich der Abschiebungsanordnung durch § 75 AsylG gesetzlich angeordnete öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzbarkeit des Verwaltungsaktes überwiegt. Die dabei vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse und dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers hat sich maßgeblich – wenn auch nicht ausschließlich – an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren, wie diese sich bei der im Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung im vorliegenden Verfahren abschätzen lassen.
9Vgl. zu diesem Maßstab: VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 12. August 2016 – 12 L 2625/16.A -, juris, Rn. 7, und vom 7. Dezember 2015 – 12 L 3592/15.A -, juris, Rn. 5.
10Die Interessenabwägung fällt hier zu Lasten des Antragstellers aus, denn die Abschiebungsanordnung nach Rumänien in Ziffer 3 des Bescheides begegnet bei Anlegung dieses Maßstabes derzeit keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
11Rechtsgrundlage für die Abschiebungsanordnung ist § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
12Es liegt ein Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a) AsylG vor. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 dieser Verordnung (im Folgenden: Dublin III-Verordnung) wird der Antrag auf internationalen Schutz von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-Verordnung als zuständiger Staat bestimmt wird. Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig (Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 1 Dublin III-Verordnung).
13Im vorliegenden Fall ergibt sich anhand der Kriterien des Kapitels III der Dublin III-Verordnung keine Zuständigkeit eines Mitgliedstaats. Es lässt sich insbesondere aufgrund der in Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-Verordnung genannten Beweismittel oder Indizien nicht feststellen, welche Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats der Antragsteller aus einem Drittstaat kommend illegal überschritten hat. Die Zuständigkeit Rumäniens folgt insofern aus Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 1 Dublin III-Verordnung, denn der Antragsteller hat am 18. Juli 2024 erstmals in Rumänien einen Antrag auf internationalen Schutzes gestellt. Dies ist belegt durch das Ergebnis der Abfrage der Eurodac-Datenbank, die einen Treffer der Kategorie 1 für Rumänien ergeben hat (Eurodac-Treffer: XX0XX000X0000000000).
14Die Antragsgegnerin hat Rumänien rechtzeitig um Wiederaufnahme des Antragstellers ersucht. Art. 23 Abs. 2 Unterabsatz 1 i.V.m. Unterabsatz 1 Dublin III-Verordnung bestimmt, dass ein Wiederaufnahmegesuch so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von zwei Monaten nach der Eurodac-Treffermeldung zu stellen ist. Diese Frist ist im vorliegenden Fall eingehalten. Das Bundesamt hat Rumänien am 5. August 2024 und damit innerhalb von zwei Monaten nach der Eurodac-Treffermeldung vom 23. Juli 2024 um Wiederaufnahme des Antragstellers ersucht. Die rumänischen Behörden haben hierauf fristgerecht innerhalb von zwei Wochen (vgl. Art. 25 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-Verordnung) mit Schreiben vom 8. August 2024 geantwortet und ihre Zuständigkeit gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchstabe b) Dublin III-Verordnung erklärt.
15Die Zuständigkeit Rumäniens ist auch noch nicht gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-Verordnung wegen Ablaufs der Überstellungsfrist auf die Antragsgegnerin übergegangen. Nach dieser Vorschrift gilt: Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durchgeführt, ist der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat über. Diese Frist war zu dem Zeitpunkt, als der Antragsteller den vorliegenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt hat, noch nicht abgelaufen und ist seitdem unterbrochen. Bei einem – wie hier – rechtzeitig gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen die Abschiebungsanordnung wird die Überstellungsfrist kraft Gesetzes unterbrochen (vgl. § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG) und erst mit dem ablehnenden Beschluss im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes erneut in Lauf gesetzt.
16Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2016 – 1 C 15/15 -, juris, Rn. 11; OVG NRW, Urteil vom 7. Juli 2016 – 13 A 2238/15.A -, juris, Rn. 24ff.
17Eine Zuständigkeit der Antragsgegnerin ergibt sich auch nicht aus Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 und 3 Dublin III-Verordnung. Nach diesen Vorschriften gilt: Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU–Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann. Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.
18In Bezug auf Rumänien liegen derzeit keine wesentlichen Gründe für die Annahme vor, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Schutzsuchende in der Situation des Antragstellers systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen.
19Aufgrund des zwischen den Mitgliedstaaten geltenden Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens hat jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon auszugehen, dass alle anderen Mitgliedstaaten das Unionsrecht und insbesondere die dort anerkannten Grundrechte beachten. Folglich gilt im Kontext des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und insbesondere der Dublin III-Verordnung die Vermutung, dass die Behandlung Asylsuchender in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-Grundrechtecharta), des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention) sowie der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention [EMRK]) steht.
20Vgl. EuGH, Urteile vom 19. März 2019 – C-163/17 -, juris, Rn. 81 f., und – C-297/17 u. a. -, juris, Rn. 84 f.
21Diese Vermutung ist zwar nicht unwiderleglich, jedoch ist die Widerlegung dieser Vermutung wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft. Daher steht nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder jeder Verstoß gegen die Regeln für das gemeinsame Asylsystem der Überstellung eines Asylsuchenden in den zuständigen Mitgliedstaat entgegen. Dies wäre mit den Zielen und dem System der Dublin III-Verordnung unvereinbar.
22Vgl. EuGH, Urteil vom 19. März 2019 – C-163/17 -, juris, Rn. 84 und 91 f.
23Die Überstellung eines Antragstellers oder Schutzberechtigten in einen Mitgliedstaat ist insofern in all jenen Situationen ausgeschlossen, in denen ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme vorliegen, dass er bei seiner Überstellung oder infolge seiner Überstellung einem ernsthaften Risiko ausgesetzt ist, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der EU-Grundrechtecharta zu erfahren.
24Vgl. EuGH, Urteile vom 19. März 2019 – C-163/17 -, juris, Rn. 98, und vom 19. März 2019 – C-297/17 -, juris, Rn. 87 f., und Beschluss vom 13. November 2019 – C-540 und 541/17 -, juris, Rn. 39; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2019 – 2 BvR 1380/19 -, juris, Rn. 15.
25Dabei ist es für die Anwendung von Art. 4 der EU-Grundrechtecharta gleichgültig, ob das Risiko einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung der betreffenden Person zum Zeitpunkt der Überstellung, während des Asylverfahrens oder nach dessen Abschluss besteht.
26Vgl. EuGH, Urteil vom 19. März 2019 – C-163/17 -, juris, Rn. 88.
27Insoweit ist das zuständige Gericht verpflichtet, auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte zu würdigen, ob entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen vorliegen. Derartige Schwachstellen fallen allerdings nur dann unter Art. 4 der EU-Grundrechtecharta, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen, was von sämtlichen Umständen des Falles abhängt. Diese besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit wäre erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hat, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befindet, die es ihr nicht erlaubt, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigt oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzt, der mit der Menschenwürde unvereinbar ist.
28Vgl. EuGH, Urteile vom 19. März 2019 – C-163/17 -, juris, Rn. 87 ff., und vom 19. März 2019 – C-297/17 u.a. -, juris, Rn. 87 ff., und Beschluss vom 13. November 2019 – C-540 und 541/17 -, juris, Rn. 39.
29Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs können systemische Mängel in diesem Sinne erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Art. 4 der EU‑Grundrechtecharta bzw. Art. 3 EMRK entsprechenden Schwere nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch, vorliegen. Diese müssen aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein, ihm also nicht unbekannt sein können.
30Vgl. EuGH, Urteile vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 -, juris, Rn. 60, vom 14. November 2013 – C-4/11 -, juris, Rn. 33 ff., und vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 -, juris, Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 -, NVwZ 2011, 413; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 – 10 B 6/14 -, juris, Rn. 9.
31Große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person reichen nicht aus, sofern sie nicht mit extremer materieller Not verbunden sind. Das Fehlen familiärer Solidarität ist keine ausreichende Grundlage für die Feststellung einer Situation extremer materieller Not. Auch Mängel bei der Durchführung von Programmen zur Integration von Schutzberechtigten reichen für einen Verstoß gegen Art. 4 der EU-Grundrechtecharta nicht aus. Schließlich kann der bloße Umstand, dass im ersuchenden Mitgliedstaat die Sozialhilfeleistungen und/oder die Lebensverhältnisse günstiger sind als im normalerweise zuständigen Mitgliedstaat, nicht die Schlussfolgerung stützen, dass die betreffende Person im Fall ihrer Überstellung tatsächlich der Gefahr ausgesetzt ist, eine gegen Art. 4 der EU-Grundrechtecharta verstoßende Behandlung zu erfahren.
32Vgl. EuGH, Urteil vom 19. März 2019 – C-163/17 -, juris, Rn. 93 f. und 96 f., und Beschluss vom 13. November 2019 – C-540 und C-541/17 -, juris, Rn. 39.
33Ein Verstoß gegen Art. 4 der EU-Grundrechtecharta liegt daher erst vor, wenn die elementarsten Bedürfnisse nicht befriedigt werden können, insbesondere eine Unterkunft zu finden, sich zu ernähren und zu waschen („Bett, Brot, Seife“).
34Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2019 – 1 C 45/18 -, juris, Rn. 12 m.w.N.; OVG NRW, Beschluss vom 16. Dezember 2019 – 11 A 228/15.A -, juris, Rn. 44; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. Mai 2019 – A 4 S 1329/19 -, juris, Rn. 5.
35Der Verstoß gegen Art. 4 der EU-Grundrechtecharta muss dabei unabhängig vom Willen des Betroffenen drohen. Er liegt mithin nicht vor, wenn der Betroffene nicht den Versuch unternimmt, sich unter Zuhilfenahme der bescheidenen Möglichkeiten und gegebenenfalls unter Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes eine Existenz aufzubauen.
36Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Dezember 2019 – 11 A 228/15.A -, juris, Rn. 47; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 25. Juli 2019 – 4 LB 12/17 -, juris, Rn. 134 f.
37Nach diesen Vorgaben ist auf der Grundlage der aktuellen Erkenntnisse und allgemein zugänglichen Informationen nicht davon auszugehen, dass dem Antragsteller in Rumänien eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im eben beschriebenen Sinne droht. Dem Gericht liegen keine Erkenntnisse vor, die den Schluss rechtfertigen könnten, dass in Rumänien für Dublin-Rückkehrer, die nicht zu einer vulnerablen Personengruppe im Sinne von Art. 21 der Richtlinie 2013/33/EU vom 26. Juni 2013 (ABl. L 180, S. 96, sog. Aufnahmerichtlinie) gehören, systemische Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber bestehen.
38Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. September 2022 – 11 A 200/20.A –, juris; VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 5. Oktober 2023 – 12 L 2447/23.A – und vom 13. Juni 2023 - 12 L 1133/23.A -.
39In Rumänien existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit. Die Regierung kooperiert mit dem UNHCR und anderen Organisationen, um Flüchtlingen, Asylbewerbern, Staatenlosen und anderen Schutz und Unterstützung zukommen zu lassen.
40Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. September 2022 – 11 A 200/20.A –, juris; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformation der Staatendokumentation: Rumänien, Version 3 vom 2. August 2022, S. 1 ff. m.w.N., abrufbar unter www.milo.bamf.de.
41Es ist auch davon auszugehen, dass der Antragsteller in Rumänien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit wieder Zugang zum Asylverfahren und zu den Aufnahmeeinrichtungen haben wird. Der Status von Asylbewerbern, die im Rahmen des sogenannten Dublin-Verfahrens nach Rumänien überstellt werden, hängt vom Stand ihres Asylverfahrens in Rumänien ab. Entzieht sich ein Antragsteller dem Verfahren - z.B. indem er Rumänien vor dem Asylinterview verlässt und in einen anderen EU-Mitgliedstaat weiterreist -, gilt sein Antrag zwar nach 30 Tagen als stillschweigend zurückgezogen und das Verfahren wird geschlossen. Für nach Rumänien zurückgeführte Personen, die - wie der Antragsteller - zuvor nicht persönlich angehört wurden, wird das Asylverfahren aber – hier gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchstabe b) Dublin III-Verordnung – fortgesetzt, ohne dass sie auf das Folgeverfahren verwiesen werden.
42Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. September 2022 – 11 A 200/20.A –, juris, Rn. 114 ff.; Asylum Information Database (AIDA), Country Report: Romania - 2021 Update, S. 66; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformation der Staatendokumentation: Rumänien, Version 3 vom 2. August 2022, S. 3 f. m.w.N., abrufbar unter www.milo.bamf.de.
43Unabhängig davon könnte eine - eventuell - unionsrechtswidrige Behandlung eines Asylantrags als Folgeantrag auch in Rumänien mit effektivem (Eil-)Rechtsschutz abgewehrt werden.
44Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. September 2022 – 11 A 200/20.A –, juris.
45Es ist nicht Aufgabe deutscher Verwaltungsgerichte, im Rahmen des Dublin-Systems Verwaltungsakte ausländischer Behörden auf ihre Rechtswidrigkeit hin zu überprüfen. Prüfungsmaßstab im hiesigen Verfahren ist insoweit vielmehr Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin lll-Verordnung i.V.m. Art. 4 GRCh/Art. 3 EMRK. Eventuell drohende Menschenrechtsverstöße in einem Mitgliedstaat müssen von einem Betroffenen dort abgewehrt werden, wenn dort – wie in Rumänien – effektiver Rechtsschutz hiergegen besteht.
46Vgl. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 4. Dezember 2023 – 10 LB 91/23 –, juris; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 11. Mai 2023 – A 4 S 2666/22 –, juris.
47Alle Asylbewerber, die auf der Grundlage der Dublin III-Verordnung aus einem anderen Mitgliedstaat nach Rumänien überstellt werden, werden in den Zentren Vasile Stolnicu und danach in Tudor Gociu untergebracht.
48Vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformation der Staatendokumentation: Rumänien, Version 3 vom 2. August 2022, S. 3 m.w.N., abrufbar unter www.milo.bamf.de.
49Die im Zuge des Angriffskrieges der Russischen Föderation auf die Ukraine erfolgte Fluchtbewegung von Ukrainern auch nach Rumänien beeinträchtigt die Kapazität der Unterbringungszentren nicht.
50Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. September 2022 – 11 A 200/20.A –, juris, Rn. 70.
51Asylbewerber, die über keine eigenen Mittel verfügen, haben Anspruch auf Versorgung ab dem Moment, in dem sie ihre Absicht äußern, Asyl zu beantragen, bis zum Abschluss ihres Verfahrens und nach dem Erlöschen ihres Rechtes auf Aufenthalt in Rumänien. Dies beinhaltet Unterbringung, eine Beihilfe für Verpflegung und Kleidung und ein Taschengeld.
52Vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformation der Staatendokumentation: Rumänien, Version 3 vom 2. August 2022, S. 6 ff. m.w.N., abrufbar unter www.milo.bamf.de; AIDA Country Report: Romania 2022 Update, Mai 2023, S. 88 ff., abrufbar unter: https://asylumineurope.org.
53Asylbewerber haben in Rumänien das Recht auf kostenlose medizinische Erstversorgung und Behandlung sowie klinische Behandlung bei lebensbedrohlichen akuten oder chronischen Krankheiten. Im Falle besonderer Bedürfnisse haben sie Zugang zu sonstiger adäquater medizinischer Behandlung.
54Vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformation der Staatendokumentation: Rumänien, Version 3 vom 2. August 2022, S. 8 f. m.w.N., abrufbar unter www.milo.bamf.de; AIDA, Country Report: Romania, 2022 Update, Mai 2023, S. 106 ff., abrufbar unter: https://asylumineurope.org.
55Zudem stellen verschiedene Nichtregierungsorganisationen materielle und finanzielle Unterstützung für Schutzsuchende zur Verfügung.
56Vgl. AIDA, Country Report: Romania, 2022 Update, Mai 2023, S. 92, abrufbar unter: https://asylumineurope.org.
57Es ist auch nicht zu erwarten, dass der Antragsteller nach seiner Überstellung in Haft genommen werden wird. Nach der Auskunftslage werden Dublin-Rückkehrer grundsätzlich nicht inhaftiert.
58Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. September 2022 – 11 A 200/20.A -, juris, Rn. 124.
59Auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse und der zum Zeitpunkt der Entscheidung allgemein zugänglichen Informationen ist außerdem davon auszugehen, dass dem Antragsteller auch für den Fall, dass er in Rumänien internationalen Schutz erhalten sollte, keine ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-Grundrechtecharta droht. Die Situation anerkannter Schutzberechtigter im zuständigen Mitgliedstaat ist auch bei sogenannten Dublin-Rückkehrern bereits in den Blick zu nehmen.
60Vgl. EuGH, Urteil vom 19. März 2019 – C-163/17 –, juris, Rn. 76 ff.
61Die Lebensverhältnisse für international Schutzberechtigte in Rumänien stellen sich nicht allgemein als unmenschlich oder erniedrigend im Sinne von Art. 4 EU-Grundrechtecharta bzw. Art. 3 EMRK dar. Ein vom Willen der Schutzberechtigten unabhängiger „Automatismus der Verelendung“ lässt sich nicht feststellen.
62Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. September 2022 – 11 A 200/20.A -, juris, Rn. 132 ff. m.w.N.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Juni 2023 - 12 L 1133/23.A -.
63Für den zu unterstellenden Fall einer Anerkennung als international Schutzberechtigter wird der Antragsteller mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Lage sein, sich aus eigenen durch Erwerbstätigkeit zu erzielenden Mitteln mit den für ein Überleben notwendigen Gütern zu versorgen. Er hat bei seiner Anhörung angegeben, in seinem Heimatland das Abitur im Bereich Industrie abgeschlossen und später in der Gastronomie bzw. Handel gearbeitet zu haben.
64Individuelle, in der Person des Antragstellers liegende besondere Gründe, die im Falle der Rückkehr nach Rumänien als Asylbewerber oder der Zuerkennung internationalen Schutzes hinsichtlich der dann zu erwartenden Lebensverhältnisse auf eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verletzung von Art. 4 EU-Grundrechtecharta bzw. Art. 3 EMRK schließen lassen, liegen jedenfalls nicht vor. Bei dem Antragsteller handelt es sich um einen erwerbsfähigen jungen Mann. Entscheidungserhebliche Beeinträchtigungen seiner Leistungsfähigkeit hat er nicht geltend gemacht.
65Gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung bestehen auch im Übrigen keine Bedenken, so dass die Abschiebung des Antragstellers nach Rumänien gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG durchgeführt werden kann.
66Einer Überstellung des Antragstellers nach Rumänien stehen nach derzeitigem Kenntnisstand auch weder zielstaatsbezogene noch inlandsbezogene Abschiebungsverbote entgegen.
67Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die trotz der Zuständigkeit Rumäniens eine Verpflichtung der Antragsgegnerin begründen könnten, von ihrem Selbsteintrittsrecht aus Art. 17 Abs. 1 Unterabsatz 1 Dublin III-Verordnung Gebrauch zu machen, liegen ebenfalls nicht vor.
68Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung des in der Hauptsache angefochtenen Bescheides ergänzend Bezug genommen (vgl. § 77 Abs. 3 AsylG analog).
69Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
70Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).