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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
2Der am 00. 00 0000 geborene Kläger ist seit dem Jahre 0000 Polizeivollzugsbeamter des beklagten Landes. Er versah seinen Dienst als Kommissaranwärter beim Polizeipräsidium X.
3Im Rahmen eines gegen Herrn XY geführten Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Y (0 Js 0000/00) wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern wertete die Strafverfolgungsbehörde das Handy dieses Beschuldigten aus. Bei einem unter dem Namen „NNN“ geführten Chat wurden zwei Bilder aufgefunden, die den Verdacht des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen seitens des Klägers begründeten. Beide Bilder lud der Kläger am 26. März 2019 hoch; die WhatsApp-Gruppe wies 15 Mitglieder auf. Bei einem der Posts handelte es sich um ein Bild, auf dem ein gelbes Ortseingangsschild mit der Aufschrift „Juden werden hier nicht bedient.“ abgebildet ist. Auf dem anderen Bild war ein Maschinengewehr abgebildet, versehen mit der Aufschrift „Rennt der Negger frei herum, schalt auf Automatik um“.
4In einem mit dem Kläger hierüber am 2. Dezember 2022 geführten Personalgespräch machte er geltend, er sei zum Zeitpunkt der Versendung der Posts noch minderjährig gewesen; seine Ernennung zum Kommissaranwärter sei erst zwei Jahre später erfolgt.
5Mit Verfügung vom 19. Januar 2023 verbot ihm das Polizeipräsidium X ab sofort und bis zum Zugang einer weiteren Verfügung aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte gemäß § 39 Satz 1 des Beamtenstatusgesetzes und ordnete ferner die sofortige Vollziehung dieser Verfügung an. Zur Begründung führte das Polizeipräsidium aus, dass der Kläger zu Beginn seiner Ausbildung darüber belehrt worden sei, dass sich Polizeivollzugsbeamte jederzeit so zu verhalten hätten, dass hierdurch weder eine Ansehensschädigung der Polizei in der Öffentlichkeit eintrete, noch die ordnungsgemäße Dienstausübung beeinträchtigt werde. Zwar habe sich der Kläger zum Zeitpunkt der Versendung der Bilder noch nicht im Polizeivollzugsdienst befunden, gleichwohl werde von Polizeivollzugsbeamten eine charakterliche Grundeinstellung sowie eine Charakterstärke erwartet, die sich jederzeit mit den Werten der freiheitlich demokratischen Grundordnung, insbesondere der Menschenwürde und dem Gleichheitsgrundsatz lückenlos und ohne jeden Zweifel decke. Diese Grundeinstellung beginne nicht erst mit dem Eintritt in den Polizeivollzugsdienst. Die Öffentlichkeit erwarte zu Recht gerade von Polizeivollzugsbeamten auch im privaten Bereich ein jederzeit vorbildliches Verhalten. Den Kläger weiter an der Ausbildung teilnehmen zu lassen wäre ein falsches Signal gegenüber seinen Mitstudierenden und somit den Ausbildungszielen der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen abträglich. Daher werde er ab sofort vom Dienst freigestellt. Wegen der weiteren Begründung wird auf den Bescheid vom 19. Januar 2023 Bezug genommen. Mit Schreiben vom selben Tag hörte das Polizeipräsidium X den Kläger zur beabsichtigten Entlassung an.
6In dem gegenüber dem Kläger von der Staatsanwaltschaft Y unter dem Aktenzeichen 00 Js 0000/00 geführten Strafverfahren nahm er mit Schriftsatz seiner dortigen Prozessbevollmächtigten vom 20. Januar 2023 Stellung und führte im Kern aus, der Sticker mit dem abgebildeten Ortseingangsschild sei bei Wikipedia hinterlegt und zeige ein Schild, das im jüdischen Museum in Berlin ausgestellt sei. Diesen WhatsApp-Sticker habe der Kläger empfangen und kritiklos auf einen anderen geschmacklosen Fotobeitrag eines Kollegen geschickt. Er habe weder den Holocaust leugnen und/oder verharmlosen oder sich politisch äußern wollen; er habe vielmehr überhaupt nicht über den Sachverhalt reflektiert, was er heute außerordentlich bedauere. Der Chat, der innerhalb einer Freundesgruppe verlaufen sei, sei nicht von intellektueller Auseinandersetzung geprägt gewesen. Im Gegenteil hätten sich die jungen Männer mit Flachheiten überboten. Auch über den anderen Sticker habe er erst jetzt reflektiert und sei sich nunmehr darüber im Klaren, dass es sich um einen Spruch handele, „den die Nazis in einem anderen Zusammenhang auch verwandten“.
7Unter dem 6. März 2023 bat das Polizeipräsidium X den Personalrat um dessen Mitwirkung nach § 74 Abs. 3 LPVG. Der Personalrat erteilte seine Zustimmung zur beabsichtigten Entlassung des Klägers aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf am 15. März 2023.
8Mit Bescheid vom 30. März 2023 entließ das Polizeipräsidium X den Kläger aus dem Widerrufsbeamtenverhältnis mit Ablauf des 31. März 2023 und ordnete die sofortige Vollziehung an. Zur Begründung führte es aus, die Entlassung beruhe auf § 23 Abs. 4 des Beamtenstatusgesetzes. Danach könnten Polizeivollzugsbeamte entlassen werden, sofern ein sachlicher Grund vorliege. Dieser Grund sei in den ernstzunehmenden Zweifeln an der charakterlichen Eignung des Klägers zu sehen, die aus der Versendung der angeführten beiden Sticker am 26. März 2019 in der Chatgruppe „NNN“ folgten. Zur Begründung führte das Polizeipräsidium weiter aus, dass die Öffentlichkeit von Polizeivollzugsbeamten ein vorbildliches Verhalten erwarte. Durch die von dem Kläger begangene Volksverhetzung habe er nicht das Mindestmaß an gesellschaftlich akzeptiertem Verhalten aufgebracht. Auch habe er gegen seine beamtenrechtliche Pflicht zur Wahrung des Ansehens der Polizei verstoßen. Wegen der weiteren Begründung wird auf den Inhalt des Bescheides vom 30. März 2023 Bezug genommen.
9Dagegen hat der Kläger am 28. April 2023 Klage erhoben und am 1. Juni 2023 um vorläufigen Rechtsschutz (2 L 1422/23) nachgesucht.
10Zur Begründung verweist der Kläger im Kern auf sein Vorbringen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren. In diesem Zusammenhang macht er geltend, dass das gegen ihn geführte Strafverfahren inzwischen eingestellt worden sei. Zudem sei er zum Zeitpunkt der Versendung der WhatsApp-Bilder erst 17 Jahre alt gewesen und habe noch gar nicht als Polizeivollzugsbeamter im Dienste des beklagten Landes gestanden. Es habe sich um ein jugendtümliches Fehlverhalten und zudem um ein Augenblicksversagen gehandelt, welches mittlerweile mehr als vier Jahre zurückliege.
11Der Kläger beantragt,
12die Entlassungsverfügung des Polizeipräsidiums X vom 30. März 2023 aufzuheben.
13Das beklagte Land beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Zur Begründung trägt das Polizeipräsidium X vor, dass der verfahrensrechtliche Ausgang des Strafverfahrens das Polizeipräsidium nicht daran hindere, das Verhalten des Klägers einer dienstrechtlichen Bewertung zuzuführen. Die von Polizeivollzugsbeamten geforderte charakterliche Grundeinstellung sowie die Charakterstärke, sich jederzeit mit den Werten der freiheitlich demokratischen Grundordnung zu identifizieren, dürfe nicht erst mit dem Eintritt in den Polizeivollzugsdienst beginnen.
16Mit Beschluss vom 22. Mai 2023 hat das Amtsgericht W das gegen den Kläger wegen Volksverhetzung geführte Verfahren (Az.: 00 Ds-00 Js 0000/00-00/00) gemäß § 47 des Jugendgerichtsgesetzes aufgrund der Zahlung eines Geldbetrages in Höhe von 300,00 Euro eingestellt.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge, den Inhalt der Gerichtsakte 2 L 1422/23 und den Inhalt der Akte der Staatsanwaltschaft Y (00 Js 0000/00) verwiesen.
18Entscheidungsgründe:
19Die Kammer konnte gemäß § 6 Abs. 1 VwGO durch den Einzelrichter entscheiden, weil sie ihm den Rechtsstreit mit Beschluss vom 14. Juni 2023 zur Entscheidung übertragen hat.
20Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet. Der Bescheid des Polizeipräsidiums X vom 30. März 2023 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
211. Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Zwar ist in der Personalratsvorlage um Mitwirkung gemäß § 74 Abs. 3 LPVG gebeten worden. Nach dieser Vorschrift ist eine ohne Beteiligung des Personalrates ausgesprochene Kündigung oder ein ohne Beteiligung des Personalrates geschlossener Aufhebungs- oder Beendigungsvertrag unwirksam. Angesichts des Umstandes, dass vorliegend keine Kündigung streitbefangen ist, war diese Vorschrift nicht einschlägig. Vielmehr hat der Personalrat in Personalangelegenheiten bei der Entlassung von Beamten auf Lebenszeit, auf Probe oder Widerruf gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 LPVG mitzubestimmen. Auf einen Verstoß hiergegen kann sich der Kläger indessen nicht mit Erfolg berufen, weil der Personalrat dies nicht beanstandet, sondern vielmehr seine Zustimmung (unter dem 15. März 2023) erteilt hat. Das personalvertretungsrechtliche Mitbestimmungsverfahren dient ebenso wie auch das Mitwirkungsverfahren nicht in erster Linie den Individualinteressen eines Beschäftigten. Vielmehr sind vornehmlich das Wohl aller Beschäftigten und die Verhältnisse in der Dienststelle als Ganzes die Richtschnur des personalvertretungsrechtlichen Handelns. Der Personalrat hat als Repräsentant aller Bediensteten durch die Wahrnehmung der ihm eingeräumten Befugnisse die Beteiligung der Bediensteten an der Regelung des Dienstes und der Dienst- und Arbeitsverhältnisse zu verwirklichen und insoweit die Interessen der Bediensteten in der Dienststelle zu vertreten. Unterlässt es der Personalrat, Einwendungen im Hinblick auf die Durchführung des Mitwirkungs- beziehungsweise Mitbestimmungsverfahrens zu erheben, so verliert er sein Rügerecht und kann den Mangel im weiteren Verlauf des Mitwirkungsverfahrens nicht mehr beanstanden. Ein möglicher Mangel wird damit auch im Verhältnis zwischen der Behörde und dem Beamten unbeachtlich.
22Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. November 2010 - 6 B 1249/10 -, juris, Rn. 5 mit weiteren Nachweisen; Beschluss der Kammer vom 22. Mai 2023 - 2 L 739/23 -.
232. Die Entlassungsverfügung ist auch materiell rechtmäßig. Gemäß § 23 Abs. 4 BeamtStG können Beamtinnen und Beamte auf Widerruf jederzeit entlassen werden. Die Gelegenheit zur Beendigung des Vorbereitungsdienstes und zum Ablegen der Prüfung soll gegeben werden. Für die danach im Ermessen des Dienstherrn stehende Entlassung einer Widerrufsbeamtin bzw. eines Widerrufsbeamten genügt jeder sachliche, d.h. nicht willkürliche Grund, auch die Annahme mangelnder charakterlicher Eignung. Hierfür ist die Einschätzung entscheidend, inwieweit die Beamtin bzw. der Beamte der von ihr bzw. ihm zu fordernden Loyalität, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Dienstauffassung gerecht werden wird. Dies erfordert eine wertende Würdigung aller Aspekte des Verhaltens der Beamtin bzw. des Beamten, die einen Rückschluss auf die für die charakterliche Eignung relevanten persönlichen Merkmale zulassen. Die Einschätzung der charakterlichen Eignung ist dem Dienstherrn vorbehalten.
24Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2016 - 2 B 17.16 -, juris, Rn. 26; OVG NRW, Beschlüsse vom 19. Oktober 2020 – 6 B 1062/20 –, juris, Rn. 7 und vom 18. Februar 2019 - 6 B 1551/18 -, juris, Rn. 5.
25Insoweit können bereits berechtigte Zweifel der Entlassungsbehörde genügen, ob die Beamtin bzw. der Beamte auf Widerruf die persönliche Eignung für ihr bzw. sein Amt besitzt. Die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf ist aus diesem Grund nicht von dem Nachweis eines konkreten Dienstvergehens abhängig. Eignungszweifel können sich dabei sowohl aus dem dienstlichen als auch dem außerdienstlichen Verhalten ergeben.
26Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Oktober 2020 – 6 B 1062/20 –, juris, Rn. 9.
27Dabei ist die verwaltungsgerichtliche Kontrolle darauf beschränkt, ob der Dienstherr seine Annahme, es lägen Eignungszweifel vor, auf einen zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt gestützt, er den Rechtsbegriff der Eignung nicht verkannt und bei der von ihm zu treffenden Prognoseentscheidung allgemeingültige Wertmaßstäbe beachtet und auch sonst keine sachwidrigen Erwägungen angestellt hat.
28Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. Juni 2015 - 6 B 326/15 -, juris, Rn. 8, mit weiteren Nachweisen.
29Im Streitfall ist weiter in den Blick zu nehmen, dass die Polizei in ganz besonderem Maße auf ihr Ansehen und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger angewiesen ist. Letztere müssen sich in jeder Lage darauf verlassen können, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei neutral und unvoreingenommen ihrer Aufgabe, dem Schutz der Bürgerinnen und Bürger sowie der Gesetze widmen. Insbesondere gehört hierzu auch, dass Personen anderer Herkunft, Religion oder Meinung nicht geringschätzig und abwertend behandelt werden. Unabhängig davon, ob sich der Polizeibeamte zivil oder in Uniform bewegt, besteht die Gefahr, dass eine Person, die um seinen Beruf weiß, bei derartigen Äußerungen in Zukunft weniger auf die Unvoreingenommenheit der Polizei vertraut. Vor diesem Hintergrund ist gerichtlich nicht zu beanstanden, wenn der Dienstherr für den Polizeivollzugsdienst besonders hohe Anforderungen an die charakterliche Stabilität eines Beamten stellt.
30Vgl. bereits Sächsisches OVG, Beschluss vom 20. September 2017 - 2 B 180/17 -, juris, Rn. 13.
31Ausgehend von diesen Maßstäben ist die von dem Polizeipräsidium X wegen Zweifeln an der charakterlichen Eignung des Klägers verfügte Entlassung rechtmäßig. Die Bewertung des Polizeipräsidiums beruht auf einer hinreichenden Tatsachengrundlage. Das Polizeipräsidium hat weder den anzuwendenden Begriff der Eignung noch den gesetzlichen Rahmen verkannt, noch ist es von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen oder hat allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachwidrige Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen.
32Die angefochtene Verfügung vom 30. März 2023 wird maßgeblich auf Zweifel an der charakterlichen Eignung gestützt, weil der Kläger in der WhatsApp-Chatgruppe „NNN“ zwei Bilddateien mit volksverhetzendem Inhalt hochgeladen habe. Dass der Kläger dies getan hat, steht zwischen den Beteiligten außer Streit. Beurteilungsfehlerfrei hat das Polizeipräsidium weiter ausgeführt, dass von Polizeivollzugsbeamten das uneingeschränkte Eintreten für die freiheitlich demokratische Grundordnung erwartet werden dürfe. Zu Recht geht das Polizeipräsidium davon aus, dass der Kläger mit seinem Verhalten den Eindruck erweckt hat, diesen Anforderungen nicht gerecht zu werden. Indem er nationalsozialistischen Sprachgebrauch verwendet hat („Juden werden hier nicht bedient.“), hat er zugleich die Gewalt- und Willkürherrschaft Adolf Hitlers verharmlost. Mit den Werten einer freiheitlich demokratischen Grundordnung ist dies nicht zu vereinbaren. Auch die Annahme des Polizeipräsidiums X, der Kläger habe mit seinem Verhalten gegen die beamtenrechtliche Pflicht zur Wahrung des Ansehens der Polizei in der Öffentlichkeit verstoßen, ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat sich in einem extremen Maße fremdenfeindlich geäußert, indem er sogar zur Erschießung dunkelhäutiger Menschen aufgerufen hat („Läuft der Negger frei herum, schalt auf Automatik um“.). Dieses Verhalten verstößt nicht nur gegen verfassungsrechtliche Grundsätze – wie insbesondere die Menschenwürde –, sondern steht darüber hinaus auf tiefster Stufe. Er spricht sich in der Sache für die Exekution einer ganzen Bevölkerungsgruppe – und zwar Menschen dunkler Hautfarbe - aus. Der dem Kläger von dem Polizeipräsidium gemachte Vorwurf wiegt umso schwerer, da er als Polizeivollzugsbeamter zum einen in besonderem Maße zu Neutralität und Gleichbehandlung aller Bevölkerungsgruppen und insbesondere auch zum Schutz von Minderheiten verpflichtet ist und zum anderen über eine Dienstwaffe verfügt.
33Dabei ist es unerheblich, ob die in Rede stehende Entgleisung tatsächlich Ausdruck einer fremdenfeindlichen Gesinnung des Klägers ist oder dies - wie er beteuert - nicht der Fall ist. Der Kläger muss sich zunächst an der Aussage so festhalten und messen lassen, wie er sie getätigt hat, nämlich als menschenverachtend und mit einem eindeutigen fremdenfeindlichen Inhalt. Aber auch dann, wenn hinter der Aussage keine fremdenfeindliche Gesinnungslage stehen sollte, rechtfertigt sie die Annahme einer fehlenden charakterlichen Eignung. Denn in diesem Fall kommt zum Ausdruck, dass der Kläger sozial übliche Grenzen verkennt, es ihm an der nötigen emotionalen Festigkeit und Selbstkontrolle fehlt, er zwischen Spaß und Realität nicht zu unterscheiden vermag und in naiver Weise die Wirkung und Konsequenzen seines Verhaltens nicht überschaut. Dabei handelt es sich indes um persönliche Defizite, die den von dem Polizeipräsidium gezogenen Schluss auf eine fehlende charakterliche Eignung des Klägers für den Polizeivollzugsdienst zulassen. Ferner sind Beamte und Beamtinnen im Interesse der Akzeptanz und der Legitimation staatlichen Handelns verpflichtet, bereits den Schein der Identifikation mit einem dem freiheitlichen Rechtsstaat diametral entgegengesetzten Gedankengut zu vermeiden. Schon das zurechenbare Setzen eines solchen Scheins stellt eine Dienstpflichtverletzung dar. Pflichtwidrig handelt also auch der, der zwar kein Gegner der freiheitlich demokratischen Grundordnung ist, durch konkretes Handeln aber - wie hier - diesen Rechtsschein hervorruft.
34Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 2001 - 1 DB 15.01 -, juris, Rn. 36.
35Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auf die gemäß § 47 JGG erfolgte Einstellung des gegen ihn geführten Strafverfahrens. Das Polizeipräsidium hat dem mit Recht entgegengehalten, dass es für die beamtenrechtliche Bewertung des in Frage stehenden Verhaltens hierauf nicht ankomme.
36Es ist weiter nicht zu beanstanden, dass auch der Umstand, dass der Kläger in seiner bisherigen Ausbildung keinen Anlass zu Beanstandungen gegeben hat, aus Sicht des Polizeipräsidiums nichts daran ändert, dass das Vertrauen in seine persönliche charakterliche Eignung aufgrund der von ihm verschickten Bilder als endgültig erschüttert anzusehen ist. Treten nämlich - wie hier - charakterlichen Mängel des Betreffenden hinreichend deutlich zu Tage können bereits aus einem einmaligen Fehlverhalten des Betreffenden begründete Zweifel an der charakterlichen Eignung abgeleitet werden.
37Vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2016 - 2 B 17.16 -, juris, Rn. 10.
38Unerheblich ist auch, dass der Kläger die beiden Sticker vor seinem Eintritt in den Polizeivollzugsdienst versandt hat. Das Polizeipräsidium ist gleichwohl rechtsfehlerfrei zu der Annahme der charakterlichen Nichteignung des Klägers gelangt. Ob diese Bewertung an ein Verhalten des Betroffenen vor oder nach Eintritt in den Polizeivollzugsdienst anknüpft, ist unerheblich. Zudem muss einem 17-jährigen Schüler, der die die allgemeine Hochschulreife anstrebt, die Bedeutung und Tragweite seines Verhaltens regelmäßig bewusst sein. Verschließt er sich der Achtung der Würde des Menschen, in dem er sich für die Exekution einer ganzen Bevölkerungsgruppe ausspricht, zeigt er eine tiefgreifende Charakterschwäche. Diese Charakterschwäche bestand auch noch im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides. Selbst im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger über sein damaliges Verhalten kaum nähere Angaben gemacht. Es war nicht ansatzweise erkennbar, dass er hierüber reflektiert hat. Er schwieg sich vielmehr weitgehend aus. Auf Nachfragen des Einzelrichters antwortete er nur einsilbig. Schließlich verwies der Kläger – wiederum ohne nähere Angaben - lediglich pauschal darauf, sich im Rahmen einer Hausarbeit mit dem Thema „racial profiling“ auseinandergesetzt zu haben. Zu welchem Erkenntnisgewinn er hierbei gelangt sein will, gab er nicht preis. Auch führte er nicht weiter aus, wie er sein damaliges Fehlverhalten heute betrachtet. Irritierend war, dass er insoweit lediglich pauschal angegeben hat, dass das nicht „schön“ war. Dies wird dem Gewicht seiner fremdenfeindlichen und antisemitischen Äußerungen nicht ansatzweise gerecht. Der Kläger schien im Termin zur mündlichen Verhandlung auch nicht besonders bemüht, den Kontext darzustellen, in dem er damals die in Rede stehenden Sticker verschickt hat. Er blieb auch diesbezüglich durchweg einsilbig. Es war nach alledem für den Einzelrichter nicht feststellbar, dass der Kläger charakterlich geläutert ist, sich ernsthaft mit seinem früheren Fehlverhalten auseinandergesetzt hat und sich hiervon distanziert. Hinzu kommt, dass der Kläger die rassistischen, antisemitischen und fremdenfeindlichen Inhalte auch noch in einer WhatsApp-Chatgruppe hochgeladen hat, die den Namen „NNN“ trug. Damit hat sich der Kläger auch noch im Zusammenhang mit der Ausübung staatlicher Hoheitsbefugnisse („Polizeizentrale“) unter anderem für die Exekution von Ausländern ausgesprochen. Wenn dies aus Sicht des Polizeipräsidiums nicht hinnehmbar ist, ist hiergegen nichts zu erinnern.
39Die Entlassungsverfügung erweist sich auch nicht als ermessensfehlerhaft. Sie erweist sich insbesondere nicht deshalb als unverhältnismäßig, weil die darin ausgesprochene Entlassung aus dem Polizeivollzugsdienst dem Kläger die Gelegenheit zur Beendigung des Vorbereitungsdienstes und Ablegung der Prüfung nimmt. Zwar bestimmt § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG, dass Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst in der Regel die Möglichkeit erhalten sollen, den Vorbereitungsdienst zu beenden und die Prüfung abzulegen. Die genannte Vorschrift schränkt die Möglichkeit der Entlassung nicht nur dort ein, wo der Vorbereitungsdienst als allgemeine Ausbildungsstätte im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG zu qualifizieren ist, sondern auch dort, wo - wie hier - ein Vorbereitungsdienst für eine Beamtenlaufbahn abgeleistet wird, dessen Abschluss nicht den Zugang zu einer Beschäftigung außerhalb des Beamtenverhältnisses ermöglicht.
40Vgl. hierzu näher OVG NRW, Beschluss vom 16. August 2016 - 6 B 656/16 -, juris, Rn. 4 ff. m w. N..
41§ 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG steht jedoch im Streitfall der Entlassung des Klägers vor Ende des Vorbereitungsdienstes nicht entgegen. Eine Entlassung kann danach gerechtfertigt sein, wenn der Beamte das Ziel des Vorbereitungsdienstes, nämlich den Erwerb der Befähigung für die angestrebte Laufbahn, aufgrund nachhaltig unzureichender Leistungen auch bei wohlwollender Betrachtung aller Voraussicht nach nicht erreichen wird und die Fortsetzung der Ausbildung damit sinnlos ist, oder wenn begründete Zweifel an seiner gesundheitlichen oder persönlichen Eignung gegeben sind.
42Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. August 2012 - 6 B 776/12 -, juris, Rn. 13, und Urteil vom 3. September 2009 - 6 A 3083/06 -, juris, Rn. 117.
43Bei einem Vorbereitungsdienst, der - wie hier - keine allgemeine Ausbildungsstätte im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG darstellt, sondern mit dem der Staat für seinen eigenen Bedarf ausbildet, darf der Dienstherr dabei die persönliche Eignung an den Maßstäben messen, die er für die Übertragung eines Amtes auf Lebenszeit zugrunde legt.
44Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Februar 2019 - 6 B 1551/18 -, juris, Rn. 22.
45Hiervon ausgehend ist im Streitfall die Entscheidung des Polizeipräsidiums, den Kläger bereits vor Ende des Vorbereitungsdienstes zu entlassen, nicht zu beanstanden. Das Polizeipräsidium hegt - wie dargelegt - berechtigterweise erhebliche Zweifel an der charakterlichen Eignung des Klägers, die seiner Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe bzw. auf Lebenszeit entgegenstehen würden. Dann ist es gerechtfertigt, dem Beamten die Möglichkeit der Ableistung des Vorbereitungsdienstes im Sinne des § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG zu verwehren. Dies eröffnet ihm zugleich die Möglichkeit einer beruflichen Neuorientierung.
46Vgl. zu einem vergleichbaren Fall OVG NRW, Beschluss vom 30. Dezember 2020 - 6 B 827/20 -, juris, Rn. 54.
47Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.1 VwGO.
48Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
49Rechtsmittelbelehrung:
50Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
51Auf die seit dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
52Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
53Die Berufung ist nur zuzulassen,
541. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
552. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
563. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
574. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
585. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
59Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen.
60Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen.
61Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
62Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
63Beschluss:
64Der Streitwert wird auf die Wertstufe bis 9.000,00 Euro festgesetzt.
65Gründe:
66Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GKG erfolgt.
67Rechtsmittelbelehrung:
68Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
69Auf die seit dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
70Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
71Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
72Die Beschwerdeschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
73War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.