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1. Im Fall der Maskenpflicht für Grundschüler ist eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht gegeben.2. Das Bestehen der Schulleitung auf dem Tragen einer Maske im Rahmen der schulischen Nutzung stellt sich nicht als Hoheitsakt dar, dessen Wirkung nach typischem Verfahrensablauf auf eine so geringe Zeitspanne beschränkt ist, dass eine gerichtliche Entscheidung kaum erlangt werden kann.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
2Die am 0.0.2013 geborene Klägerin besucht nach einem Schulwechsel seit November 2020 die C -Schule C1. der Stadt N. . Sie legte der Schulleiterin ein für sie geltendes ärztliches Attest der Ärztin für Kinder- und Jugendheilkunde Fels vom 13. August 2020 vor, in dem es heißt: „Hiermit bestätige ich, dass das Tragen eines Mundschutzes für o.g. Person aus medizinischen Gründen nicht sinnvoll ist.“
3Mit an die Erziehungsberechtigten der Klägerin adressiertem Schreiben vom 1. März 2021 wies die Schulleiterin der C -Schule darauf hin, dass nach der geltenden Coronaschutzverordnung und Coronabetreuungsverordnung alle Personen, die sich im Rahmen der schulischen Nutzung in einem Schulgebäude oder auf einem Schulgrundstück aufhielten, verpflichtet seien, eine medizinische Maske zu tragen. Dies gelte nicht für Personen, die aus medizinischen Gründen keine Maske tragen könnten. Das Vorliegen medizinischer Gründe sei durch ein aussagekräftiges und nachvollziehbares Attest bis zum 4. März 2021 nachzuweisen. Personen, die eine Verpflichtung zum Tragen einer Maske nicht beachteten, seien durch die Schulleiterin von der schulischen Nutzung, vom Präsenzunterricht, auszuschließen.
4Hierzu nahm der Vater der Klägerin schriftlich und telefonisch Stellung und verweigerte das Tragen einer Maske durch seine Tochter auf dem Schulgrundstück und dem Schulgelände.
5Mit Schreiben vom 3. März 2021 wies die Schulleiterin die Eltern der Klägerin darauf hin, dass sie die Klägerin von der schulischen Nutzung ausschließen müsse, wenn sie am darauf folgenden Tag, dem 4. März 2021, ohne Maske das Schulgelände betreten sollte.
6Ab dem 4. März 2021 bis zu den Sommerferien wurde die Klägerin nicht mehr in die Schule geschickt.
7Am 2. August 2021 erhob die Klägerin „Feststellungsklage“ und stellte einen „Eilantrag auf einstweiligen Rechtsschutz“. Zur Begründung machte die Klägerin im Wesentlichen geltend, das vorgelegte medizinische Attest erfülle die Vorgaben der Coronabetreuungsverordnung für eine Befreiung von der Tragepflicht. Das Tragen eines Mund-Nasenschutzes stelle für sie einen erheblichen und vor allem unverhältnismäßigen Eingriff in den Gesundheitsschutz dar. Dies sei in Bezug auf die behauptete Gefahr einer Ansteckung oder Übertragung eines bisher nicht wissenschaftlich nachgewiesenen Erregers weder wissenschaftlich haltbar noch verhältnismäßig.
8Mit ihrer Klage beantragte die Klägerin wörtlich zunächst festzustellen, dass sie unverzüglich uneingeschränkt wieder am Präsenzunterricht teilnehmen darf und jegliche einschränkenden Maßnahmen bis zum Vorliegen eines wissenschaftlichen Existenzbeweises des krankmachenden Sars-Cov-2 Virus eingestellt werden.
9Nachdem die gesetzliche Pflicht zum Tragen einer Maske weggefallen war, beantragte die Klägerin zusätzlich hilfsweise die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahmen. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, das Infektionsschutzgesetz erlaube weiterhin die Möglichkeit der Einführung einer Maskenpflicht auch in Grundschulen, so dass nach wie vor die Gefahr bestehe, dass ihr trotz Vorlage eines Attestes wieder der Zugang zum Unterricht verboten werde. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse sei aufgrund der grundrechtswidrigen Maßnahmen eindeutig gegeben. Sie habe auch ein Rehabilitationsinteresse. Ihre Eltern und sie selbst seien stigmatisiert und auch kriminalisiert worden. Es sei ein Bußgeldverfahren gegen ihre Eltern eingeleitet und das Jugendamt eingeschaltet worden.
10Die Klägerin beantragt nunmehr,
11festzustellen, dass sie berechtigt war, ohne Maske am Unterricht teilzunehmen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie trägt vor: Das vorgelegte Attest beruhe auf einem formularmäßig abgefassten Vordruck und sei völlig unsubstantiiert. Die Mindestanforderungen an ärztliche Atteste seien nicht ansatzweise erfüllt. Bei dem Schreiben der Schulleiterin vom 3. März 2021 handele es sich lediglich um die Ankündigung eines Verwaltungsakts. Der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag stelle eine unzulässige Klageänderung dar.
15Der Eilantrag wurde mit rechtskräftigem Beschluss des erkennenden Gerichts vom 24. August 2021 abgelehnt (29 L 1693/21). Auf den die Klage abweisenden Gerichtsbescheid vom 21. Oktober 2022 hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2022 mündliche Verhandlung beantragt.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe:
18Die Einzelrichterin ist zur Entscheidung zuständig, nachdem die Kammer ihr den Rechtsstreit mit Beschluss vom 19. November 2021 zur Entscheidung übertragen hat (§ 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
19Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist bereits unzulässig.
20In dem nunmehr gestellten Klageantrag liegt keine Klageänderung gemäß § 91 VwGO, sondern nur eine Berichtigung des Klageantrags in sachdienlicher Weise auf Hinweis des Gerichts. Ursächlich hierfür ist nicht eine Änderung des zugrunde liegenden Lebenssachverhalts. Die Berichtigung beruht vielmehr allein auf der Rechtsauffassung des Gerichts, dass die Klägerin, anders als sie vorträgt, nicht im Wege des Verwaltungsaktes durch die Schulleiterin von der schulischen Nutzung ausgeschlossen worden ist.
21Es liegt auch keine (verdeckte) Teilklagerücknahme vor, weil die Berichtigung des Klageantrags im vorliegenden Fall keine nachträgliche quantitative Beschränkung des Klagebegehrens darstellt. Statt im Wege einer Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 4 VwGO verfolgt die Klägerin ihren Hauptantrag lediglich als Feststellungsklage weiter.
22Die Feststellungsklage ist gemäß § 43 Abs. 1 VwGO statthaft.
23Dem steht nicht die Subsidiarität der Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO entgegen, wonach die Feststellung nicht begehrt werden kann, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können.
24Eine Anfechtungsklage oder eine Verpflichtungsklage jeweils in Form der Fortsetzungsfeststellungsklage im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO bzw. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog ist nicht statthaft. Diese setzen grundsätzlich einen Verwaltungsakt voraus, der sich vor oder nach Erhebung der Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage erledigt hat. Vorliegend fehlt es an einem Verwaltungsakt.
25Bei dem Schreiben der Schulleiterin vom 1. März 2021 handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW), mit dem die Klägerin von der schulischen Nutzung ausgeschlossen wurde. Es ist zwar an die Eltern der Klägerin adressiert. Das Schreiben enthält jedoch lediglich den allgemein gehaltenen Hinweis, dass nach derzeit geltender Rechtslage alle Personen, die sich im Rahmen der schulischen Nutzung in einem Schulgebäude oder auf dem Schulgrundstück aufhalten, verpflichtet seien, eine medizinische Maske zu tragen. Das Schreiben richtet sich an alle Schülerinnen und Schüler, wie sich nicht zuletzt daraus ergibt, dass auch Schülerinnern und Schüler bis zur Klasse 8 erwähnt werden, die ersatzweise eine Alltagsmaske tragen dürften. Ferner finden sich allgemeine Angaben dazu, für wen und unter welchen Voraussetzungen die Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske nicht gilt. Eine auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtete Regelung der schulischen Nutzung durch die Klägerin trifft das Schreiben nicht. Dementsprechend enthält es auch keine Rechtsmittelbelehrung.
26Ebenso wenig stellt das Schreiben der Schulleiterin vom 3. März 2021 einen Verwaltungsakt dar. Vielmehr wird darin nach seinem klaren Wortlaut lediglich der Ausschluss von der schulischen Nutzung angekündigt, falls die Klägerin am 4. März 2021 ohne Maske das Schulgelände betreten sollte. Dem drohenden Ausschluss kamen die Eltern der Klägerin zuvor, indem sie ihre Tochter nicht mehr in die Schule schickten.
27Bei dem erstmals mit dem Schriftsatz vom 18. September 2022 vorgelegten Bescheid der Schulleiterin der C. –Schule vom 8. September 2021, mit dem der Antrag der Klägerin auf Befreiung vom Tragen einer Maske abgelehnt wurde, handelt es sich um einen Verwaltungsakt. Dieser ist jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden Klage.
28Die hiernach statthafte, auf die Feststellung gerichtete Klage, die Klägerin sei berechtigt gewesen, ohne Maske am Unterricht teilzunehmen, ist unzulässig, weil es der Klägerin am erforderlichen berechtigten Interesse an dieser Feststellung mangelt.
29Als Rechtsverhältnis, das zwischen der Klägerin als Schülerin und der Beklagten als Rechtsträgerin der C. -Schule besteht, ist vorliegend das Recht der Klägerin auf Teilnahme am Unterricht ohne Maske anzusehen. Zwar hat sich der zwischen den Beteiligten bestehende Meinungsstreit,
30vgl. zu diesem Erfordernis Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 22. Juni 2017 – Az.: 13 B 238/17 –, juris, Rn. 15,
31über die Frage, ob die Klägerin ohne Maske am Präsenzunterricht teilnehmen darf, mit dem Wegfall der Maskenpflicht seit dem 4. April 2022 erledigt.
32Gegenstand einer Feststellungsklage kann aber auch ein vergangenes Rechtsverhältnis sein.
33Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 29. April 1997 – 1 C 2.95 – juris Rn. 16.
34Unter einem vergangenen Rechtsverhältnis sind solche Rechtsbeziehungen zu verstehen, die sich zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits erledigt haben. Die Erledigung kann vor Klageerhebung oder – wie hier – erst während des laufenden Gerichtsverfahrens eintreten.
35Vgl. Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 43 Rn. 16.
36In diesem Fall kann die Klage unter Beachtung der zu § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entwickelten Grundsätze fortgeführt werden,
37vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 12. Dezember 2016 - 10 BV 13.1006 -, juris Rn. 36 m.w.N.
38Damit bleibt einem Kläger grundsätzlich die Möglichkeit erhalten zu verhindern, dass der mit der Klage unter entsprechendem Aufwand bereits erreichte Stand nutzlos wird.
39Geht es - wie hier - um ein vergangenes Rechtsverhältnis, kommt ein (Fortsetzungs-) Feststellungsinteresse in Entsprechung zu § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO u. a. in Betracht bei Bestehen einer konkreten Wiederholungsgefahr, bei - typischerweise kurzfristigen - wesentlichen Grundrechtsbeeinträchtigungen sowie im Falle eines Rehabilitationsinteresses.
40Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. Januar 2018 – 5 A 557/16 -, juris Rn. 10; Bayerischer VGH, Urteil vom 12. Dezember 2016 - 10 BV 13.1006 -, juris Rn. 41, jeweils m.w.N.
41Die Annahme einer Wiederholungsgefahr setzt die konkret absehbare, hinreichende Möglichkeit voraus, dass in naher Zukunft eine gleiche oder gleichartige Entscheidung oder Maßnahme zulasten des Klägers zu erwarten ist. Dabei müssen im Wesentlichen die gleichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse bestehen wie bei der erledigten Entscheidung oder Maßnahme.
42Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. April 2008 – 1 WB 11.07 –, juris Rn. 21; OVG NRW, Beschluss vom 30. Januar 2018 – 5 A 557/16 –, juris Rn. 12, m.w.N.
43Eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr ist im vorliegenden Fall im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht gegeben. Für Grundschüler wie die Klägerin ist in naher Zukunft entgegen ihrer Auffassung nicht mit der Wiedereinführung der Maskenpflicht zu rechnen. § 28b Abs. 3 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) vom 16. September 2022 ermöglicht den Ländern die Einführung einer Verpflichtung zum Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske nur für den Zeitraum vom 1. Oktober 2022 bis zum 7. April 2023 sowie nur für Schülerinnen und Schüler ab dem fünften Schuljahr. Zu diesem Personenkreis gehört die Klägerin nicht. Sie befindet sich bis mindestens Sommer 2023 im vierten Schuljahr. Ob es bei dieser Gesetzeslage ab dem 7. April 2023 bleibt, welche Regelung ggf. gelten wird, und womit für das nächste Schuljahr zu rechnen ist, ist völlig offen.
44Darüber hinaus haben sich gegenüber dem Zeitpunkt des angekündigten Ausschlusses von der schulischen Nutzung mit Schreiben vom 3. März 2021 sowohl die tatsächlichen als auch die rechtlichen Umstände wesentlich verändert.
45Die Regeln zur Maskenpflicht an Schulen unterlagen bereits seit Beginn der Pandemie sowohl in zeitlicher als auch in räumlicher Hinsicht mehrfachen Änderungen. So sah die Coronabetreuungsverordnung ab dem 1. September 2020 keine Pflicht zum Tragen von Mund-Nase-Bedeckungen in den Unterrichtsräumen mehr vor, soweit die Schülerinnen und Schüler feste Sitzplätze einnahmen.
46https://www.schulministerium.nrw/31082020-informationen-zum-schulbetrieb-corona-zeiten-ab-dem-1-september-2020#:~:text=Die%20Coronabetreuungsverordnung%20wird%20ab%20dem,Sch%C3%BCler%20hier%20feste%20Sitzpl%C3%A4tze%20einnehmen.
47Schon nach den Herbstferien 2020 wurden diese Regeln aufgrund der Entwicklung der Pandemie in Deutschland wieder geändert. Danach mussten im Schulgebäude und auf dem Schulgelände alle Schülerinnen und Schüler eine Mund-Nase-Bedeckung tragen. Schülerinnen und Schüler der Primarstufe waren davon ausgenommen, solange sie sich im Klassenverband im Unterrichtsraum aufhielten. Diese Regeln galten bis zum Beginn der Weihnachtsferien am 22. Dezember 2020.
48https://www.schulministerium.nrw/31082020-informationen-zum-schulbetrieb-corona-zeiten-ab-dem-1-september-2020#:~:text=Die%20Coronabetreuungsverordnung%20wird%20ab%20dem,Sch%C3%BCler%20hier%20feste%20Sitzpl%C3%A4tze%20einnehmen.
49Soweit überhaupt der Präsenzunterricht in den Schulen stattfand, galt in der Zeit nach den Weihnachtsferien ab Januar 2021 durchgehend die Verpflichtung für alle Personen, die sich im Rahmen der schulischen Nutzung in einem Schulgebäude oder auf einem Schulgrundstück aufhielten, eine medizinische Gesichtsmaske zu tragen.
50https://www.land.nrw/sites/default/files/asset/document/2021-01-07_coronabetrvo_ab_11.01.2021_lesefassung.pdf
51Nach zwischenzeitlichem Wegfall dieser Verpflichtung nach den Herbstferien 2021 wurde ab dem 2. Dezember 2021 die Maskenpflicht am Sitzplatz wieder eingeführt.
52https://www.schulministerium.nrw/01122021-maskenpflicht-am-sitzplatz#:~:text=Die%20Maskenpflicht%20am%20Sitzplatz%20wird,Dezember%202021%2C%20wieder%20eingef%C3%BChrt.
53Die Pflicht zum Tragen einer Maske in allen Innenräumen der Schule endete in Nordrhein-Westfalen am 2. April 2022.
54https://www.schulministerium.nrw/18032022-aenderung-der-regelungen-zum-infektionsschutz-den-schulen#:~:text=Maskenpflicht%20in%20den%20Schulen,2022%2C%20grunds%C3%A4tzlich%20nicht%20mehr%20vor.
55Auch in tatsächlicher Hinsicht unterscheiden sich die Umstände im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung verglichen mit der Situation Anfang März 2021 deutlich. Seit dieser Zeit hat sich das Infektionsgeschehen immer wieder sowohl in positiver als auch in negativer Weise verändert. Während das Auftreten der Omikron-Variante zu einer erheblichen Verstärkung des Infektionsgeschehens führte, wirkten sich der Impffortschritt, die große Zahl an Genesenen, die Ausweitung der Testmöglichkeiten und bessere Schutzmaßnahmen, wie beispielsweise die Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske, positiv auf das Infektionsgeschehen aus.
56Der Chef der Ständigen Impfkommission hält Corona nunmehr für eine endemische Virusinfektion, weil ein Großteil der Bevölkerung inzwischen geimpft oder genesen sei.
57https://www.zdf.de/nachrichten/politik/corona-stiko-mertens-endemisch-100.html; zuletzt abgerufen am 17. Januar 2023.
58Die Weltgesundheitsorganisation sieht das Ende der Coronapandemie schon in naher Zukunft und stellt eine Aufhebung des globalen Gesundheitsnotstands in diesem Jahr in Aussicht.
59https://www.merkur.de/welt/who-corona-pandemie-ende-2023-news-gesundheitsnotstand-endemie-normalitaet-hoffnung-91976412.html; zuletzt abgerufen am 17. Januar 2023.
60Von in absehbarer Zukunft im Wesentlichen gleichbleibenden tatsächlichen Umständen kann vor diesem Hintergrund nicht ausgegangen werden.
61Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich ein berechtigtes Feststellungsinteresse auch nicht mit dem Vorliegen eines tiefgreifenden Eingriffs in Grundrechte oder Grundfreiheiten begründen.
62In den Fällen fehlender tatsächlicher Fortwirkung des beanstandeten Hoheitsakts ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ausnahmsweise auch dann zu bejahen, wenn ein tiefgreifender Grundrechtseingriff vorliegt und die direkte Belastung durch die Maßnahme sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene entgegen seinem in Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz eine gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann.
63Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 30. April 1997 – 2 BvR 817/90, 2 BvR 728/92, 2 BvR 802/95, 2 BvR 1065/95 –, juris Rn. 49; OVG NRW, Urteil vom 30. Oktober 2003 – 21 A 2602/02 –, juris Rn. 12 m.w.N.
64Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse folgt aus der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG aber nicht bei jedem erledigten, tiefgreifenden Eingriff in Grundrechte. Ein solches Interesse kann vielmehr nur bestehen, wenn die begehrte Feststellung die Position des Klägers verbessern kann oder wenn Eingriffe dieser Art sich typischerweise so kurzfristig endgültig erledigen, dass sie sonst nicht gerichtlich in einem Hauptsacheverfahren zu überprüfen wären.
65Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 – 8 C 14/12 -, juris Rn. 32
66In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist dies insbesondere für polizeiliche Maßnahmen (z.B. Freiheitsbeschränkungen, polizeiliche Misshandlungen, Telefonüberwachung, Hausdurchsuchungen) anerkannt.
67Vgl. Binninger in: Brandt/Domgörgen, Handbuch Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess, 4. Aufl. 2018, dd) Feststellungsinteresse wegen Rehabilitationsinteresse; auch: erheblicher Grundrechtseingriff, Rn. 126.
68Ob es sich bei der Maskenpflicht überhaupt um einen tiefgreifenden Eingriff in Grundrechte handelt,
69verneinend mit ausführlicher Begründung: VG Mainz, Urteil vom 2. Juni 2022 - 1 K 348/20.MZ -, juris Rn. 66,
70kann vorliegend offenbleiben. Denn zum einen kann die begehrte Feststellung, ohne Maske am Unterricht teilnehmen zu dürfen, die Position der Klägerin nicht verbessern. Sie ist aktuell und auf unabsehbare Zeit in der Schule nicht zum Tragen einer Maske verpflichtet. Zum anderen besteht selbst bei unterstellter Annahme eines tiefgreifenden Rechtseingriffs keine Situation, in der die Klägerin mit ihrem Feststellungsbegehren wegen der sich aus seiner Eigenart ergebenden kurzfristigen Erledigung ohne wirksamen Rechtsschutz geblieben wäre. Das Bestehen der Schulleiterin auf das Tragen einer Maske im Rahmen der schulischen Nutzung stellt sich nicht als Hoheitsakt dar, dessen Wirkung nach typischem Verfahrensablauf auf eine so geringe Zeitspanne beschränkt ist, dass eine gerichtliche Entscheidung kaum erlangt werden kann.
71Die Verpflichtung für alle Personen, die sich im Rahmen der schulischen Nutzung in einem Schulgebäude oder auf einem Schulgrundstück aufhielten, eine medizinische Gesichtsmaske zu tragen, galt nach den im Jahr 2021 jeweils geltenden Coronabetreuungsverordnungen jeweils für einen Monat und wurde, bis auf eine kurze Unterbrechung nach dem Beginn der Herbstferien bis zum 2. Dezember 2021, immer wieder erneuert. Die Maskenpflicht war danach auf eine Geltungsdauer angelegt, innerhalb derer die Klägerin ohne weiteres gerichtlichen Rechtsschutz in der Hauptsache hätte erlangen können. Die Klägerin hat am 2. August 2021 Feststellungsklage erhoben. Schon deshalb können an der grundsätzlichen Möglichkeit wirksamen Rechtsschutzes keine Zweifel bestehen. Dem steht nicht entgegen, dass erst jetzt, nach Wegfall der Maskenpflicht ab April 2022, gerichtlich über die Feststellungsklage entschieden wird. Die tatsächliche Dauer des Verfahrens ändert nichts daran, dass sich das Feststellungsbegehren nicht wegen seiner Eigenart innerhalb so kurzer Zeit erledigt hat, dass eine gerichtliche Entscheidung ausgeschlossen war. Es ist im Übrigen der Klägerin selbst zuzurechnen, dass sie nicht bereits im März 2021 Feststellungsklage erhoben hat, sondern damit fünf Monate gewartet hat.
72Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht auf ein Rehabilitationsinteresse berufen.
73Ein Rehabilitationsinteresse liegt vor, wenn von dem ursprünglichen hoheitlichen Handeln eine diskriminierende Wirkung ausgeht, die auch nach der Erledigung fortwirkt. Dies ist gegeben, wenn das Verwaltungshandeln auf dem Vorwurf einer strafbaren Handlung beruhte, das allgemeine Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt oder wenn es geeignet war, den Betroffenen in der Achtung der Öffentlichkeit oder seiner Kollegen herabzusetzen. Die diskriminierenden Wirkungen müssen grundsätzlich vom erledigten hoheitlichen Handeln selbst ausgehen.
74Vgl. zum erledigten Verwaltungsakt: Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 113 Rn. 273, m.w.N.
75Das ist hier nicht gegeben. Soweit die Klägerin sich darauf beruft, dass gegen ihre Eltern ein Bußgeldverfahren eingeleitet und das Jugendamt eingeschaltet worden sei, mag dies für ihre Eltern herabsetzend gewirkt haben, nicht jedoch für die Klägerin selbst. Weder war sie einem Bußgeldverfahren ausgesetzt noch galt der Besuch des Jugendamts ihr. Beides stand vielmehr im Zusammenhang mit dem Vorwurf einer Verletzung der Schulpflicht und der Sorgepflicht durch die Eltern. Im Übrigen fehlt es am erforderlichen kausalen Zusammenhang zwischen dem Handeln der Schulleiterin und einer etwaigen Stigmatisierung der Klägerin. Sofern eine solche Stigmatisierung überhaupt anzunehmen ist, beruht diese allein darauf, dass die Eltern der Klägerin diese, ohne die Entscheidung der Schulleiterin abzuwarten oder die geltende Gesetzeslage, insbesondere die Schulpflicht, zu respektieren, eigenmächtig entschieden haben, die damals achtjährige Klägerin bis zu den Sommerferien vier Monate lang nicht mehr in die Schule zu schicken. Die Klägerin, vertreten durch ihre Eltern, hat auch keine Veranlassung gesehen, die aus ihrer Sicht streitige Frage der Maskenpflicht zeitnah gerichtlich klären zu lassen. Einen Eilantrag hat sie erst fünf Monate später, kurz vor Ablauf der Sommerferien gestellt. Wer das Recht in die eigene Hand nimmt, muss auch die Konsequenzen seines Handelns selbst tragen. Das Verhalten ihrer Eltern muss die Klägerin zurechnen lassen.
76Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
77Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 der Zivilprozessordnung.
78Rechtsmittelbelehrung:
79Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
80Auf die seit dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
81Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
82Die Berufung ist nur zuzulassen,
831. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
842. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
853. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
864. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
875. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
88Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen.
89Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen.
90Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
91Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst 3-fach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
92Beschluss:
93Der Streitwert wird auf 5.000,-- Euro festgesetzt.
94Gründe:
95Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 2 GKG erfolgt.
96Rechtsmittelbelehrung:
97Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
98Auf die seit dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
99Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
100Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
101Die Beschwerdeschrift soll möglichst 3-fach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
102War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.