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1. Auch im Asylklageverfahren kommt dem prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt bei Verfahrenstrennung nach § 93 VwGO grds. ein Wahlrecht zu, ob er die anteilige Verfahrensgebühr aus dem Gesamtgegenstandswert des Ausgangsverfahrens oder die Verfahrensgebühr aus dem Einzelgegenstandswert nach Verfahrenstrennung fordert.2. Kosten für die Beauftragung eines Rechtsanwalts im Herkunftsland des Asylklägers zur Beschaffung von Dokumenten sind erstattungsfähig, wenn sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren (§ 162 Abs. 1 VwGO).3. Gleiches gilt für die Übersetzung von nicht in deutscher Sprache abgefassten Dokumenten die zur Begründung einer Asylklage vorgelegt werden.
Der Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Gerichts vom 19. Juni 2023 wird geändert. Die von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten werden auf 1.197,73 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 11. Mai 2023 festgesetzt.
Im Übrigen wird die Erinnerung der Beklagten zurückgewiesen.
Die Kosten des Erinnerungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, tragen der Kläger zu 18 % und die Beklagte zu 82 %.
Gründe:
2I.
3Die Erinnerung der Beklagten richtet sich gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Gerichts vom 19. Juni 2023.
4Im zugrundeliegenden Ausgangsverfahren erhob der Kläger gemeinsam mit seiner Ehefrau und zwei Kindern Klage gegen einen ablehnenden Asylbescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Während des Klageverfahrens beauftragte der Kläger eine Rechtsanwältin in der Türkei, in Erfahrung zu bringen, ob Ermittlungsverfahren bzw. Strafverfahren gegen ihn in der Türkei vorliegen, und ggf. Akteneinsicht zu nehmen. Die Rechtsanwältin übermittelte ihm eine Kopie einer 68 Seiten starken Ermittlungsakte, die sie eingesehen hatte. Der Kläger legte diese Akte sowie Übersetzungen ausgewählter Dokumente daraus im Ausgangsverfahren vor. Im Anschluss an die mündliche Verhandlung am 27. März 2023 trennte das Gericht mit Beschluss vom 5. April 2023 das Verfahren hinsichtlich der Ehefrau und der Kinder des Klägers (zuvor Kläger zu 2. bis 4.) zur separaten Entscheidung unter dem Aktenzeichen 26 K 2342/23.A ab. Das Verfahren ist noch anhängig. Im verbliebenen Verfahren des Klägers verpflichtete das Gericht die Beklagte mit aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. März 2023 ergangenem Urteil, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und ihn als Asylberechtigten anzuerkennen, und erlegte der Beklagten die Verfahrenskosten auf.
5Mit seinem Kostenfestsetzungsantrag vom 11. Mai 2023 hat der Kläger Rechtsanwaltskosten seines Prozessbevollmächtigten (925,23 Euro), Übersetzungskosten (300,00 Euro) sowie Kosten für die Beauftragung der Rechtsanwältin in der Türkei (242,40 Euro), mithin insgesamt 1.467,63 Euro geltend gemacht. Die Kosten des Prozessbevollmächtigten umfassen dabei ausgehend von einem Gegenstandswert von 5.000,00 Euro: 1,3 Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) – 393,90 Euro, 1,2 Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG) – 363,60 Euro, Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG) – 20,00 Euro, 19 % Mehrwertsteuer (Nr. 7008 VV RVG) – 147,73 Euro. Die Kosten der Rechtsanwältin in der Türkei hat der Kläger in Orientierung an Nr. 3403 VV RVG mit 0,8 Gebühren (Gegenstandswert: 5.000,00 Euro) in Höhe von 242,40 Euro berechnet.
6Im Kostenfestsetzungsverfahren hat die Beklagte eingewandt, die Aufwendungen für die Übersetzungen seien nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen. Die Kosten der Rechtsanwältin in der Türkei seien nicht erstattungsfähig, da sie dem dortigen Strafverfahren zuzuordnen seien. Nach der Abtrennung des Verfahrens der Ehefrau und der Kinder des Klägers von dem Verfahren des Klägers sei die Vergütung seines Prozessbevollmächtigten anteilig nach dem ursprünglichen Gegenstandswert von 8.000,00 Euro zu berechnen. Dem Rechtsanwalt komme in Asylklageverfahren kein Wahlrecht zu, nach dem Gegenstandswert des Verfahrens nach Abtrennung abzurechnen.
7Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19. Juni 2023 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die zu erstattenden Kosten antragsgemäß festgesetzt.
8Dagegen richtet sich die am 26. Juni 2023 erhobene Kostenerinnerung der Beklagten, zu deren Begründung sie sich auf ihren Schriftsatz im Kostenfestsetzungsverfahren stützt. Der Kläger hat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
9II.
10Die nach §§ 165, 151 VwGO zulässige Erinnerung der Beklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
111. Die Vergütung des Prozessbevollmächtigten des Klägers ist nur in verminderter Höhe von 655,33 Euro (einschließlich Mehrwertsteuer) anzusetzen. Allerdings ist der Auffassung der Beklagten, die Vergütung sei insgesamt anteilig auf der Grundlage des Gegenstandwerts des Verfahrens vor Trennung in Höhe von 8.000,00 Euro zu berechnen, nicht zu folgen. Es ist zu differenzieren.
12a. Es ist eine 1,3 Verfahrensgebühr aus einem Gegenstandswert – nach Trennung – von 5.000,00 Euro entstanden (§ 2 Abs. 2, § 13 RVG, Nr. 3100 VV RVG). Nach der Kostenentscheidung im Urteil vom 27. März 2023 kann der Kläger von der Beklagten die Erstattung dieser zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen (§ 162 Abs. 1, 2 Satz 1 VwGO) in voller Höhe verlangen.
13Mit der Trennung der Verfahren gemäß § 93 VwGO entstehen mehrere für die Zukunft selbständige Verfahren, die jeweils eigenständig zu entscheiden sind und einen ganz unterschiedlichen Fortgang nehmen können. Kostenrechtlich hat die Trennung der Verfahren zur Folge, dass die bis dahin entstandenen Gebühren in dem Umfang bestehen bleiben, wie sie bereits entstanden sind. In dem durch die Trennung verselbständigten Verfahren fallen die Gebühren aus dem jeweiligen geringen Streitwert erneut an, auch wenn sie vor der Verfahrenstrennung bereits aus dem Gesamtstreitwert erwachsen sind.
14Vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. September 2009 – 9 KSt 10.09 (u.a.) –, juris Rn. 5; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. November 2016 – OVG 3 K 97.16 –, juris Rn. 4; BayVGH, Beschluss vom 8. August 2017 – 14 C 17.559 –, juris Rn. 19; OVG NRW, Beschluss vom 2. Dezember 1999 – 10a D 7.99 –, juris Rn. 9; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 14. Juli 2022 – 13a K 4238/21.A –, juris Rn. 31.
15Danach kann der Prozessbevollmächtigte entweder die Festsetzung der anteiligen Verfahrensgebühr aus dem Gesamtstreitwert (des Ausgangsverfahrens) oder die Verfahrensgebühr aus dem Einzelstreitwert nach Verfahrenstrennung fordern.
16Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. November 2016 – OVG 3 K 97.16 –, juris Rn. 4; BayVGH, Beschluss vom 8. August 2017 – 14 C 17.559 –, juris Rn. 22; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 14. Juli 2022 – 13a K 4238/21.A –, juris Rn. 33.
17Das gilt auch für Asylklageverfahren.
18Nach § 30 Abs. 1 RVG beträgt der Gegenstandswert in Klageverfahren nach dem Asylgesetz 5.000,00 Euro. Wenn mehrere natürliche Personen an demselben Verfahren beteiligt sind, erhöht sich der Wert für jede weitere Person um 1.000,00 Euro. In Teilen der Rechtsprechung, auf die sich die Beklagte beruft, wird die Auffassung vertreten, dass damit der Wert in asylrechtlichen Klageverfahren abschließend bemessen und für ein abgetrenntes Klageverfahren kein eigener Wert zu berücksichtigen sei. Der prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt kann nach dieser Auffassung im abgetrennten Verfahren die Gebühren nur anteilig nach dem Gesamtgegenstandswert im Ausgangsverfahren geltend machen.
19Vgl. VG Würzburg, Beschluss vom 20. Januar 2020 – W 3 M 18.32375 –, juris Rn. 13.
20Dieser Auffassung schließt sich das Gericht nicht an. Dem Wortlaut des § 30 Abs. 1 RVG lässt sich für eine grundsätzlich abschließende Bemessung des Gegenstandswerts auch in Fällen der Trennung von Verfahren nach § 93 VwGO nichts entnehmen. Bezugspunkt des § 30 Abs. 1 RVG ist das Klageverfahren nach dem Asylgesetz. Der gesetzlich bestimmte Gegenstandswert richtet sich nach der Anzahl der natürlichen Personen, die an „demselben Verfahren“ (§ 30 Abs. 1 Satz 2 RVG) beteiligt sind. Durch die Trennung der Verfahren entstehen für die Zukunft mehrere selbständige Verfahren, auf die jeweils § 30 Abs. 1 RVG anzuwenden ist. Auch der Zweck der Regelung steht der Berücksichtigung eines eigenständigen Gegenstandwerts im abgetrennten Verfahren nicht entgegen. § 30 Abs. 1 Satz 2 RVG dürfte die Erwägung zu Grunde liegen, dass der gemeinsamen Klage mehrere Personen im Asylverfahren in der Regel ein gemeinsamer oder doch vergleichbarer Lebenssachverhalt zu Grunde liegt, was den Aufwand für den prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt mindert. Dem trägt die Regelung durch den (in Vergleich zu Einzelklagen) verminderten Gegenstandwert Rechnung. Diese für den Regelfall zutreffende Erwägung trägt aber dann nicht, wenn das ursprünglich von den Klägern gemeinsam verfolgte Klagebegehren nach Trennung in separaten Verfahren weiterverfolgt wird, die eine eigenständige, unterschiedliche Entwicklung nehmen können. Auch aus dem Umstand, dass in asylrechtlichen Klageverfahren nicht der auf der Grundlage des § 52 GKG durch das Gericht festzusetzende Streitwert für die Berechnung der Gebühren nach dem RVG maßgeblich ist, sondern der Gegenstandswert für den Regelfall durch § 30 Abs. 1 RVG gesetzlich vorgeben wird, lässt sich nicht folgern, dass bei Trennung in mehrere Verfahren eine Gebührenberechnung nach dem Gegenstandswert des eigenständigen Verfahrens nach Trennung ausgeschlossen ist.
21Vgl. ebenso – unter den Voraussetzungen des dortigen Falls – VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 14. Juli 2022 – 13a K 4238/21.A –, juris Rn. 38.
22Keiner Entscheidung bedarf, ob diese Erwägungen auch gelten, wenn dem abgetrennten Verfahren – anders als vorliegend – jedes eigenständige Gewicht fehlt, da es sich etwa in der bloßen verfahrensrechtlichen Einstellung nach Abtrennung erschöpft.
23Vgl. hierzu auch VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 14. Juli 2022 – 13a K 4238/21.A –, juris Rn. 38.
24Nach diesen Grundsätzen konnte der Prozessbevollmächtigte des Klägers nach seiner Wahl eine 1,3 Verfahrensgebühr auf der Grundlage des Gegenstandswerts von 5.000,00 Euro nach Trennung – anstelle einer anteiligen Verfahrensgebühr auf Basis des ursprünglichen Gegenstandwerts – abrechnen.
25b. Die Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG) ist nur anteilig (1/4) nach dem Gegenstandwert des ursprünglichen Verfahrens in Höhe von 8.000,00 Euro zu berücksichtigen. Die Terminsgebühr ist durch Teilnahme des Prozessbevollmächtigten des Klägers an der mündlichen Verhandlung am 27. März 2023, vor Trennung der Verfahren mit Beschluss vom 5. April 2023, entstanden. Nach Trennung ist keine weitere Terminsgebühr entstanden, da keine weitere mündliche Verhandlung durchgeführt wurde.
26c. Die Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG) ist zu Recht in voller Höhe von 20,00 Euro angesetzt worden. Sie entsteht in jedem der abgetrennten Verfahren neu.
27Vgl. BayVGH, Beschluss vom 8. August 2017 – 14 C 17.559 –, juris Rn. 23.
28d. Die Mehrwertsteuer von 19 % (Nr. 7008 VV RVG) ist auf die verminderte Netto-Vergütung des Prozessbevollmächtigten zu berechnen, die sich aus der Verfahrensgebühr, der Terminsgebühr und der Auslagenpauschale zusammensetzt.
292. Der Kläger kann die Kosten der Beauftragung einer Rechtsanwältin in der Türkei in der geltend gemachten Höhe als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Aufwendungen gemäß § 162 Abs. 1 VwGO erstattet verlangen.
30Nach der Vorschrift sind nur solche Aufwendungen erstattungsfähig, die ein objektiver verständiger Beteiligter, der bemüht ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, im Zeitpunkt ihres Anfalls (ex-ante-Sicht) nach Art und Höhe als geeignet, erforderlich und angemessen ansehen würde, um das mit ihnen zu befördernde prozessuale Ziel unter voller Berücksichtigung seiner sämtlichen berechtigten Belange zu erreichen.
31Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. Dezember 2014 – 13 E 1115/14 –, juris Rn. 7 f.; Kunze, in: Posser/Wolff/Decker, BeckOK VwGO, 65. Ed. 1.4.2023, § 162 Rn. 51a, jeweils m.w.N.
32Zu den erstattungsfähigen Aufwendungen gehören auch Vorbereitungskosten, also Kosten, die aufgrund der Ermittlung von Tatsachen oder der Beschaffung von Unterlagen entstehen, wenn sie mit Blick auf einen bestimmten Rechtsstreit sowie in zeitlichem Zusammenhang mit diesem entstanden sind und sich konkret auf den Prozess beziehen.
33Vgl. BayVGH, Beschluss vom 23. November 2021 – 11 C 21.740 –, juris Rn. 15; Kunze, in: Posser/Wolff/Decker, BeckOK VwGO, 65. Ed. 1.4.2023, § 162 Rn. 51; Olbertz, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 43. EL August 2022, VwGO § 162 Rn. 27, jeweils m.w.N.
34Erfasst werden insbesondere die Kosten der Beschaffung von Urkunden und der Einholung von Auskünften, ohne die eine Klage nicht überzeugend begründet oder eine Rechtsverteidigung nicht einwandfrei geführt werden kann.
35Vgl. Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 162 Rn. 6 m.w.N.
36An diesen Anforderungen gemessen sind die Aufwendungen für die Beauftragung einer Rechtsanwältin in der Türkei erstattungsfähig. Die Beauftragung der Rechtsanwältin war notwendig, um amtliche Dokumente aus einem in der Türkei gegen den Kläger geführten Ermittlungsverfahren zu beschaffen, die auf anderem Weg nicht zu erlangen gewesen wären. Die Beschaffung der Unterlagen erfolgte mit Blick auf das hiesige Klageverfahren und im zeitlichen Zusammenhang damit. Die Klage wurde maßgeblich mit den gewonnenen Erkenntnisse über das Ermittlungsverfahren begründet. Die Relevanz der Unterlagen für die Begründung der Klage wird dadurch bestätigt, dass das Gericht das stattgebende Urteil entscheidend unter Bezugnahme auf die Dokumente aus dem Ermittlungsverfahren begründet hat. Das Argument der Beklagten, die Kosten der Rechtsanwältin in der Türkei seien dem dortigen Strafverfahren zuzuordnen, greift nicht durch. Die Rechtsanwältin wurde eigens mit der Beschaffung der Unterlagen beauftragt, sie war nicht – wie die Beklagte annimmt – schon zuvor als Verteidigerin des Klägers in dem Ermittlungsverfahren in der Türkei bestellt.
37Die vor der Trennung der Verfahren entstanden Aufwendungen sind in voller Höhe anzusetzen. Sie sind ausschließlich dem Kläger und nicht seiner Ehefrau und seinen Kindern zuzuordnen. Das ergibt sich daraus, dass nur der Kläger, nicht seine Ehefrau und Kinder, die Rechtsanwältin beauftragte. Dementsprechend berichtete die Rechtsanwältin mit ihrem Schreiben vom 25. April 2022 ausschließlich an den Kläger und über das ihn betreffende Ermittlungsverfahren. Auch die dem Kostenfestsetzungsantrag beigefügte Rechnung ist ausschließlich an den Kläger gerichtet.
38Die Berechnung der Höhe der Aufwendung mit einer 0,8 Gebühr analog Nr. 3403 VV RVG zieht die Beklagte nicht in Zweifel. Dabei ist nach § 30 Abs. 1 Satz 1 RVG (analog) ein Gegenstandswert von 5.000,00 Euro zugrunde zu legen. Im Verhältnis zu der Rechtsanwältin in der Türkei ist von vornherein nur der Kläger, d.h. eine, nicht mehrere natürliche Personen, aufgetreten.
393. Die Übersetzungskosten sind mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss zutreffend in voller Höhe angesetzt worden. Sie sind erstattungsfähig, weil sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren (§ 162 Abs. 1 VwGO).
40Kosten für die Übersetzung von prozessrelevanten fremdsprachlichen Schriftstücken bzw. Urkunden in die deutsche Gerichtssprache sind erstattungsfähig, soweit der Beteiligte sie für erforderlich halten darf.
41Vgl. Jaspersen, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 48. Ed. 01.03.2023, § 91 Rn. 154 m.w.N. aus der Rspr. zur ZPO.
42Ein Kläger darf die Vorlage einer (auszugsweisen) Übersetzung von in einer anderen Sprache abgefassten Dokumenten, auf die er seine Klage maßgeblich stützt, regelmäßig für erforderlich halten, da er auch unter Berücksichtigung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO) ansonsten das Risiko eingeht, dass die Dokumente wegen der deutschen Gerichtssprache (§ 184 Satz 1 GVG) unbeachtet bleiben.
43Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. Dezember 2014 – 13 E 1115/14 –, juris Rn. 9.
44Vorliegend durfte der Kläger die vorgelegten Übersetzungen von Dokumenten aus dem in der Türkei gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren für erforderlich halten, da er seine Klage maßgeblich darauf gestützt hat. Diese Einschätzung wird dadurch bestätigt, dass das Gericht das stattgebende Urteil entscheidend unter Bezugnahme auf die Dokumente aus dem Ermittlungsverfahren begründet hat. Insoweit gelten die obigen Ausführungen zu den Kosten einer Rechtsanwältin in der Türkei entsprechend.
45Vgl. im Ergebnis ebenso VG Köln, Beschluss vom 3. Dezember 2020 – 22 K 1969/18.A –, juris Rn. 3 ff.
46Die Beklagte kann nicht damit durchdringen, dass der Kläger die Übersetzungen von sich aus und ohne ausdrückliche Aufforderung seitens des Gerichts vorgelegt hat. Der Kläger war im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht verpflichtet, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken und alle erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Einer zusätzlichen Aufforderung des Gerichts an den Kläger „ins Blaue hinein“, mutmaßlich relevante Unterlagen vorzulegen, bedurfte es deshalb nicht.
47Entgegen der Auffassung der Beklagten war die Vorlage von Übersetzungen auch nicht deshalb entbehrlich, weil absehbar war, dass in der mündlichen Verhandlung ein Dolmetscher anwesend sein würde, der erforderlichenfalls vorgelegte Dokumente jedenfalls auszugsweise übersetzen könne. Eine auszugsweise Übersetzung durch den Dolmetscher in der mündlichen Verhandlung kann zur Einordung vorgelegter Unterlagen hilfreich sein, sie genügt aber regelmäßig nicht, um eine Entscheidung darauf stützen zu können. Wenn – wie hier – umfangreiche Unterlagen vorgelegt werden, sprengt es zudem den Rahmen der mündlichen Verhandlung, wenn diese Dokumente übersetzt und die Übersetzung protokolliert werden muss.
48Der Kläger war entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht gehalten, sich im Rahmen der Kostenminderungspflicht zunächst um eine Übersetzung durch einen sprachkundigen Verwandten oder Bekannten zu bemühen, bevor er einen professionellen Übersetzer hinzuzieht. Auch muss sich der Kläger nicht darauf verweisen lassen, dass sein Prozessbevollmächtigter der türkischen Sprache mächtig ist und damit die Relevanz der Unterlagen ohne Übersetzung beurteilen konnte. Die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung zu außergerichtlich entstanden Dolmetscherkosten,
49vgl. etwa VG Berlin, Beschluss vom 2. Oktober 2020 – VG 17 K 261.17 A –, juris,
50kann auf die Kosten der Übersetzung amtlicher Dokumente nicht übertragen werden. Die Übersetzung durch „Laienübersetzer“ aus dem Umfeld des Klägers ist nicht geeignet, das Gericht zuverlässig und präzise über den Inhalt der Dokumente zu informieren. Die Übersetzung muss die Gewähr dafür bieten, dass sie im Detail mit dem Original übereinstimmt, damit eine Entscheidung des Gerichts darauf gestützt werden kann. Insoweit unterscheidet sich die Funktion der Übersetzung von in das Verfahren eingeführten Dokumenten entscheidend von der Funktion eines Dolmetschers oder Übersetzers, der es dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten ermöglicht, außergerichtlich mit einander zu sprechen, bzw. dem nicht sprachkundigen Prozessbevollmächtigten die Einordnung von Dokumenten erlaubt. Insoweit mag eine laienhafte Dolmetschertätigkeit oder Übersetzung genügen.
51Im Übrigen hat der Kläger der Kostenminderungspflicht Rechnung getragen, indem er die umfangreiche Ermittlungsakte nicht vollständig übersetzen ließ, sondern nur relevante Auszüge aus der Akte. Dies lag auch in seinem eigenen Interesse, da er die Kosten bei Abweisung seiner Klage selbst hätte tragen müssen.
52Entsprechend den obigen Erwägungen zu den Kosten einer Rechtsanwältin in der Türkei sind die vor der Verfahrenstrennung entstandenen Übersetzungskosten in voller Höhe ansatzfähig, da die übersetzten Dokumente ausschließlich den Kläger und nicht seine Ehefrau oder seine Kinder betreffen.
534. Es ergibt sich folgende Berechnung:
541,3 Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) |
Gegenstandswert 5.000,00 Euro |
1/1 |
393,90 Euro |
1,2 Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG) |
8.000 Euro |
1/4 |
136,80 Euro |
Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG) |
1/1 |
20,00 Euro |
|
RA-Vergütung netto |
550,70 Euro |
||
Mehrwertsteuer, 19 % (Nr. 7008 VV RVG) |
104,63 Euro |
||
RA-Vergütung brutto |
655,33 Euro |
||
RA’in in der Türkei – 0,8 Verfahrensgebühr für sonstige Einzeltätigkeit (Nr. 3403 VV RVG) |
5.000,00 Euro |
1/1 |
242,40 Euro |
Übersetzungskosten |
1/1 |
300,00 Euro |
|
Summe |
1.197,73 Euro |
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 83b AsylG.
56Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).