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1. Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.625,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
2I.
3Der im Jahr 1965 geborene Antragsteller ist Sportschütze.
4Am 12. September 1994 und am 31. Oktober 2000 erteilte die Kreispolizeibehörde W. dem Antragsteller die Waffenbesitzkarten mit den Nrn. 000000/0 und 000000/00, in die folgende Schusswaffen eingetragen sind:
5Waffenart |
Kaliber |
Hersteller |
Waffennummer |
Halbautomatische Pistole |
9mmLudger |
Mauser |
0000 |
Bockbüchsflinte |
9mmMars |
Mars |
00000 |
Luftgewehr |
4,5mm(Bullet) |
Hämmerli |
000000 |
Halbautomatische Pistole |
9mmBrowningK |
Walam |
X 00000 |
Die Kreispolizeibehörde W. wies den Antragsteller am 21. Oktober 2011 darauf hin (Bl. 40 BA), dass in der Regel eine getrennte Aufbewahrung von Schusswaffen und Munition zu erfolgen habe und bat um Nachweis der sicheren Aufbewahrung bis zum 22. November 2011. Daraufhin gab der Antragsteller eine Erklärung zur Aufbewahrung von Waffen und Munition nach § 36 WaffG ab (Bl. 45 BA), der zufolge er seine Langwaffen in einem Behältnis der Sicherheitsstufe A nach VDMA 24992, die Kurzwaffen in einem Behältnis der Sicherheitsstufe A nach VDMA 24992 mit Innenfach der Sicherheitsstufe B sowie die Munition getrennt von den Waffen in einem Behältnis der Sicherheitsstufe B aufbewahre. Auf die Aufforderung zur Übersendung entsprechender Nachweise reichte der Antragsteller bei der Kreispolizeibehörde W. Lichtbilder von seinem Waffenschrank ein, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 48 BA).
7Am 11. Oktober 2019 erteilte die Kreispolizeibehörde W. dem Antragsteller antragsgemäß einen Kleinen Waffenschein mit der Nr. 000000 (Bl. 59 BA).
8Die Kreispolizeibehörde W. wies den Antragsteller am 26. Januar 2022 auf das Inkrafttreten des Dritten Waffenrechtsänderungsgesetzes und die damit verbundenen Änderungen hin. Aus diesem Grund bat sie den Antragsteller ihr innerhalb der gesetzten Frist einen Nachweis über das Bedürfnis i.S.d. § 14 Abs. 2 WaffG sowie über die derzeitige Aufbewahrung seiner Schusswaffen einzureichen.
9Am 12. Februar 2022 (Bl. 62 BA) übersandte der Antragsteller u.a. Lichtbilder von seinem Aufbewahrungsbehältnis und dem darauf angebrachten Zertifizierungsetikett (Sicherheitsstufe A nach VDMA 24992).
10Der Antragsgegner gab dem Antragsteller mit Schreiben vom 14. Februar 2022 Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem beabsichtigten Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse aufgrund des fehlenden Bedürfnisses und wegen einer Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 b) WaffG. Zur Begründung führte er aus, dass die übersandten Bilder eines Schreibens über die Schießtermine im Jahr 2022 keinen hinreichenden Nachweis des Bedürfnisses für den Besitz von Schusswaffen darstellten. Die übersandten Lichtbilder vom Waffenschrank ließen erkennen, dass er seine Kurz- und Langwaffen in einem Aufbewahrungsverhältnis der Sicherheitsstufe A aufbewahre. Erfolge die Aufbewahrung von Schusswaffen nicht in der geforderten Art und Weise, entfalle gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) WaffG die waffenrechtliche Zuverlässigkeit. Eine Nachbesserung z.B. durch den Kauf eines neuen Waffenschranks sei nicht möglich.
11Daraufhin übersandte der Antragsteller u.a. ein Lichtbild über den Kaufnachweis eines neuen Waffenschranks.
12Mit Bescheid vom 2. Januar 2023, zugestellt am 6. Januar 2023, widerrief die Kreispolizeibehörde die dem Antragsteller erteilte Waffenbesitzkarten sowie den Kleinen Waffenschein (Ziffer 1), forderte ihn auf, seine Waffenbesitzkarten und den Kleinen Waffenschein innerhalb von einem Monat nach Zustellung des Bescheids in ihrer Dienststelle zurückzugeben (Ziffer 2) und ordnete an, dass der Antragsteller innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheids die in die Waffenbesitzkarten eingetragenen Schusswaffen sowie die in seinem Besitz befindliche Munition einem Berechtigten überlasse, dauerhaft unbrauchbar machen lasse bzw. sich mit der polizeilichen Vernichtung einverstanden erkläre und den Nachweis hierüber bei der Behörde vorlege (Ziffer 3). Hinsichtlich der Ziffern 2 und 3 ordnete sie die sofortige Vollziehung an (Ziffer 4) und setzte zudem eine Gebühr in Höhe von 355,00 Euro fest (Ziffer 5). Zur Begründung führte sie ergänzend aus, dass der Antragsteller die beiden Kurzwaffen lediglich in einem Sicherheitsbehältnis mit der Sicherheitsstufe A und nicht – wie vom Gesetzgeber gefordert – in einem Behältnis der Stufe B nach VDMA 24992 aufbewahrt habe. Bereits ein einmaliger Verstoß gegen die in § 36 WaffG normierten Aufbewahrungspflichten rechtfertige die Feststellung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit. Die Anschaffung eines neuen Waffenschranks ändere daher nichts an dieser Feststellung. Zur Begründung von Ziffer 4 führte die Kreispolizeibehörde aus, dass ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Anordnung gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG bestehe. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass nur durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung sichergestellt werden könne, dass die Gefahren, die von Waffen in den Händen von im Sinne des Waffengesetzes unzuverlässigen Personen ausgingen, wirksam ausgeschlossen werden könnten.
13Der Antragsteller hat am 3. Februar 2023 Klage erhoben (22 K 760/23), über die noch nicht entschieden wurde, und einen Eilantrag gestellt.
14Zur Begründung seines Eilantrags trägt er wie folgt vor: Der Antragsgegner habe bei seiner Entscheidung über den Erlaubniswiderruf unberücksichtigt gelassen, dass sein bisheriger/früherer Waffenschrank ein Innenfach der Sicherheitsstufe B gehabt habe, in welchem er die betroffenen Kurzwaffen aufbewahrt habe. Diesen Schrank habe er seit ca. Mitte der 1990er-Jahre etwa zeitgleich mit der Erteilung der waffenrechtlichen Erlaubnis quasi „von Anfang an“ zur Kurzwaffenaufbewahrung benutzt und dem Antragsgegner seinerzeit umgehend als Aufbewahrungsbehältnis angezeigt. Der Antragsgegner habe diesen Waffenschrank mit „B-Innenfach" seinerzeit als den gesetzlichen Anforderungen genügendes Aufbewahrungsverhältnis akzeptiert und diese Akzeptanz im Rahmen der seitdem turnusgemäß wiederholt erfolgten diesbezüglichen Überprüfungen stets wiederholend fortgesetzt sowie ihm diese Akzeptanz auch fortlaufend bestätigt. Die vorbeschriebene Aufbewahrungssituation im „B-Innenfach" habe den Anforderungen bis zur einschlägigen Gesetzesänderung genügt. Da somit sein früherer Waffenschrank mit „B-Innenfach" den gesetzlichen Anforderungen bis 2017 entsprochen habe, zudem die letzte Überprüfung durch den Antragsgegner ca. 2019 ohne Beanstandungen geblieben und der streitgegenständliche Aufbewahrungsverstoß erstmals mit dem Anhörungsschreiben vom 14. Februar 2022 gerügt worden sei, er aber hierauf einen neuen Waffenschrank sogar mit – für seine Kurzwaffenanzahl von lediglich zwei – überobligatorischem Widerstandsgrad I (anstatt 0) umgehend erworben habe, könne von einem unzuverlässigkeitsbegründen erheblichen Verstoß nicht die Rede sein. Vielmehr habe er durch den Neuerwerb ausnahmsweise zulässig „nachgebessert". Es habe eine situative Nachlässigkeit minderen Gewichts vorgelegen, die bei ihrem nur einmaligen Auftreten noch toleriert werden könne. Selbst wenn man die offensichtliche Rechtswidrigkeit anzweifele, wäre seinem Eilantrag schon deshalb stattzugeben, weil im Rahmen der dann vorzunehmenden Interessenabwägung sein Suspensivinteresse das Vollzugsinteresse überwiege. Denn ansonsten müsste er sein als erfahrener Vereins-Sportschütze mit Passion und Engagement ausgeübtes Hobby, im Rahmen dessen er viel freiwillige Reservistenarbeit insbesondere mit Schulschießen geleistet habe und auch weiterhin zu leisten beabsichtige, auf unabsehbare Zeit für die Dauer des Hauptsache faktisch aufgeben, so dass er völlig aus der Übung und ins sportliche Hintertreffen geriete. Demgegenüber seien angesichts der aufgezeigten „Nachbesserung" durch den Neuerwerb des sogar noch überobligatorisch „sicheren" neuen Waffenschranks (des Widerstandsgrad I) in Zukunft offensichtlich keine relevanten Verstöße zu befürchten. Im Gegenteil spreche das insgesamt von ihm gezeigte Verhalten für große Gewissenhaftigkeit im Umgang mit den gesetzlichen Aufbewahrungspflichten für Waffen und Munition, so dass er – wie bisher schon seit über einem Vierteljahrhundert – weiterhin in jeder Hinsicht waffenrechtlich zuverlässig sei und bleibe. Mit Schriftsätzen vom 28. Februar 2023 und 16. März 2023 trägt der Antragsteller weiter vor, dass dem Antragsgegner über viele Jahre hinweg die Aufbewahrungssituation bei ihm zuhause bekannt gewesen sei bzw. hätte bekannt sein müssen. Der Antragsgegner habe ihm (auf dessen Antrag vom 13. September 2019) sogar noch unter dem 11. Oktober 2019 ergänzend den Kleinen Waffenschein erteilt. Schon deshalb habe er darauf vertrauen dürfen, seine Waffen und Munition völlig ordnungsgemäß und insbesondere unter Inanspruchnahme der Besitzstandsregelung des § 36 Abs. 4 WaffG legal aufzubewahren. Es treffe auch nicht zu, dass das Etikett des Waffenschranks (zwingend) den Umstand, dass der – unstreitige – A-Waffenschrank ein Innenfach der Sicherheitsstufe B habe, kennzeichnen müsse. Es hätten mangels Zertifizierung gerade keine zwingenden Etikettierungsvorschriften bestanden, weshalb der Schluss, es handele sich mangels gesonderter Angabe/„Zusatzzertifizierung" somit um ein reines Munitionsfach, evident falsch sei. Bestritten werde insbesondere die Behauptung des Antragsgegners, die „Zertifizierung" mit Sicherheitsstufe A gelte „für den gesamten Schrank". Vor Inkrafttreten der Gesetzesneuregelung zum 6. Juli 2017 habe im Übrigen gar keine verlässliche, hinreichend bestimmbare Beurteilungsgrundlage für die Zuordnung zu der sogenannten „Sicherheitsstufe" A oder B bestanden. Die VDMA 24992 habe zu keinem Zeitpunkt normative Wertigkeit oder auch nur einen ausreichenden, dem Bestimmtheitserfordernis genügenden normativen Charakter gehabt. Vielmehr habe der Herstellerverband VDMA sein eigenes von Mai 1995 datierendes „Regelwerk" VDMA 24992 mangels ausreichender fachlicher Qualitätsgewährleistung und Belastbarkeit laut Presseinformation vom 30. Juni 2003 schon zum 31. Dezember 2003 „ersatzlos zurückgezogen". Es wäre evident verfassungswidrig, Schrankbesitzern, die keine (voll)aussagefähige bzw. (voll)valide Bescheinigung der sog. „Sicherheitsstufe" B vorzulegen vermögen, bzw. deren Schrank und/oder Innenfach von seinem Hersteller nicht mit der sog. „Sicherheitsstufe" B „ausgezeichnet" worden sei, nicht bloß den objektiven Bestandsschutz abzusprechen, sondern ihnen sogar subjektiv waffenrechtliche Unzuverlässigkeit vorzuwerfen. Denn hierin lägen verfassungswidrige Verstöße gegen Artikel 2 und 3 Grundgesetz. Insbesondere wäre ein Bestandsschutz lediglich für Schrank-/Innenfachbesitzer mit „Sicherheitsstufe" B offensichtlich gleichheitswidrig zulasten „anderer" Alt-Schrankbesitzer, da es an einem sachlichen Grund für diese Ungleichbehandlung mangels rechtfertigenden Sicherheitsschutz-Höherstandards ersichtlich fehle. Das Innenfach reiche gemessen an den für eine Zertifizierung nur vage definierten Mindestanforderungen schon angesichts der Schlossausführung und Tresor-Doppelwände für die Sicherheitsstufe B evident aus. Die Aufbewahrung der Kurzwaffen in dem (B-)lnnenfach seines bisherigen Waffenschranks sei daher zulässig gewesen. Die vom Antragsgegner mit seiner Argumentation ihm faktisch abverlangten Spezialkenntnisse im neuen waffenrechtlichen Aufbewahrungs-Übergangsrecht könne von einem durchschnittlichen Erlaubnisinhaber realistischerweise nicht abverlangt werden. Es gehe nicht an, dass der Antragsgegner mehr von ihm verlange als von sich selbst als Fachbehörde. Schließlich rügt der Antragsteller eine unzureichende Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung, die auch nicht wirksam nachgeholt worden sei.
15Der Antragsteller beantragt wörtlich,
16die aufschiebende Wirkung der vorstehenden Klage gegen die Widerrufsverfügung des Beklagten vom 2. Januar 2023 wird wiederhergestellt.
17Der Antragsgegner beantragt,
18den Antrag abzulehnen.
19Er verweist auf seinen Bescheid und trägt weiter wie folgt vor: Der Entscheidung stehe auch nicht die Darlegung des Antragstellers in seiner Antragsbegründung entgegen. Dem Klassifizierungsetikett sei zu entnehmen, dass der Stahlschrank nach Sicherheitsstufe A nach VDMA 24992 zertifiziert sei. Diese Zertifizierung gelte für den gesamten Schrank. Zwar verfüge der Schrank über ein Innenfach, jedoch erfülle dieses nicht die Zertifizierung nach Sicherheitsstufe B nach VDMA 24992. Eine solche Zusatzzertifizierung wäre dem Etikett mit der Ergänzung „Innenfach nach Sicherheitsstufe B nach VDMA 24992" (oder vergleichbar) zu entnehmen gewesen. Somit handele es sich um ein reines Munitionsfach in dem Waffenschrank. Die Vorgaben zur Aufbewahrung seien im Waffengesetz und seinen Verordnungen stets konkret beschrieben. Es hätte dem Antragsteller somit bewusst sein müssen, dass sein Aufbewahrungsbehältnis nicht ausreichend sei. Vielmehr habe der Antragsteller diesen Zustand über viele Jahre hingenommen und es habe bis zur Anhörung keine Absicht bestanden, den Zustand der nicht ordnungsgemäßen Aufbewahrung zu beheben. Ein Erlaubnisinhaber oder Antragsteller müsse sich kontinuierlich mit den geltenden waffenrechtlichen Vorgaben auseinandersetzen und diese befolgen. Sollten sich auf Seiten des Erlaubnisinhabers bzw. hier des Antragstellers Unklarheiten ergeben, so hätte dieser jederzeit Kontakt zur Behörde aufnehmen können bzw. im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht sogar aufnehmen müssen. Warum der Missstand erst Anfang 2022 aufgefallen sei, könne nicht mehr nachvollzogen werden, da die damaligen Mitarbeiter die Behörde zwischenzeitlich verlassen hätten. Für einen Kleinen Waffenschein sei gemäß Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 3 Nr. 2.1 zum WaffG, Nr. 10.15.4 WaffVwV kein Nachweis über die sichere Aufbewahrung für die Erteilung der Erlaubnis erforderlich.
20Mit Schriftsatz vom 7. März 2023 hat der Antragsgegner Ziffer 4 des angegriffenen Bescheids hinsichtlich der Anordnung der sofortigen Vollziehung von Ziffer 2 ergänzend begründet. Auf den Inhalt wird Bezug genommen.
21Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den der dazu beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners und die beigezogenen Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Krefeld Bezug genommen.
22II.
23Der Antrag ist gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller begehrt, dass die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid der Kreispolizeibehörde W. in Gestalt der Begründung in der Erwiderung vom 7. März 2023 hinsichtlich der Ziffer 1 des Bescheids angeordnet und hinsichtlich der Ziffern 2 und 3 des Bescheids wiederhergestellt wird. Er ist einschränkend dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller nicht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die in Ziffer 5 des Bescheids erfolgte Festsetzung der Verwaltungsgebühr in Höhe von 305,00 Euro begehrt. Die Antragsschrift enthält keine Ausführungen zur Verwaltungsgebühr und ein Eilantrag wäre insoweit unzulässig, da kein Verfahren nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO durchgeführt wurde.
24Der so verstandene Antrag ist zulässig (dazu unter 1.), aber unbegründet (dazu unter 2.).
251. Der Antrag ist zulässig, insbesondere statthaft. Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Vorliegend hat die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage (22 K 760/23),
26zu der (umstrittenen) Frage, ob der Eilantrag unabhängig von der Klageerhebung gestellt werden kann vgl. Schoch, in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand: 42. EL Februar 2022, § 80 Rn. 460 f. m. w. N.,
27– entgegen des Grundsatzes in § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO – keine aufschiebende Wirkung. Der Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids ist gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 45 Abs. 5 WaffG kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Bezüglich der Regelung in Ziffern 2 und 3 des Bescheids entfällt die aufschiebende Wirkung der Klage aufgrund der behördlichen Anordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO.
282. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
29Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 4 wiederherstellen oder bei nur formalen Verstößen der Vollzugsanordnung die Anordnung des Sofortvollzuges aufheben. Die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO hängt von einer Abwägung der widerstreitenden Interessen an der Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Maßnahme einerseits und dem Sofortvollzug andererseits ab. Bei der Abwägung sind zunächst die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Ergibt die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotene summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, überwiegt das private Aufschubinteresse des Antragstellers. Denn an der Vollziehung einer rechtswidrigen hoheitlichen Maßnahme kann kein schutzwürdiges Interesse bestehen. Ist hingegen der angegriffene Bescheid offensichtlich rechtmäßig, überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse am Bestand des Sofortvollzugs. Insbesondere, wenn dieser auf einer gesetzgeberischen Vorentscheidung beruht. Erweist sich der Ausgang des Hauptsacheverfahrens als offen, hat eine Abwägung der wechselseitigen Interessen zu erfolgen.
30Nach diesen Maßstäben hat der Antrag keinen Erfolg.
31a. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids ist nicht anzuordnen. Das gesetzlich angeordnete öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers, da sich der angegriffene Verwaltungsakt nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig erweist (dazu unter aa.) und auch sonstige private Aussetzungsinteressen (dazu unter bb.) nicht überwiegen.
32aa. Der Widerruf der dem Antragsteller erteilten waffenrechtlichen Erlaubnisse in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids begegnet nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage keinen rechtlichen Bedenken.
33Er findet seine Rechtgrundlage in § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG.
34Formelle Mängel sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist der Antragsteller nach § 28 Abs. 1 VwVfG NRW angehört worden.
35Der Widerruf ist bei summarischer Prüfung auch materiell offensichtlich rechtmäßig. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG sind erfüllt. Nach dieser Vorschrift ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine waffenrechtliche Erlaubnis setzt gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG voraus, dass der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit (§ 5 WaffG) und die persönliche Eignung (§ 6 WaffG) besitzt.
36(1) Es spricht nach Aktenlage alles dafür, dass im Fall des Antragstellers nachträglich Tatsachen eingetreten sind, die zur Folge haben, dass er die erforderliche Zuverlässigkeit nicht (mehr) besitzt. Im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids,
37vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2007 ‑ 6 C 24.06 ‑, juris, Rn. 35,
38lagen Tatsachen vor, die dafür sprechen, dass der Antragsteller gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) WaffG unzuverlässig ist.
39Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) WaffG besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden.
40§ 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG verlangt eine Prognose. Die zur Feststellung der (absoluten) Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) WaffG erforderliche Prognose ist anhand einer umfassenden Einbeziehung und Bewertung aller Tatsachen vorzunehmen, die für die zu treffende zukunftsbezogene Beurteilung bedeutsam sein können. Sie hat sich am Zweck des Gesetzes zu orientieren. Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen.
41Vgl. BVerwG Beschluss vom 12. Oktober 1998 - 1 B 245.97 -, juris, Rn. 5, sowie Urteile vom 28. Januar 2015 - 6 C 1.14 -, juris, Rn. 10, 17 und vom 22. Oktober 2014 - 6 C 30.13 -, juris, Rn. 19; OVG NRW, Beschlüsse vom 5. Juni 2020 - 20 B 1740/19 -, juris, Rn. 9, und vom 15. September 2017 - 20 B 339/17 -, juris, Rn. 11 m. w. N.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 3. August 2011 - 1 S 1391/11 -, juris, Rn. 4.
42Der Mangel der Zuverlässigkeit setzt nicht den Nachweis voraus, dass der Betroffene mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit Waffen und Munition nicht sorgsam (verantwortungsbewusst) umgehen wird. Vielmehr genügt, dass bei verständiger Würdigung aller Umstände eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen nicht ordnungsgemäßen Umgang mit Waffen besteht.
43Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2015 - 6 C 1.14 -, juris, Rn. 17; OVG NRW, Urteil vom 28. Februar 2013 - 20 A 2430/11 -, juris, Rn. 50, sowie Beschlüsse vom 5. Juni 2020 - 20 B 1740/19 -, juris, Rn. 11, und vom 15. September 2017 - 20 B 339/17 -, juris, Rn. 13.
44Wird im Rahmen der anzustellenden Prognose von einem gezeigten Verhalten als Tatsache auf das in Zukunft zu erwartende Verhalten des Betroffenen geschlossen, muss im Bereich des Waffenrechts kein Restrisiko hingenommen werden.
45Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 5. Juni 2020 - 20 B 1740/19 -, juris, Rn. 13, und vom 15. September 2017 - 20 B 339/17 -, juris, Rn. 15; Bay. VGH, Beschlüsse vom 28. April 2009 - 21 ZB 09.94 -, juris, Rn. 7, und vom 20. Mai 2015 - 21 ZB 14.2236 -, juris Rn. 11; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 3. August 2011 - 1 S 1391/11 -, juris, Rn. 4.
46Die Annahme einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) WaffG ist auch nicht erst bei einer beharrlichen Verletzung der Aufbewahrungsvorschriften anzunehmen. Mit dem aufgezeigten, vom Gesetzgeber gewollten und das Waffengesetz prägenden Grundsatz, Waffenbesitz nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit der Waffe jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen,
47vgl. Begründung zu § 5 Abs. 2 WaffG im Gesetzentwurf der Bundesregierung - Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Waffenrechts -, BT-Drucks. 14/7758, S. 54,
48kann auch ein einmaliger, nicht völlig unerheblicher Verstoß gegen Aufbewahrungsvorschriften ausreichen, um darauf die Prognose zu stützen, es werde auch zukünftig zu entsprechenden Verstößen kommen.
49Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. Juni 2020 - 20 B 1740/19 -, juris Rn. 15 ff., m.w.N.; Schl.-H. OVG, Beschluss vom 6. Juli 2015 - 4 MB 16/15 -, juris, Rn. 6; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 3. August 2011 - 1 S 1391/11 -, juris Rn. 4; Nds. OVG, Beschluss vom 16. August 2007 - 11 LA 272/07 -, juris Rn. 5.
50Anderes kann allenfalls dann anzunehmen sein, wenn das betreffende Verhalten als situative Nachlässigkeit minderen Gewichts einzustufen ist und bei nur einmaligem Auftreten noch toleriert werden kann.
51Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2014 - 6 B 36.13 - , juris Rn. 19; OVG NRW, Beschluss vom 5. Juni 2020 - 20 B 1740/19 -, juris Rn. 19; Hamb. OVG, Beschluss vom 7. August 2015 - 5 Bs 135/15 -, juris Rn. 16; Bay. VGH, Beschluss vom 20. Mai 2015 - 21 ZB 14.2236 -, juris Rn. 15.
52Unter Beachtung dieser Grundsätze liegen nach derzeitigem Sach- und Streitstand Tatsachen vor, die dafür sprechen, dass der Antragsteller gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b WaffG unzuverlässig ist.
53(a) Es spricht ganz Überwiegendes dafür, dass der Antragsteller gegen Aufbewahrungsvorschriften verstoßen hat, indem er seine Kurzwaffen nicht ordnungsgemäß aufbewahrt hat.
54Hinsichtlich der Frage, welche Anforderungen an die Aufbewahrung von Waffen und Munition zu stellen sind, ist auf den Zeitpunkt des vorgeworfenen Aufbewahrungsverstoßes abzustellen,
55vgl. VG des Saarlandes, Urteil vom 22. Oktober 2019 - 1 K 859/18 -, juris, Rn. 51 m.w.N.,
56hier also auf den 14. Februar 2022.
57Die Sorgfaltsanforderungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) WaffG ergeben sich aus dem Waffengesetz. Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 WaffG hat jemand, der Waffen oder Munition besitzt, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, dass diese Gegenstände abhandenkommen oder Dritte sie unbefugt an sich nehmen. Grundsätzlich regelt die auf Grundlage des § 36 Abs. 5 WaffG vom Bundesministerium des Innern erlassene Allgemeine Waffengesetz-Verordnung (AWaffV) in § 13 die Anforderungen an die Aufbewahrung von Waffen oder Munition. Nach § 13 Abs. 1 - 3 AWaffV müssen erlaubnispflichtige Schusswaffen und Munition in einem klassifizierten Sicherheitsbehältnis der Norm DIN/EN 1143-1 mit dem Widerstandsgrad 0 bzw. I aufbewahrt werden. Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 WaffG gilt darüber hinaus eine Besitzstandsregelung für die Weiternutzung vorhandener Sicherheitsbehältnisse. Nach dieser Vorschrift gelten die mit dem 6. Änderungsgesetz zum 6. Juli 2017 neu eingeführten strengeren Vorgaben zur Aufbewahrung nach § 36 Abs. 5 WaffG n.F. i.V.m. § 13 Abs. 1 - 3 AWaffV n.F. nicht bei einer Aufrechterhaltung der Nutzung von Sicherheitsbehältnissen, welche der alten Rechtslage (§ 36 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 WaffG a.F.) entsprechen. Die besitzstandswahrende Aufrechterhaltung der Nutzung von Sicherheitsbehältnissen in diesem Sinne setzt voraus, dass diese Sicherheitsbehältnisse vor dem Stichtag (6. Juli 2017) nicht nur angeschafft waren, sondern als Verwahrgelasse für Waffen tatsächlich genutzt worden sind und diese Nutzung bruchlos fortgesetzt wird.
58Vgl. zu Letzterem: Papsthart in Steindorf, Waffenrecht, 11. Aufl. 2022, WaffG § 36 Rn. 21.
59Die bis dahin geltende Rechtslage bestimmte nach § 36 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 WaffG a.F., dass erlaubnispflichtige Schusswaffen mindestens in einem der Norm DIN/EN 1143-1 Widerstandsgrad 0 (Stand Mai 1997) entsprechenden oder gleichwertigen Behältnis aufbewahrt werden müssen; als gleichwertig galt insbesondere ein Behältnis der Sicherheitsstufe B nach VDMA 2) 3) 24992 (Stand Mai 1995). Für bis zu zehn Langwaffen galt die sichere Aufbewahrung auch in einem Behältnis als gewährleistet, das der Sicherheitsstufe A nach VDMA 24992 (Stand Mai 1995) oder einer Norm mit gleichem Schutzniveau eines anderen EWR-Mitgliedstaates entspricht. Diese Privilegierung galt aber nicht für erlaubnispflichtige Kurzwaffen; diese mussten daher nach § 36 Abs. 2 WaffG a.F. mindestens in einem Behältnis der Sicherheitsstufe B nach VDMA 24992 aufbewahrt werden.
60Diesen Anforderungen ist der Antragsteller nach derzeitiger Erkenntnislage nicht gerecht geworden.
61Unstreitig war der Antragsteller im – wie ausgeführt – maßgeblichen Zeitpunkt des vorgeworfenen Aufbewahrungsverstoßes nicht in Besitz eines klassifizierten Sicherheitsbehältnisses der Norm DIN/EN 1143-1 mit dem Widerstandsgrad 0 bzw. I, sondern eines Waffenschranks der Firma Format Tresorbau mit der Sicherheitsstufe A nach VDMA 24992. Dass dieser Schrank über ein Innenfach der Sicherheitsstufe B entsprechend VDMA 24992 (Stand Mai 1995) bzw. mit Widerstandsgrad 0 entsprechend der Norm DIN/EN 1143-1 (Stand Mai 1997) verfügt, in dem er seine Kurzwaffen aufbewahrt hat, hat der Antragsteller weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren hinreichend substantiiert vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht. Vielmehr beschränkt er sich im Wesentlichen darauf, zu bestreiten, dass die Zertifizierung mit Sicherheitsstufe A für den gesamten Schrank gelte sowie geltend zu machen, dass vor dem Inkrafttreten der Gesetzesneuregelung zum 6. Juli 2017 keine hinreichend bestimmbare Beurteilungsgrundlage für die Zuordnung zu der Sicherheitsstufe A oder B bestanden habe. Insoweit übersieht der Antragsteller aber, dass § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AWaffV verlangt, dass das Behältnis, in dem erlaubnispflichtige Schusswaffen aufbewahrt werden, zum Nachweis der ordnungsgemäßen Aufbewahrung über eine Zertifizierung durch eine akkreditierte Stelle gemäß Absatz 10 verfügt. In Absatz 10 wird in Unterabsatz 1 Satz 1 ausgeführt, dass die Konformitätsbewertung von Sicherheitsbehältnissen und Sicherheitseinrichtungen nach den Absätzen 1 und 2 durch eine akkreditierte Stelle erfolgt und in Satz 2 sowie Unterabsatz 2 sind die akkreditierten Stellen näher bezeichnet. Hiernach verlangt die auf der Verordnungsermächtigung des Waffengesetz in § 36 Abs. 5 WaffG beruhende AWaffV gerade auch eine Zertifizierung von Behältnissen zur Aufbewahrung von erlaubnispflichtigen Waffen.
62Vgl. OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 16. November 2020 - OVG 11 S 93/20 -, juris, Rn. 16 m. w. N.
63Soweit der Antragsteller sich darauf beruft, dass es verfassungswidrig wäre, „Schrankbesitzern, die keine (voll)aussagefähige bzw. (voll)valide Bescheinigung der sog. „Sicherheitsstufe“ B vorzulegen vermögen, bzw. deren Schrank und/oder Innenfach von seinem Hersteller nicht mit der sog. „Sicherheitsstufe" B „ausgezeichnet" wurde, nicht bloß den objektiven Bestandsschutz abzusprechen, sondern ihnen sogar subjektiv waffenrechtliche Unzuverlässigkeit vorzuwerfen“, übersieht er, dass grundsätzlich nicht darauf vertraut werden kann, dass die Rechtslage unverändert bleibt.
64Zum Grundsatz des Vertrauensschutzes vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 -, juris, Rn. 190.
65Vielmehr wird von einem Waffenbesitzer erwartet, dass er sich fortlaufend Gewissheit über die besonderen Sorgfaltsanforderungen des Waffengesetzes verschafft und sicherstellt, dass die von ihm praktizierte Aufbewahrung von (Schuss-)Waffen damit im Einklang steht.
66Auch liegt keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung zum Nachteil von Waffenbesitzern vor, die ihre Waffen in einem nicht zertifizierten Waffenschrank aufbewahren. Adressat der Nachweispflicht des § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AWaffV sind alle Inhaber einer waffenrechtlichen Erlaubnis. Inhabern von nicht zertifizierten Waffenschränken steht es offen, ihren Waffenschrank nachzertifizieren zu lassen oder durch einen zertifizierten Waffenschrank zu ersetzen, um den gesetzlichen Anforderungen an den Nachweis einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung zu genügen.
67Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AWaffV lediglich die Art und Weise des Nachweises einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung regelt. Es oblag dem Antragsteller auch schon vor Erlass dieser Regelung – beispielsweise durch Vorlage eines Gutachtens – eine ordnungsgemäße Aufbewahrung nachzuweisen. Denn der Nachweis der sicheren Aufbewahrung ist eine Bringschuld des Waffenbesitzers,
68vgl. Nr. 36.7 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Waffengesetz (WaffVwV) vom 5. März 2012; Nds. OVG, Beschluss vom 26. Juni 2019 - 11 ME 193/19 -, juris, Rn. 10; Hess. VGH, Beschluss vom 30. April 2021 - 4 B 845/21 -, juris Rn. 18; VG Sigmaringen, Urteil vom 24. Januar 2019 - 10 K 335/18 -, juris Rn. 59; Papsthart, in: Steindorf, Waffenrecht, 11. Auflage 2022, § 36 WaffG, Rn. 16,
69worauf der Antragsgegner den Antragsteller bereits am 21. Oktober 2011 hingewiesen hatte (Bl. 40 BA). Allein die – durch nichts weiter substantiierte – Behauptung des Antragstellers, das Innenfach seines Waffenschranks reiche angesichts der Schlossausführung und Tresor-Doppelwände für die Sicherheitsstufe B evident aus, genügt vor diesem Hintergrund selbst bei Außerachtlassung des § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AWaffV nicht zum Nachweis einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung.
70Schließlich liegt eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung auch deshalb nicht vor, weil die zuständige Behörde gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 AWaffV eine andere gleichwertige Aufbewahrung der Waffen und Munition zulassen kann. Dass es sich bei dem Waffenschrank des Antragstellers um eine gleichwertige Aufbewahrung i.S.d. § 13 Abs. 1 Satz 3 AWaffV (bzw. § 13 Abs. 5 Satz 1 AWaffV) handeln könnte, hat der Antragsteller weder substantiiert vorgetragen noch bestanden sonst Anhaltspunkte hierfür. Auch insoweit liegt die Beibringungslast für die Gleichwertigkeit beim Waffenbesitzer.
71Vgl. VG München, Beschluss vom 10. Juni 2022 - M 7 S 22.746 -, juris, Rn. 30.
72Ferner bietet der Einwand des Antragstellers, der Antragsgegner habe einen Verstoß gegen § 36 Abs. 1 WaffG zu keinem Zeitpunkt gerügt, keinen Anlass zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung. Der Antragsteller dringt mit diesem Vortrag auch dann nicht durch, wenn er sich damit sinngemäß auf Verwirkung durch Untätigkeit berufen sollte.
73Die Kammer ist der Ansicht, dass eine Verwirkung polizei- und ordnungsrechtlicher Eingriffsbefugnisse auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr, die – wie hier – nicht im Ermessen der Behörde stehen, schon nicht in Betracht kommt.
74Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 13. April 2021 - 24 B 20.2220 -, juris Rn. 17 m.w.N. und Urteil vom 20. September 2007 - 21 BV 07.2029 -, juris, Rn. 20; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18. Dezember 2012 - 10 S 744/12 -, juris, Rn. 55 m.w.N.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 8. Dezember 2022 - 22 L 1635/22 -, S. 13 Beschlussabdruck, n. V.; VG Mainz, Urteil vom 6. Mai 2021 - 1 K 496/20.MZ -, juris, Rn. 68; offen lassend: OVG NRW, Beschluss vom 22. September 2005 - 20 A 3321/04 -, juris, Rn. 11; Nds. OVG, Beschluss vom 16. Mai 2011 - 11 LA 365/10 -, juris, Rn. 11 m.w.N.
75Im Rahmen zwingenden Rechts, das – wie hier – der öffentlichen Sicherheit dient, kann ein solches Rechtsinstitut der Verwirkung, das ein Ausfluss des Grundsatzes von Treu und Glauben ist, einem behördlichen Eingreifen nicht entgegenstehen. Vielmehr muss im Ordnungsrecht der unbedingte Vorrang des Prinzips der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gelten.
76Im Übrigen käme eine Verwirkung, soweit sie im Rahmen zwingenden Rechts, das – wie hier – der öffentlichen Sicherheit dient, überhaupt in Betracht zu ziehen ist, jedenfalls nur unter strengen Voraussetzungen in Betracht,
77vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. September 2005 - 20 A 3321/04 -, juris, Rn. 11 ff.,
78die vorliegend nicht erfüllt sind.
79Die Verwirkung eines Rechts setzt außer der Untätigkeit des Berechtigten während eines längeren Zeitraums voraus, dass besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen würde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde.
80Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. September 2018 - 4 B 34.18 -, juris, Rn. 15; sowie zur Frage der Verwirkung nachbarlicher Abwehrrechte OVG NRW, Urteil vom 4. Dezember 2020 - 2 A 560/17 -, juris, Rn. 62; Bay. VGH, Beschluss vom 15. März 2019 - 11 CS 19.199 -, juris Rn. 13; VG Düsseldorf, Beschluss vom 8. Dezember 2022 - 22 L 1635/22 -, S. 13 f. Beschlussabdruck, n. V.
81Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Antragsgegner hat zu keiner Zeit einen Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen, dass er einen Aufbewahrungsverstoß des Antragstellers im Rahmen einer Prüfung eines Widerrufs der ihm erteilten waffenrechtlichen Erlaubnisse nicht berücksichtigen werde. Ein solcher Vertrauenstatbestand ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass der Landrat als Kreispolizeibehörde W. es – schlicht – unterlassen hat, zu einem früheren Zeitpunkt, insbesondere bei der im Jahr 2011 erfolgten Überprüfung, die waffenrechtlichen Erlaubnisse des Antragstellers zu widerrufen. Dies gilt erst Recht vor dem Hintergrund, dass der Antragsteller in seiner Erklärung zur Aufbewahrung von Waffen und Munition nach § 36 WaffG angegeben hatte, dass er seine Kurzwaffen in einem Behältnis der Sicherheitsstufe A mit Innenfach der Sicherheitsstufe B aufbewahre. Genauso wenig begründet die im Oktober 2019 erfolgte Erteilung eines Kleinen Waffenschein, für den es mit Blick auf den erlaubnisfreien Erwerb und Besitz von Schreckschuss-. Reizstoff- und Signalwaffen (vgl. Abschnitt 2 Unterabschnitt 3 Nr. 2 und 2.1 der Anlage 2 zum WaffG) ohnehin keines Nachweises einer sicheren Aufbewahrung bedurfte, einen solchen Vertrauensstatbestand.
82(b) Der vorstehend aufgeführte Verstoß gegen die Aufbewahrungsvorschrift des § 36 Abs. 1 WaffG rechtfertigt bei summarischer Prüfung die Prognose, dass der Antragsteller auch in Zukunft die Gewähr einer sach- und ordnungsgemäßen Aufbewahrung – nämlich entsprechend den gesetzlichen Vorschriften – nicht erbringen wird.
83Der vom Antragsteller begangene – langjährige – Verstoß gegen die in § 36 Abs. 2 WaffG a.F. normierten Anforderungen an die Aufbewahrung von Schusswaffen und Munition betreffen grundlegende Pflichten eines Waffenbesitzers, deren Beachtung zur Gewährleistung der Sicherheit der Bevölkerung vor den von Waffen und Munition ausgehenden Gefahren unerlässlich ist. Die sichere Aufbewahrung von Waffen und Munition zählt zu den herausragenden Pflichten jedes Waffen- und Munitionsbesitzers.
84Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. Juni 2020 - 20 B 1740/19 -, juris Rn. 15 f. unter Verweis auf Antwort der Bundesregierung - Haltung der Bundesregierung zur Kritiken an der vorgelegen Waffenrechtsnovelle -, BT-Drucks. 14/8340, S. 6.
85Von einem Waffenbesitzer wird erwartet, dass er sich jederzeit an die besonderen Sorgfaltsanforderungen des Waffengesetzes hält. Damit er diese Verpflichtung erfüllen kann, hat er sich – wie bereits ausgeführt – fortlaufend Gewissheit über diese Anforderungen zu verschaffen und sicherzustellen, dass die von ihm praktizierte Aufbewahrung von (Schuss-)Waffen damit im Einklang steht. Das hat der Antragsteller offensichtlich unterlassen, indem er über viele Jahre hinweg seine beiden Kurzwaffe nicht anforderungsgerecht aufbewahrt hat. Insoweit kann auch nicht von einem lediglich situativen Fehlverhalten, das toleriert werden könnte, ausgegangen werden. Das vorstehende Verhalten des Antragstellers lässt nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand jedenfalls eine zu sorglose und nachlässige Einstellung in Bezug auf die Beachtung grundlegender gesetzlicher Anforderungen an die Aufbewahrung von (Schuss-)Waffen erkennen.
86Anlass zu einer abweichenden Beurteilung bietet nach alldem auch nicht, dass der Antragsteller unmittelbar nach der Anhörung zum Widerruf seiner waffenrechtlichen Erlaubnisse – und damit erst nach der behördlichen Feststellung einer nicht ordnungsgemäße Aufbewahrung – einen neuen Waffenschrank gekauft hat, der den gesetzlichen Anforderungen genügt. Soweit er sich auf Unkenntnis aufgrund einer „undurchsichtig-komplexen Sach- und Rechtslage“ beruft, hätte der Antragsteller zumindest die Anfrage der Kreispolizeibehörde W. vom 21. Oktober 2011 zum Anlass nehmen müssen, sich – beispielsweise durch Nachfrage bei der Behörde – Kenntnis darüber zu verschaffen, ob er die geltenden Aufbewahrungsanforderungen erfüllt, anstatt trotz der im gerichtlichen Verfahren (Bl. 32 GA) eingeräumten fehlenden „Spezialkenntnisse im neuen waffenrechtlichen Aufbewahrungs-Übergangsrecht“ – nach der vorstehend dargestellten Aktenlage unzutreffend – anzukreuzen, dass er seine Kurzwaffen in einem Behältnis der Sicherheitsstufe A mit Innenfach der Sicherheitsstufe B aufbewahrt.
87(2) Geht man nach dem Vorstehenden davon aus, dass der Antragsteller gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b WaffG unzuverlässig ist, ist der Erlaubniswiderruf zudem auch verhältnismäßig. Fehlt dem Besitzer von Waffen und/oder Munition mit Blick auf einen Verstoß gegen grundlegende Anforderungen an die Aufbewahrung solcher Gegenstände die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b WaffG, ist insbesondere eine Aufforderung an ihn, Waffen und Munition künftig sorgfältig zu verwahren, kein geeignetes Mittel, den Gefahren, die mit dem Waffen- und/oder Munitionsbesitz einer unzuverlässigen Person verbunden sind, zu begegnen.
88Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. Juni 2020 - 20 B 1740/19 -, BA S. 14, n.v.
89Auf die Frage, ob und in welchem Umfang durch den Verstoß im Einzelfall eine konkrete Gefährdung der Allgemeinheit eingetreten ist, kommt es nicht an. Der Schutz der Allgemeinheit vor von Waffen und Munition ausgehenden Gefahren soll gerade durch die geltenden Aufbewahrungsvorschriften erreicht werden.
90Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 6. Juli 2022 - 24 ZB 22.319 -, juris, Rn. 19.
91bb. Auf dieser Grundlage führt auch die Interessenabwägung im Übrigen zu keinem anderen Ergebnis.
92Im Fall des Widerrufs einer waffenrechtlichen Erlaubnis wegen nachträglich eingetretener Unzuverlässigkeit ist in § 45 Abs. 5 WaffG geregelt, dass Widerspruch und Anfechtungsklage gegen den Widerruf wegen Unzuverlässigkeit keine aufschiebende Wirkung haben. Damit hat der Gesetzgeber verdeutlicht, dass er dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der Aufhebung waffenrechtlicher Erlaubnisse in Fällen der etwaigen Unzuverlässigkeit den Vorrang vor dem Aussetzungsinteresse einräumt, weil dem öffentlichen Sicherheitsinteresse wegen der besonderen Gefährlichkeit von Schusswaffen grundsätzlich überragendes Gewicht zukommt. In Anbetracht der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, darf ein Restrisiko nicht hingenommen werden.
93Auch im Falle des Antragstellers überwiegt dieses Sicherheitsinteresse. Der Antragsteller beruft sich zwar darauf, dass er bis zur endgültigen Klärung in der Hauptsache sein Hobby faktisch aufgeben müsste, in dessen Rahmen er freiwillige Reservistenarbeit leiste. Hierin liegt im Verhältnis zu den Gefahren für überragende Schutzgüter, wie das Leben und die körperliche Unversehrtheit, die entstehen könnten, wenn er als unzuverlässiger Waffenbesitzer weiter Waffen besitzen darf, aber kein besonders schwerer Nachteil, der gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug der offensichtlich rechtmäßigen Ordnungsverfügung überwiegt.
94So selbst bei – hier schon nicht vorliegenden – offenen Erfolgsaussichten der Klage eines Sportschützen gegen den Widerruf seiner waffenrechtlichen Erlaubnisse Sächs. OVG, Beschluss vom 4. Juli 2022 - 6 B 61/22 -, juris.
95b. Der Antrag ist auch bzgl. der in Ziffer 2 verfügten Aufforderung zur Rückgabe der streitgegenständlichen Waffenbesitzkarten sowie der in Ziffer 3 verfügten Anordnung, die eingetragenen Schusswaffen sowie die beiden nicht eingetragenen Schusswaffen einem Berechtigten zu überlassen oder dauerhaft unbrauchbar machen zu lassen bzw. sich mit einer polizeilichen Vernichtung einverstanden zu geben, unbegründet. Die insoweit unter Ziffer 4 getroffene Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit ist nicht zu beanstanden und das öffentliche Vollzugsinteresse im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO überwiegt auch insoweit, denn die Regelungen sind offensichtlich rechtmäßig.
96aa. Die formellen Voraussetzungen für den Erlass einer Sofortvollzugsanordnung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO sind erfüllt. Insbesondere ist dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO Genüge getan.
97Zweck dieses Begründungserfordernisses ist es, die Behörde zu einer sorgfältigen Prüfung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes im Bewusstsein des Ausnahmecharakters der den Wegfall der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs nach § 80 Abs. 1 VwGO bewirkenden Vollziehungsanordnung anzuhalten, dem Betroffenen die Kenntnis der für die Vollziehungsanordnung maßgeblichen Gründe zu vermitteln und ihm so die Rechtsverteidigung zu ermöglichen und die Grundlage für eine ordnungsgemäße gerichtliche Kontrolle dahin zu bieten, ob das die Vollziehungsanordnung rechtfertigende besondere Interesse auch vorliegt. Aus der Begründung muss mithin nachvollziehbar hervorgehen, dass und aus welchen besonderen Gründen die Behörde im konkreten Fall dem besonderen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Betroffenen einräumt. Demgemäß genügen pauschale, nichtssagende formelhafte Wendungen dem Begründungserfordernis regelmäßig nicht. Allerdings kann sich die Behörde auf die den Verwaltungsakt selbst tragenden Erwägungen stützen und darauf Bezug nehmen, wenn - wie es im Waffenrecht unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr der Fall sein kann - die den Erlass des Verwaltungsaktes rechtfertigenden Gründe zugleich die Dringlichkeit der Vollziehung ergeben.
98Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. Juni 2017 ‑ 20 B 752/16 ‑, juris, Rn. 6 m. w. N.; Nds. OVG, Beschluss vom 19. März 2002 - 11 MB 102/02 -, juris Rn. 18.
99§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO verpflichtet die Behörde außerdem nicht, eine Begründung zu geben, die ausschließlich auf den konkreten Einzelfall zutrifft oder eine gerade im Einzelfall bestehende konkrete Gefahr darlegt. Gerade dann, wenn immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sich die Behörde zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung vielmehr darauf beschränken, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass diese Interessenlage nach ihrer Auffassung auch im konkreten Fall vorliegt. Das kommt insbesondere im Bereich des Sicherheitsrechts in Betracht.
100Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. Juni 2017 ‑ 20 B 752/16 ‑, juris, Rn. 8 m. w. N.
101Nach diesen Maßgaben genügt die vom Antragsgegner gegebene Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung hinsichtlich der Ziffern 2 und 3 im streitgegenständlichen Bescheid – jedenfalls nunmehr – den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO.
102Die Erwägungen des Antragsgegners auf Seite 8 des streitgegenständlichen Bescheids lassen erkennen, dass er in Bezug auf die Anordnung in Ziffer 3 den Ausnahmecharakter der Anordnung erkannt hat und informieren die Antragstellerseite ausreichend.
103Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer 2 ist zwar in dem streitgegenständlichen Bescheid nicht begründet worden. Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist sie aber nach der vom Antragsgegner im gerichtlichen Verfahren hierzu gegebenen ergänzenden Begründung vom 7. März 2023 nicht (mehr) zu beanstanden.
104Die nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO erforderliche schriftliche Begründung des besonderen Vollzugsinteresses kann in entsprechender Anwendung des § 45 Abs. 2 VwVfG auch noch im gerichtlichen Verfahren durch die Behörde mit heilender Wirkung für die Vollziehungsanordnung nachgeholt werden. Dafür sprechen insbesondere prozessökonomische Überlegungen, wie sie auch der durch das Genehmigungsverfahrensbeschleunigungsgesetz geänderten Vorschrift des § 45 Abs. 2 VwVfG zugrunde liegen. Vermieden werden soll eine doppelte Inanspruchnahme der Verwaltungsgerichte in derselben Angelegenheit, mit der immer dann zu rechnen ist, wenn ein Verwaltungsakt lediglich wegen Verstoßes gegen eine Form- oder Verfahrensvorschrift aufgehoben wird. Das Gericht hält es deshalb nicht für gerechtfertigt, der Behörde eine erst im gerichtlichen Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erfolgende Nachholung der zunächst fehlenden Begründung zu verwehren. Da das Gericht die Sofortvollzugsanordnung bei einem Verstoß gegen § 80 Abs. 3 VwGO aufzuheben hätte, die Behörde gleichwohl nicht gehindert wäre, eine erneute – nunmehr ausreichend begründete – Anordnung zu erlassen, kann durch eine Nachholung der nach § 80 Abs. 3 VwGO erforderlichen Begründung die Führung etwaiger weiterer Prozesse vermieden werden.
105Vgl. zu dieser Möglichkeit des Nachholens der Begründung gemäß § 80 Abs. 3 VwGO bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens: OVG NRW, Beschlüsse vom 28. Oktober 2016 - 13 B 904/16 -, juris, Rn. 17 ff., und vom 26. Juni 1985 - 19 B 1061/85 -, juris, Rn. 33; OVG Berlin-Bbg., Beschlüsse vom 16. April 2008 - OVG 3 S 106.07 -, juris Rn. 6 ff. und vom 30. April 1992 - 2 S 7.92 -, LKV 1992, 333; OVG M.V., Beschluss vom 20. November 1998 - 3 M 67/98 -, NVwZ-RR 1999, 409; Nds. OVG, Beschluss vom 17. August 2001 - 11 MA 2457/01 -, juris, Rn. 2; OVG Bremen, Beschluss vom 25. März 1999 ‑ 1 B 65/99 -, juris, Rn. 8; VG Neustadt (Weinstraße), Beschluss vom 19. September 2022 - 4 L 720/22.NW -, juris, Rn. 18 m.w.N; a.A. Bay. VGH, Beschluss vom 14. Februar 2002 - 19 ZS 01.2356 -, juris, Rn. 3; VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 29. Juni 2018 - 5 S 548/18 -, juris, Rn. 11 und vom 27. September 2011 - 1 S 2554/11 -, juris, Rn. 9; OVG LSA, Beschluss vom 3. April 2013 - 1 M 19/13 -, juris, Rn. 11.
106Die nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO erforderliche Schriftlichkeit wird auch durch Einreichung eines Schriftsatzes zu den Gerichtsakten gewahrt; denn der betroffene Antragsteller erhält hiervon eine Abschrift. Er kann damit zugleich sein prozessuales Verhalten auf die neue Sachlage abstimmen.
107Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. Juni 1985 - 19 B 1061/85 -, NJW 1986, 1894.
108Der Antragsgegner hat mit seinem Schriftsatz vom 7. März 2023 die hier im Einzelfall von ihm für gegeben gehaltene Dringlichkeit seiner für sofort vollziehbar erklärten Maßnahme ausreichend dargelegt, indem er im Wesentlichen darauf abgestellt hat, dass eine Person, deren Erlaubnis aufgrund der Feststellung der Unzuverlässigkeit widerrufen wurde, ohne der Anordnung der sofortigen Vollziehung über einen nicht geringen Zeitraum weiterhin legal in den Besitz von Schusswaffen kommen und dass es dem Antragsteller ansonsten möglich wäre, erlaubnisfreie Schusswaffen für Katuschenmunition in der Öffentlichkeit zu führen.
109bb. Die im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ziffern 2 und 3 und dem privaten Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung geht nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand zu Lasten des Antragstellers aus. Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erweisen sich die unter Ziffer 2 und 3 getroffenen Regelungen als rechtmäßig und es besteht ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung.
110(1) Die dem Antragsteller gegenüber getroffene Aufforderung zur Rückgabe der Waffenbesitzkarten ist offensichtlich rechtmäßig.
111Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG. Hiernach hat der Inhaber einer Erlaubnis nach dem Waffengesetz alle Ausfertigungen der Erlaubnisurkunde der zuständigen Behörde unverzüglich zurückzugeben, wenn die Erlaubnis zurückgenommen oder widerrufen wird. Da der Antragsteller auf Grund des sofort vollziehbaren Widerrufs nicht mehr Inhaber der in der Waffenbesitzkarte und dem Kleinen Waffenschein bezeugten Erlaubnisse ist, hat er nach jener Vorschrift die unrichtig gewordenen Urkunden herauszugeben.
112(2) Die weitere Anordnung des Antragsgegners, die in der Waffenbesitzkarte eingetragenen Schusswaffen innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung dieses Bescheids einem Berechtigten zu überlassen oder sie dauerhaft unbrauchbar machen zu lassen oder sich mit der polizeilichen Vernichtung einverstanden zu erklären, erweist sich nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung ebenfalls als offensichtlich rechtmäßig.
113Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Nach dieser Vorschrift kann die zuständige Behörde anordnen, dass jemand binnen angemessener Frist die Waffen oder Munition dauerhaft unbrauchbar macht oder einem Berechtigten überlässt und den Nachweis darüber gegenüber der Behörde führt, wenn er auf Grund einer Erlaubnis, die zurückgenommen, widerrufen oder erloschen ist, Waffen oder Munition erworben oder befugt besessen hat, und er sie noch besitzt. Es spricht nach den obigen Ausführungen alles dafür, dass dies der Fall ist.
114Die Anordnung erfolgte zudem im Wege einer rechtlich nicht zu beanstandenden Ermessensentscheidung samt Begründung.
115Bei dem in § 46 Abs. 2 WaffG eingeräumten Ermessen handelt es sich um ein sogenanntes intendiertes Ermessen. Wenn – wie hier – ein vom Regelfall abweichender Sonderfall nicht vorliegt, versteht sich das Ergebnis der Abwägung zugunsten der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit von selbst und bedarf keiner weiteren Begründung.
116So bereits Urteile der Kammer vom 11. Juli 2008 - 22 K 3109/07 - und vom 30. Juni 2009 - 22 K 1301/08 -; Steindorf, Waffenrecht, 11. Auflage 2022, WaffG § 46 Rn. 4; vgl. zur Rechtslage bis zum 31. März 2003 auch BVerwG, Beschluss vom 15. April 1998 - 1 B 230.97 -, juris.
117Denn diese Folgeentscheidung dient der Umsetzung des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnisse und stellt die tatsächliche Umsetzung des Entzugs der formellen Erlaubnisberechtigung durch sofortige Abgabe von Waffen sicher.
118Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 2. Dezember 2020 - 24 CS 20.2211 -, juris Rn. 29.
119cc. Angesichts der Gefahren für die öffentliche Sicherheit, die von Waffen ausgehen, und der fehlenden waffenrechtlichen Zuverlässigkeit des Antragstellers ist auch ein besonderes Vollzugsinteresse – aus den bereits genannten Gründen – zu bejahen.
120Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
121Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Das Interesse des Antragstellers ist – nach der Streitwertpraxis des 20. Senats des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen – in der Hauptsache wegen der Anzahl der eingetragenen Waffen (vier) mit 7.250,00 Euro zu bewerten. Zur Begründung wird auf den Beschluss über den vorläufigen Streitwert vom 17. Februar 2023 im Hauptsacheverfahren – 22 K 760/23 – verwiesen. Dem Charakter des vorläufigen Rechtsschutzes ist in Anlehnung an Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 dadurch Rechnung zu tragen, dass der Streitwert die Hälfte des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts beträgt. Die Höhe der Gebührenfestsetzung ist für die Streitwertfestsetzung im Eilverfahren nicht zu berücksichtigen, da sich der Eilantrag – wie dargelegt – hiergegen nicht richtet.
122Rechtsmittelbelehrung:
123(1) Gegen die Entscheidung über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet.
124Auf die seit dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
125Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) eingeht.
126Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
127Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sind durch einen Prozessbevollmächtigten einzureichen. Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
128Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sollen möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
129(2) Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
130Auf die seit dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
131Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
132Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
133Die Beschwerdeschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
134War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.