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1. Der Geltungsbereich des § 24 Abs. 1 AufenthG umfasst nur solche Personen, denen auf der Grundlage des Art. 5 der Richtlinie 2001/55/EG durch Ratsbeschluss verbindlich vorübergehender Schutz gewährt worden ist.2. Art. 2 Abs. 3 des Durchführungsbeschlusses (EU) 2022/382 des Rates vom 4. März 2022 entfaltet gegenüber den Mitgliedstaaten keine verbindliche Wirkung im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2001/55/EG.3. Politische oder administrative (Leit-)Entscheidungen oder Hinweise zur Umsetzung des § 24 Abs. 1 AufenthG sind nicht geeignet, weiteren Personenkreisen als denen, welchen durch den Durchführungsbeschluss unmittelbar vorübergehenden Schutz gewährt wird, einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 1 AufenthG zu vermitteln.(Im Anschluss an OVG NRW, Beschluss vom 29. Juni 2023 - 18 B 285/23 -)
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und der Eilantrag werden abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.750,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
2I.
3Der am 00.00.1984 in J. , Türkei, geborene Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger. Nach eigenen Angaben nahm er im Jahr 2019 ein Studium der Rechtswissenschaften in der Ukraine auf. Ausweislich der vorgelegten Dokumente ist der Antragsteller in Besitz eines ukrainischen „Temporary Residence Permit“ mit Gültigkeit vom 19. Januar 2021 bis zum 1. September 2023 sowie eines Studentenausweises der Universität D. – Fakultät für Recht und Unternehmertum – mit Gültigkeit vom 2. Dezember 2019 bis zum 27. Juli 2023.
4Am 1. August 2022 reiste er aus der Ukraine kommend in das Bundesgebiet ein, meldete sich am 11. August 2022 melderechtlich bei der Stadt N. mit Hauptwohnsitz an und beantragte bei der Antragsgegnerin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG.
5Anlässlich seiner Vorsprache bei der Antragsgegnerin am 5. September 2022 erkundigte er sich nach der Möglichkeit, sein in der Ukraine begonnenes Studium in Deutschland fortzusetzen, was die Antragsgegnerin als Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 16b AufenthG wertete. Der Antragsteller legte die Kopie seines ukrainischen Aufenthaltstitels sowie seines ukrainischen Studentenausweises vor.
6Am 3. November 2022 beantragte der Antragsteller die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Erwerbstätigkeit. Mit Schreiben vom 12. Dezember 2022 übersandte er einen unbefristeten Arbeitsvertrag vom 8. Dezember 2022 als Pflegehilfskraft in Vollzeit (174 Stunden / Monat) bei der Firma „Häuslicher und Ambulanter Krankenpflegedienst T. " in N. , sowie am 13. Dezember 2022 die Erklärung zum Beschäftigungsverhältnis. Am 13. Dezember 2022 beteiligte die Antragsgegnerin die Agentur für Arbeit. Diese lehnte die Zustimmung ab, da kein einschlägiger Verordnungstatbestand der Beschäftigungsverordnung vorliege.
7Unter dem 10. Januar 2023 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller zur beabsichtigten Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Der Antragsteller gehöre nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis nach § 24 AufenthG. Er sei lediglich in Besitz eines befristeten ukrainischen Aufenthaltstitels und habe weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, dass ihm eine Rückkehr in die Türkei dauerhaft unmöglich sei. Hinsichtlich einer Aufenthaltserlaubnis nach § 16b AufenthG habe der Antragsteller weder eine Studienplatzzusage, noch eine Studienplatzbewerbung oder eine Anmeldung für einen studienvorbereitenden Sprachkurs vorweisen können. Ferner habe er zwar einen Arbeitsvertrag als Pflegehelfer eingereicht. Die beteiligte Bundesagentur für Arbeit habe die Zustimmung jedoch nicht erteilt. Ebenfalls erfülle er nicht die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 AufenthG, insbesondere die Sicherstellung des Lebensunterhaltes aus eigenen Mitteln.
8Mit Schreiben vom 24. Januar 2023 bezog der Antragsteller Stellung und führte aus, dass er seinen Lebensunterhalt bei einem Stundenlohn von 13,70 € mal 174 Stunden im Monat erfüllen könne.
9Mit der angefochtenen Ordnungsverfügung vom 30. März 2023 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab (Ziffer 1), forderte den Antragsteller zur Ausreise innerhalb von 30 Tagen nach Zustellung dieser Verfügung auf (Ziffer 2), drohte ihm die Abschiebung in die Türkei oder in einen anderen Staat, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei, an (Ziffer 3) und befristete „das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG“ auf 12 Monate ab dem Tage der Abschiebung (Ziffer 4). Zur Begründung wiederholte sie ihr Vorbringen aus dem Anhörungsschreiben und führte ergänzend aus: Da es sich bei der beabsichtigten Tätigkeit nicht um eine qualifizierte Beschäftigung im Sinne der §§ 18a, 18b AufenthG handele, komme für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis lediglich § 19c Abs. 1 AufenthG in Betracht. § 39 Abs. 1 AufenthG setze die Zustimmung der Agentur für Arbeit voraus, die vorliegend nicht erteilt worden sei. Von dem Zustimmungserfordernis sei auch nicht aufgrund der Beschäftigungsverordnung abzusehen. Die Ordnungsverfügung wurde dem Antragsteller am 4. April 2023 persönlich durch zwei Mitarbeiter der Antragsgegnerin in den beschrifteten Briefkasten geworfen.
10Der Antragsteller hat am 28. April 2023 Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist (22 K 2961/23), und Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt. Zur Begründung trägt er vor: Es gehe im Wesentlichen um die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum vorübergehenden Schutz eines nicht-ukrainischen Staatsangehörigen, der infolge der militärischen Invasion der russischen Streitkräfte die Ukraine verlassen habe müssen und nunmehr Schutz im Bundesgebiet aufsuche. Die Voraussetzungen nach Art. 2 Abs. 3 des Durchführungsbeschlusses i.V.m. Art. 7 der Richtlinie 2001/55 EG seien in dem vorliegenden Fall erfüllt. Der Antragsteller habe sich nachweislich und rechtmäßig mit einem Aufenthaltstitel zum Zwecke des Studiums, gültig noch bis zum 1. September 2023, in der Ukraine aufgehalten. Auch sei es dem Kläger im Sinne von Art. 2 Abs. 3 des Durchführungsbeschlusses nicht zumutbar, sicher und dauerhaft in sein Herkunftsland (Türkei) zurückzukehren. Er sei im Jahre 2015 wegen Mordes/Totschlags angeklagt worden, obwohl er unschuldig gewesen sei. Das Strafgericht habe den Antragsteller zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren und 9 Monaten verurteilt und das Berufungsgericht habe diese später auf 15 Jahre erhöht. Bei einer Abschiebung des Antragstellers in die Türkei drohe ihm deshalb dort nicht nur eine willkürliche Gefängnisstrafe von bis zu 15 Jahren, sondern auch eine ernsthafte Gefahr der individuellen Verfolgung sowie Tötung durch die Familie V. , wobei ihm selbst die Polizei oder die türkische Justiz vor Ort nicht helfen könne. Hinsichtlich seiner Studienabsicht habe der Antragsteller bislang weder über das erforderliche Sprachniveau C1, noch über die erforderliche finanzielle Sicherheit in Höhe von 15.000 Euro auf dem Konto verfügt. Deshalb habe der Antragsteller wegen einer Aufenthaltserlaubnis zur Erwerbstätigkeit vorgesprochen und einen Arbeitsvertag vorgelegt. Die Zustimmung zur Ausübung einer Beschäftigung könne einem Ausländer auch ohne Vorrangprüfung ausnahmsweise erteilt werden, wenn deren Versagung eine besondere Härte im Sinne von § 37 BeschV bedeuten würde. Dies sei vorliegend der Fall, da der Antragsteller als sog. „Flüchtling“ aus einem Kriegsgebiet (= Ukraine) geflohen sei und er sicher und dauerhaft in sein Heimatland (= Türkei) nicht zurückkehren könne. Außerdem könne einem Ausländer im begründeten Einzelfall eine Aufenthaltserlaubnis gem. § 19c Abs. 3 AufenthG erteilt werden, wenn an seiner Beschäftigung ein öffentliches, insbesondere ein regionales, wirtschaftliches oder arbeitsmarktpolitisches Interesse bestehe. Der Antragsteller wolle als Pflegehilfskraft arbeiten. Gerade in dem Bereich der Pflege werde im Bundesgebiet händeringend nach Arbeitskräften gesucht. Insofern dürfte hier ein arbeitsmarktpolitisches Interesse bestehen. Außerdem sei dem Antragsteller eine Fiktionsbescheinigung bezüglich des Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 24 AufenthG zu erteilen.
11Der Antragsteller beantragt wörtlich,
121. die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen,
132. der Antragsgegnerin mitzuteilen, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen bis zur Entscheidung über den Antrag nicht durchgeführt werden dürfen,
143. der Antragsgegnerin aufzugeben, dem Antragsteller eine Fiktionsbescheinigung zu erteilen.
15Die Antragsgegnerin beantragt,
16den Antrag abzulehnen.
17Zur Begründung verweist sie auf die Ordnungsverfügung und führt ergänzend aus: Hinsichtlich der Ausführungen zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG seien die Darstellungen bisher nicht vorgetragen worden. Entsprechend hätten keine Erkenntnisse dazu vorgelegen, dass dem Antragsteller eine Einreise in sein Heimatland nicht zumutbar wäre. Darüber hinaus seien alle Anlagen lediglich in türkischer Sprache übersandt worden, sodass eine nähere Prüfung auch nicht möglich sei. Unabhängig davon stelle eine strafrechtliche Verurteilung im Heimatland keine Unzumutbarkeit der Ausreise dar. Die Gewährung eines humanitären Aufenthaltsrechtes zum Zwecke des Schutzes diene nicht zweckentfremdend dem Schutz, sich vor der Strafverfolgung im Heimatland zu entziehen. Ferner stehe dem Antragsteller aufgrund der Ordnungsverfügung einhergehend mit der vollziehbaren Ausreiseverpflichtung nicht die Ausstellung einer Fiktionsbescheinigung zu.
18Der Antragsteller hat im gerichtlichen Verfahren erstmals diverse Unterlagen in türkischer Sprache vorgelegt. Nach eigenen Angaben handele es sich dabei um die Anklageschrift der türkischen Staatsanwaltschaft, das Sitzungsprotokoll sowie die Entscheidungen der türkischen Strafgerichte und des türkischen Berufungsgerichts.
19Mit Schreiben vom 22. Mai 2023 und 6. Juni 2023 hat die Antragsgegnerin das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) um Stellungnahme hinsichtlich der Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG bzw. hinsichtlich einer Unzumutbarkeit der Rückkehr in das Heimatland gebeten. Mit Schreiben vom 3. Juli 2023 hat das Bundesamt Stellung genommen und im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen für eine Schutzgewährung gemäß § 24 AufenthG lägen nicht vor, da ein Sachverhalt vorliege, der einer Prüfung im Rahmen eines Asylverfahrens vorbehalten sei, weil inhaltlich der Schutzbereich des internationalen Schutzes tangiert sei. Aufgrund des dargelegten Sachverhaltes ergäben sich hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass dem Ausländer in seinem Herkunftsland eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG drohen könnte. Der Ausländer sei deshalb auf das Asylverfahren zu verweisen.
20Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Antragsgegnerin ergänzend Bezug genommen.
21II.
22Die Einzelrichterin ist zuständig, nachdem ihr die Kammer den Rechtsstreit zur Entscheidung übertragen hat, § 6 Abs. 1 VwGO.
231. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren erster Instanz unter Beiordnung von Rechtsanwalt P. aus N. ist abzulehnen, weil der Eilantrag keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, vgl. § 166 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
24Hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 114 ZPO bedeutet bei einer an Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG orientierten Auslegung des Begriffs einerseits, dass Prozesskostenhilfe nicht erst und nur dann bewilligt werden darf, wenn der Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung gewiss ist, andererseits auch, dass Prozesskostenhilfe versagt werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist. Die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsschutzbegehrens darf dabei nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe vor zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den grundrechtlich garantierten Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. Schwierige, bislang nicht ausreichend geklärte Rechts- und Tatsachenfragen dürfen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren geklärt werden.
25Vgl. etwa BVerfG, Beschlüsse vom 10. August 2001 - 2 BvR 569/01 -, vom 30. Oktober 1991 - 1 BvR 1386/91 -, und vom 13. Juli 2005 - 1 BvR 175/05 -, alle juris; OVG NRW, Beschlüsse vom 20. August 2007 - 18 E 653/07 -, und vom 14. September 2007 - 18 E 881/07 -, juris.
26Gemessen hieran bietet die Rechtsverfolgung – aus den nachstehenden Gründen – nicht die gemäß § 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg.
272. Der wörtlich gestellte Antrag ist bei verständiger Würdigung gemäß § 122 Abs. 1, § 88 VwGO und im Lichte der Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG rechtsschutzintensiv dahingehend auszulegen, dass beantragt wird,
28die aufschiebende Wirkung der Klage im Verfahren 22 K 2961/23 anzuordnen, sowie
29die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller eine Fiktionsbescheinigung auszustellen.
30Den darüber hinaus unter 2. wörtlich gestellten Antrag, der auf eine Mitteilung an die Antragsgegnerin abzielt, wertet die Kammer im vermuteten Interesse des Antragstellers nicht als einen Sachantrag auf Abschiebungsschutz.
31Diese Auslegung ist hier gerechtfertigt, weil das Gericht gemäß § 88 VwGO nicht an die Fassung der Anträge gebunden ist. Insbesondere ist das Gericht dann nicht strikt an den Antragswortlaut gebunden, wenn die Antragsbegründung, die beigefügten Bescheide oder sonstige Umstände eindeutig erkennen lassen, dass das wirkliche Antragsziel von der Antragsfassung abweicht.
32Vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2015 - 4 B 42.14 -, juris Rn. 12.
33Das erkennbare wirkliche Ziel des einstweiligen Rechtsschutzantrags ergibt sich bereits aus dem Gesamtvorbringen des Antragstellers, wonach in der Antragsbegründung lediglich Umstände geltend gemacht werden, die die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sowie die Ausstellung einer Fiktionsbescheinigung tangieren. Dagegen hat der Antragsteller keine Tatsachen vorgetragen oder glaubhaft gemacht, die im Rahmen der Prüfung eines Antrages auf Abschiebungsschutz nach § 123 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO zu berücksichtigen wären. Etwaige Duldungsgründe sind vorliegend auch nicht ersichtlich. Auch die wörtliche Fassung des unter 2. gefassten Antrages, wonach lediglich eine Mitteilung – keine Verpflichtung – an die Antragsgegnerin betreffend den Zeitraum bis zur Entscheidung über den Antrag (auf vorläufigen Rechtsschutz) begehrt wird, spricht gegen die Annahme eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Abschiebungsschutz. Überdies hat die Kammer dem Begehren des Antragstellers dergestalt Rechnung getragen, dass die Antragsgegnerin mit der Eingangsmitteilung gebeten wurde, bis zur gerichtlichen Entscheidung über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz von Vollstreckungsmaßnahmen abzusehen oder vorher das Gericht zu benachrichtigen.
343. Der so verstandene Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat insgesamt keinen Erfolg.
35a. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist zulässig, aber unbegründet.
36Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ganz oder teilweise anordnen. Diese gerichtliche Entscheidung hängt von einer Abwägung der widerstreitenden Interessen an der Suspendierung der angefochtenen Maßnahme einerseits und der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits ab. Bei der Abwägung sind die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Ergibt die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotene summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, überwiegt das private Aufschubinteresse des Antragstellers. Denn an der Vollziehung einer rechtswidrigen hoheitlichen Maßnahme kann kein schutzwürdiges Interesse bestehen. Ist hingegen der angegriffene Bescheid rechtmäßig, überwiegt regelmäßig das – hier bezüglich der Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis durch § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, bezüglich der Abschiebungsandrohung durch § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO i. V. m. § 112 Satz 1 JustG NRW und bezüglich der Anordnung eines befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 84 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG gesetzlich angeordnete – öffentliche Interesse am Bestand des Sofortvollzugs. Erweist sich der Ausgang des Hauptsacheverfahrens als offen, hat eine Abwägung der wechselseitigen Interessen zu erfolgen.
37Nach diesen Maßstäben fällt die Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus.
38Die Regelungen des streitgegenständlichen Bescheides erweisen sich bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig. Sonstige greifbare Anhaltspunkte, aufgrund derer das Suspensivinteresse des Antragstellers hinsichtlich dieser Regelungen das öffentliche Vollzugsinteresse entgegen der gesetzgeberischen Vorentscheidung überwiegen könnten, sind nicht ersichtlich.
39aa. Es spricht ganz Überwiegendes dafür, dass die Ablehnung der Anträge des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides rechtmäßig ist, weil der Antragsteller keinen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, insbesondere nicht aus § 24 AufenthG, § 16b AufenthG oder aus § 19c AufenthG hat.
40(1.) Der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 1 AufenthG.
41Nach dieser Vorschrift wird einem Ausländer, dem auf Grund eines Beschlusses des Rates der Europäischen Union gemäß der Richtlinie 2001/55/EG vorübergehender Schutz gewährt wird und der seine Bereitschaft erklärt hat, im Bundesgebiet aufgenommen zu werden, für die nach den Artikeln 4 und 6 der Richtlinie bemessene Dauer des vorübergehenden Schutzes eine Aufenthaltserlaubnis erteilt.
42Dem Antragsteller ist aber nicht auf Grund eines Beschlusses des Rates der Europäischen Union gemäß der Richtlinie 2001/55/EG vorübergehender Schutz gewährt worden.
43In der jüngsten Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen,
44vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. Juni 2023 - 18 B 285/23 -, n.v.,
45der sich die Kammer in der Begründung und im Ergebnis anschließt, hat das Gericht wie folgt ausgeführt:
46Der Geltungsbereich des § 24 Abs. 1 AufenthG umfasst nur solche Personen, denen auf der Grundlage des Art. 5 der Richtlinie 2001/55/EG durch Ratsbeschluss verbindlich vorübergehender Schutz gewährt worden ist (dazu 1.). Art. 2 Abs. 3 des Durchführungsbeschlusses (EU) 2022/382 des Rates vom 4. März 2022 entfaltet gegenüber den Mitgliedstaaten keine verbindliche Wirkung im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2001/55/EG (dazu 2.). Politische oder administrative (Leit-)Entscheidungen oder Hinweise zur Umsetzung des § 24 Abs. 1 AufenthG sind nicht geeignet, weiteren Personenkreisen als denen, welchen durch den Durchführungsbeschluss unmittelbar vorübergehenden Schutz gewährt wird, einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 1 AufenthG zu vermitteln (dazu 3.).
471. Der Geltungsbereich des § 24 Abs. 1 AufenthG erfasst nur solche Ausländer, denen – vorbehaltlich der nationalen Erklärung der Aufnahmekapazität (siehe dazu die Ausführungen unter 3.) – auf Grund eines Beschlusses des Rates nach Art. 5 der Richtlinie 2001/55/EG verbindlich vorübergehender Schutz gewährt worden ist.
48§ 24 AufenthG ist – soweit hier maßgeblich – durch das Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) im Jahr 2004 (BGBl. I,1950), in Kraft getreten am 1. Januar 2005, eingeführt worden. Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung,
49vgl. BT-Drs. 15/420, Seite 78,
50sollte die Vorschrift die wesentlichen Bestimmungen der Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 in nationales Recht umsetzen. In den weiteren Erläuterungen zu § 24 Abs. 3 AufenthG-E wurde ausgeführt, dass – anders als bei der Vorgängerregelung des § 32a AuslG – die Entscheidung über das „Ob“ einer Aufnahme von Flüchtlingen nicht mehr in der Hand der obersten Landesbehörde liege, sondern vom Rat der Europäischen Union getroffen werde.
51Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2001/55/EG wird das Bestehen eines Massenzustroms von Vertriebenen durch Beschluss des Rates festgestellt. Der Beschluss ergeht nach Satz 2 mit qualifizierter Mehrheit aufgrund eines Vorschlags der Kommission, welcher nach Abs. 2 Buchstabe a) unter anderem die Beschreibung der spezifischen Personengruppen, denen vorübergehender Schutz gewährt wird, enthalten muss. Der Beschluss muss nach Abs. 3 Satz 2 Buchstabe a) unter anderem ebenfalls die Beschreibung der spezifischen Personengruppen beinhalten, denen vorübergehender Schutz gewährt wird. Mit der erforderlichen Spezifik der Gruppendefinition wird in der Richtlinie eine politische Entscheidung zur Aufnahme einzelner Personengruppen etabliert, die eine möglichst klare Abgrenzung in dem Beschluss erforderlich macht, welche je nach den Umständen des Einzelfalls an unterschiedliche Merkmale anknüpfen kann.
52Vgl. hierzu Skordas, in: Thym/Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 3. Auflage 2022, Part D Chapter 19, Art. 5 RL 2001/55/EG Rn. 1, 6.
53Abzugrenzen von den Personengruppen, denen aufgrund des Ratsbeschlusses nach Art. 5 der Richtlinie 2001/55/EG durch die Mitgliedstaaten verbindlich vorübergehender Schutz zu gewähren ist,
54siehe hierzu den Erwägungsgrund 14 der Richtlinie 2001/55/EG sowie Skordas, in: Thym/Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 3. Auflage 2022, Part D Chapter 19., Art. 5 RL 2001/55/EG Rn. 5 („binding in its entirety“),
55sind Gruppen von Vertriebenen nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2001/55/EG. Nach dieser Vorschrift können die Mitgliedstaaten den vorübergehenden Schutz weiteren, von dem Beschluss des Rates nach Art. 5 nicht erfassten Gruppen von Vertriebenen gewähren, sofern diese aus den gleichen Gründen vertrieben wurden und aus demselben Herkunftsland oder derselben Herkunftsregion kommen. Art. 7 Abs. 1 gibt den Mitgliedstaaten damit die Möglichkeit, über das verbindliche Mindestmaß hinaus weitere Personengruppen einzubeziehen, wobei die rechtliche Grundlage hierfür gerade nicht der Ratsbeschluss nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 der Richtlinie 2001/55/EG ist, sondern durch den jeweiligen Mitgliedstaat zu schaffen ist. Dass die Einbeziehung weiterer Personengruppen in den vorübergehenden Schutz auf nationaler Ebene von dem Handeln auf der Grundlage des Ratsbeschlusses klar zu unterscheiden ist, zeigt auch, dass der europäische Solidaritätsmechanismus des Kapitels VI der Richtlinie 2001/55/EG nach Art. 7 Abs. 2 Halbsatz 1 für die Fälle des Abs. 1 gerade nicht greift; mithin hat der Mitgliedstaat die Lasten einer gegenüber dem Ratsbeschluss weiteren Fassung der Personengruppe selbst zu tragen.
56Daher betrifft der von dem Gesetzgeber in den Materialien beschriebene Fall der Entscheidung des „Ob“ der Aufnahme allein die durch den Rat nach Art. 5 der Richtlinie 2001/55/EG getroffene Entscheidung.
57Vgl. auch BT-Drs. 15/420, Seite 77, zu § 23: „[…] die Gewährung von vorübergehendem Schutz durch eine vorhergehende Entscheidung auf EU-Ebene richtet sich dagegen nach § 24.“
58Die darüberhinausgehende Aufnahme von Personengruppen gemäß Art. 7 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2001/55/EG als nationale Entscheidung sieht die Begründung des Gesetzentwurfes zum Aufenthaltsgesetz hingegen als Fall des § 23 AufenthG.
59Vgl. hierzu ausdrücklich BT-Drs. 15/420, Seite 77 f., zu § 23 AufenthG-E, wonach § 23 (Abs. 3) AufenthG Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2001/55/EG in nationales Recht umsetzt; so auch: Dietz, in: NVwZ 2022, 505, 506.
60Dies hat der Gesetzgeber in § 23 Abs. 3 AufenthG zum Ausdruck gebracht. Die Vorschrift sieht für die Aufnahme von Gruppen auf nationaler Ebene ohne einen entsprechenden Ratsbeschluss auch die Möglichkeit der entsprechenden Anwendung des § 24 AufenthG vor, um so einen Gleichlauf des Rechtsregimes zu gewährleisten.
61In der Folge ist § 24 Abs. 1 AufenthG dahingehend zu verstehen, dass die Bestimmung selbst nur den Fall der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an Gruppen von Ausländern erfasst, für welche der Rat der Europäischen Union auf der Grundlage des Art. 5 der Richtlinie 2001/55/EG die vorübergehende Schutzgewährung beschlossen hat.
62So im Ergebnis auch: Kluth/Bohley, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 37. Edition, Stand: 1. April 2023, § 24 AufenthG Rn. 1; Röcker, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Auflage 2022, § 24 AufenthG Rn. 8; Göbel-Zimmermann, in: Huber/Mantel, AufenthG/AsylG, 3. Auflage 2021, § 24 AufenthG Rn. 5; Schulz, in: Berlit, GK-AufenthG, § 24 Rn. 4, 6 (Stand: September 2022).
632. Art. 2 Abs. 3 des Durchführungsbeschlusses (EU) 2022/382 des Rates vom 4. März 2022 entfaltet gegenüber den Mitgliedstaaten keine verbindliche Wirkung im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2001/55/EG, so dass der Antragsteller hieraus keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 1 AufenthG herleiten kann.
64Art. 2 Abs. 1 des Durchführungsbeschlusses zählt die Gruppen von Personen auf, die am oder nach dem 24. Februar 2022 infolge der militärischen Invasion der russischen Streitkräfte aus der Ukraine vertrieben worden sind und für die der Beschluss gilt: ukrainische Staatsangehörige, die vor dem 24. Februar 2022 ihren Aufenthalt in der Ukraine hatten (Buchstabe a), Staatenlose und Staatsangehörige anderer Drittländer als der Ukraine, die vor dem 24. Februar 2022 in der Ukraine internationalen Schutz oder einen gleichwertigen nationalen Schutz genossen haben (Buchstabe b) und Familienangehörige der unter den Buchstaben a und b genannten Personen (Buchstabe c). Nach Abs. 2 wenden die Mitgliedstaaten diesen Beschluss oder einen angemessenen nationalen Schutz auf Staatenlose und Staatsangehörige anderer Drittländer als der Ukraine an, die nachweisen können, dass sie sich vor dem 24. Februar 2022 auf der Grundlage eines nach ukrainischem Recht erteilten gültigen unbefristeten Aufenthaltstitels rechtmäßig in der Ukraine aufgehalten haben, und die nicht in der Lage sind, sicher und dauerhaft in ihr Herkunftsland oder ihre Herkunftsregion zurückzukehren.
65Art. 2 Abs. 3 des Durchführungsbeschlusses bestimmt hingegen (nur), dass die Mitgliedstaaten nach Artikel 7 der Richtlinie 2001/55/EG diesen Beschluss auch auf andere Personen, insbesondere Staatenlose und Staatsangehörige anderer Drittländer als der Ukraine anwenden können, die sich rechtmäßig in der Ukraine aufhielten und nicht sicher und dauerhaft in ihr Herkunftsland oder ihre Herkunftsregion zurückkehren können. Mithin handelt es sich gerade nicht um einen für die Mitgliedstaaten verbindlichen Beschluss nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2001/55/EG,
66so auch, wenngleich ohne ausdrückliche Begründung: Dietz, NVwZ 2022, 505, 506; a. A. wohl Hailbronner, Ausländerrecht, § 24 AufenthG Rn. 61 (Stand: Juni 2022), der nur von einer „einigermaßen eigenwilligen“ Umsetzung ausgeht,
67wie schon der im Vergleich zu Art. 2 Abs. 1 des Durchführungsbeschlusses unterschiedliche Wortlaut zeigt. Gleiches folgt auch aus dem Verweis auf die Möglichkeit des Art. 7 der Richtlinie 2001/55/EG. Dieser setzt in Abs. 1 Satz 1 gerade voraus, dass die hier gemeinte Gruppe von Vertriebenen nicht vom Beschluss des Rates nach Art. 5 erfasst ist.
68Eine andere rechtliche Qualität erhält Art. 2 Abs. 3 des Durchführungsbeschlusses auch nicht dadurch, dass die Mitgliedstaaten nach dem Wortlaut „diesen Beschluss auch auf andere Personen anwenden […] können“. Diese so bezeichnete Erstreckung der Anwendungsmöglichkeit stellt lediglich eine Bezugnahme auf die tatbestandlichen Merkmale des Art. 7 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2001/55/EG dar. Letzterer setzt nämlich voraus, dass die Gruppe, die nicht von dem Beschluss nach Art. 5 erfasst wird und der von dem Mitgliedstaat ebenfalls vorübergehender Schutz gewährt werden soll, aus den gleichen Gründen vertrieben worden ist und aus demselben Herkunftsland oder derselben Herkunftsregion stammt. Insoweit kann Art. 2 Abs. 3 des Durchführungsbeschlusses höchstens eine klarstellende, erinnernde Funktion zukommen. In diese Richtung zeigt auch der Erwägungsgrund 13 des Durchführungsbeschlusses, der die sich aus der Richtlinie 2001/55/EG ergebenden Möglichkeiten in Bezug auf die Ukraine referiert und hierbei insbesondere auch die Gruppen der ausländischen Studenten und Arbeitnehmer in der Ukraine in den Blick nimmt. Ein ebensolches Verständnis von der Rechtsqualität des Art. 2 Abs. 3 des Durchführungsbeschlusses legt die Kommission in ihrer Mitteilung zu operativen Leitlinien für die Umsetzung des Durchführungsbeschlusses,
692022/C 126 I/01, ABl. C 126I vom 21. März 2022,
70zugrunde. Dort werden auf Seite 6 der Leitlinien (Ziffern (4) und (5)) als Gruppen von Vertriebenen, die keinen Anspruch auf vorübergehenden Schutz haben u. a. Staatsangehörige anderer Drittländer als der Ukraine genannt, die dort am 24. Februar 2022 kurzfristig wohnhaft waren, gleich ob sie sicher und dauerhaft in ihr Herkunftsland oder ihre Herkunftsregion zurückkehren können. Als Beispiel hierfür werden ausdrücklich Studenten und Arbeitnehmer bezeichnet. Dabei verweist die Kommission an dieser Stelle auch auf die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, den vorübergehenden Schutz auf andere Gruppen nach Maßgabe des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2001/55/EG auszuweiten. In Art. 2 Abs. 3 des Durchführungsbeschlusses werde insbesondere auf einzelne Gruppen, für die dies in Betracht komme, verwiesen.
71Würde man aus der Erklärung in Art. 2 Abs. 3 des Durchführungsbeschlusses, diesen auch auf die dort genannten Gruppen „anwenden“ zu können, einen über den Inhalt des Art. 7 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2001/55/EG hinausgehenden, aber von Art. 5 Abs. 3 nicht erfassten Inhalt ableiten wollen, stünde dies im Übrigen nicht im Einklang mit der Richtlinie, wäre also unionsrechtwidrig. Auf die Richtlinie 2001/55/EG gestützte Durchführungsbeschlüsse sind in der Rangordnung des Unionsrechts unterhalb des Sekundärrechts anzusiedeln, müssen also im Einklang mit dieser ergehen. Die Rechtsetzungskompetenz des Rates erstreckt sich in der Folge nur so weit, wie dem Rat durch Art. 5 der Richtlinie Kompetenzen übertragen worden sind. Eine Überschreitung der Kompetenzen führt zur Nichtigkeit der entsprechenden Vorschrift.
72Vgl. zu der Rechtsqualität des Durchführungsbeschlusses und der Folge eines Verstoßes: OVG NRW, Beschluss vom 14. Oktober 2022 – 18 B 964/22 –, juris Rn. 29; Hailbronner, Ausländerrecht, § 24 AufenthG Rn. 8 (Stand: Juni 2022).
73Eine über die Fassung des Beschlusses nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/55/EG hinausreichende Kompetenz des Rates ist in Bezug auf Art. 7 Abs. 1 Satz 1 gerade nicht gegeben. Die Ausdehnung des vorübergehenden Schutzes auf weitere Gruppen von Verfolgten fällt in die Kompetenz der Mitgliedstaaten.
743. Politische oder administrative (Leit-)Entscheidungen oder Hinweise zur Umsetzung des § 24 Abs. 1 AufenthG sind nicht geeignet, weiteren Personenkreisen als denen, welchen durch den Durchführungsbeschluss des Rates nach Art. 5 der Richtlinie 2001/55/EG unmittelbar vorübergehender Schutz gewährt wird, einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 1 AufenthG zu vermitteln.
75Die Richtlinie 2001/55/EG zielt – vor dem Hintergrund der durch den Zerfall Jugoslawiens in den 1990er Jahren ausgelösten Migrations- und Fluchtbewegungen und der hieraus gewonnenen Erfahrungen – auf die Festlegung rechtlicher Rahmenbedingungen für die Bewältigung eines Massenzustroms von Vertriebenen in die Europäische Union. Im Mittelpunkt steht dabei die (Selbst-)Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur vorübergehenden Schutzgewährung aufgrund eines gemäß Art. 5 der Richtlinie erlassenen Ratsbeschlusses.
76OVG NRW, Beschluss vom 14. Oktober 2022 – 18 B 964/22 –, juris Rn. 16; vgl. Schulz, in: GK-AufenthG, § 24 AufenthG Rn. 1 (Stand: September 2022)
77Der Ratsbeschluss legt – wie erwähnt – nach Art. 5 Abs. 3 Satz 2 Buchstabe a) der Richtlinie u. a. den Personenkreis fest, für den der vorübergehende Schutz gilt. Eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Gewährung vorübergehenden Schutzes für den im Ratsbeschluss spezifizierten Personenkreis besteht indes nicht. Vielmehr geben die Mitgliedstaaten gemäß Art. 25 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie ihre Aufnahmekapazität an. Es steht den Mitgliedstaaten deshalb frei, wie viele Personen sie in Durchführung des Ratsbeschlusses aufnehmen wollen.
78Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14. Oktober 2022 - 18 B 964/22 –, juris Rn. 18; Hailbronner, Ausländerrecht, § 24 AufenthG Rn. 5 (Stand: Juni 2022).
79Weder die Richtlinie 2001/55/EG noch sonstiges Unionsrecht bestimmt, wem innerhalb der jeweiligen Mitgliedstaaten die Kompetenz zufällt, die generelle Entscheidung über die Angabe der Aufnahmekapazität zu treffen. Es besteht insoweit keine Unionskompetenz, sondern eine Regelungsbefugnis der nationalen Verfassungsordnungen. Auch § 24 AufenthG ist für die Beantwortung dieser Frage nichts Ausdrückliches zu entnehmen. Abs. 1 dieser Bestimmung setzt für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis voraus, dass dem Ausländer auf Grund eines Beschlusses des Rates gemäß der Richtlinie 2001/55/EG vorübergehender Schutz gewährt wird. Diese Entscheidung wird aber – wie Art. 25 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie zeigt – nicht umfänglich bzw. abschließend durch den Ratsbeschluss getroffen. Vielmehr weist auch die Formulierung "auf Grund" im § 24 Abs. 1 AufenthG darauf hin, dass der Ratsbeschluss die Grundlage für eine – den Anwendungsbereich des § 24 AufenthG eröffnende, mithin dessen Anwendung vorgelagerte – nationale generell-abstrakte Entscheidung darstellt. Die Kompetenz für diese generell-abstrakte Entscheidung soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers bei der Bundesregierung nach Konsultationen mit den Bundesländern liegen. Die Entscheidung manifestiert sich jedenfalls in der Mitteilung gemäß Art. 25 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2001/55/EG der Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat an die Kommission.
80Vgl. den Gesetzentwurf zum Aufenthaltsgesetz, BTDrs. 15/420, Seite 78 zu § 24 AufenthG-E; in diesem Sinne auch: Hailbronner, Ausländerrecht, § 24 AufenthG Rn. 13 (Stand: Juni 2022); Schulz, in: Berlit, GK-AufenthG, § 24 Rn. 4, 6 (Stand: September 2022)
81Eine Ausweitung des nach Art. 5 der Richtlinie 2001/55/EG ergangenen Beschlusses des Rates auf weitere, dort nicht (verbindlich) einbezogene Personengruppen nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2001/55/EG kann hingegen nicht allein in dem für die Anwendbarkeit des § 24 Abs. 1 AufenthG erforderlichen Beschluss der Bundesregierung gesehen werden. Wie oben umfassend ausgeführt, ist § 24 AufenthG geschaffen worden, um die Richtlinie 2001/55/EG in Bezug auf Beschlüsse nach Art. 5 der Richtlinie in nationales Recht umzusetzen; die durch Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie geschaffene Möglichkeit, weiteren Gruppen von Vertriebenen vorübergehenden Schutz im Sinne der Richtlinie zu gewähren, hat nach dem ausdrücklich formulierten Willen des Gesetzgebers ihre Umsetzung (nur) in § 23 AufenthG gefunden, dessen Abs. 3 – soweit gewollt – für einen Gleichauf des Rechtsregimes Sorge trägt.
82So auch: Dietz, NVwZ 2022, 505, 506.
83Vor diesem Hintergrund kommt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 1 AufenthG für in Art. 2 Abs. 3 des Durchführungsbeschlusses (EU) 2022/382 genannte Personengruppen auch im Hinblick auf das Schreiben des Bundesministeriums des Innern und für Heimat vom 14. März 2022 an die für Aufenthaltsrecht zuständigen Ministerien und Senatsverwaltungen der Länder zur Umsetzung des Durchführungsbeschlusses des Rates zur Feststellung eines Massenzustroms im Sinne des Artikel 5 der Richtlinie 2001/55/EG und zur Einführung eines vorübergehenden Schutzes (Aktenzeichen M3-21000/33#6, dort Seite 5, Ziffer 3.) bzw. auf die nachfolgenden Versionen (zuletzt vom 5. September 2022 in der Fassung vom 20. September 2022, dort Seite 6, Ziffer 4.) schon dem Grunde nach nicht in Betracht.
84Soweit der Senat in seinem Beschluss vom 14. Oktober 2022,
85- 18 B 964/22 –, juris Rn. 26; anders auch (wenngleich insoweit ohne ausdrückliche Begründung): VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 26. Oktober 2022 – 11 S 1467/22 –, juris Rn. 26,
86eine andere Auffassung vertreten hat, hält er hieran nicht fest.
87Unter Anwendung dieser Maßgaben kommt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 1 AufenthG i. V. m. dem Durchführungsbeschluss im vorliegenden Fall nicht in Betracht.
88Der Antragsteller gehört zu keiner der in Art. 2 Abs. 1 und 2 des Durchführungsbeschlusses genannten anspruchsberechtigten Personengruppen, welchen durch den Durchführungsbeschluss des Rates nach Art. 5 der Richtlinie 2001/55/EG unmittelbar vorübergehender Schutz gewährt wird. Er ist kein ukrainischer Staatsangehöriger, er verfügte in der Ukraine nicht über internationalen oder vergleichbaren nationalen Schutz, war dort nicht im Besitz eines unbefristeten Aufenthaltstitels und ist auch kein Familienangehöriger einer anspruchsberechtigten Person. Er ist lediglich im Besitz einer bis zum 1. September 2023 befristeten ukrainischen Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken.
89Dem Antragsteller kann auch nicht nach Maßgabe des Art. 2 Abs. 3 des Durchführungsbeschlusses der begehrte Aufenthaltstitel nach § 24 AufenthG erteilt werden, da – nach den obigen Ausführungen – die Anwendbarkeit des § 24 AufenthG auf solche Personen, die nicht unmittelbar von Art. 2 Abs. 1 und 2 des Durchführungsbeschlusses des Rates zur Feststellung eines Massenzustroms im Sinne des Artikel 5 der Richtlinie 2001/55/EG vom 4. März 2022 begünstigt werden – wie den Antragsteller –, schon dem Grunde nach nicht in Betracht kommt.
90Vgl. ebenso: VG Darmstadt, Beschluss vom 10. Februar 2023 - 5 L 89/23.DA -, juris Rn. 26; a.A. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 26. Oktober 2022 - 11 S 1467/22 -, juris Rn. 26; wohl auch Bay. VGH, Beschluss vom 30. Januar 2023 - 10 ZB 23.19 -, juris Rn. 5.
91Unabhängig davon wird rein vorsorglich darauf hingewiesen, dass das individuelle Vorbringen des Antragstellers zu einer ihm im Fall der Rückkehr in die Türkei drohenden Verfolgung asylrelevant sein dürfte. Tragen Personen im Rahmen der Prüfung des § 24 AufenthG Belange vor, welche die Anforderungen des § 13 AsylG erfüllen, sind diese auf eine Asylantragstellung beim Bundesamt zu verweisen,
92vgl. hierzu auch: VG Münster, Beschluss vom 8. März 2023 - 8 L 24/23 -, n.v.; Länderschreiben des Bundesministeriums des Innern und für Heimat vom 5. September 2022, Seite 9 f.; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Hinweise zur Beteiligung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge durch die Ausländerbehörden bei der Prüfung von Aufenthaltstiteln nach § 24 AufenthG für Staatenlose und nicht-ukrainische Drittstaatsangehörige mit befristeten oder unbefristeten Aufenthaltstiteln in der Ukraine vom 30. August 2022, Seite 2 f.
93Nach § 13 Abs. 1 AsylG liegt ein Asylantrag vor, wenn sich dem schriftlich, mündlich oder auf andere Weise geäußerten Willen des Ausländers entnehmen lässt, dass er im Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung sucht oder dass er Schutz vor Abschiebung oder einer sonstigen Rückführung in einen Staat begehrt, in dem ihm eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 droht.
94Inhaltlich setzt ein Asylantrag nach § 13 Abs. 1 AsylG voraus, dass sich das Schutzbegehren dem Asylrecht oder dem Bereich des internationalen Schutzes (Flüchtlingsrecht und subsidiäre Schutzberechtigung) zuordnen lässt. Nicht ausreichend ist, dass sich das Vorbringen allein auf ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 S. 1 AufenthG bezieht. Entscheidend ist dabei nicht die rechtliche Bewertung durch den Antragsteller. Maßgeblich ist stattdessen, ob der Ausländer die Feststellung aufgrund behaupteter Verfolgungsgefahren oder aus verfolgungsunabhängigen, rein humanitären Gründen begehrt; es ist mithin auf den objektiven Inhalt des Vorbringens des Antragstellers abzustellen. Ob allerdings die materiellen Voraussetzungen (politische Zweckrichtung, Intensität, staatliche Verantwortung, Beachtlichkeit etc) im Einzelfall tatsächlich erfüllt sind, ist unerheblich; eine inhaltliche Vorabprüfung verbietet sich,
95Vgl. Houben, in: BeckOK AuslR, Kluth/Heusch, 37. Ed. 1.1.2023, AsylG § 13 Rn. 10 m.w.N.
96Nach diesen Maßgaben dürften die Schilderungen des Antragstellers einen Schutzbereich betreffen, der eine individuelle Prüfung im Rahmen der Durchführung eines Asylverfahrens erforderlich macht. Der individuelle Vortrag des Antragstellers im gerichtlichen Verfahren zu einer willkürlich verhängten Freiheitsstrafe betrifft eine Verfolgungsgefahr in Gestalt einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Strafverfolgung oder Bestrafung durch staatliche Gewalt. Gleiches gilt für die behauptete beachtliche Gefahr einer Inhaftierung in der Türkei.
97Die mit dem Verweis auf das Asylverfahren und der Asylantragstellung verbundenen Rechtsfolgen dürften sich – auch im vorliegenden Einzelfall – als sachgerecht darstellen. Denn das Bundesamt verfügt über eine besondere Sachkunde für die Situation in den Herkunftsländern. Mit der Geltendmachung individueller Gründe im Sinne von § 13 AsylG werden die betreffenden Antragsteller den regulär im Asylverfahren befindlichen Personen gleichgestellt.
98(2.) Der Kläger erfüllt auch nicht die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 16b Abs. 1 AufenthG.
99Nach dieser Vorschrift wird einem Ausländer zum Zweck des Vollzeitstudiums an einer staatlichen Hochschule, an einer staatlich anerkannten Hochschule oder an einer vergleichbaren Bildungseinrichtung eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, wenn er von der Bildungseinrichtung zugelassen worden ist. (Satz 1) Der Aufenthaltszweck des Studiums umfasst auch studienvorbereitende Maßnahmen und das Absolvieren eines Pflichtpraktikums. (Satz 2)
100§ 16b Abs. 1 Satz 1 erfordert, dass der Ausländer durch die Ausbildungseinrichtung zum Studium zugelassen wurde. Dies entspricht Art. 11 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2016/801/EU vom 11. Mai 2016 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zu Forschungs- oder Studienzwecken, zur Absolvierung eines Praktikums, zur Teilnahme an einem Freiwilligendienst, Schüleraustauschprogrammen oder Bildungsvorhaben und zur Ausübung einer Au-pair-Tätigkeit, dem zufolge der Antragsteller nachweisen muss, dass er von einer Hochschuleinrichtung zu einem Studium zugelassen worden ist.
101Vgl. Fleuß, in: BeckOK AuslR, 37. Ed. 1.1.2023, AufenthG § 16b Rn. 17.
102Die Zulassung muss für ein einen oder mehrere konkrete Studiengänge oder Studienfächer erfolgt sein. Aufenthaltszweck i. S. d. § 16b Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist nicht die Durchführung (irgend-)eines nicht näher umrissenen Studiums, sondern eines Studiums in einem oder mehreren konkreten Studiengängen oder Studienfächern an einer bestimmten Hochschuleinrichtung, für das dem Ausländer die Zulassung von dieser Hochschuleinrichtung erteilt wurde.
103Vgl. Nds. OVG, Beschlüsse vom 27. April 2017 - 8 LA 60/17 -, juris Rn. 10, und vom 9. August 2017 - 13 ME 167/17 -, juris Rn. 15; OVG Berl.-Bbg., Beschluss vom 7. Juni 2018 - OVG 2 S 15.18 -, juris Rn. 6; Fleuß, in: BeckOK AuslR, 37. Ed. 1.1.2023, AufenthG § 16b Rn. 18.
104Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
105Der Antragsteller hat weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, dass er die Aufnahme eines konkreten Vollzeitstudiums oder konkreter studienvorbereitender Maßnahmen beabsichtigt. Er hat weder eine Zulassung von einer Hochschuleinrichtung, noch auch nur eine förmliche Studienplatzbewerbung nachgewiesen. Der Antragsteller hat sich lediglich bei der Antragsgegnerin nach der Möglichkeit erkundigt, sein in der Ukraine begonnenes Studium in Deutschland fortzusetzen.
106(3.) Der Kläger erfüllt ferner nicht die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Erwerbstätigkeit für die angestrebte Tätigkeit als Pflegehilfskraft, insbesondere nicht nach § 19c AufenthG.
107Nach § 19c Abs. 1 AufenthG kann einem Ausländer unabhängig von einer Qualifikation als Fachkraft eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung erteilt werden, wenn die Beschäftigungsverordnung oder eine zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt, dass der Ausländer zur Ausübung dieser Beschäftigung zugelassen werden kann. Gemäß § 39 Abs. 1 AufenthG setzt die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Ausübung einer Beschäftigung die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit voraus, es sei denn, die Zustimmung ist kraft Gesetzes, auf Grund der Beschäftigungsverordnung oder Bestimmung in einer zwischenstaatlichen Vereinbarung nicht erforderlich. Die Zustimmung kann erteilt werden, wenn dies durch ein Gesetz, die Beschäftigungsverordnung oder zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt ist.
108Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Weder die Beschäftigungsverordnung noch eine Vereinbarung zwischen Deutschland oder der Europäischen Union und der Türkei enthält eine entsprechende Regelung, dass der Antragsteller zur Mitarbeit in der Krankenpflege zugelassen werden kann.
109Für die angestrebte Tätigkeit als Pflegehilfskraft sieht die Beschäftigungsverordnung keinen Verordnungstatbestand vor. § 15c BeschV bestimmt lediglich für die Tätigkeit als Haushaltshilfe, dass die Zustimmung zu einem Aufenthaltstitel zur Ausübung einer versicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigung bis zu drei Jahren für hauswirtschaftliche Arbeiten und notwendige pflegerische Alltagshilfen in Haushalten mit Pflegebedürftigen im Sinne des Elften Buches Sozialgesetzbuch mit Vorrangprüfung erteilt werden kann, wenn die betreffenden Personen auf Grund einer Absprache der Bundesagentur für Arbeit mit der Arbeitsverwaltung des Herkunftslandes über das Verfahren und die Auswahl vermittelt worden sind. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass eine solche Vermittlungsabsprache besteht.
110Auch nach dem Assoziationsrecht EWG – Türkei kann der Antragsteller nicht zur Ausübung dieser Beschäftigung zugelassen werden. Der Assoziationsratsbeschluss EWG – Türkei Nr. 1/80 (ARB 1/80) regelt zwar u.a. die Befreiung von der Aufenthaltstitelpflicht sowie Möglichkeit der Aufnahme einer Beschäftigung für türkische Arbeitnehmern. Diese aufenthaltsrechtlichen Sonderbestimmungen gelten jedoch nicht für die erstmalige Einreise zum Zwecke der Arbeitsaufnahme, da das ARB 1/80 kein Zugangsrecht zum Bundesgebiet enthält. Türkische Staatsangehörige unterliegen in diesem Fall den allgemeinen Einreisebestimmungen, die für Drittstaatsangehörige gelten. Der ARB 1/80 regelt nur die Rechtsstellung türkischer Arbeitnehmer, die bereits auf dem regulären deutschen Arbeitsmarkt ordnungsgemäß beschäftigt sind.
111Überdies fehlt es an der nach § 39 Abs. 1 AufenthG für die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Ausübung einer Beschäftigung erforderliche Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit. Vor diesem Hintergrund kommt es auf die – vom Prozessbevollmächtigten des Antragstellers in der Antragsschrift vom 26. April 2023 geäußerte – Möglichkeit, dass die Zustimmung zur Ausübung einer Beschäftigung einem Ausländer auch ohne Vorrangprüfung ausnahmsweise erteilt werden könne, wenn deren Versagung eine besondere Härte im Sinne von § 37 BeschV bedeuten würde, nicht an, da diese Vorschrift lediglich den Verzicht auf eine im Einzelfall (noch) notwendige Vorrangprüfung betrifft, nicht jedoch ein Absehen von dem Zustimmungserfordernis regelt oder gar einen weiteren Verordnungstatbestand der Beschäftigungsverordnung schafft.
112Auch § 19c Abs. 3 AufenthG vermag dem Antragsteller keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Erwerbstätigkeit für die angestrebte Tätigkeit als Pflegehilfskraft vermitteln. Nach dieser Vorschrift kann einem Ausländer im begründeten Einzelfall eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn an seiner Beschäftigung ein öffentliches, insbesondere ein regionales, wirtschaftliches oder arbeitsmarktpolitisches Interesse besteht.
113Ein öffentliches Interesse an der Einstellung eines konkreten Ausländers ist namentlich dann gegeben, wenn sie dazu beiträgt, das in dem Unternehmen weitere Arbeitsplätze geschaffen werden oder verhindert, dass Arbeitsplätze abgebaut werden. Die Sondervorschrift ist im Gegensatz dazu aber nicht schon dann anzuwenden, wenn ein privater Arbeitgeber bekundet, den Ausländer einstellen zu wollen, die Nichtzulassung zu individuellen Härten führt oder der Ausländer in einem Mangelberuf beschäftigt werden soll.
114Vgl. VG Bayreuth, Beschluss vom 15. März 2023 - B 6 S 23.181 -, juris Rn. 52; Bergmann/Broscheit, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, § 19c AufenthG, Rn. 13.
115Diese eigenständige Zulassungsnorm ist strikt auf besondere Einzelfälle zugeschnitten, die nicht (allein) durch individuelle Härten oder besondere subjektive Bedürfnisse eines Ausländers oder eines Unternehmens gekennzeichnet sind, sondern durch das beschriebene öffentliche Interesse. Soweit die Aufenthaltserlaubnis nur in einem begründeten Einzelfall erteilt werden darf, muss sich dieser Fall hinsichtlich der Arbeitsmarktsituation von anderen Fällen unterscheiden. Das Zulassungssystem einschließlich der Zustimmung der Agentur für Arbeit ist auf die Bedürfnisse und die Aufnahmefähigkeit des deutschen Arbeitsmarkts ausgerichtet. Nur dann, wenn auf dieser Grundlage die Beschäftigung im Einzelfall nicht zugelassen werden kann, kann die Sonderregelung greifen. Der Bedarf darf nicht allgemeiner Natur sein, sondern nur in einer singulären Konstellation auftreten und anderweitig nicht gedeckt werden können. Nicht ausreichend wäre z.B. die Feststellung eines jahrelangen Engpasses in einem bestimmten Beruf. Der Bedarf muss vereinzelt, nicht flächendeckend in einer Branche, einem Beruf oder einer ganzen Wirtschaftsregion auftreten. Die im Gesetz besonders erwähnten öffentlichen Interessen müssen eine atypische Arbeitsmarktsituation widerspiegeln. Es muss ein regionales, wirtschaftliches oder arbeitsmarktpolitisches Interesse an der Beschäftigung bestehen, das mit den sonst zur Verfügung stehenden Mitteln nicht befriedigt werden kann.
116Bergmann/Broscheit, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, § 19c AufenthG, Rn. 14 ff.
117Unter Anwendung dieser Maßgaben besteht vorliegend kein öffentliches Interesse an der vom Antragsteller beabsichtigten Beschäftigung als Pflegehilfskraft bei der Firma T. in N. . Der Antragsteller hat weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, dass seine angestrebte Tätigkeit bzw. die Einstellung nicht nur dem privatwirtschaftlichen Einstellungsinteresse des künftigen Arbeitgebers sowie dem privaten Interesse des Antragstellers dienen und sich hinsichtlich der Arbeitsmarktsituation von anderen Fällen unterscheiden. Das vom Prozessbevollmächtigten des Antragstellers in der Antragsschrift vom 26. April 2023 geltend gemachte arbeitsmarktpolitische Interesse, da in dem Bereich der Pflege im Bundesgebiet händeringend nach Arbeitskräften gesucht werde, spricht schließlich auch dafür, dass es sich weder um eine singulär auftretende Konstellation, noch um eine atypische Arbeitsmarktsituation, sondern vielmehr um einen Bedarf allgemeiner Natur handelt.
118bb. Die Abschiebungsandrohung in Ziffer 2 und 3 der Ordnungsverfügung ist ebenfalls rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
119Die Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Sie ist formell rechtmäßig, insbesondere ist sie in der gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG gebotenen Schriftform samt Begründung ergangen.
120Die Abschiebungsandrohung begegnet auch materiell keinen Bedenken. Der Antragsteller ist im maßgeblichen Zeitpunkt des Ablaufes der Ausreisepflicht vollziehbar ausreisepflichtig gemäß § 50 Abs. 1, § 58 Abs. 2 AufenthG, da er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt. Vielmehr lehnte die Antragsgegnerin den Antrag des Antragstellers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis mit Bescheid vom 20. März 2023 ab.
121Der Antragsteller ist auch nicht (mehr) aufgrund des § 2 Abs. 1 der Verordnung zur vorübergehenden Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels von anlässlich des Krieges in der Ukraine eingereisten Personen (Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung – UkraineAufenthÜV) vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit. Nach dieser Vorschrift sind Ausländer, die sich am 24. Februar 2022 in der Ukraine aufgehalten haben und die bis zum 4. März 2024 in das Bundesgebiet eingereist sind, ohne den für einen langfristigen Aufenthalt im Bundesgebiet erforderlichen Aufenthaltstitel zu besitzen, für einen Zeitraum von 90 Tagen ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Einreise in das Bundesgebiet vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit.
122Diese Voraussetzungen liegen nicht (mehr) vor. Zwar war der Antragsteller für 90 Tage ab dem Zeitpunkt seiner erstmaligen Einreise in das Bundesgebiet vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit, da er sich nach seinen unwidersprochenen Angaben am 24. Februar 2022 in der Ukraine aufgehalten hat und am 1. August 2022, ohne den für einen langfristigen Aufenthalt im Bundesgebiet erforderlichen Aufenthaltstitel zu besitzen, in das Bundesgebiet eingereist ist. Der Zeitraum von 90 Tagen ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Einreise in das Bundesgebiet ist jedoch am 1. November 2022 abgelaufen.
123Dem Antragsteller ist mit der Ausreisefrist von 30 Tagen eine den Vorgaben des § 59 Abs. 1 Satz 1 bis 4 AufenthG entsprechende, in Anbetracht der Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet angemessene Frist gesetzt. Der vorrangige Zielstaat der Abschiebung ist gemäß § 59 Abs. 2 AufenthG benannt (Türkei).
124cc. Schließlich ist auch die Anordnung des befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots in Ziffer 4 der Ordnungsverfügung rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
125Die Anordnung des auf 12 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots beruht auf § 11 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 AufenthG und ist nicht zu beanstanden.
126Insoweit ist es im Ergebnis unschädlich, dass die Antragsgegnerin sowohl im Tenor als auch im Begründungsteil des Bescheides vom Wortlaut der Vorschrift des § 11 AufenthG in der bis zum 20. August 2019 geltenden Fassung auszugehen scheint. Denn durch die Neufassung des § 11 AufenthG haben sich die für die behördliche Fristbestimmung zu berücksichtigenden Umstände nicht geändert. Der Gesetzgeber hat lediglich klarstellend die bisherige Rechtslage an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes unionsrechtskonform als behördliche Anordnung eines befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbotes zu verstehen ist,
127Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3/17 -, juris, Rn. 70 ff.,
128angepasst.
129Vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23. April 2020 ‑ 2 L 30/20 ‑, juris Rn. 17 m.w.N.; VG Karlsruhe, Urteil vom 22. August 2019 - A 19 K 1718/17 -, juris Rn. 38; VG Düsseldorf, Urteil vom 25. November 2019 ‑ 27 K 1769/18.A ‑, juris Rn. 33 - 36.
130Nach diesen Maßstäben begegnet die Anordnung eines befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbotes keinen rechtlichen Bedenken. Entsprechend dem Wortlaut des § 11 Abs. 2 Satz 2 AufenthG gilt das Einreise- und Aufenthaltsverbot unter der aufschiebenden Bedingung der Abschiebung.
131Ermessensfehler bei der Bestimmung der Frist auf 12 Monate ab dem Tag der Abschiebung sind ebenfalls nicht festzustellen. Die Bestimmung der Frist ist gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar, nämlich nur darauf, ob die Behörde das Ermessen in seiner Reichweite erkannt, ihre Erwägungen am Zweck der Ermessensermächtigung ausgerichtet und die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens nicht überschritten hat, § 114 Satz 1 VwGO, § 40 VwVfG.
132Die Antragsgegnerin hat die Reichweite ihres Ermessens nicht überschritten. Aus der Begründung ist zudem erkennbar, dass sie ihre Erwägungen am Zweck der Ermessensermächtigung ausgerichtet hat, indem sie das öffentliche Interesse an dem Verbot einer kurzfristigen Wiedereinreise des Antragstellers mit dessen Interesse an einer erneuten Einreise in das Bundesgebiet abgewogen hat.
133Schließlich ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Antragsgegnerin diese Abwägung auf der Grundlage eines falschen Sachverhalts vorgenommen hätte oder sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt nachträglich in einer Weise verändert hätte, die eine Ergänzung der Ermessensausübung erfordern würde. Entsprechendes wird von dem Antragsteller auch nicht vorgetragen.
134b. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Bezug auf die begehrte Ausstellung einer Fiktionsbescheinigung bleibt ebenfalls ohne Erfolg.
135Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
136Nach § 123 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Dies setzt gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO voraus, dass das Bestehen eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird (Anordnungsanspruch), und die besondere Eilbedürftigkeit im Sinne einer Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Anordnungsgrund), glaubhaft gemacht werden. Im Unterschied zum Beweis verlangt die bloße Glaubhaftmachung keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Die tatsächlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs müssen jedoch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben sein und bei der dann vorzunehmenden vollen Rechtsprüfung zu dem Anspruch führen.
137Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
138Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch auf Ausstellung einer Fiktionsbescheinigung über die gesetzliche Fiktionswirkung, insbesondere nicht aus § 81 Abs. 3 Satz 1, § 81 Abs. 5 AufenthG, glaubhaft gemacht (§§ 123 Abs. 3, 920 Abs. 2, 294 ZPO).
139Nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG gilt der Aufenthalt eines Ausländers, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt, wenn er die Erteilung eines Aufenthaltstitels beantragt. Gem. § 81 Abs. 5 AufenthG ist dem Ausländer eine Bescheinigung über die Wirkung seiner Antragstellung (Fiktionsbescheinigung) auszustellen.
140Diese Voraussetzungen sind nicht (mehr) erfüllt. Denn die zunächst mit der Antragstellung eingetretene Fiktionswirkung als Voraussetzung für die Erteilung einer Fiktionsbescheinigung ist durch Erlass des Bescheides vom 20. März 2023 nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG erloschen.
141Zwar hat der Antragsteller sich aufgrund des § 2 Abs. 1 UkraineAufenthÜV im Zeitpunkt seiner erstmaligen Antragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels rechtmäßig ohne Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufgehalten, da er für den Zeitraum vom 1. August 2022 bis 1. November 2022 vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit war. Der während dieses rechtmäßigen Aufenthalts im August 2022 gestellte Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG hat zunächst eine Erlaubnisfiktion nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ausgelöst und sein Aufenthalt galt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt. Mit Ablehnung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels durch Bescheid vom 20. März 2023 ist nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG („bis zur Entscheidung ... als erlaubt“) die mit Stellung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels verbundene Erlaubnisfiktion kraft Gesetzes erloschen.
142Ist die Fiktionswirkung i. S. d. § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG in Folge der Ablehnung des Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis kraft Gesetzes erloschen, lebt die Fiktionswirkung für die Dauer des Rechtsbehelfsverfahrens weder wieder auf, noch ist der Ausländer so zu behandeln, als ob sie weiterbestünde.
143Vgl. Thür. OVG, Beschluss vom 30. Mai 2023 – 4 EO 208/23 –, juris.
144Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Erlass des Ministeriums für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen vom 17. Oktober 2022 betreffend das Verfahren bei nicht-ukrainischen drittstaatsangehörigen Studierenden aus der Ukraine,
145abrufbar unter: https://www.ggua.de/fileadmin/downloads/Ukraine/221017_MKJFGFI_Erlass_nicht-ukrainische_drittstaatsangehoerige_Studierende_aus_der_UKR__002_.pdf.
146Nach den Ausführungen auf Seite 3 f. sollen zwar nicht-ukrainische Drittstaatsangehörige, die nach dem 24. Februar 2022 aus der Ukraine kommend einmalig in die Bundesrepublik eingereist sind, während der Dauer ihrer Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels aufgrund der Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung des BMI einen (zumindest konkludenten) Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bei der Ausländerbehörde gestellt haben und glaubhaft machen, sich am 24. Februar 2022 mit einem befristeten Aufenthaltstitel rechtmäßig in der Ukraine aufgehalten zu haben, in der Ukraine an einer Universität oder Fachhochschule (FH) für ein Studium eingeschrieben gewesen zu sein und in Nordrhein-Westfalen ein Studium oder eine qualifizierte Ausbildung aufnehmen zu wollen (sicher nachgewiesen bei förmlicher Studienplatzbewerbung bei einer Universität/FH in NRW; auch ohne Bewerbung möglich: insbesondere bei nachgewiesener Kontaktaufnahme mit Universität/FH in NRW, bei Organisation bzw. Aufnahme eines (studienvorbereitenden) Sprachkurses o.ä.) zur Prüfung eines Aufenthaltstitels § 16b AufenthG (Studium) bzw. § 16a AufenthG (Ausbildung) eine Fiktionsbescheinigung gem. § 81 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 5 und Abs. 5a AufenthG für die Dauer von 12 Monaten ab erstmaliger (konkludenter) Antragstellung erhalten.
147Diese Voraussetzungen liegen jedoch im Falle des Antragstellers nicht vor. Dies bereits deshalb nicht, weil sein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bereits abgelehnt wurde. Überdies liegen die Voraussetzungen nicht vor, weil der Antragsteller weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht hat, dass er in Nordrhein-Westfalen ein Studium oder eine qualifizierte Ausbildung aufnehmen wolle.
148Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
149Die Streitwertfestsetzung ist nach § 39 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG erfolgt und orientiert sich an Nr. 1.5 und Nr. 8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31.05./01.06.2012 und am 18.07.2013 beschlossenen Änderungen (Streitwertkatalog 2013).
150Danach ist im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO die Hälfte des gesetzlichen Auffangwert festzusetzen (2.500,00 Euro). Die Abschiebungsandrohung und die Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes werden nicht streitwerterhöhend berücksichtigt.
151Hinzu ein Betrag in Höhe von 1.250,00 Euro für das auf Erteilung einer Fiktionsbescheinigung gemäß § 81 Abs. 5 AufenthG gerichtete Anordnungsverfahren gemäß § 123 VwGO,
152vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 28. Juni 2016 - 18 B 478/16 -, vom 18. Oktober 2013 - 18 E 962/13 -, und vom 26. März 2012 - 18 E 291/12 -, alle juris.
153Rechtsmittelbelehrung:
154(1) Prozesskostenhilfe bewilligende Beschlüsse sind für die Beteiligten unanfechtbar. Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe sind für die Beteiligten unanfechtbar, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint. Im Übrigen kann gegen Beschlüsse im Verfahren der Prozesskostenhilfe innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. Insoweit ist die Mitwirkung eines Prozessbevollmächtigten, insbesondere eines Rechtsanwalts oder eines Rechtslehrers an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt im Beschwerdeverfahren nicht erforderlich. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
155Auf die seit dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
156Die Beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
157(2) Gegen die Entscheidung über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet.
158Auf die seit dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
159Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) eingeht.
160Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
161Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sind durch einen Prozessbevollmächtigten einzureichen. Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
162Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
163(3) Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
164Auf die seit dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
165Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
166Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
167Die Beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
168War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.