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1. Bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung spricht Überwiegendes dafür, dass der in § 25 Abs. 1 Satz 1 StAG gesetzlich vorgesehene Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit in Fällen, in denen mit dem Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit zugleich der Verlust der Unionsbürgerschaft verbunden ist, nicht mit Art. 20 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union vereinbar ist.
2. Es bestehen Zweifel, ob die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für den Verlust der Unionsbürgerschaft zwingend erforderliche Einzelfallprüfung in der Möglichkeit, eine Beibehaltungsgenehmigung nach § 25 Abs. 2 Satz 1 StAG zu beantragen, erblickt werden kann.
3. Für Betroffene ist weder eine flexible Möglichkeit zum Wiedererwerb der deutschen Staatsangehörigkeit vorgesehen, noch existiert eine Rechtsgrundlage für die vom Europäischen Gerichtshof angesprochene "rückwirkende Wiederherstellung" der deutschen Staatsangehörigkeit nach Verlust der Staatsangehörigkeit gemäß § 25 Abs. 1 StAG.
4. Zweifel an der Vereinbarkeit vergleichbarer nationaler Regelungen mit den unionsrechtlichen Vorgaben bestehen auch in anderen Mitgliedstaaten, aus denen bereits entsprechende Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof (Rs. C-85/21 und C-689/21) gerichtet wurden.
Die aufschiebende Wirkung der Klage 8 K 2100/21 gegen die Ordnungsverfügungen der Antragsgegnerin vom 24. Februar 2021 wird wiederhergestellt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.
Gründe:
2I.
3Die Antragsteller wenden sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Feststellung des Nichtbestehens der deutschen Staatsangehörigkeit.
4Die Antragsteller erwarben am 27. August 1999 die deutsche Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung, am 2. September 1999 wurden sie aus der türkischen Staatsangehörigkeit entlassen.
5Die Antragsteller teilten am 1. September 2005 im Rahmen einer Vorsprache bei der Antragsgegnerin mit, am 24. November 2000 erneut die türkische Staatsangehörigkeit erworben zu haben. Hierzu legten sie eine Bescheinigung des türkischen Generalkonsulats in E. vom 31. August 2005 vor, wonach sie am 2. September 1999 den Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit beantragt und diese mit Beschluss Nr. 2000/1725 der Ministerratssitzung vom 24. November 2000 wieder erworben haben. Mit Schreiben vom 1. Dezember 2016 legten die Antragsteller der Antragsgegnerin einen türkischen Personenstandsregisterauszug vor, wonach der Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit bereits aufgrund eines Beschlusses des Ministerrats vom 1. November 1999 erfolgt sein sollte.
6Im August 2020 informierte die Antragsgegnerin die Antragsteller, dass auf dem Personenstandsregisterauszug mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Manipulation der Datumsangabe erfolgt sei und dem Auszug daher kein über den Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit hinausgehender Beweiswert zukommen könne.
7Nach Anhörung stellte die Antragsgegnerin mit Ordnungsverfügungen vom 24. Februar 2021 gemäß § 30 Abs. 1 StAG fest, dass die deutsche Staatsangehörigkeit der Antragsteller nicht mehr besteht. Der Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit am 24. November 2000 habe nach §§ 17 Abs. 1 Nr. 2, 25 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StAG zu einem automatischen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit geführt.
8Die Antragsteller haben am 30. März 2021 Klage erhoben und den vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzantrag gestellt.
9Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
10die aufschiebende Wirkung der Klage 8 K 2100/21 gegen die Ordnungsverfügungen der Antragsgegnerin vom 24. Februar 2021 wiederherzustellen,
11Die Antragsgegnerin beantragt,
12den Antrag abzulehnen.
13Sie führt ergänzend aus: Eine Ausnahme von dem kraft Gesetzes eintretenden Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit habe im streitgegenständlichen Zeitpunkt nur bestanden, wenn vor dem Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit die schriftliche Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit erteilt worden sei. Zum Zeitpunkt des Wiedererwerbs der türkischen Staatsangehörigkeit am 24. November 2000 habe eine solche Beibehaltungsgenehmigung nicht vorgelegen.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Sachverhaltes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
15II.
16Der Antrag hat Erfolg.
17Er ist zulässig und begründet.
18Nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 2. Alt. VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen einen Verwaltungsakt wiederherstellen, dessen sofortige Vollziehung die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO besonders angeordnet hat. Die Entscheidung des Gerichts hängt von einer Abwägung des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehbarkeit mit dem privaten Interesse des Antragstellers an einem vorläufigen Aufschub der Vollziehung ab. Für die Interessenabwägung fallen die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs, dessen aufschiebende Wirkung wiederhergestellt werden soll, wesentlich ins Gewicht. Ist der Verwaltungsakt rechtswidrig, so hat der Antrag Erfolg, da in diesem Fall kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit bestehen kann. Ist der Verwaltungsakt dagegen offensichtlich rechtmäßig, so überwiegt regelmäßig aus diesem Grund das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Maßnahme. Erweisen sich die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dagegen bei der in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes einzig möglichen und auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als offen, findet eine Abwägung der für und gegen die sofortige Vollziehung sprechenden Interessen statt.
19Dies zugrunde gelegt überwiegt das Suspensivinteresse der Antragsteller. Zwar enthalten die Ordnungsverfügungen der Antragsgegnerin (noch) eine den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO entsprechende Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung. Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung bestehen aber ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügungen. Die Antragsgegnerin hat voraussichtlich zu Unrecht das Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit der Antragsteller festgestellt. Es spricht Überwiegendes dafür, dass die Antragsteller die deutsche Staatsangehörigkeit nicht mit dem Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit verloren haben, weil der in § 25 Abs. 1 Satz 1 StAG gesetzlich vorgesehene Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit in Fällen, in denen mit dem Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit zugleich der Verlust der Unionsbürgerschaft verbunden ist, nicht mit Art. 20 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vereinbar ist und damit aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts nicht angewendet werden kann.
20Vgl. zum Anwendungsvorrang Streinz in Streinz EUV/AEUV, 3. Auflage 2018, Art. 4 EUV Rn. 39.
21Rechtsgrundlage der Feststellung, dass die Antragsteller die deutsche Staatsangehörigkeit verloren haben, ist § 30 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 1 StAG.
22Nach § 30 Abs.1 Satz 1 StAG wird das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit bei Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses auf Antrag von der Staatsangehörigkeitsbehörde festgestellt. Die Feststellung kann nach Satz 3 bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses auch von Amts wegen erfolgen.
23Nach § 25 Abs. 1 StAG in der hier maßgeblichen, am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen und bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15. Juli 1999 (BGBl. I S. 1618) verliert ein Deutscher seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit, wenn dieser Erwerb auf seinen Antrag erfolgt. Dabei ist unerheblich, ob der Antrag auf Erwerb der Staatsangehörigkeit vor oder nach dem Inkrafttreten dieser Vorschrift gestellt wurde, maßgeblich ist allein der Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit nach dem Inkrafttreten der Regelung am 1. Januar 2000.
24Vgl. Sachsenmaier in HTK/StAR / § 25 StAG / zu Abs. 1, Stand 03.02.2022, Rn. 13 m.w.N.; BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2006 – 2 BvR 1339/06 – juris Rn. 15.
25§ 25 Abs. 2 Satz 1 StAG bestimmt, dass die Staatsangehörigkeit nicht verliert, wer vor dem Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit auf seinen Antrag die schriftliche Genehmigung der zuständigen Behörde zur Beibehaltung seiner Staatsangehörigkeit erhalten hat. Bei einer Entscheidung über einen solchen Antrag sind nach Satz 3 die öffentlichen und privaten Belange abzuwägen.
26Es bestehen Zweifel, ob der in § 25 Abs. 1 StAG gesetzlich vorgesehene Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit mit Unionsrecht – insbesondere mit Art. 20 AEUV – vereinbar ist.
27Der Europäische Gerichtshof hat festgehalten, dass die Feststellung der Voraussetzungen für den Erwerb und den Verlust der Staatsangehörigkeit nach dem Völkerrecht zwar in die Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten fällt, aber die Tatsache, dass für ein Rechtsgebiet die Mitgliedstaaten zuständig sind, nicht ausschließt, dass die betreffenden nationalen Vorschriften in Situationen, die unter das Unionsrecht fallen, dieses Recht beachten müssen.
28Vgl. EuGH, Urteile vom 2. März 2020, Rottmann, C-135/08 – juris Rn. 39, 41 m.w.N.; vom 8. Juni 2017, Freitag, C-541/15 – juris Rn. 41f. und vom 14. Dezember 2021, V.M.A., C-490/20 – juris Rn. 38.
29Die Situation von Unionsbürgern, die die Staatsangehörigkeit nur eines einzigen Mitgliedstaates besitzen und die durch den Verlust dieser Staatsangehörigkeit auch mit dem Verlust des durch Art. 20 AEUV verliehenen Status eines Unionsbürgers und der damit verbundenen Rechte konfrontiert werden, fällt daher ihrem Wesen und ihren Folgen nach unter das Unionsrecht. Infolgedessen haben die Mitgliedstaaten bei der Ausübung ihrer Zuständigkeit im Bereich der Staatsangehörigkeit das Unionsrecht zu beachten.
30Vgl. EuGH, Urteile vom 2. März 2020, Rottmann, C-135/08 – juris Rn. 42, 45 m.w.N. und vom 14. Dezember 2021, V.M.A., C-490/20 – juris Rn. 38.
31In diesem Rahmen ist es Sache der zuständigen nationalen Behörden und der nationalen Gerichte, zu prüfen, ob mit dem Verlust der Staatsangehörigkeit des betreffenden Mitgliedstaates, wenn er zum Verlust des Unionsbürgerstatus und der damit verbundenen Rechte führt, hinsichtlich seiner Auswirkungen auf die unionsrechtliche Stellung des Betroffenen und gegebenenfalls seiner Familienangehörigen, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt wird.
32Vgl. EuGH, Urteil vom 2. März 2020, Rottmann, C-135/08 – juris Rn. 55 und 56 m.w.N.
33Der Verlust der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates kraft Gesetzes verstößt dann gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn die relevanten innerstaatlichen Rechtsvorschriften zu keinem Zeitpunkt eine Einzelfallprüfung der Folgen dieses Verlustes für die Situation der Betroffenen aus unionsrechtlicher Sicht erlauben.
34Vgl. EuGH, Urteil vom 12. März 2019, Tjebbes u.a., C-221/17 – juris Rn. 41.
35Eine solche Prüfung erfordert eine Beurteilung der individuellen Situation der betroffenen Person sowie der ihrer Familie, um zu bestimmen, ob der Verlust der Staatsangehörigkeit des betreffenden Mitgliedstaats, wenn er den Verlust des Unionsbürgerstatus mit sich bringt, Folgen hat, die die normale Entwicklung ihres Familien- und Berufslebens – gemessen an dem vom nationalen Gesetzgeber verfolgten Ziel – aus unionsrechtlicher Sicht unverhältnismäßig beeinträchtigen würden. Dabei darf es sich nicht um nur hypothetische oder potenzielle Folgen handeln.
36Vgl. EuGH, Urteil vom 12. März 2019, Tjebbes u.a., C-221/17 – juris Rn. 44.
37In Situationen, in denen der Verlust der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates kraft Gesetzes erfolgt und den Verlust der Unionsbürgerschaft nach sich zieht, müssen die zuständigen nationalen Behörden und Gerichte in der Lage sein, bei der Beantragung eines Reisedokuments oder eines anderen Dokuments zur Bescheinigung der Staatsangehörigkeit durch eine betroffene Person inzident die Folgen dieses Verlusts der Staatsangehörigkeit zu prüfen und gegebenenfalls die Staatsangehörigkeit der betroffenen Person rückwirkend wiederherzustellen,
38Vgl. EuGH, Urteil vom 12. März 2019, Tjebbes u.a., C-221/17 – juris Rn. 42.
39Diesen Anforderungen wird § 25 StAG wahrscheinlich nicht gerecht.
40Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 StAG verliert ein Deutscher kraft Gesetzes die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn er auf eigenen Antrag eine ausländische Staatsangehörigkeit erwirbt. Eine Einzelfallprüfung der Folgen des Verlusts der deutschen Staatsangehörigkeit ist in § 25 Abs. 1 Satz 1 StAG nicht vorgesehen.
41Die Kammer bezweifelt, ob die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zwingend erforderliche Einzelfallprüfung in der Möglichkeit, eine Beibehaltungsgenehmigung nach § 25 Abs. 2 Satz 1 StAG zu beantragen, erblickt werden kann.
42Zwar sieht § 25 Abs. 2 Satz 3 StAG im Rahmen der Prüfung eines Antrages auf Beibehaltung eine Abwägung zwischen öffentlichen und privaten Belangen ausdrücklich vor und ermöglicht so eine umfassende Prüfung der Rechtsstellung des Betroffenen,
43vgl. VG Köln, Urteil vom 10. Juli 2019 – 10 K 8913/17 – juris Rn. 26.
44Der Einschätzung, dass vor diesem Hintergrund die vom Europäischen Gerichtshof formulierten Vorgaben als erfüllt anzusehen wären,
45so VG Köln, Urteil vom 10. Juli 2019 – 10 K 8913/17 – juris Rn. 26,
46kann sich die Kammer indes nicht ohne weiteres anschließen.
47Denn die Möglichkeit der Einzelfallprüfung ist den zuständigen Behörden nur eröffnet, wenn der Betroffene vor dem Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit die Beibehaltungsgenehmigung nach § 25 Abs. 2 Satz 1 StAG nicht nur beantragt, sondern auch erhalten hat. Wird ein Antrag auf Erteilung einer Beibehaltungsgenehmigung gleich aus welchen Gründen erst nach dem Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit gestellt oder beschieden, tritt der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 25 Abs. 1 Satz 1 StAG kraft Gesetzes und ohne die Möglichkeit einer Einzelfallprüfung ein.
48Für Betroffene ist auch keine flexible Möglichkeit zum Wiedererwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach Verlust der Staatsangehörigkeit gemäß § 25 Abs. 1 StAG vorgesehen. Betroffene müssen vielmehr erneut ihre Einbürgerung beantragen. In solchen Fällen ist ein Einbürgerungsverfahren zu durchlaufen, für dessen positiven Ausgang die Voraussetzungen der Einbürgerungstatbestände (erneut) erfüllt werden müssen. Dass im Rahmen des Einbürgerungsverfahrens die Hintergründe des Verlusts der Staatsangehörigkeit Berücksichtigung finden könnten, ist auch im Rahmen der Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG nicht ersichtlich. Eine Rechtsgrundlage für die vom Europäischen Gerichtshof angesprochene „rückwirkende Wiederherstellung“ der deutschen Staatsangehörigkeit ist ebenfalls nicht erkennbar.
49Zweifel an der Vereinbarkeit vergleichbarer nationaler Regelungen mit den unionsrechtlichen Vorgaben bestehen auch in anderen Mitgliedstaaten, aus denen entsprechende Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof gerichtet wurden.
50Gegenstand einer Vorlage aus Dänemark ist § 8 des Gesetzes über die dänische Staatsangehörigkeit, der folgenden Inhalt hat:
51„Eine Person, die im Ausland geboren wurde und nie in Dänemark gewohnt hat und sich dort auch nicht unter Umständen aufgehalten hat, die auf eine Bindung zu Dänemark schließen lassen, verliert die dänische Staatsangehörigkeit bei Vollendung des 22. Lebensjahres, es sei denn, dass die Person dadurch staatenlos wird. Der Minister für Flüchtlinge, Einwanderer und Integration oder der von ihm hierzu Ermächtigte können jedoch auf vor diesem Zeitpunkt gestellten Antrag genehmigen, dass die Staatsangehörigkeit beibehalten wird.“
52Nach Auffassung des vorlegenden dänischen Gericht wirft die Frage, ob der automatische und ausnahmslose Verlust der Staatsangehörigkeit – und damit der Unionsbürgerschaft – der gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 des dänischen Staatsangehörigkeitsgesetzes mit Vollendung des 22. Lebensjahres eintritt, in Verbindung mit der Schwierigkeit, nach Vollendung des 22. Lebensjahres in Dänemark die Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung wiederzuerlangen, mit Art. 20 AEUV in Verbindung mit Art. 7 der Charta vereinbar ist, solche Zweifel auf, dass diese Frage dem Gerichtshof vorzulegen ist.
53Vgl. Vorabentscheidungsersuchen vom 11. Oktober 2021, Rs C-689/21, Rn. 20.
54Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat eine dem § 25 StAG vergleichbare Regelung dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt. Nach § 27 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die österreichische Staatsbürgerschaft (Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 – StbG) verliert die österreichische Staatsbürgerschaft, wer auf Grund seines Antrages, seiner Erklärung oder seiner ausdrücklichen Zustimmung eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt, sofern ihm nicht vorher die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft bewilligt worden ist.
55Auch das österreichische Gericht sieht in einem drohenden Verlust des Unionsbürgerstatus und damit einhergehend dem Verlust der rechtmäßigen Ausübung des durch Art. 21 AEUV gewährleisteten Freizügigkeitsrechts ein Spannungsverhältnis im Hinblick auf die vorzunehmende Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall.
56Vgl. Vorabentscheidungsersuchen vom 11. Februar 2021 – Rs. C-85/21 – juris Rn. 10, wobei der Fokus des österreichischen Vorabentscheidungsersuchens auf Art. 21 AEUV liegt.
57Aufgrund der dargelegten Zweifel an der Unionsrechtskonformität des § 25 StAG überwiegt das private Aussetzungsinteresse der Antragsteller. Es besteht kein öffentliches Interesse daran, eine möglicherweise unionsrechtswidrige Regelung vorläufig zu vollziehen.
58Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
59Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Das Gericht bewertet das Interesse der Antragsteller im Hinblick auf die Vorläufigkeit der Entscheidung im Eilrechtsschutz mit der Hälfte des für das Klageverfahren festzusetzenden doppelten Auffangwertes nach § 52 Abs. 2 GKG.
60Rechtsmittelbelehrung:
61(1) Gegen die Entscheidung über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet.
62Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
63Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) eingeht.
64Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
65Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sind durch einen Prozessbevollmächtigten einzureichen. Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
66Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sollen möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
67(2) Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
68Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
69Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
70Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
71Die Beschwerdeschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
72War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.