Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Einstweiliger Rechtsschutz gegen falsche Abschlussmitteilung gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Ausländerbehörde der Stadt L. mitzuteilen, dass das Asylverfahren des Antragstellers nicht durch den Zustellversuch vom 05.03.2022 – den Bescheid vom 01.03.2022 betreffend – abgeschlossen ist.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Gründe:
2Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen, weil der Antragsteller schon nicht durch Vorlage des ordnungsgemäß ausgefüllten Formulars dargetan hat, dass die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorliegen, § 166 VwGO, §§ 114, 117 Abs. 2 ZPO.
3Der am 20. Oktober 2022 bei Gericht wörtlich gestellte Antrag,
4die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Ausländerbehörde mitzuteilen, dass bis zu einer weiteren Mitteilung die Abschiebung zu unterlassen ist und ihm vorläufig wieder eine Aufenthaltsgestattung auszustellen,
5wird vom Gericht wie tenoriert verstanden
6womit das Gericht nicht wirklich hinter dem beantragten Umfang zurückbleibt, dessen weitergehende Ziele nahezu automatische Rechtsfolge der tenorierten Verpflichtung sein werden,
7und hat insoweit auch Erfolg.
8Der Zulässigkeit des Antrags steht entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht entgegen, dass der Antragsteller (noch) keine Hauptsacheklage erhoben hat. Eine solche Zulässigkeitsvoraussetzung ergibt sich weder aus dem Prozessrecht, noch aus dem materiellen Recht. Der Antragsteller begehrt auch keine Vorwegnahme der Hauptsache – etwa den Zuspruch eines der asylrechtlichen Streitgegenstände -, sondern will in der Sache lediglich die vorläufige Sicherung seines aus dem gestellten Asylantrag von Gesetzes wegen resultierenden verfahrensabhängigen Bleiberechts (Aufenthaltsgestattung) erreichen. Dies für unzulässig zu halten, macht es sich die Antragsgegnerin zu leicht.Die Antragsgegnerin, die sich gegenüber der Ausländerbehörde der Stadt L. der Bestandskraft ihres Bescheides vom 01.03.2022 berühmt, ist auch die richtige Antragsgegnerin, um die Frage der Bestandskraft für die Beteiligten bindend zu klären.
9Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung treffen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller die Eilbedürftigkeit der Regelung (Anordnungsgrund) und ein Recht auf das begehrte Verwaltungshandeln (Anordnungsanspruch) glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 3, 294 ZPO).
10Diese Voraussetzungen liegen vor.
11Ein Anordnungsgrund ist glaubhaft gemacht, weil die für den Antragsteller zuständige Ausländerbehörde der Stadt L. wegen der Abschlussmitteilung der Antragsgegnerin vom 20. April 2022 davon ausgeht, dass der das Asylverfahren des Antragstellers angeblich abschließende Bescheid wirksam zugestellt und mangels erhobener Klage unanfechtbar geworden ist, mit allen sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen (z.B. Erlöschen der Aufenthaltsgestattung nach § 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylG). Der Antragsteller wird mithin als ausreisepflichtig angesehen und die Erfüllung dieser Verpflichtung wird von ihm verlangt.
12Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.Nach § 40 Abs. 1 AsylG unterrichtet das Bundesamt unverzüglich die Ausländerbehörde, in deren Bezirk sich der Ausländer aufzuhalten oder Wohnung zu nehmen hat, über eine vollziehbare Abschiebungsandrohung und leitet ihr unverzüglich alle für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen zu. Ungeachtet der Frage, ob diese Norm in ihrer vornehmlichen Funktion dem einzelnen Asylantragsteller einen Anspruch gegen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf Mitteilung des negativen Ausgangs des Asylverfahrens an die zuständige Ausländerbehörde vermitteln kann, so lässt sich dem auf der anderen Seite sicherlich nur die Befugnis zur Weitergabe zutreffender Informationen entnehmen. Dann muss aus der Norm aber überwiegend wahrscheinlich auch ein Abwehranspruch gegen falsche Informationen abzuleiten sein. Effektiven Rechtsschutz im Falle der Falschinformation kann indes nur ein Berichtigungsanspruch gegen den Informanten garantieren. So liegt der Fall hier.
13Die Abschlussmitteilung des Inhalts, dass der Bescheid vom 01.03.2022 in Bestandskraft erwachsen ist, ist offensichtlich falsch.Nach § 31 Abs. 1 Satz 3 AsylG hat das Bundesamt der Anfechtung unterliegende Entscheidungen – wie hier einen ablehnenden Asylbescheid – zuzustellen. Ausweislich der PZU in den Akten des Bundesamtes und der zur Gerichtsakte gereichten Kopie ist der Bescheid vom 01.03.2022 dem Antragsteller nicht zugestellt worden. Vielmehr hat der Zusteller auf der Urkunde vermerkt, „Adressat unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln“ und den Bescheid der Antraggegnerin zurückgesandt. Damit ist eine Zustellung gem. § 3 Abs. 1 und 2 VwZG i.V.m. §§ 177 bis 182 ZPO und § 10 Abs. 5 AsylG nicht bewirkt.
14Der Antragsteller muss sich auch nicht nach § 10 Abs. 2 S. 4 AsylG so behandeln lassen, als sei die Zustellung bewirkt. Denn die Norm setzt voraus, dass der Ausländer seinen Pflichten zur Mitteilung seiner aktuellen Anschrift nicht nachgekommen ist. Hier hatte das Bundesamt dem AZR-Portal die Anschrift des Antragstellers „X.-------weg 00, 00000 L. “ entnommen, was der Mitteilung durch den Antragsteller gleichsteht (§ 10 Abs. 2 Satz 2 AsylG). Nach Lage der Akten der Antragsgegnerin und die der zuständigen Ausländerbehörde war dies auch die zum Zustellversuch am 05.03.2022 aktuelle Anschrift des Antragstellers. Aus der Ausländerakte ergibt sich, dass der Antragsteller am 09.12.2021 in die Unterkunft an dieser Anschrift einzog und dort bis zum 06.09.2022 auch wohnte. Zahlreiche Schreiben an den Antragsteller unter dieser Anschrift haben ihn auch erreicht. Den Akten lässt sich kein einziger Hinweis auf eine etwa abweichende Anschrift im maßgeblichen Zeitraum entnehmen.Auch die Zustellfiktion des § 10 Abs. 4 Satz 4 AsylG greift nicht, da der Postbote die Sendung nicht der Aufnahmeeinrichtung übergeben hat.Woher die fiktive Zustellung des Bescheides resultieren mag, konnte die Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung nicht benennen.
15Ist der Bescheid vom 01.03.2022 mangels erforderlicher Zustellung gar nicht wirksam geworden (§§ 43 Abs. 1, 41 Abs. 1 und 5 VwVfG) und konnte nach § 74 Abs. 1 und 2 VwGO die Klagefrist nicht in Lauf setzen, so konnte er auch nicht in Bestandskraft erwachsen. Die Abschlussmitteilung der Antragsgegnerin an die Ausländerbehörde der Stadt L. vom 20.04.2022, der Bescheid vom 01.03.2022 sei unanfechtbar, ist mithin falsch.
16Die Antragsgegnerin ist daher verpflichtet, der Ausländerbehörde der Stadt L. mitzuteilen, dass das Asylverfahren des Antragstellers nicht durch den Zustellversuch am 05.03.2022 abgeschlossen ist.
17Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylG.
18Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.