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Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
2I.
3Der Antragsteller begehrt die vorläufige Neuerteilung der Fahrerlaubnis, nachdem sie ihm drogenbedingt entzogen worden war.
4Das Hauptzollamt L. stellte am 7. März 2019 eine an den Antragsteller adressierte Paketsendung mit 10 Gramm Amphetamin (3-Methylmethcathinon) sicher. Im Rahmen des deshalb gegen den Antragsteller eingeleiteten Ermittlungsverfahrens wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz gab dieser an, dass er das Amphetamin am 5. Januar 2019 über einen Onlinehändler aus dem Ausland bestellt habe. Das Ermittlungsverfahren wurde von der Staatsanwaltschaft H. am 8. Januar 2020 gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt.
5Die damals zuständige Fahrerlaubnisbehörde des X. forderte den Antragsteller, der noch Inhaber einer Fahrerlaubnis war, mit Schreiben vom 14. Februar 2020 auf, bis zum 14. April 2020 ein ärztliches Gutachten vorzulegen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller widerrechtlich Betäubungsmittel, nämlich 3-MMC Amphetamin, besessen habe. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV sei daher durch die Begutachtung zu klären, ob er Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes konsumiere. Der Antragsteller trug daraufhin mit E-Mail vom 12. März 2020 vor, dass er nicht im Besitz von Betäubungsmitteln gewesen sei, sondern diese lediglich bestellt habe. Die Fahrerlaubnisbehörde teilte dem Antragsteller in der Folgezeit mit, dass sie an ihrer Begutachtungsanordnung festhalte. Sie verlängerte die Frist zur Gutachtenvorlage bis zum 29. Juni 2020. Der Antragsteller bat mit E-Mail vom 29. Juni 2020 um weitere Fristverlängerung. Er trug vor, dass er die Begutachtungskosten nicht aufbringen könne, jedoch dringend auf seinen Führerschein angewiesen sei. Wenn er letzteren verliere, könne er sich „gleich das Leben nehmen“. Nach zwischenzeitlichem Wohnsitzwechsel des Antragstellers entzog der Antragsgegner ihm mit bestandskräftigem Bescheid vom 31. August 2020 die Fahrerlaubnis. Zur Begründung führte der Antragsgegner im Wesentlichen aus, dass der Antragsteller die Eignungszweifel nicht ausgeräumt habe. Eine weitere Fristverlängerung zur Vorlage des Gutachtens könne nicht mehr gewährt werden. Gemäß § 11 Abs. 8 FeV sei auf die Nichteignung des Antragstellers zu schließen.
6Der Antragsteller beantragte am 9. November 2020 die Neuerteilung der Fahrerlaubnis hinsichtlich aller ihm „zuvor entzogenen Fahrerlaubnisklassen“. Nachdem der Antragsgegner den Antragsteller darauf hinwies, dass für die Neuerteilung der „C-Klassen“ die Vorlage eines ärztlichen und augenärztlichen Gutachtens erforderlich sei, erklärte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2020, auf die Neuerteilung der „Klasse C“ zu verzichten.
7Der Antragsgegner forderte den Antragsteller mit Schreiben vom 22. Dezember 2020 auf, zur Überprüfung seiner Fahreignung bis zum 22. März 2021 ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorzulegen. Zur Begründung verwies der Antragsgegner im Wesentlichen darauf, dass der Antragsteller das mit Anordnung vom 14. Februar 2020 geforderte ärztliche Gutachten nicht beigebracht habe, woraufhin ihm die Fahrerlaubnis entzogen worden sei. Nach § 14 Abs. 2 FeV sei ein medizinisch-psychologisches Gutachten anzuordnen, wenn der Fahrerlaubnisinhaber das wegen Betäubungsmittelbesitzes angeordnete ärztliche Gutachten nicht beigebracht habe.
8Der Antragsteller trug mit Schreiben vom 8. Januar 2021, 1. Februar 2021, 30. März 2021 und 14. Mai 2021 im Wesentlichen vor, dass die Begutachtungsanordnung rechtswidrig sei und (daher) nicht befolgt werden müsse. Eine strafrechtliche Verurteilung liege nicht vor. Das Ermittlungsverfahren wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln sei eingestellt worden. Allein der Besitz einer derart geringen Menge von Betäubungsmitteln berechtige nicht zur Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung. Es bestehe kein Zusammenhang zum Straßenverkehr. Die Betäubungsmittel seien zum Zwecke des Suizids bestellt worden. Suizidgefahr bestehe jedoch nicht mehr. Sämtliche „Probleme“ hätten sich mittlerweile erledigt. Der Antragsteller legte diesbezüglich die Zusammenfassung einer gutachterlichen Stellungnahme von Frau Dr. I. vom 17. Februar 2020 sowie Berichte der Aus- und Weiterbildungseinrichtung für L1. W. (B. ) vom 28. Januar 2020 und 3. August 2020 vor.
9Der Antragsgegner lehnte mit Bescheid vom 28. Mai 2021 den Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis ab. Er führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Der Antragsteller habe das geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht vorgelegt und somit die Zweifel an seiner Fahreignung nicht ausgeräumt, so dass die beantragte Fahrerlaubnis nicht erteilt werden könne.
10Der Antragsteller hat gegen den Bescheid des Antragsgegners am 28. Juni 2021 Klage erhoben (6 K 4404/21), über die noch nicht entschieden ist. Er hat am 3. Februar 2022 den vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Er wiederholt zur Begründung im Wesentlichen seinen Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor: Es lägen keine Tatsachen vor, die Zweifel an seiner Fahreignung begründen würden. Er habe zu keinem Zeitpunkt Betäubungsmittel besessen. Die bloße Bestellung von Betäubungsmitteln lasse nicht den Schluss zu, dass er auch in Zukunft Betäubungsmittel bestellen werde. Er habe weder unter Suizidgefahr noch unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln jemals ein Fahrzeug im Straßenverkehr geführt. Im Übrigen habe die bestellte Betäubungsmittelmenge ohnehin nicht zum Suizid ausgereicht. Durch die Abgabe des Führerscheins komme es zu massiven täglichen persönlichen, privaten und finanziellen Problemen.
11Der Antragsteller beantragt wörtlich,
12den Antragsgegner unter Aufhebung des Bescheides vom 28. Mai 2021 zu verpflichten, dem Antragssteller die Fahrerlaubnis zu erteilen, sämtlich zuvor besessene Fahrerlaubnisklassen beinhaltend.
13Der Antragsgegner beantragt,
14den Antrag abzulehnen.
15Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners ergänzend Bezug genommen.
16II.
17Der Einzelrichter ist zuständig, nachdem ihm die Kammer den Rechtsstreit zur Entscheidung übertragen hat, § 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
18Das Gericht legt den Antrag gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO sachdienlich dahingehend aus, dass der Antragsteller lediglich die vorläufige Neuerteilung der Fahrerlaubnis einstweilen bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache (6 K 4404/21) begehrt. Denn das Gericht ist in Verfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO entsprechend dem Sicherungszweck des Anordnungsverfahrens grundsätzlich auf den Ausspruch einer vorläufigen Regelung beschränkt, die der Entscheidung über das Rechtsschutzbegehren im Hauptsacheverfahren nicht vorgreifen darf.
19Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11. Januar 2018 – 16 B 1465/17 –, juris, Rn. 3.
20Zudem geht das Gericht davon aus, dass der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht die einstweilige Neuerteilung der Klassen CE, C1 und C1E umfasst. Denn der Antragsteller hat hinsichtlich letzterer im Verwaltungsverfahren mit Verzichtserklärung vom 14. Dezember 2020 seinen Neuerteilungsantrag – jedenfalls sinngemäß – zurückgenommen. Insoweit würde es schon an einem Antrag im Sinne des § 21 Abs. 1 FeV fehlen. Im Übrigen hätte ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hinsichtlich der vorgenannten Fahrerlaubnisklassen auch deshalb keinen Erfolg, da der Antragsteller keine Nachweise über seine gesundheitliche und geistige Eignung gemäß § 11 Abs. 9 FeV i.V.m. Anlage 5 zur FeV FeV sowie über sein Sehvermögen gemäß § 12 Abs. 6 FeV i.V.m. Anlage 6 Nr. 2 zur FeV vorgelegt hat, vgl. auch § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV.
21Der so verstandene Antrag hat keinen Erfolg. Er ist zulässig, aber unbegründet.
22Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis, insbesondere ein solches dauernder Art, erlassen werden, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass der zu regelnde Anspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) vom jeweiligen Antragsteller glaubhaft gemacht werden (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 und § 294 ZPO).
23Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 27. März 2021 – 16 B 67/21 −, n.v., vom 28. Januar 2020 – 16 B 1057/19 −, n.v. sowie vom 11. Januar 2018 – 16 B 1465/17 –, juris, Rn. 2 ff.
24Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Es spricht nach Aktenlage Überwiegendes dafür, dass es an einem Anordnungsanspruch des Antragstellers fehlt. Denn dem Antragsteller steht der geltend gemachte Anspruch auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis voraussichtlich nicht zu.
25Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Straßenverkehrsgesetz (StVG), der gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) auch bei der Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung Anwendung findet, setzt die Erteilung einer Fahrerlaubnis für die jeweilige Klasse unter anderem voraus, dass der Bewerber zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist. Dies ist gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG und § 11 Abs. 1 Satz 1 FeV der Fall, wenn er die körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen hat. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 FeV sind die Anforderungen insbesondere dann nicht erfüllt, wenn ein Mangel oder eine Erkrankung im Sinne von Anlage 4 oder 5 zur FeV vorliegt. Gibt es hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass ein solcher Mangel vorliegen könnte, ist die Fahrerlaubnisbehörde nach Maßgabe der §§ 11 bis 14 FeV dazu berechtigt oder sogar verpflichtet, Maßnahmen zur Aufklärung bestehender Fahreignungszweifel zu ergreifen.
26Bei der (Neu-)Erteilung der Fahrerlaubnis ist es Sache des Fahrerlaubnisbewerbers, seine Kraftfahreignung darzulegen (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 6 StVG). Er trägt daher den Nachteil der Unerweislichkeit der Eignungsvoraussetzungen. Es besteht keine Eignungsvermutung, das heißt die Fahrerlaubnis ist zu versagen, wenn die Eignung nicht positiv festgestellt werden kann. Ein Anspruch auf Erteilung der Fahrerlaubnis besteht nicht, solange Eignungszweifel vorliegen, welche die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens rechtfertigen.
27Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. Mai 2013 – 16 E 513/12 –, n.v.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 7. Juli 2015 – 10 S 116/15 –, juris, Rn. 19; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Auflage 2019, StVG, § 2 StVG Rn. 41 m.w.N.
281. Hiervon ausgehend hat der Antragsgegner nach Aktenlage voraussichtlich zu Recht angenommen, dass der Antragsteller derzeit als fahrungeeignet gilt, weil er die mit Anordnung vom 22. Dezember 2020 geforderte medizinisch-psychologische Untersuchung verweigert hat.
29Weigert sich der Bewerber um eine Fahrerlaubnis, einer Gutachtenanordnung der Fahrerlaubnisbehörde nachzukommen, oder bringt er das von ihm geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV (i.V.m. § 20 Abs. 1 FeV) bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen.
30Der Schluss auf die Nichteignung ist aber nur dann zulässig, wenn die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig sowie hinreichend bestimmt ist.
31Vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Juni 2005 – 3 C 21/04 –, juris, Rn. 20 ff. und vom 9. Juni 2005 – 3 C 25/04 –, juris, Rn. 19; OVG NRW, Beschluss vom 5. Januar 2011 – 16 B 1695/10 –.
32Nach diesen Maßgaben durfte der Antragsgegner voraussichtlich gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Antragstellers schließen und seinen Antrag auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis ablehnen. Denn der Antragsteller hat das von dem Antragsgegner mit Anordnung vom 22. Dezember 2020 auf der Grundlage von § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht beigebracht, obwohl die Gutachtenanordnung voraussichtlich rechtmäßig erfolgt ist.
33Die Gutachtenanordnung begegnet nach summarischer Prüfung keinen formellen Bedenken. Der Antragsgegner hat insbesondere die formellen Erfordernisse des § 11 Abs. 6 FeV beachtet. Er hat die zu klärenden Fragestellungen formuliert und die Gründe dargelegt, aus denen seine Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers erwuchsen. Er hat mit der amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung eine Untersuchungsstelle benannt und eine Vorlagefrist von drei Monaten gesetzt. Der Antragsgegner hat darauf hingewiesen, dass der Antragsteller die Begutachtung auf eigene Kosten durchführen lassen muss. Er hat ihn weiterhin über sein Akteneinsichtsrecht aufgeklärt. Er hat schließlich den Antragsteller nach § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV auf die Folgen einer Untersuchungsverweigerung bzw. einer Nichtvorlage des Gutachtens innerhalb der gesetzten Frist hingewiesen.
34Die Gutachtenanforderung ist voraussichtlich auch materiell rechtmäßig. Rechtsgrundlage für die Anordnung des medizinisch-psychologischen Gutachtens ist vorliegend § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV. Nach dieser Regelung kann die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden, wenn die Fahrerlaubnis aus einem der in § 14 Abs. 1 FeV genannten Gründe durch die Fahrerlaubnisbehörde entzogen war. § 14 Abs. 1 FeV selbst regelt indes keine Tatbestände, die unmittelbar zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen, sondern die Voraussetzungen für die Anordnung eines ärztlichen (Abs. 1 Satz 1 und 2) bzw. medizinisch-psychologischen Gutachtens (Abs. 1 Satz 3). Schon hieraus folgt, dass § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV die Entziehung wegen der Nichteignung des früheren Fahrerlaubnisinhabers gestützt auf die Vorlage bzw. Nichtvorlage eines auf der Grundlage von § 14 Abs. 1 FeV geforderten Gutachtens umfasst. Dies wird auch mit Blick auf – den hier einschlägigen − § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV deutlich. Demnach kann beim widerrechtlichen Besitz von Betäubungsmitteln ein ärztliches Gutachten angeordnet werden. Zweck dieser Gutachtenanordnung ist die Klärung, ob der Betroffene Betäubungsmittel konsumiert.
35Vgl. auch Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Auflage 2019, StVG, § 14 FeV Rn. 17.
36Maßgeblicher Grund für die Entziehung im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV ist im Falle des § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV insoweit nicht der bloße Besitz von Betäubungsmitteln, sondern dass der Betroffene entweder das geforderte Gutachten vorlegt und dadurch die Eignungsbedenken – den Konsum von Betäubungsmitteln − bestätigt oder durch die (grundlose) Nichtvorlage des Gutachtens die Eignungszweifel nicht ausgeräumt hat, so dass gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf seine Nichteignung zu schließen war.
37Der Auffassung, § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV komme nicht zur Anwendung, wenn sich die frühere Fahrerlaubnisentziehung auf § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV stütze,
38vgl. BayVGH, Urteil vom 2. Dezember 2011 – 11 B 11.246 –, juris, Rn. 18 zur vergleichbaren Regelung des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe d FeV; zuletzt offengelassen, vgl. BayVGH, Beschluss vom 5. Februar 2021 – 11 CS 20.2160 –, juris, Rn. 33,
39schließt sich das Gericht − in Einklang mit der wohl überwiegenden Rechtsprechung – nicht an.
40Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 2013 – 3 C 6/12 –, juris, Rn. 22; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 6. April 2017 – 12 PA 199/16 –, juris, Rn. 12; VG Berlin, Urteil vom 4. März 2021 – 4 K 125/20 −, juris, Rn. 27; VG Augsburg, Urteil vom 18. Juli 2016 – Au 7 K 15.1883 −, juris, Rn. 31.
41Der Umstand, dass § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV nicht ausdrücklich in § 14 FeV genannt wird, ist schon deshalb unerheblich, weil § 14 FeV eine nicht abschließende Spezialvorschrift zu § 11 FeV darstellt (vgl. auch § 11 Abs. 3 Satz 2 FeV). § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV kommt insoweit – auch ohne ausdrückliche Erwähnung − ergänzend zur Anwendung.
42Vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Auflage 2019, StVG, § 14 FeV Rn. 10; Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 14 FeV (Stand: 01.12.2021), Rn. 9.
43Der Anwendung von § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV steht auch nicht entgegen, dass im Falle der Fahrerlaubnisentziehung über § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV die tatsächliche Fahrungeeignetheit nicht positiv festgestellt wurde. § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV stellt eine Beweisregel dar, die auf der Überlegung beruht, dass bei einer grundlosen Nichtvorlage des Gutachtens, die Vermutung berechtigt ist, der Betroffene wolle einen ihm bekannten Eignungsmangel verbergen. Legt der Betroffene das geforderte Gutachten (grundlos) nicht vor, wirkt die in § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV innewohnende Vermutung der Nichteignung letztlich dahingehend, dass die in der Gutachtenanordnung zum Ausdruck kommenden Eignungszweifel als erwiesen angesehen werden können.
44Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 1982 – 7 C 70/79 –, juris, Rn. 26; OVG Niedersachsen, Beschlüsse vom 6. April 2017 – 12 PA 199/16 –, juris, Rn. 12 und vom 23. Dezember 2016 – 12 ME 186/16 –, juris, Rn. 16; VG Berlin, Urteil vom 4. März 2021 – 4 K 125/20 −, juris, Rn. 27.
45Dies rechtfertigt sowohl die Fahrerlaubnisentziehung als auch die Gutachtenanordnung im Neuerteilungsverfahren. Andernfalls würde der Sinn und Zweck des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV konterkariert. Denn dann könnte mittels des Neuerteilungsverfahrens eine medizinisch-psychologische Begutachtung umgangen werden. Der Besitzer von Betäubungsmitteln könnte im Entziehungsverfahren die Vorlage des ärztlichen Gutachtens (§ 14 Abs. 1 Satz 2 FeV) verweigern, im Wissen, dass ihm ansonsten der Konsum von Betäubungsmitteln nachgewiesen werden würde. Durch diese Weigerung würde − ohne die Erstreckung der Rechtswirkung von § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV − im Neuerteilungsverfahren ein medizinisch-psychologisches Gutachten vermieden werden. Mithin würde die Nichtvorlage des Gutachtens dem Betroffenen – so auch vorliegend dem Antragsteller − zum Vorteil gereichen.
46Ausgehend von diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV vor. Der Antragsgegner entzog dem Antragsteller mit Bescheid vom 31. August 2020 auf der Grundlage von § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV i.V.m. § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV die Fahrerlaubnis, nachdem dieser das – mit Anordnung vom 14. Februar 2020 − geforderte ärztliche Gutachten nicht beibrachte.
47Das Vorbringen des Antragstellers, die – auf § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV – gestützte Anordnung des ärztlichen Gutachtens vom 14. Februar 2020 sei rechtswidrig, er sei nicht im Besitz von Betäubungsmitteln gewesen, rechtfertigt keine andere Bewertung. Denn insoweit macht der Antragsteller Einwände geltend, die die Rechtmäßigkeit der früheren Fahrerlaubnisentziehung betreffen. Die vormalige Entziehung der Fahrerlaubnis ist jedoch nicht Gegenstand des Neuerteilungsverfahrens. Die Vorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV knüpft nur daran an, dass eine wirksame behördliche oder gerichtliche Entziehungsentscheidung vorliegt, die an einen der in § 14 Abs. 1 FeV genannten Gründe anknüpft. Die Entziehungsentscheidung selbst wird keiner nochmaligen vollständigen rechtlichen Überprüfung unterzogen. Dabei kann dahinstehen, ob der der Entziehung zugrundeliegende Grund des § 14 Abs. 1 FeV vom Regelungsumfang und damit der Bindungswirkung der Entziehungsentscheidung umfasst wird.
48Vgl. zur Bindungswirkung auch: OVG NRW, Beschluss vom 29. Januar 2014 – 16 A 2159/13 −, n.v. m.w.N.
49Denn jedenfalls muss ein Kraftfahrer − ähnlich den Fällen der Zugrundelegung des Sachverhalts einer rechtskräftigen strafgerichtlichen (Entziehungs-)Entscheidung −, auch den der bestandskräftigen Entziehungsverfügung einer Fahrerlaubnisbehörde zu Grunde gelegten Sachverhalt in der Regel ohne weiteres gegen sich gelten lassen, wenn er von Rechtsbehelfen keinen Gebrauch gemacht hat, die ihm gegen diese Verfügung zugestanden haben und mit denen er ehedem seine Einwendungen gegen die Richtigkeit der Entziehung hätte geltend machen können.
50Vgl. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 6. April 2017 – 12 PA 199/16 –, juris, Rn. 11; vgl. auch: BayVGH, Beschluss vom 17. Oktober 2019 – 11 CE 19.1480 −, juris, Rn. 25; zur Zugrundelegung strafrichterlicher Feststellungen: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Auflage 2019, StVG, § 4 StVG Rn. 10; OVG NRW, Beschluss vom 12. Juli 2011 – 16 A 89/11 –, juris, Rn. 8; BayVGH, Beschluss vom 05. Januar 2022 – 11 ZB 21.2153 –, juris, Rn. 27.
51So liegt der Fall auch hier. Der Antragsteller hat gegen den Entziehungsbescheid des Antragsgegners vom 31. August 2020 keine Klage erhoben, auf die unter anderem geprüft worden wäre, ob die Beibringungsanordnung vom 14. Februar 2020 rechtmäßig war, die wiederum der Entziehung vorausging.
52Ob im Falle einer – der Entziehung zugrunde liegenden − offensichtlich rechtswidrigen Gutachtenanordnung ausnahmsweise eine andere Bewertung geboten ist, dies mithin, jedenfalls aus Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten, der Anwendung des § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV entgegensteht,
53vgl. hierzu: OVG Niedersachsen, Beschluss vom 6. April 2017 – 12 PA 199/16 –, juris, Rn. 13; BayVGH, Beschluss vom 17. Oktober 2019 – 11 CE 19.1480 −, juris, Rn. 25,
54bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn Anhaltspunkte für eine derartige offensichtliche Rechtswidrigkeit der auf § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV gestützten Gutachtenanordnung vom 14. Februar 2020 sind – insbesondere unter Berücksichtigung der im Eilverfahren lediglich gebotenen summarischen Prüfung − nach Aktenlage nicht ersichtlich.
55Der Einwand des Antragstellers, er sei zu keinem Zeitpunkt im Besitz des bestellten Amphetamins im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV gewesen, dringt nicht durch. Denn der Antragsteller hat – nach Aktenlage unstreitig – Amphetamin zum Eigenkonsum bestellt. Dies begründet hinreichende Zweifel an seiner Fahreignung, denen durch eine Begutachtung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV im Hinblick auf die Frage, ob er Betäubungsmittel konsumiert, nachzugehen war.
56Vgl. auch VG Würzburg, Beschluss vom 25. Januar 2021 – W 6 S 21.48 –, juris, Rn. 45.
57Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass die diesbezügliche Paketsendung vom Hauptzollamt L. sichergestellt wurde, der Antragsteller mithin keine unmittelbare Sachherrschaft am Amphetamin erlangte. Einen unmittelbaren Besitz im Sinne einer unmittelbaren Sachherrschaft setzt der Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV nicht voraus. Vielmehr ist entsprechend der allgemeinen Grundsätze des Gefahrenabwehrrechts − zu dem das Fahrerlaubnisrecht zählt − darauf abzustellen, inwieweit bei wertender Betrachtung eine „unmittelbare“ Ursache für die Überschreitung der Gefahrenschwelle gesetzt wurde.
58Vgl. zur Theorie der unmittelbaren Verursachung u.a. BVerwG, Beschluss vom 28. Februar 2008 – 7 B 12/08 –, juris, Rn. 3 und vom 12. April 2006 – 7 B 30/06 –, juris, Rn. 4; OVG NRW, Beschlüsse vom 26. September 2019 – 11 B 726/19 –, juris, Rn. 18 und vom 14. Dezember 2016 – 11 B 1346/16 –, juris, Rn. 10 sowie Urteil vom 9. Februar 2012 – 5 A 2382/10 –, juris, Rn. 45.
59Eine solche Ursache wird bereits durch die Bestellung von Betäubungsmitteln und die damit verbundene postalische Übersendung und nicht erst durch die unmittelbare Sachherrschaft gesetzt. Es kann − auch nach dem Sinn und Zweck des § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV – aus Gefahrenabwehrgesichtspunkten keinen Unterschied machen, ob der Fahrerlaubnisinhaber bereits die unmittelbare Sachherrschaft über die Betäubungsmittel erlangt oder dies allein aufgrund eines zufälligen Zwischenaktes unterbleibt, der sich seinem Einflussbereich entzieht und ihn daher nicht zu entlasten vermag. Letzteres ist der Fall, wenn – wie vorliegend – eine Sicherstellung der Post durch das Hauptzollamt erfolgt. In derartigen Fällen sind die Eignungsbedenken hinsichtlich des Konsums von Betäubungsmitteln und damit die Notwendigkeit, Gefahrenerforschungseingriffe zu ergreifen, nicht geringer, als wenn die unmittelbare Sachherrschaft tatsächlich erlangt worden wäre.
60Vgl. BayVGH, Beschluss vom 21. Juli 2011 – 11 CS 11.1061 –, juris, Rn. 34 f. zu § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV.
61Der weitere Einwand des Antragstellers, dass das gegen ihn geführte Ermittlungsverfahren wegen des Besitzes von Betäubungsmitteln nach § 153 Abs. 1 StPO eingestellt worden sei, steht der Gutachtenanordnung nicht entgegen. Denn die Einstellung lässt keinen Rückschluss auf seine Kraftfahrgeeignetheit zu. Ein strafgerichtlicher Einstellungsbeschluss entfaltet gemäß § 3 Abs. 4 StVG keine Bindungswirkung.
62Vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 1994 – 11 B 152/93 –, juris, Rn. 3; BayVGH, Beschluss vom 13. September 2005 – 11 CS 05.1451 –, juris, Rn. 4; OVG Bremen, Urteil vom 19. Dezember 1978 – I BA 17/78 –, juris; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 3 StVG Rn. 53 m.w.N.
63Soweit der Antragsteller pauschal geltend macht, dass der Besitz „einer derart geringen Menge“ für die Begutachtungsanordnung nicht ausreiche, wird verkannt, dass § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV nicht das das Erreichen oder Überschreiten einer bestimmten Besitzmenge voraussetzt. Auch muss der Betäubungsmittelbesitz – entgegen den Ausführungen des Antragstellers – nicht im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehen. Wie zuvor ausgeführt, dient § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV der Klärung, ob der Betroffene Betäubungsmittel – hier Amphetamin – konsumiert, wofür der Eigenbesitz ein Indiz darstellen kann. Der Konsum von Amphetamin wiederum lässt die Kraftfahreignung entfallen, und zwar unabhängig davon, ob unter dem Einfluss ein Kraftfahrzeug gesteuert wird.
64Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 23. Juli 2015 – 16 B 656/16 –, juris, Rn. 5, 8, vom 7. April 2014 – 16 B 89/14 –, vom 24. Juli 2013 – 16 B 718/13 –, vom 7. November 2012 – 16 B 1127/12 – und vom 14. August 2012 – 16 B 875/12 –, jeweils m.w.N. der insofern übereinstimmenden Rechtsprechung der Obergerichte anderer Bundesländer; ständige Rspr. der Kammer, z.B. Beschlüsse vom 16. Mai 2014 – 6 L 939/14 –, juris, Rn. 59, vom 26. März 2013 – 6 L 152/13 und vom 26. Juli 2012 – 6 L 1115/12 –.
65Der weitere Vortrag, es gebe Gründe für die Bestellung der Betäubungsmittel, er – der Antragsteller – habe diese zum Zwecke des Suizids bestellt, steht ebenfalls der Gutachtenanordnung nicht entgegen. Im Gegenteil: Das Vorbringen begründet weitere Zweifel an der Kraftfahreignung des Antragstellers (vgl. die Ausführungen unter 2.).
66Soweit der Antragsteller mit anwaltlichen Schriftsätzen vom 29. Oktober 2021, 22. Dezember 2021 und 3. Februar 2022 auf die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung beim gelegentlichen Konsum von Cannabis eingeht, ist bereits völlig unklar, welche Relevanz sich daraus für den vorliegenden Fall ergeben sollte, da (bislang) keine Anhaltspunkte vorliegen, dass der Antragsteller (auch) Cannabis konsumiert.
67Die Gutachtenanordnung vom 22. Dezember 2020 begegnet schließlich auch im Übrigen keinen rechtlichen Bedenken, insbesondere ist die Frist zur Vorlage des Gutachtens von knapp drei Monaten nicht zu kurz bemessen. Denn in dieser Frist ist nach Erfahrungen des Gerichts das Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung zu erreichen.
682. Unabhängig hiervon gilt: Selbst wenn man unterstellt, dass der Antragsteller die Neuerteilung seiner Fahrerlaubnis auch ohne die vom Antragsgegner geforderte medizinisch-psychologische Untersuchung nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV beanspruchen könnte, würde nach Aktenlage kein Anordnungsanspruch bestehen. Denn die Fahreignung des Antragstellers begegnet mit Blick auf seine psychische Erkrankung weiteren aufklärungsbedürftigen Fahreignungszweifeln. Solange derartige noch nicht ausgeräumte Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers vorliegen, wirkt sich dies – wie oben dargelegt – zu seinen Lasten aus.
69Die Auswirkungen von psychischen Erkrankungen auf die Kraftfahreignung sind für den Regelfall in Nr. 7 der Anlage 4 zur FeV geregelt (vgl. Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur FeV). Unter der Nummer 7.5 sind in dieser Anlage die affektiven Psychosen genannt, darunter auch sehr schwere Depressionen. Letztere lassen die Fahreignung entfallen, da die für das Kraftfahren notwendigen psychischen Fähigkeiten so erheblich herabgesetzt sind, dass ein ernsthaftes Risiko des verkehrswidrigen Verhaltens besteht.
70Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Oktober 2011 – 16 B 595/11 −, n.v.
71Ausweislich der vom Antragsteller vorgelegten Zusammenfassung der Stellungnahme von Frau Dr. I. vom 17. Februar 2020 leidet der Antragsteller an einer depressiven Störung. Zwar wird diese lediglich mit „leichtgradig“ angegeben. Dies ist – in der Form – jedoch bereits nicht nachvollziehbar; zumal der Antragsteller nach eigenen Angaben Anfang 2019 einen Suizidversuch unternehmen wollte und auch mit E-Mail vom 29. Juni 2020 noch Suizidgedanken andeute („Ich bin auf meinen Führerschein angewiesen, wenn ich ihn verliere, kann ich mir gleich das Leben nehmen […]“). Es fehlt jedenfalls an Angaben, wie der Schweregrad bestimmt wurde. Zudem bestehen hinreichende Anhaltspunkte, dass sich der Zustand des Antragstellers nach der Begutachtung verschlechtert hat. Denn in der vorgelegten – zeitlich späteren − Bescheinigung der B. vom 3. August 2020 ist festgehalten, dass eine „ausgeprägte depressive Symptomatik“ bestehe und die Schwere im Vergleich zur Eingangsdiagnostik – im Dezember 2019 – eher zugenommen habe. Die Lebenszufriedenheit habe abgenommen. Eine Fortführung der Therapie werde empfohlen. Dem entgegen hat der Antragsteller ausweislich des anwaltlichen Schriftsatzes vom 1. Februar 2021 die Therapie beendet. Für seine pauschale Behauptung, alle in der Bescheinigung genannten „Probleme“ hätten sich „mittlerweile lange erledigt“, fehlt es an tragfähigen Anhaltspunkten. Entsprechende fachliche Nachweise wurden nicht vorgelegt.
72Insoweit bedarf es – ggf. im Hauptsacheverfahren − der weiteren Klärung, ob ein Krankheitsbild aus dem depressiven Formenkreis beim Antragsteller vorliegt, das unter Nummer 7.5 der Anlage 4 zur FeV fällt.
733. Selbst wenn man die Frage der Fahreignung des Antragstellers als offen ansehen wollte, müsste die Gewährung von Eilrechtsschutz auch im Rahmen einer Interessenabwägung in Gestalt einer Folgenabwägung ausscheiden.
74Lässt sich nicht hinreichend zuverlässig abschätzen, ob dem Antragsteller der begehrte Anspruch auf Neuerteilung zusteht, kann das Gericht eine Interessenabwägung in Form einer Folgenabschätzung vornehmen. Dabei sind die Folgen, die eintreten, wenn der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt wird, der geltend gemachte Anspruch aber besteht, gegen die Folgen abzuwägen, die eintreten, wenn der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes Erfolg hat, sich die Versagung des Antrags aber später als rechtmäßig erweist. Auf die betroffenen Grundrechte ist in besonderer Weise Bedacht zu nehmen.
75Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 –, NVwZ 2005, 927 (= juris, Rn. 23 ff.).
76Diese Abwägung fällt zulasten des Antragstellers aus.
77Für den Antragsteller streitet sein Interesse an motorisierter Fortbewegung, eine vom Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) geschützte Rechtsposition, und seine damit verbundenen persönlichen Belange, auch im Hinblick auf seine berufliche Tätigkeit (für die Firma Y. ).
78Hiergegen stehen die höchstwertigen Rechtsgüter, zu deren Schutz das Neuerteilungsverfahren dient, nämlich vor allem Leib und Leben der übrigen Verkehrsteilnehmer, der Verkehrssicherheit an sich sowie bedeutenden Sachwerten der Allgemeinheit.
79Diese Rechtsgüter wägt der Einzelrichter folgendermaßen gegeneinander ab:
80Sollte der Antragsteller kraftfahrungeeignet sein, dürfte aber gleichwohl vorläufig Kraftfahrzeuge führen, würde dies ein erhebliches Gefährdungspotenzial des Antragstellers nicht nur für die Sicherheit des Straßenverkehrs, sondern auch konkret für höchstrangige Rechtsgüter einer nicht eingrenzbaren Zahl anderer Verkehrsteilnehmer bedeuten. Wird umgekehrt dem Antragsteller einstweilen die Fahrerlaubnis nicht erteilt, obwohl er kraftfahrgeeignet ist, wird er in ihren persönlichen Belangen zwar beeinträchtigt. In vergleichender Abwägung dazu wiegt aber der möglicherweise eintretende – gegebenenfalls nicht mehr wiedergutzumachende – Schaden an der potentiellen Vielzahl der geschützten hoch- und höchstwertigen Rechtsgüter der übrigen Verkehrsteilnehmer zu schwer, als dass es verantwortbar wäre, dem Antragsteller bis zur definitiven Klärung seiner Kraftfahreignung vorerst die weitere Verkehrsteilnahme zu erlauben.
81Vgl. zur Interessenabwägung: OVG NRW, Beschlüsse vom 19. Februar 2013 – 16 B 1229/12 –, juris, Rn. 12, und vom 17. Oktober 2011 – 16 B 595/11 –, n.v., B.A. S. 4 f.
82Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
83Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Die Bedeutung der Sache wird im Hauptsacheverfahren mit dem Auffangstreitwert des § 52 Abs. 2 GKG angesetzt, da der Antragsteller nicht in qualifizierter Weise, etwa als Berufskraftfahrer, auf die Fahrerlaubnis angewiesen ist. In Verfahren betreffend die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ermäßigt sich der danach zu berücksichtigende Betrag von 5.000,00 Euro aufgrund der Vorläufigkeit der Entscheidung um die Hälfte.
84Rechtsmittelbelehrung:
85(1) Gegen die Entscheidung über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet.
86Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
87Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) eingeht.
88Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
89Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sind durch einen Prozessbevollmächtigten einzureichen. Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
90Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sollen möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
91(2) Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
92Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
93Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
94Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
95Die Beschwerdeschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
96War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.