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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
2Die Klägerin ist ausweislich des Grundbuchs seit Dezember 2019 Eigentümerin des 782 m² großen Grundstücks mit der postalischen Bezeichnung „X. Weg 00“ in T. (Gemarkung P. , Flur 0, Flurstück 000).
3Das Grundstück ist mit einem Wohnhaus bebaut, dessen rückwärtige Front ca. 18 - 20 m von der Straßenbegrenzung entfernt liegt; das Grundstück fällt zur Straße hin ab (vgl. Pläne Bl. 2 und 3 Beiakte Heft 1). Mit Bauschein vom 24. November 1965 (Bl. 10 f. Beiakte Heft 1) genehmigte die Beklagte dem seinerzeitigen Eigentümer die Errichtung einer Entwässerungsanlage auf dem Grundstück. Ausweislich der zugehörigen Baubeschreibung (Bl. 8 Beiakte Heft 1) ging es um die Errichtung einer Klärgrube mit angeschlossenem Sickerbrunnen für den dort zu errichtenden Bungalow; das anfallende Schmutzwasser sollte in der Klärgrube vorgeklärt und gemeinsam mit dem Regenwasser über den Sickerbrunnen zur Versickerung gebracht werden. Der Bauschein enthielt unter anderem die Bedingung Nr. 1, wonach nach Errichtung einer Vollkanalisation vor dem Grundstück die Anlage gemäß der Satzung der Stadt T. über die Entwässerung der Grundstücke und deren Anschluss an die städtische Abwasseranlagen entsprechend zu ändern sei.
4In der Straße vor dem Grundstück verläuft ein inzwischen verlegter Mischwasserkanal, der ausweislich der Grundstückskartei der Beklagten im Jahre 1991 hergestellt worden ist(vgl. Plan Bl. 3 und Kopie der Karteikarte Bl. 6 Beiakte Heft 1). Die entsprechende Erweiterung des Kanalnetzes wurde ausweislich eines Anschreibens der Beklagten an den damaligen Voreigentümer vom 11. Februar 1991 am 24. Januar 1991 im Amtsblatt veröffentlicht (vgl. Bl. 12 Beiakte Heft 1).
5Mit Schreiben vom 11. Februar 1991 (Bl. 12 Beiakte Heft 1) forderte die Beklagte den seinerzeitigen Eigentümer des streitgegenständlichen Grundstücks dementsprechend auf, den Kanalanschluss für das Grundstück bis zum 1. August 1991 herzustellen.
6Ausweislich der „Unternehmerbescheinigung zur Errichtung oder Änderung von Abwasseranlagen“ vom 19. März 1991 (Bl. 13 Beiakte Heft 1) hatte der Unternehmer die Grundleitungen für das Abwasser aus dem Haushalt so geändert, dass das Abwasser in die Mischwasserkanalisation eingeleitet wurde; Angaben zur Einleitung des Niederschlagswassers wurden in der Bescheinigung nicht gemacht.
7In einem Formblatt des Bauaufsichtsamts zur „Fertigstellung der Grundstücksentwässerung“, das unter dem Datum des 5. April 1991 von einem Mitarbeiter der Beklagten ausgefüllt wurde (Bl. 14 Beiakte Heft 1), ist festgehalten, dass der Anschluss an den Mischwasserkanal ab dem 1. März 1991 in Benutzung genommen und das Grundstück an die Vollkanalisation im X. Weg angeschlossen worden sei sowie ungeklärtes Schmutz- sowie Niederschlagswasser eingeleitet würde.
8Anlässlich einer Überprüfung der Anschlussverhältnisse im Zuge der Erhebung von Niederschlagswassergebühren gab die Klägerin im März 2020 (Bl. 15 ff. Beiakte Heft 1) eine Flächenerklärung ab. Danach entwässerten die bebauten Flächen des Grundstücks (ca. 148 m² – vgl. Plan Bl. 2 Beiakte Heft 1) gar nicht und die befestigten Flächen (insgesamt ca. 42 m² – vgl. Plan Bl. 2 Beiakte Heft 1) nur mit 32 m² in den öffentlichen Kanal. Ergänzend gab die Klägerin an, dass das Niederschlags(-ab-)wasser zum Teil über ein (künstliches) „Bachbett“ in einen Teich, wobei das Bett nach Beschreibung der Klägerseite von einem Fallrohr am Haus bis zum Teich reicht, eingeleitet werde und zum Teil in den (auch nach Stilllegung der Drei-Kammer-Grube noch aktiven) Sickerbrunnen.
9Nachdem die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 15. Oktober 2020 gebeten hatte, das Grundstück wegen des auf dessen bebauten und befestigten Flächen anfallenden Niederschlags(-ab-)wassers an die öffentliche Kanalisation anzuschließen (Bl. 1 Beiakte Heft 1), machte die Klägerin in der folgenden Korrespondenz demgegenüber folgendes geltend (vgl. diverse Schreiben, Bl. 21, 23 Beiakte Heft 1):
10Die Dachflächen des Hauses würden seit 50 Jahren über das Grundstück entwässert und es sei nie zu einer Überschwemmung der Häuser in der Nachbarschaft oder der Straße gekommen. Im Zuge der Garten(-neu-)gestaltung sei das Niederschlags(-ab-)wasser durch einen künstlich angelegten Bachlauf (Filtrierung durch Kies und Pflanzen) geführt und in einen Teich mit 6 - 8 m³ abgeleitet worden. Der Teich sei als Überlaufteich angelegt und überschüssiges Wasser fließe in ein Kiesbett zur weiteren Filterung. Von dort werde das restliche überschüssige Wasser in einen 6 m tiefen, gut funktionieren Sickerbrunnen geleitet. Nicht nachvollziehbar sei, dass das Auffangen von Regenwasser zur Gartenbewässerung nicht erwünscht zu sein scheine und stattdessen hochwertiges Trinkwasser genutzt werden solle. Aufgrund der heißen Sommer gebe es zudem sinkende Grundwasserstände. Die Stadt sei im Jahr 2018 mit dem „Blauen Kompass“ für die Versickerung von Regen in das Grundwasser ausgezeichnet worden. Das Anschlussverlangen stehe dazu in Widerspruch.
11Mit elektronischem Schreiben vom 23. November 2020 (Bl. 22 Beiakte Heft 1) teilte die Beklagte der Klägerin unter anderem mit, dass sie das Regenwasser weiterhin in geeigneten Vorrichtungen auffangen und zur Bewässerung des Gartens nutzen dürfe; werde ein Überlauf mit Anschluss an den öffentlichen Kanal geschaffen, sei die Anschlusspflicht aus Sicht der Technischen Betriebe T. erfüllt.
12Mit Schreiben vom 5. Januar 2021 (Bl. 25 f. Beiakte Heft 1) hörte die Beklagte die Klägerin zu ihrer Absicht an, die Erfüllung des Anschluss- und Benutzungszwanges wegen des auf dem Grundstück anfallenden Niederschlags(-ab-)wassers zu fordern.
13Mit elektronischem Schreiben vom 10. Januar 2021 (Bl. 27 Beiakte Heft 1) wies die Klägerin darauf hin, dass entgegen der entsprechenden (formularmäßigen) Behauptung in dem Anhörungsschreiben das Niederschlagswasser des Hauses nie an den Kanal angeschlossen gewesen sei. Für den vorliegenden Fall gelte im Übrigen die Freistellungsfiktion von der Überlassungspflicht für das Niederschlags(-ab-)wasser nach § 49 LWG. Ein bei der der Beklagten als unterer Wasserbehörde gestellter Antrag auf Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis für die Versickerung des Niederschlags(-ab-) wassers könne nach dortiger Aussage derzeit nicht bearbeitet werden, weil wegen der Coronaepidemie Mitarbeiter an das Gesundheitsamt abgestellt seien.
14Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 10. März 2021 (Bl. 40 f. Beiakte Heft 1), der der Klägerin gegen Postzustellungsurkunde zugestellt werden sollte, forderte die Beklagte die Klägerin der Sache nach auf, das von den bebauten und befestigten Flächen des streitgegenständlichen Grundstücks abfließende Niederschlags(-ab-)wasser in den öffentlichen (Mischwasser-)Kanal einzuleiten und die dazu erforderlichen Hausanschlussleitungen bzw. Überlaufe unverzüglich, spätestens bis drei Monate nach Unanfechtbarkeit des Bescheides, herzustellen.
15Zugleich drohte die Beklagte der Klägerin für den Fall, dass sie der Anordnung zuwider handele, ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,- Euro an
16Zur Begründung berief sich die Beklagte auf die Abwasserüberlassungspflicht nach dem Landeswassergesetz und den Anschluss- und Benutzungszwang nach der städtischen Entwässerungssatzung bzw. die Bestimmungen des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG).
17Da die Zustellung des Bescheides vom 10. März 2021 gegen Postzustellungsurkunde nach Auskunft der Deutschen Post an die Beklagte nicht nachweisbar war (Bl. 48 Beiakte Heft 1), erließ die Beklagte am 13. April 2021 einen gleichlautenden Bescheid (Bl. 49 f. Beiakte Heft 1), der der Klägerin am 15. April 2021 (Bl. 53 Beiakte 1) zugestellt wurde.
18Am 12. April 2021 hat die Klägerin Klage gegen den Bescheid vom 10. März 2021 sowie am 22. April 2021 gegen den Bescheid vom 13. April 2021 erhoben.
19Mit Blick auf die Klageerhebung gegen den Bescheid vom 10. März 2021 hat die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 13. April 2021 (Bl. 51 Beiakte Heft 1) gebeten, den Bescheid vom 13. April 2021 als gegenstandslos zu betrachten; in der Folgezeit hat die Klägerin die Klage auf die Anfechtung des Bescheides vom 10. März 2021 beschränkt.
20Zur Begründung hat die Klägerin ergänzend folgendes ausgeführt:
21Die Beklagte sei von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Das auf dem Grundstück auftreffende Niederschlags(-ab-)wasser sei seit Jahrzehnten auf dem Grundstück versickert worden, und zwar zunächst in einer Sickergrube mit einem Fassungsvermögen von ca. 12 m³. Nach dem Erwerb des Grundstücks durch die Klägerin sei der – bereits in der Vorkorrespondenz erwähnte – Bachlauf mit Teich angelegt worden, dessen Überlauf in die Sickergrube führe. Falsch sei die Behauptung der Beklagten, dass das Haus nach der Herstellung der Vollkanalisation im Jahre 1991 vom damaligen Eigentümer auch mit dem Niederschlags(-ab-)wasser an die öffentliche Kanalisation angeschlossen worden sei. Es habe dementsprechend auch kein eigenmächtiger Rückbau durch die Klägerin stattgefunden.
22Ein von der Klägerin im November 2020 gestellter Antrag auf Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis zur Versickerung des Niederschlags(-ab-)wassers auf dem Grundstück werde von der Beklagten seit Monaten nicht bearbeitet.
23Eine Versickerung des Niederschlags(-ab-)wassers auf dem Grundstück sei im Übrigen unter ökologischen Gesichtspunkten der Entwässerung in den Kanal vorzuziehen.
24Die Beklagte setze zudem seit Jahren Projekte zum Überflutungsschutz um. So sei mit dem Spar- und Bauverein T. von der Beklagten ein Eigentümer als Partner gewonnen worden, der größere zusammenhängende Siedlungen im Stadtgebiet besitze. Mit ihm seien – mit Landesmitteln gefördert – zwischen 2008 und 2015 fünf Siedlungen vom Mischwasserkanal abgekoppelt worden; das dort anfallende Niederschlags(-ab-) wasser werde versickert. Vor diesem Hintergrund könne sie, die Klägerin, es nicht nachvollziehen, dass in ihrem Fall eine entsprechende Verfahrensweise nicht möglich sein sollte.
25Die Klägerin beantragt,
26den Bescheid vom 10. März 2021 aufzuheben.
27Die Beklagte beantragt,
28die Klage abzuweisen.
29Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihre Ausführungen aus dem Verwaltungsverfahren. Ergänzend hat sie im Wesentlichen folgendes ausgeführt:
30Ausweislich eines behördeninternen Vermerks vom 5. April 1991 (Bl. 14 Beiakte Heft 1) sei entgegen der Behauptung der Klägerseite am 1. März 1991 ein Vollanschluss (Schmutz- und Niederschlagswasser) an den öffentlichen Kanal erfolgt.
31Für das betroffene Grundstück liege weder eine wasserrechtliche Erlaubnis zur Einleitung von Niederschlagswasser in das Grundwasser noch eine Freistellung von der Abwasserüberlassungspflicht vor.
32Ein schriftlicher Antrag auf Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis von November 2020 sei weder bei der den Anschlussbescheid erlassenden Stelle, den Technischen Betrieben T. , noch bei dem Stadtdienst Natur und Umwelt, der die Aufgaben der unteren Wasserbehörde wahrnimmt, eingegangen.
33Auch eine Freistellung von der Abwasserüberlassungspflicht, die bei dem gemeinsamen Ortstermin der Beklagten bei der Klägerin, der am 4. Februar 2021 stattgefunden habe, erörtert worden sei, könne nicht erteilt werden. Die vorhandene Mischwasserkanalisation sei für den Anschluss aller Grundstücke bemessen. Die Klägerin könne sich auch nicht auf die Übergangsregelung nach § 49 Abs. 4 S. 2 LWG berufen, da das Grundstück vor dem 1. Januar 1996 (hier: 1965) bebaut und der Anschluss vom Vorbesitzer 1991 hergestellt worden sei.
34Auf die Möglichkeit, Niederschlags(-ab-)wasser zur Bewässerung des Gartens aufzufangen, wenn der Auffangbehälter einen Überlauf mit Anschluss an den Kanal habe, habe sie, die Beklagte, die Klägerin im Verwaltungsverfahren mehrfach hingewiesen.
35Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
36Entscheidungsgründe:
37Die Klage hat weder mit der Anfechtung der Anschluss- und Benutzungsforderung (I.) noch mit der Anfechtung der zugehörigen Zwangsgeldandrohung (II.) Erfolg.
38I.
39Der angefochtene – gemäß § 8 Landeszustellungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (LZG NRW) mit seinem (nachweislichen) Zugang an die Klägerin als zugestellt geltende – Bescheid vom 10. März 2021 ist mit der dort ausgesprochenen Anschluss- und Benutzungsforderung bezüglich der öffentlichen Abwasseranlage rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
40Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen belastenden Anschluss- und Benutzungsbescheides, mit dem die Beklagte von der Klägerseite – sinngemäß – die Herstellung des Anschlusses des streitgegenständlichen Grundstücks an die öffentliche (Mischwasser-)Kanalisation auch wegen des Niederschlags(-ab-)wassers, das auf den nicht angeschlossenen bebauten und befestigten Flächen anfällt, und dessen Benutzung fordert, ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, d.h. hier des Erlasses des Bescheides, maßgeblich. Zwar kann es, soweit es - wie hier - um die Anfechtung eines im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch nicht vollzogenen, fortdauernd wirkenden belastenden Verwaltungsaktes geht, zugunsten des Betroffenen a u c h auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ankommen. Dies folgt daraus, dass die Behörde auch während des Laufes des gerichtlichen Verfahrens den Verwaltungsakt darauf "unter Kontrolle" halten muss, ob für die in ihm getroffene Regelung weiterhin die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen. Das hat zur Folge, dass ein r e c h t m ä ß i g ergangener belastender Verwaltungsakt, der noch nicht vollzogen ist, nicht aufrechterhalten werden darf, wenn er wegen einer Änderung der Sach- oder Rechtslage nachträglich seine rechtliche Grundlage verloren hat. Soweit sich aus dem anzuwendenden materiellen Recht nichts Gegenteiliges ergibt, verschiebt sich der Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage, auf den bei der Rechtmäßigkeitskontrolle durch das Gericht abzustellen ist, jedoch nicht, wenn der belastende Verwaltungsakt im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung r e c h t s w i d r i g war, er aber wegen einer Änderung der Sach- und Rechtslage nunmehr in gleicher Weise rechtmäßig ergehen könnte. Solche materiell-rechtlichen Besonderheiten bestehen im Rahmen der Ausübung eines gemeindlichen Anschlusszwanges nicht, so dass es hier bei der allgemeinen Regel verbleibt, nach der die Voraussetzungen für den belastenden Verwaltungsakt im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung vorgelegen haben müssen.
41Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteile vom 28. November 1986 - 22 A 1206/81 -, KStZ 1987, 132 = NVwZ 1987, 727 = UPR 1987, 313 und vom 21. Dezember 1993 - 22 A 1232/92 -, NWVBl. 1994, 174.
42In Anwendung dieser Prüfungsmaßstäbe sind die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Geltendmachung des Anschluss- und Benutzungszwanges auch wegen des Niederschlags(-ab-)wassers durch die Beklagte gegeben; diese Voraussetzungen waren nämlich bei Erlass des Anschlussbescheides im März 2021 erfüllt und zwischen dem Erlass des angefochtenen Bescheides und der gerichtlichen Entscheidung ist es zu keiner für die Klägerseite günstigen Änderung der Sach- oder Rechtslage gekommen.
43Die Forderung, das streitgegenständliche Grundstück auch bzgl. des Niederschlags(-ab-) wassers, das auf den in Rede stehenden Flächen anfällt, an die öffentliche Abwasseranlage anzuschließen und den Anschluss zu nutzen, findet ihre Rechtsgrundlage in den Regelungen der „Satzung der Stadt T. über die Entwässerung der Grundstücke und den Anschluss an die öffentliche Abwasseranlage – Entwässerungssatzung – EntwS – vom 16. Dezember 2014“ in der hier einschlägigen Fassung der II. Änderungsfassung vom 13. Dezember 2016 (EWS), die bezüglich der hier einschlägigen Bestimmungen seither unverändert gilt.
44A.
45(Begründetheit der Anschluss- und Benutzungsforderung nach Maßgabe der Satzung)
46In dieser Satzung ist bzgl. des hier in Rede stehenden – lediglich das Niederschlags(-ab-) wasser betreffenden – Anschluss- und Benutzungszwangs der öffentlichen Entwässerungseinrichtung im Wesentlichen Folgendes bestimmt:
47„§ 2 EWS Anschlussrecht
48Jeder Eigentümer eines im Gebiet der Stadt liegenden Grundstücks ist vorbehaltlich der Einschränkung in § 3 EntwS berechtigt, von der Stadt zu verlangen, dass sein Grundstück an die bestehende Abwasseranlage angeschlossen wird (Anschlussrecht).
49§ 2a EWS Anschlussrecht für Niederschlagswasser
50(1) Das Anschlussrecht erstreckt sich grundsätzlich auch auf das Niederschlagswasser.
51(2) Dieses gilt jedoch nicht für Niederschlagswasser von Grundstücken, bei denen die Pflicht zur Beseitigung des Niederschlagswassers gemäß § 49 Abs. 4 Satz 1 LWG dem Eigentümer des Grundstücks obliegt.
52(3) Ausgeschlossen ist der Anschluss des Niederschlagswassers von Grundstücken, die nur durch einen Schmutzwasserkanal erschlossen sind und eine Anschlussanordnung nach § 3 Abs. 3 Satz 2 nicht erfolgt.
53(4) Darüber hinaus ist der Anschluss des Niederschlagswassers nicht ausgeschlossen, wenn die Gemeinde von der Möglichkeit gemäß § 49 Abs. 4 S.3 LWG NRW Gebrauch macht.
54§ 3 EWS (Begrenzung des Anschlussrechts)
55(1) Das in den §§ 2 und 2 a EntwS geregelte Anschlussrecht erstreckt sich auf solche Grundstücke, die durch eine Straße (Weg/Platz), in der eine betriebsfertige Abwasserleitung vorhanden ist, erschlossen sind. Ein Anschlussrecht besteht auch für solche Grundstücke, die mittelbar zu der Straße (Weg/Platz) einen Zugang haben und für die das erforderliche Durchleitungsrecht zu dieser Straße (Weg/Platz) auf Dauer gesichert ist. Desweiteren besteht ein Anschlussrecht, wenn die öffentliche Abwasseranlage unmittelbar über das Grundstück verläuft oder die erforderlichen Durchleitungsrechte zu einer öffentlichen Abwasseranlage vorhanden und auf Dauer gesichert sind. Bei anderen Grundstücken kann die Stadt den Anschluss zulassen. Die Herstellung neuer oder die Erweiterung oder Änderung bestehender Leitungen kann nicht verlangt werden.…
56§ 3a EWS (Benutzungsrecht)
57Nach der betriebsfertigen Herstellung der Anschlussleitung hat der Anschlussberechtigte vorbehaltlich der Einschränkung in § 4 EntwS und unter Beachtung der §§ 56, 57, 58 LWG das Recht, die auf seinem Grundstück anfallenden Abwässer in die öffentliche Abwasseranlage einzuleiten (Benutzungsrecht).
58…
59§ 5 EWS (Anschlusszwang)
60(1) Jeder Anschlussberechtigte (nach §§ 2 und 3 EntwS) ist verpflichtet, sein Grundstück, sobald es bebaut ist (darunter fallen auch befestigte Flächen gemäß § 2 BauO NW) oder mit der Bebauung begonnen wurde, in Erfüllung der Abwasserüberlassungspflicht nach § 48 LWG NW an die öffentliche Abwasseranlage anzuschließen (Anschlusszwang). Dies gilt nicht für Niederschlagswässer, wenn § 49 Abs. 4 Satz 1 LWG NW Anwendung findet. Die Stadt zeigt durch öffentliche Bekanntmachung an, welche Einzelgrundstücke, Straßen oder Ortsteile mit einer betriebsfertigen Abwasseranlage versehen sind. Mit dieser Bekanntmachung wird der Anschlusszwang wirksam. Alle für den Anschlusszwang in Frage kommenden Anschlussberechtigten haben ihre Grundstücke mit den zur ordnungsgemäßen Entwässerung erforderlichen Einrichtungen zu versehen.
61…
62§ 6 EWS (Benutzungszwang)
63(1) Der Anschlussnehmer ist verpflichtet, sämtliche auf dem Grundstück anfallenden Abwässer in die öffentliche Abwasseranlage nach den Bestimmungen dieser Satzung einzuleiten. Ausgenommen sind Niederschlagswässer gem. § 2 a Abs. 3 EntwS und Schmutzwässer, soweit ihre Einleitung gem. § 4 EntwS ausgeschlossen ist.
64(2) Auf Grundstücken, die dem Anschlusszwang unterliegen, dürfen andere als von der Stadt erlaubte Abwasseranlagen (z.B. Abortgruben n usw.) nicht mehr angelegt oder benutzt werden, es sei denn, dass Befreiung gemäß § 7 EntwS erteilt wurde.
65…
66§ 7 EWS (Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang für Schmutzwasser)
67(1) Der Anschlussverpflichtete kann vom Anschluss- und Benutzungszwang widerruflich auf unbestimmte oder auf eine bestimmte Zeit befreit werden, wenn den Anforderungen der öffentlichen Gesundheitspflege anderweitig genügt wird und nach Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen ein begründetes Interesse an einer privaten Beseitigung oder Verwertung des Abwassers besteht.
68(2) Eine Befreiung vom Anschlusszwang kann der Anschlusspflichtige nach Aufforderung der Stadt zur Herstellung des Anschlusses schriftlich bei der Stadt beantragen. Dem Antrag sind Pläne beizufügen, aus denen ersichtlich ist, wie die Abwässer beseitigt oder verwertet werden sollen. Eine Befreiung vom Benutzungszwang kann unter Angabe der Gründe schriftlich bei der Stadt beantragt werden.“
69Die Satzung begegnet keinen formellen Bedenken. Solche sind weder substantiiert geltend gemacht noch ersichtlich. Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht sind die hier in Rede stehenden Satzungsregelungen nicht zu beanstanden. Sie stehen – soweit das vorliegende Verfahren eine Überprüfung gebietet – mit den einschlägigen rechtlichen Anforderungen in Einklang.
70Die gesetzlichen Grundlagen, auf denen beruhend eine Entwässerungssatzung Regelungen über die Zulassungs- und Benutzungsordnung der gemeindlichen Abwasseranlage zulasten betroffener Grundrechtsträger treffen kann, um die Erfüllung des Einrichtungszweckes zu gewährleisten, ergeben sich aus dem Kommunalrecht und der wassergesetzlich an die Gemeinde übertragenen Abwasserbeseitigungsaufgabe. Die beklagte Gemeinde ist Herrin der Abwasserbeseitigungseinrichtung, die sie zur Erfüllung ihrer wasserrechtlichen Abwasserbeseitigungspflicht nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Landeswassergesetz NRW in der Fassung des Gesetzes zur Änderung wasser- und wasserverbandsrechtlicher Vorschriften vom 8. Juli 2016 (GVBl. NRW 2016, 539 – LWG n. F.) [entspricht im Kern § 53 Abs. 1 Satz 1 LWG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung wasserrechtlicher Vorschriften vom 3. Mai 2005 (GVBl. NRW 2005, 463 – LWG a. F.)] geschaffen hat. Auf der Rechtsgrundlage der §§ 7 - 9 Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO) ist die Gemeinde als Einrichtungsherrin befugt, die im Rahmen eines Kanalbenutzungsverhältnisses bestehenden Rechte und Pflichten der nutzungsberechtigten Anschlussnehmer, d. h. die Anforderungen an deren Zulassung zu der Einrichtung und an ihre Benutzung auf Grund und im Rahmen der Gesetze durch Satzung näher zu regeln, wie es hier in der Abwassersatzung geschehen ist. Die Grenzen dieser Regelungsbefugnis ergeben sich aus dem Zweck der Satzungsermächtigung, den ordnungsgemäßen Betrieb der Einrichtung im Rahmen des Widmungszwecks sicherzustellen, sowie aus den Anforderungen des Gleichbehandlungsgrundsatzes, des rechtstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des sonstigen einschlägigen höherrangigen Rechts.
71Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 3. Juni 2009 – 15 A 996/09 –.
72Die hier in Rede stehenden Regelungen überschreiten diesen gesetzlichen Rahmen nicht.
73Die Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwanges in der Satzung, die nicht nur das Schmutzwasser, sondern auch das Niederschlags(-ab-)wasser im Sinne des § 54 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) erfasst (vgl. auch § 1a EWS), rechtfertigt sich aus §§ 46 Abs. 1 Satz 1, 48 Satz 1 LWG n. F. (entspricht im Kern § 53 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 1c LWG a. F.). Danach ist (grundsätzlich) den Gemeinden die (pflichtige Selbstverwaltungs-) Aufgabe übertragen, das auf ihrem Gebiet anfallende Abwasser ordnungsgemäß, d.h. ohne Beeinträchtigung für das Wohl der Allgemeinheit zu beseitigen (vgl. § 46 Abs. 1 Satz 1 LWG n.F. in Verbindung mit §§ 55, 56 WHG). Um die Erfüllung dieser Pflicht zu ermöglichen, hat der Landesgesetzgeber in § 48 Satz 1 LWG n.F. (entspricht § 53 Abs. 1c LWG a. F.) den Nutzungsberechtigten eines Grundstückes die entsprechende Pflicht auferlegt, auf dem Grundstück anfallendes Abwasser (grundsätzlich) der Gemeinde zu überlassen. Die Art und Weise, in der die wassergesetzlich angeordnete Überlassungspflicht zu erfüllen ist, nämlich durch den Anschluss an die öffentliche Abwassereinrichtung und durch deren Benutzung, hat die Gemeinde kraft ihres Rechts zur satzungsmäßigen Regelung ihrer örtlichen Angelegenheiten (§ 7 Gemeindeordnung NRW) in ihrer Entwässerungssatzung in – mithin nicht zu beanstandender Weise – festgelegt.
74Die Klägerin kann der Anordnung der auch das Niederschlags(-ab-)wasser betreffenden Abwasserüberlassungspflicht im Landeswassergesetz und der Anordnung des daran anknüpfenden Anschluss- und Benutzungszwanges in der städtischen Abwasserbeseitigungssatzung nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die hier von der Gemeinde gewählte Art und Weise der Entwässerung über den Mischwasserkanal statt durch Versickerung auf dem Grundstück gegen das Gebot des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen in Art. 20a Grundgesetz (GG) verstoße. Denn die Klägerseite kann sich auf eine Verletzung dieser Vorschrift nicht unmittelbar berufen. Die Schutznorm des Art. 20a GG ist als objektiv-rechtlich wirkende Staatszielbestimmung ausgestaltet. Sie enthält aber keinen subjektiv-rechtlichen Anspruchstatbestand.
75Vgl. in diesem Sinne bereits: Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 19. Dezember 1997 – 8 B 234.97 –, veröffentlicht unter anderem in Juris, siehe dort insbesondere Rn. 3, auch in DVBl. 1998, 1222 f.; so aber auch Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 24. März 2021 – 1 BvR 2656/18 und andere –, veröffentlicht unter anderem in juris, siehe dort insbesondere Rn. 112.
76Daher ist das Schutzgebot des Art. 20a GG zwar für die gesetzgebende Gewalt bei der gesetzlichen Regelung von Sachbereichen ein herausgehobener Abwägungsgesichtspunkt und für die vollziehende Gewalt Auslegungs- und Abwägungshilfe bei der Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe und bei der Betätigung von Ermessen.
77Vgl. in diesem Sinne: Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 19. Dezember 1997 – 8 B 234.97 – DVBl. 1998, 1222 f.
78Unmittelbare Ansprüche des Einzelnen verleiht das Schutzgebot aber nicht. Die Umsetzung der Staatszielbestimmung erfolgt vielmehr in erster Linie durch gesetzgeberische Entscheidungen. Dabei darf der Gesetzgeber im Rahmen seiner Abwägungsbefugnisse zur Sicherung des hochrangigen (Umwelt-)Schutzgutes der Reinhaltung der Gewässer, aber auch zum Schutz des gewichtigen öffentlichen Interesses an der ordnungsgemäßen Ableitung von Niederschlags(-ab-)wasser, das insbesondere die Vermeidung von Wasserschäden an fremden Grundstücken oder Überschwemmungen etwa von Verkehrsflächen umfasst, schutzgutfördernd das Instrument der Abwasserüberlassungspflicht einführen, wie es der nordrhein-westfälische Gesetzgeber in § 53 Abs. 1c LWG a. F. (2005) [entspricht § 48 LWG heutiger Fassung] auch bezüglich des Niederschlags(-ab-)wassers mit der Folge getan hat, dass die Gemeinde den Anschluss- und Benutzungszwang auch auf diese Abwasserart erstrecken darf.
79Vgl. zum Schutzzweck der Vermeidung der genannten Wasserschäden und Überschwemmungen durch Niederschlags(-ab-)wasser, der auch die Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwanges durch kommunale Satzung rechtfertigt: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 11. Dezember 2017 – 15 A 1357/17 –, ECLI:DE:OVGNRW:2017:1211.15A1357.17.00, veröffentlicht unter anderem in juris, siehe dort insbesondere Rn. 27 f., mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung.
80Dies gilt umso mehr, als der Landesgesetzgeber durch die seinerzeit erfolgte Neufassung des § 51a Abs. 1 Satz 1 LWG a.F. (2005 – entspricht im Kern § 44 Abs. 1 S. 1 LWG 2016/2021) klargestellt hatte, dass Niederschlagswasser von Grundstücken, die nach dem 1. Januar 1996 erstmals bebaut, befestigt oder an die öffentliche Kanalisation angeschlossen werden, zu versickern, zu verrieseln oder ortsnah direkt oder ohne Vermischung mit Schmutzwasser über eine Kanalisation in ein Gewässer einzuleiten ist, sofern dies ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit möglich ist. Durch die Neuregelung wollte der Gesetzgeber verdeutlichen, dass § 51 a Abs. 1 Satz 1 LWG a.F. (2005) – und damit die entsprechende Regelung in § 44 Abs. 1 S. 1 LWG n.F. (2016/2021) – kein Vorrangprinzip beinhaltet(e), wonach Niederschlags(-ab-)wasser in erster Linie auf dem Grundstück zu beseitigen wäre, und dass auch eine Entwässerung über eine Trennkanalisation der generellen Zielsetzung des § 51 a LWG a.F. (2005) – bzw. des § 44 Abs. 1 S. 1 LWG n.F. (2016/2021) – entspricht.
81Vgl. dazu die Gesetzesmaterialien zur Gesetzesänderung im Jahr 2005: Begründung der Landesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung wasserrechtlicher Vorschriften, Landtagsdrucksache 13/6222 vom 15. November 2004, S. 100, zu Nr. 33 Buchstabe a).
82Dass der Landesgesetzgeber einer Abwasserbeseitigung auf dem Grundstück auch weiterhin keinen Vorrang vor einer Entwässerung über die öffentliche Kanalisation verleiht, verdeutlicht insbesondere auch die Änderung, die § 44 LWG durch das „Gesetz zur Änderung des Landeswasserrechts“ vom 4. Mai 2021 (GVBl. 2021, Nr. 39, vom 17. Mai 2021, S. 559 ff.) erfahren hat. Mit dem neu eingefügten § 44 Abs. 1 S. 2 LWG hat der Landesgesetzgeber nämlich klargestellt, dass (sogar) Niederschlagswasser, das aufgrund einer nach bisherigem Recht zugelassenen Kanalisationsnetzplanung gemischt mit Schmutzwasser einer öffentlichen Abwasserbehandlungsanlage zugeführt wird oder werden soll, weiterhin über das Mischnetz beseitigt werden kann, wenn der technische oder wirtschaftliche Aufwand unverhältnismäßig ist.
83Vgl. dazu die Gesetzesmaterialien zur Gesetzesänderung im Jahr 2021: Gesetzentwurf der Landesregierung: Gesetz zur Änderung des Landeswassergesetzes, Landtagsdrucksache 17/9942 vom 25. Juni 2020, S. 28, 29 und 95.
84Die landesgesetzliche Anordnung der Überlassungspflicht für Niederschlags(-ab-)wasser und ein daran anknüpfender Anschluss- und Benutzungszwang stehen auch in Einklang mit den – im Sinne des Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 GG stoffgezogenen und damit vorrangigen – bundesgesetzlichen Regelungen in § 55 Abs. 2 WHG über die Grundsätze der (Niederschlags-)Abwasserbeseitigung, die zum 1. März 2010 in Kraft getreten sind. Dort ist nämlich bestimmt, dass Niederschlags(-ab-)wasser ortsnah versickert, verrieselt oder direkt oder über eine Kanalisation ohne Vermischung mit Schmutzwasser in ein Gewässer eingeleitet werden soll, soweit dem weder wasserrechtliche noch sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften noch wasserwirtschaftliche Belange entgegenstehen (Hervorhebung durch den Unterzeichner). Mithin sieht auch das WHG keinen Vorrang einer dezentralen Beseitigung des Niederschlags(-ab-)wassers auf oder an dem Grundstück vor.
85Die landesgesetzliche Anordnung der Überlassungspflicht für Niederschlags(-ab-)wasser und ein daran anknüpfender Anschluss- und Benutzungszwang stehen sogar in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem das auf dem betroffenen Grundstück anfallende Niederschlags(-ab-)wasser über einen – aus den weiter unten ausgeführten Gründen (s. dazu B.a.) – „bestandsgeschützten“ Mischwasserkanal entsorgt werden soll, in Einklang mit den Anforderungen des § 55 Abs. 2 WHG. Denn nach den Gesetzesmaterialien ist die Vorschrift des § 55 Abs. 2 WHG (bewusst) „relativ weit und offen formuliert (Sollvorschrift), um den unterschiedlichen Verhältnissen vor Ort (z.B. vorhandenen Mischkanalisationen in Baugebieten) Rechnung tragen zu können“. Nach den mit der Regelung verbundenen Intentionen des Gesetzgebers hat sie zudem „nur für die Errichtung von neuen Anlagen Bedeutung; bereits bestehende Mischkanalisationen können daher im bisherigen Umfang weiter betrieben werden.“
86Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Wasserrechts“ vom 17. März 2009, Bundestagsdrucksache 16/12275, S. 68..
87Dass die Rechtfertigung der Überlassungspflicht und eines daran anschließenden Anschlusszwangs für Niederschlags(-ab-)wasser durch den Schutzzweck der Vermeidung der genannten Wasserschäden und Überschwemmungen nicht deswegen entfällt, weil die Kapazität von Kanalisationen immer nur auf die Aufnahme eines bestimmten, üblichen technischen Standards entsprechenden Berechnungsregens und nicht auf die Aufnahme von demgegenüber gravierenderen Starkregenereignissen oder gar von „Katastrophenregen“ ausgerichtet ist, versteht sich vor dem Hintergrund des unverhältnismäßigen finanziellen Aufwandes, den deutlich höhere Kanalkapazitäten für statistisch recht seltene Regenereignisse nach sich zögen, von selbst.
88Da mit dem – an die Abwasserüberlassungspflicht anknüpfenden – Anschlusszwang an die öffentliche Abwasseranlage (mithin berechtigterweise) ein gewichtiges öffentliches Interesse verfolgt wird, erweist sich der Anschluss- und Benutzungszwang auch im Hinblick auf das Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG als grundsätzlich verhältnismäßig. Er stellt eine zulässige gesetzliche Inhaltsbestimmung gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar und ist Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 2 GG.
89Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 11. Dezember 2017 – 15 A 1357/17 –, ECLI:DE:OVGNRW:2017:1211.15A1357.17.00, veröffentlicht unter anderem in juris, siehe dort insbesondere Rn. 27, f. mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung.
90Die Befugnis, die den Anschlussnehmern durch diese mithin wirksamen Satzungsregeln auferlegten Pflichten in der Handlungsform des Verwaltungsaktes zu konkretisieren und ggf. mit den Mitteln des Verwaltungszwanges durchzusetzen, ergibt sich aus dem hoheitlichen Wesen des öffentlichen Benutzungsverhältnisses, das zwischen der Gemeinde als Herrin der Entwässerungseinrichtung und den Anschlussnehmern als deren Nutzern besteht.
91Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 7. März 1994 - 22 A 753/92 -, NVwZ-RR 1995, 244.
92Die Voraussetzungen für den in der Satzung mithin wirksam angeordneten Anschluss- und Benutzungszwang liegen für das streitgegenständliche Grundstück auch vor.
93Denn das Grundstück ist bebaut und befestigt (§ 5 Abs. 1 S. 1 EWS), so dass auf dem streitgegenständlichen Grundstück (beseitigungsbedürftiges) Niederschlags(-ab-)wasser anfällt (vgl. § 54 Abs. 1 Nr. 2 WHG; s. a. die entsprechende Abwasserdefinition in § 1a Nrn. 1 und 3 EWS).
94Auch die weitere Voraussetzung für einen Anschlusszwang nach § 5 Abs. 1 S. 3 EWS ist erfüllt. Denn ausweislich des in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Datenblatts „Grundstückskartei“ (vgl. Bl. 6 Beiakte Heft 1) ist der Mischwasserkanal in der Straße, der an der streitgegenständlichen Grundbesitzung entlang läuft, im Jahre 1991 hergestellt worden; ernstliche Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte nicht durch öffentliche Bekanntmachung angezeigt hätte, dass die Straße mit einer betriebsfertigen Abwasseranlage versehen ist, bestehen angesichts des Alters des Kanals und der Dichte der anliegenden Bebauung nicht.
95Der Geltendmachung der Anschlusspflicht durch die Beklagte steht auch nicht entgegen, dass etwa die Klägerseite selbst oder Dritte zur Beseitigung des auf der streitgegenständlichen Grundbesitzung anfallenden Niederschlags(-ab-)wassers verpflichtet (und berechtigt) wären. Da weder die nutzungsberechtigte Klägerseite selbst noch (sonstige) andere nach §§ 49 - 53 LWG zur Abwasserbeseitigung verpflichtet sind, besteht vielmehr nach § 48 S. 1 LWG die Pflicht der nutzungsberechtigten Klägerseite (= Eigentümer des streitgegenständlichen Grundstücks), das auf diesem Grundstück anfallende Abwasser, d. h. sowohl das Schmutz- als auch das Niederschlags(-ab-)wasser, der beklagten Gemeinde zu überlassen (Abwasserüberlassungspflicht), die nach § 46 Abs. 1 S. 1 LWG als Beseitigungspflichtige verbleibt.
96Von den in den §§ 49 - 53 LWG geregelten Ausnahmen von der Abwasserbeseitigungspflicht der Gemeinde kommt hier ohnehin nur die in § 49 Abs. 4 S. 1 LWG vorgesehene – und in §§ 2a Abs. 2 und 5 Abs. 1 S. 2 EWS allein bzgl. des Niederschlags(-ab-)wassers ausdrücklich als „Anschlusshindernis“ angesprochene – Ausnahme näher in Betracht.
97Nach § 49 Abs. 4 S. 1 LWG ist der Nutzungsberechtigte selbst zur Beseitigung des Niederschlagswassers verpflichtet, sofern gegenüber der zuständigen Behörde nachgewiesen ist, dass das Niederschlagswasser durch den Nutzungsberechtigten ganz oder teilweise gemeinwohlverträglich auf dem Grundstück versickert oder ortsnah in ein Gewässer eingeleitet werden kann, und die Gemeinde den Nutzungsberechtigten des Grundstücks insoweit von der Überlassungspflicht nach § 48 freigestellt hat (Hervorhebung durch den Unterzeichner).
98Der Nachweis der gemeinwohlverträglichen Beseitigungsmöglichkeit gegenüber der Wasserbehörde als insoweit zuständiger Behörde und die Freistellung durch die insoweit zuständigen Gemeinde sind die beiden konstitutiven Voraussetzungen für den Übergang der Abwasserbeseitigungspflicht nach § 49 Abs. 4 S. 1 LWG.
99Vgl. dazu, dass Nachweis und Freistellung zwei konstitutive Voraussetzungen für den Übergang der Abwasserbeseitigungspflicht sind: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 1. September 2010 - 15 A 1636/08 -, veröffentlicht u.a. in juris (s. dort Rdnr.13); und dazu, dass dies auch für das Landeswassergesetz neuer Fassung gilt: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 24. Februar 2017 – 15 B 49/17 –, veröffentlicht unter anderem in juris (siehe dort insbesondere Rn. 7 ff.).
100Diese Voraussetzungen für einen Übergang der Abwasserbeseitigungspflicht auf die Klägerseite selbst sind hier aber nicht erfüllt.
101Zum einen ist der erforderliche Nachweis der Versickerungs- oder Einleitungsmöglichkeit des Niederschlags(-ab-)wassers im Sinne des § 49 Abs. 4 S. 1 LWG n.F. (entspricht im wesentlichen § 53 Abs. 3a S. 1 LWG a.F.), der hier nach § 49 Abs. 4 S. 4 und 5 LWG n.F. (= § 53 Abs. 3a Sätze 3 und 4 LWG a.F.) im Übrigen dem nutzungsberechtigten Eigentümer obläge, nicht geführt. Denn es liegt keine entsprechende, für die Versickerung des Niederschlags(-ab-)wassers auf dem Grundstück bzw. für dessen Einleitung in ein Gewässer (hier: Teich) erforderliche wasserrechtliche Erlaubnis vor.
102Eine wasserrechtliche Erlaubnis für diese Formen der Beseitigung des auf dem Grundstück anfallenden Niederschlags(-ab-)wassers besaß und besitzt die Klägerseite nicht.
103Eine Erlaubnis für die hier in Rede stehende Gewässerbenutzung zwecks Entsorgung des Niederschlags(-ab-)wassers ist nämlich
104- hinsichtlich der Versickerung des Niederschlags(-ab-)wassers auf dem Grundstück wegen der damit verbundenen Benutzung des Grundwassers durch Einleiten von Stoffen nach § 2 Abs. 1, § 3 Nr. 3, § 9 Abs. 1 Nr. 4, § 8 Abs. 1 und 57 Abs. 1 WHG,
105vgl. zur Erlaubnispflichtigkeit des Versickerns von Niederschlags(-ab-)wasser: VG Düsseldorf, Urteil vom 25. März 2014 – 17 K 5503/13 –, veröffentlicht unter anderem in juris, siehe dort insbesondere Rn. 16 ff.,
106- bzw. hinsichtlich der Einleitung des Niederschlags(-ab-)wassers in den Teich als ein oberirdisches Gewässer im Sinne der § 3 Nr. 1 WHG wegen des damit verbundenen Einleitens von Stoffen in ein Gewässer nach § 2 Abs. 1, § 9 Abs 1 Nr. 4, § 8 Abs. 1 und § 57 Abs. 1 WHG
107erforderlich und ist seit Inkrafttreten des WHG in seiner Ursprungsfassung zum 1. März 1960, spätestens aber seit Ablauf der für bestimmte Nutzungen bestehenden Übergangsfrist von fünf Jahren nach dessen Inkrafttreten,
108vgl. dazu des näheren: VG Düsseldorf, Urteil vom 4. November 2014 – 5 K 7798/13 –, Urteilsabdruck Bl. 15 ff.,
109auch stets erforderlich gewesen. Denn die nach den Wasserhaushaltsgesetzen in ihren diversen Fassungen bestehende Benutzungsordnung für Gewässer sah und sieht vor, dass es u.a. für die Versickerung von Niederschlags(-ab-)wasser, d.h. der Einleitung von Stoffen in das Grundwasser, bzw. für die Einleitung von Stoffen in oberirdische Gewässer einer wasserrechtlichen Erlaubnis bedarf [vgl. dazu einerseits §§ 1, 2, 3 Abs. 1 Nr. 4 bzw. 5 (betreffend die Benutzungstatbestände des einen Leidens von Stoffen in oberirdische Gewässer bzw. in das Grundwasser) sowie §§ 7, 15 bis 17 und 33 Wasserhaushaltsgesetz in seiner Ursprungsfassung vom 27. Juli 1957 (WHG – BGBl. 1957 I S. 1110), die zum 1. März 1960 in Kraft getreten ist (Gesetz vom 19. Februar 1959 (BGBl. 1959 I S. 37), sowie andererseits §§ 2, 8, 9 Abs. 1 Nr. 4 sowie § 46 WHG nach der Neubekanntmachung vom 31. Juli 2009 – BGBl. I 2585].
110Eine wasserrechtliche Versickerungserlaubnis ist auch in den der Bebauung zugrunde liegenden Baugenehmigungen nicht enthalten gewesen; da einer Baugenehmigung keine Konzentrationswirkung zukommt, ersetzt sie eine erforderliche wasserrechtliche Erlaubnis nicht.
111Vgl. zur fehlenden Konzentrationswirkung von Baugenehmigungen in anschlussrechtlichen Zusammenhängen: OVG NRW, Beschluss vom 1. Juni 2012 – 15 A 48/12 –, veröffentlicht u.a. in juris, s. dort insbesondere Rdnr. 36.
112Eine fehlende wasserrechtliche Erlaubnis kann erst recht nicht durch eine bauordnungsrechtliche Abnahme ersetzt werden.
113Vor dem Hintergrund, dass das Gesetz in § 49 Abs. 4 S. 1 LWG hinsichtlich der „Gemeinwohlverträglichkeit“ ausdrücklich einen Nachweis gegenüber der zuständigen Behörde fordert, geht auch die Auffassung fehl, dass etwa schon eine „evidente Erkennbarkeit“ der Gemeinwohlverträglichkeit, die sich hier aus der jahrelangen Duldung der Entwässerungssituation ablesen lassen könnte, für den in Rede stehenden Nachweis ausreiche. Die (ohnehin nirgendwo „evident erkennbare“) Gemeinwohlverträglichkeit der Versickerung von Niederschlags(-ab-)wasser auf einem (jeweiligen) Grundstück ist vielmehr aufgrund der der zuständigen Behörde vorzulegenden Nachweise durch diese (verbindlich – d.h. ggf. durch Erteilung einer entsprechenden wasserrechtlichen Erlaubnis oder eine anderweitige verbindliche Feststellung zur Gemeinwohlverträglichkeit nach Art einer Unbedenklichkeitsbescheinigung –) festzustellen, bevor diese konstitutive Teilvoraussetzung für einen Übergang der Abwasserbeseitigungspflicht auf den Nutzungsberechtigten eines Grundstücks nach § 49 Abs. 4 LWG als erfüllt angesehen werden kann, um die vom Gesetz intendierte klare Zuordnung der Abwasserbeseitigungspflicht in einem geordneten Verfahren, an dem neben der (gegebenenfalls freistellenden) Gemeinde auch die untere Wasserbehörde beteiligt ist, sicherzustellen.
114Zum anderen hat die betroffene Gemeinde die Klägerin als Nutzungsberechtigte auch nicht von der Überlassungspflicht nach § 48 LWG n.F. freigestellt.
115Dabei ist die Freistellungsentscheidung der Gemeinde für den Übergang der Abwasserbeseitigungspflicht konstitutiv.
116Vgl. dazu z.B.: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 6. November 2018 – 15 A 907/17 –, veröffentlicht unter anderem in nrwe, siehe dort insbesondere Rnrn. 39 und 40 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des OVG.
117Eine ausdrückliche Freistellung durch die beklagte Gemeinde, deren Erteilung mit der Einfügung des § 53 Abs. 3a LWG a.F. durch das „Gesetz zur Änderung wasserrechtlicher Vorschriften“ vom 3. Mai 2005 erstmals ermöglicht worden ist, ist nie erfolgt.
118Die Freistellung gilt auch nicht schon auf der Grundlage der Freistellungsfiktion nach § 49 Abs. 4 S. 2 LWG n.F. als erteilt. Zwar gilt mittlerweile nach § 49 Abs. 4 S. 2 LWG n.F., das in dieser Fassung am 16. Juli 2016 in Kraft getreten ist, die Freistellung von der (Niederschlags-)Abwasserüberlassungspflicht nach § 48 LWG als erteilt, wenn das gesamte Niederschlags(-ab-)wasser eines Grundstücks seit dem 1. Januar 1996 auf dem Grundstück beseitigt worden ist und die Gemeinde in dieser Zeit ihren Anschluss- und Benutzungszwang nicht geltend gemacht hat (Hervorhebung durch den Unterzeichner).
119Dem Eintritt der Freistellungsfiktion steht hier schon entgegen, dass nicht das gesamte Niederschlags(-ab-)wasser, das in der Zeit vom 1. Januar 1996 bis zum Inkrafttreten des § 49 Abs. 4 S. 2 LWG zum 16. Juli 2016 auf dem Grundstück anfiel, auf dem Grundstück beseitigt wurde (und weiterhin wird); denn das Grundstück ist ausweislich der von der Klägerin selbst abgegebenen Flächenerklärung von März 2020 (Bl. 15 Beiakte Heft 1) mit 32 m² befestigter Fläche an den örtlichen Kanal angeschlossen, d.h. das auf diesen Flächen anfallende Niederschlags(-ab-)wasser wird nicht auf dem Grundstück entsorgt, sondern in den Kanal abgeleitet. Vor diesem Hintergrund kommt es hier auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob der Voreigentümer im Jahre 1991 das Grundstück auch mit dem (gesamten) Niederschlags(-ab-)wasser an den öffentlichen Kanal angeschlossen hat, nicht an; gegen einen Anschluss des seinerzeit bereits auf dem Grundstück versickerten Niederschlags(-ab-)wassers dürfte aber der Umstand sprechen, dass in der „Unternehmerbescheinigung zur Errichtung oder Änderung von Abwasseranlagen“ von März 1991 von einer Einleitung auch des Niederschlagswassers in die Sammelkanalisation und insbesondere von einem leitungsgebundenen Anschluss gerade keine Rede ist (die entsprechende Rubrik ist nicht ausgefüllt – Bl. 13 Beiakte Heft 1).
120Die Freistellungsfiktion kann abgesehen davon ohnehin nur greifen, wenn auch die Möglichkeit einer im wasserrechtlichen Sinne gemeinwohlverträglichen Abwasserbeseitigung durch den Nutzungsberechtigten nachgewiesen ist.
121Vgl. in diesem Sinne auch: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 24. Februar 2017 – 15 B 49/17 –, veröffentlicht unter anderem in juris (siehe dort insbesondere Rn. 19 ff.).
122Wie das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in seiner soeben zitierten Entscheidung ausgeführt hat, greift die Freistellungsfiktion nach § 49 Abs. 4 Satz 2 LWG n.F. nicht, wenn es an einer wasserwirtschaftlichen Gemeinwohlverträglichkeitsprüfung fehlt, weil nach der Gesetzesbegründung in den von dieser Regelung erfassten Fällen davon auszugehen sein soll, dass gemeindliche Belange wie die Finanzierung der Infrastruktur (aufgrund der fehlenden Geltendmachung eines Anschlussinteresses durch die Gemeinde) keinen Anschluss erfordern, der Nachweis, ob die Beseitigung durch Versickerung oder ortsnahe Gewässereinleitung gemeinwohlverträglich ist, nach § 49 Abs. 4 Satz 1 LWG n.F. (aber) dennoch zusätzlich durchgeführt werden muss.
123Vgl. die Begründung der Landesregierung für den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung wasser- und wasserverbandsrechtlicher Vorschriften, LT-Drs. 16/10799, S. 479.
124Ohne eine derart enge Verknüpfung der Freistellungsfiktion mit der nachgewiesenen Gemeinwohlverträglichkeit der Abwasserbeseitigung durch den Nutzungsberechtigten wäre die Fiktionsregelung im Übrigen kaum mit den Anforderungen an eine ordnungsgemäße gemeinwohlverträgliche Abwasserbeseitigung nach §§ 55, 56 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) unter klarer Bestimmung des Abwasserbeseitigungspflichtigen zu vereinbaren.
125Da es hier an der erforderlichen wasserwirtschaftlichen Gemeinwohlverträglichkeitsprüfung fehlt, greift die Fiktion des § 49 Abs. 4 Satz 2 LWG n.F. auch deshalb nicht ein.
126Eine ausdrückliche oder fingierte Freistellung von der Abwasserüberlassungspflicht nach § 49 Abs. 4 S. 1 LWG n.F. ist – neben dem Nachweis der Gemeinwohlverträglichkeit – für den Übergang der Abwasserbeseitigungspflicht auf den Nutzungsberechtigten im Übrigen auch in den Fällen nicht entbehrlich, in denen die Beseitigungspflicht für das Niederschlags(-ab-)wasser nach früherem Recht bei den Nutzungsberechtigten gelegen haben mag.
127Da das Inkrafttreten der (im wesentlichen Kern) inhaltsgleichen Bestimmungen zum (ausnahmsweisen) Übergang der Abwasserbeseitigungspflicht auf den Nutzungsberechtigten in § 49 Abs. 4 S. 1 LWG n.F. (2016) und § 53 Abs. 3a Satz 1 LWG a. F. (2005) von keinerlei Übergangsvorschriften, die die Auswirkungen früherer Regelungen über die Niederschlagswasserbeseitigungspflicht beträfen, begleitet war, ist mit deren Inkrafttreten (ohnehin nur) für die Grundstücke, für die die nachbenannten Verhältnisse bestanden, ein Wechsel der Niederschlagswasserbeseitigungspflicht eingetreten. Denn während
128- nach § 51a Abs. 1 und 2 Satz 1 LWG a.F. (1995), der in der Zeit vom 1. Juli 1995 bis zum 10. Mai 2005 galt (GVBl. 1995, 248), die damals regelmäßig bei der Gemeinde liegende Abwasserbeseitigungspflicht für Niederschlagswasser automatisch auf den Nutzungsberechtigten an einem Grundstück, das nach dem 1. Januar 1996 erstmals bebaut, befestigt oder an die öffentliche Kanalisation angeschlossen wurde, überging, wenn das Niederschlagswasser auf den Grundstücken, auf denen es anfällt, ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit versickert, verrieselt oder ortsnah in ein Gewässer eingeleitet werden konnte, und
129- nach dem zuvor geltenden § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LWG a. F. (1983), der am 31. Dezember 1983 in Kraft getreten war (GVBl. 1983, 644), erstmals bestimmt war, dass für Niederschlagswasser, welches auf überwiegend zu Wohnzwecken genutzten Gebieten anfällt und ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit versickert, verregnet, verrieselt oder in ein Gewässer eingeleitet werden konnte, die Bestimmungen des Abschnittes über die Abwasserbeseitigung mit der Folge nicht galten, dass für Grundstücke, auf die die genannten Voraussetzungen zutrafen, die Gemeinde nicht nach § 53 Abs. 1 LWG a. F. (1983) abwasserbeseitigungspflichtig war,
130liegt heute nach § 46 Abs. 1 Satz 1 LWG n.F. (2016) [entspricht § 53 Abs. 1 Satz 1 LWG a.F.(2005)] die Abwasserbeseitigungspflicht für das Niederschlags(-ab-)wasser regelmäßig wieder allein bei der Gemeinde (vgl. zur regelmäßigen Beseitigungspflicht der Gemeinde bereits § 53 Abs. 1 Satz 1 LWG in der Fassung des Landeswassergesetzes vom 4. Juli 1979, GVBl. 1979, 488).
131Etwaige Niederschlags(-ab-)wasser-Beseitigungspflichten, die den Nutzungsberechtigten nach früherem Recht etwa trafen, bestehen – mangels entsprechender gesetzlicher Überleitungsvorschriften – nicht mehr fort. Auch wenn der Nutzungsberechtigte vor Inkrafttreten des § 53 LWG a.F. (2005) also selbst abwasserbeseitigungspflichtig gewesen wäre, änderte das nichts daran, dass die Beseitigungspflicht insgesamt (wieder) bei der Gemeinde liegt, soweit die in § 49 bis 53 LWG n.F. [entspricht überwiegend § 53 Abs. 3, Abs. 3a Satz 1, Abs. 4 oder 5 bzw. § 53a LWG a.F. (2005)] genannten Ausnahmen nicht gegeben sind.
132Vgl. in diesem Sinne im Ergebnis auch: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteile vom 31. Januar 2007 – 15 A 150/05 und vom 22. Januar 2008 - 15 A 488/05 -.
133In der oben zitierten Entscheidung vom 1. September 2010 – 15 A 1636/08 – hat das OVG NRW zudem ausgeführt, dass sich die Betroffenen in diesem Zusammenhang auch nicht auf Bestandsschutz in dem Sinne berufen können, die bisher ihnen obliegende Beseitigungspflicht für Niederschlagswasser sei auch unter Geltung des LWG in der seit dem 11. Mai 2005 geltenden Fassung bei ihnen verblieben und sie benötigten daher eine Freistellung gar nicht. Dafür gibt das Gesetz nichts her. Im Gegenteil: Dieses weist in § 53 Abs. 1 LWG a.F. (2005), welcher die Vorschrift des § 18a WHG a. F. in Bezug nimmt (vgl. jetzt § 46 LWG (2016) und §§ 54 ff. WHG n. F.), den Kommunen nunmehr (wieder) umfassend die Pflicht zur Beseitigung auch des Niederschlags(-ab-)wassers zu und verpflichtet korrespondierend damit die Nutzungsberechtigten in § 53 Abs. 1c Satz 1 LWG a.F. (= 48 LWG n.F.) zur umfassenden Überlassung des Abwassers an die Gemeinden, ohne dabei Rücksicht darauf zu nehmen, dass unter Geltung alten Rechts diese Beseitigungspflicht für Grundstücke, die u.a. die stichtagsmäßigen Voraussetzungen des § 51a Abs. 1 LWG erfüllten, in der Regel bei dem Nutzungsberechtigten eines Grundstücks lag (vgl. § 51a Abs. 2 LWG a. F.).
134Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 1. September 2010 -15 A 1636/08 -, veröffentlicht u.a. in juris (s. dort Rdnr. 16).
135Die Klägerin hat im Übrigen auch keinen (zwingenden) Anspruch gegen die Beklagte auf eine Freistellung der streitgegenständlichen Flächen von der Abwasserüberlassungspflicht, den sie – verknüpft mit einem Nachweis der gemeinwohlverträglichen Beseitigungsmöglichkeit wegen des damit verbundenen Anspruchs auf Übergang der Abwasserbeseitigungspflicht auf die Klägerseite – der Anschlussforderung ev. einredeweise entgegenhalten könnte.
136Zur Beantwortung der Frage, von welchen Erwägungen die Gemeinde bei der Entscheidung ausgehen darf, ob und inwieweit sie den Nutzungsberechtigten von der Abwasserüberlassungspflicht nach § 48 LWG im Sinne des § 49 Abs. 4 S. 1 LWG „freistellt“ – und ihn damit in der Sache zugleich mit Blick auf ihre Abwasserbeseitigungseinrichtung von der Anschluss- und Benutzungspflicht „befreit“ (Freistellung und Befreiung verstanden als wasserrechtliche bzw. einrichtungsrechtliche Seiten einer Medaille) – ist folgender wasserrechtlicher Hintergrund zu beachten. Die abwasserbeseitigungspflichtige Gemeinde ist nach § 46 Abs. 1 Nr. 6 und § 47 Abs. 1 und 3 LWG n.F. [2016 – entspricht im Kern § 53 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 und Abs. 1a und 1b LWG a. F.(2005); eine Pflicht zur Aufstellung eines Abwasserbeseitigungskonzeptes durch die Gemeinde ist im Übrigen schon durch § 53 Abs. 1 LWG in der Fassung des „Gesetz zur Änderung des Landeswassergesetzes“ vom 20. Dezember 1983 (GVBl. NRW 1983, S. 644 f.) in das Landeswassergesetz aufgenommen worden;] gehalten, der zuständigen Wasserbehörde im Abstand von sechs Jahren Abwasserbeseitigungskonzepte vorzulegen. Das Konzept enthält eine Übersicht über den Stand der öffentlichen Abwasserbeseitigung, die zeitliche Abfolge und die geschätzten Kosten für Errichtung, Betrieb, Erweiterung und Anpassung von Abwasserbeseitigungsanlagen sowie Aussagen darüber, wie zukünftig in Entwässerungsgebieten das Niederschlagswasser unter Beachtung des § 55 Abs. 2 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) und des § 44 LWG n.F. und der städtebaulichen Entwicklung beseitigt werden kann. Damit ist der Gemeinde die Aufgabe gestellt, die zur Erfüllung ihrer Abwasserbeseitigungspflicht für das Gemeindegebiet erforderlichen Maßnahmen im Rahmen des Abwasserbeseitigungskonzeptes vorausschauend zu planen. Hat sich die Gemeinde in einem Entwässerungsgebiet für ein bestimmtes Abwasserbeseitigungskonzept entschieden, so ist es sachgerecht, wenn sie sich bei der Entscheidung, ob sie auf die Reklamierung von Abwasser verzichtet, maßgeblich von diesem auf eine systematisch und sinnvoll geordnete Entwicklung der Abwasserbeseitigung gerichteten Konzept leiten lässt und die freistellende/befreiende Verzichtsmöglichkeit als Instrument der Umsetzung ihres Abwasserbeseitigungskonzeptes einsetzt.
137Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass die Klägerseite keinen durchgreifenden Anspruch auf eine – im Ermessen der Beklagten stehende –,
138vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 1. September 2010 - 15 A 1636/08 -, veröffentlicht u.a. in juris, s. dort Rdnr. 22),
139positive wasserrechtliche Freistellungsentscheidung hat, den sie dem Anschlussverlangen eventuell einredeweise entgegenhalten könnte.
140Mit der angefochtenen Anschlussforderung setzt die Beklagte ihre zuvor mit Planung und Bau einer entsprechenden Kanalisation im Rahmen ihrer Abwasserbeseitigungspflicht getroffene Entscheidung für den Einzelfall durch, das Niederschlags(-ab-)wasser in dem Bereich, in dem auch das streitgegenständliche Grundstück liegt, über einen – aus den weiter unten ausgeführten Gründen (s. dazu B.a.) „bestandsgeschützten“ – Mischwasserkanal zu entsorgen.
141Die seinerzeit getroffene gemeindliche Entscheidung für den Bau einer – wasserrechtskonformen, „bestandsgeschützten“ (s. dazu B.a.) – Mischwasserkanalisation lenkt zugleich eine auf Antrag zu treffende Ermessensentscheidung über ein Freistellungsbegehren in der Weise, dass ein Freistellungsantrag in aller Regel abzulehnen ist (sog. „intendiertes Ermessen“). Erfüllt nämlich eine Abwasserbeseitigung über den Mischwasserkanal – wie hier aus den weiter unten ausgeführten Gründen (s. dazu B.a.) – die Zielsetzung einer ordnungsgemäßen Abwasserbeseitigung im Sinne von § 44 LWG in Verbindung mit § 55 Abs. 2 WHG, verhindert die Ablehnung der wasserrechtlichen) Freistellung (bzw. entwässerungseinrichtungsrechtlich gesprochen: der Befreiung) in legitimer Weise, dass die („bestandsgeschützte“) Konzeption der Kommune im Sinne des § 47 LWG n.F. (entspricht § 53 Abs. 1a und 1b LWG a. F.), die einheitliche Entwässerung des Niederschlags(-ab-)wassers im betroffenen Gebiet über einen Mischwasserkanal sicherzustellen, nachträglich entwertet wird.
142Vgl. zum „intendierten Ermessen“ im genannten Sinne für einen Fall, in dem sich die Gemeinde für den Bau einer Trennkanalisation entschieden hatte, bzgl. der – § 49 Abs. 4 Satz 1 LWG n.F. (2016) entsprechenden – Regelung in § 53 Abs. 3a Satz 1 LWG a.F. (2005): OVG NRW, Beschluss vom 1. Juni 2012 – 15 A 48/12 –, veröffentlicht u.a. in juris, s. dort insbesondere Rdnr. 40; vgl. zum „ermessensintendiert“ fehlenden Freistellungsanspruch für einen Fall „wirtschaftlichen Bestandsschutzes“ im Sinne des § 51 Abs. 3 LWG a.F. [= in der Zeit vom 1. Juli 1995 (bis 12. Mai 2005 als § 51 Abs. 4 geltend) bis zum 15. Juli 2016 geltende Fassung], in dem sich die Gemeinde in einer nach bisherigem Recht (= einer vor dem 1. Juli 1995) genehmigten Kanalisationsnetzplanung für eine Niederschlags(-ab-)wasserentsorgung über eine Mischwasserkanalisation entschieden hatte: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 1. September 2010 – 15 A 1635/08 –, veröffentlicht unter anderem in juris, siehe dort insbesondere Rn. 32 ff..
143Mit anderen Worten: Ein Freistellungsantrag wird in der beschriebenen Konstellation nur in atypischen Sonderfällen Erfolg haben können, denn die Gemeinde darf das in dem (wasserrechtsgemäßen) Bau der Mischkanalisation zum Ausdruck kommende Konzept einer zentralisierten Beseitigung des Niederschlags(-ab-)wassers in dem betroffenen Bereich schützen, indem sie durch eine restriktive Freistellungspraxis einen hohen Anschlussgrad und dadurch u.a. die breite Finanzierung ihrer Anlagen durch die Anschlussnehmer sichert.
144Ernstliche Anhaltspunkte für das Vorliegen eines atypischen Sonderfalls bestehen hier nicht.
145Ein solcher Sonderfall lässt sich nicht aus dem Umstand ableiten, dass die Klägerin das auf den streitgegenständlichen Flächen anfallende Niederschlags(-ab-)wasser zum Teil unmittelbar in einen Sickerschacht und zum Teil – zur Gewinnung von Wasser zur Gartenbewässerung – über eine „Bettung“ in einen Teich einleitet, dessen Überlauf über ein Kiesbett wiederum mit dem Sickerschacht verbunden ist.
146Angesichts der bestehenden, gerade auch das Niederschlags(-ab-)wasser betreffenden Abwasserüberlassungspflicht und des berechtigten Anliegens der beklagten Gemeinde, ihre – den wassergesetzlichen Anforderungen -- wie unter B.a. näher dargelegt wird -- entsprechende – Abwasserkonzeption, d. h. hier die Entsorgung des Niederschlags(-ab-)wassers im betroffenen Gebiet über den geschaffenen Mischwasserkanal, zu schützen, stehen der Bewertung von – verbreitet auftretenden – „Bewässerungsinteressen“ oder sonstigen, etwa auch ökologisch motivierten Interessen an einer „Eigenentsorgung“ als „Sonderfall“ im hier in Rede stehenden Sinne entgegen.
147Gegen einen „Sonderfall“ spricht in diesem Zusammenhang hier umso mehr, als die Beklagte mit der Klageerwiderung nochmals deutlich gemacht hat, dass sie gegen eine Nutzung des Niederschlagswassers zur Gartenbewässerung keine Einwände erheben werde, sofern die Rückhalteanlagen einen Überlauf an die öffentliche Abwasseranlage erhielten.
148Dass ein Anschluss der streitgegenständlichen Flächen zur Folge haben wird, dass die Klägerseite auch wegen dieser Flächen Niederschlagswassergebühren zu zahlen haben wird, spricht nicht gegen, sondern vielmehr für eine Ablehnung einer Freistellung und für die Anschlussforderung. Denn es besteht ein legitimes Interesse, durch die Ablehnung einer Freistellung zur Sicherung einer hohen Anschlussquote zugleich die abwassergebührengestützte Finanzierungsbasis der wasserrechtsgemäß verwirklichten Entwässerungskonzeption auch aus Gründen der „Abgabengerechtigkeit“, d. h. aus Gründen einer sachlich angemessenen Abgabenverteilung auf die bei der Entwässerungskonzeption als potentiell zu entwässernd berücksichtigten Grundstücke, gegenüber einer Erosion an die öffentliche Entwässerungsanlage angeschlossener bzw. noch anzuschließender – d. h. gebührenwirksamer bzw. nach Verwirklichung des Anschlussanspruchs der Gemeinde infolge des geforderten Anschlusses gebührenwirksam werdender – Flächen zu schützen.
149Ein Sonderfall liegt auch nicht etwa deswegen vor, weil die Klägerseite und wohl schon deren Rechtsvorgänger das auf den streitgegenständlichen Flächen anfallende Niederschlags(-ab-)wasser schon seit längerer Zeit nicht in den öffentlichen Kanal eingeleitet haben, sondern in eine Beseitigung des Niederschlags(-ab-)wassers auf dem Grundstück investiert haben.
150Ein eventuell schutzwürdiges – und durch eine Freistellung zu bewehrendes – Vertrauen auf den Fortbestand der derzeitigen Entwässerungssituation könnte vor diesem Hintergrund allenfalls dann bestehen, wenn die Klägerseite bzw. deren Rechtsvorgänger bei Schaffung dieser Entwässerungssituation – also im Zeitpunkt der Betätigung eines eventuellen Vertrauens in deren Fortbestand – im Besitz aller für eine solche Behandlung des Niederschlags(-ab-)wassers erforderlichen wasser- und einrichtungsrechtlichen Genehmigungen gewesen wäre. Das ist aber – wie oben dargelegt – nicht der Fall; denn jedenfalls eine wasserrechtliche Erlaubnis zur Versickerung des Niederschlags(-ab-) wassers auf dem Grundstück hat es nie gegeben.
151Abgesehen davon konnten die Rechtsvorgänger der Klägerseite bei der erstmaligen Herstellung der Versickerungsanlagen ohnehin kein schützenswertes Vertrauen auf einen Fortbestand dieser das Niederschlags(-ab-)wasser betreffenden Entwässerungsverhältnisse für die Zeit nach Herstellung der Vollkanalisation entwickeln. Denn der die seinerzeit errichteten Entwässerungsanlagen betreffende Bauschein aus dem Jahre 1965 (Bl. 10, 11 Beiakte Heft 1) enthielt unter anderem bereits die Bedingung Nr. 1, nach der nach Errichtung einer Vollkanalisation vor dem Grundstück die Anlage gemäß der Satzung der Stadt T. über die Entwässerung der Grundstücke und deren Anschluss an die städtische Abwasseranlagen entsprechend zu ändern sei. (An dieser Stelle sei angemerkt, dass ausweislich der bei der Kammer geführten Sammlung auch schon die städtische Entwässerungssatzung vom 21. Dezember 1965 die Entsorgung von Niederschlagswasser durch die Entwässerungseinrichtung erfasste).
152Dass die Klägerin nach dem Erwerb des Grundstücks im Jahre 2019 neuerlich in die Anlagen zur Beseitigung des Niederschlags(-ab-)wassers auf dem Grundstück investiert hat, erfolgte angesichts des Bestehens der Abwasserüberlassungspflicht nach § 48 LWG und der Anschlusspflicht nach der städtischen Entwässerungssatzung auf eigenes, nicht vertrauensgeschütztes Risiko.
153Die Klägerseite kann sich gegenüber der Anschluss- und Benutzungsforderung aus den genannten, diesbezüglich entsprechend geltenden Gründen auch auf eine mögliche Einrede, ihr stehe ein (zwingender) Befreiungsanspruch vom Anschluss- und Benutzungszwang zu, nicht mit Erfolg berufen (siehe dazu auch unten B. e.).
154Da Anhaltspunkte dafür, dass die Abwasserbeseitigungspflicht nach anderen Bestimmungen als nach denen des § 49 Abs. 4 Satz 1 LWG n.F. (bzw. § 53 Abs. 3a Satz 1 LWG a.F.), die hier wie dargelegt nicht erfüllt sind, d.h. nach § 49 Abs. 3, 5, 6 bzw. §§ 50 - 53 LWG n.F. (bzw. § 53 Abs. 3, 4 oder 5 bzw. § 53a LWG a.F.) auf die Klägerseite oder einen Dritten übergegangen sein könnte, weder geltend gemacht noch ersichtlich sind, ist die Beklagte nach allem gemäß § 49 Abs. 1 S. 1 LWG n.F. auch für das Niederschlags(-ab-)wasser mit der Folge abwasserbeseitigungspflichtig, dass ihr der Abwasserüberlassungsanspruch nach § 48 S. 1 LWG n. F. zusteht.
155Der Klägerin steht als Grundstückseigentümer schließlich auch das – zur Begründung des Anschluss- und Benutzungszwangs korrespondierend erforderliche – Anschluss- und Benutzungsrecht zu (vgl. §§ 2, 2a, 3 und 3a EWS), da das streitgegenständliche Grundstück unmittelbar an eine Straße grenzt, in der eine öffentliche Abwasseranlage bereits betriebsfähig verlegt ist (s. § 3 Abs. 1 EWS). An letzterem bestehen keine Zweifel, denn in der Straße, an die das streitgegenständliche Grundstück angrenzt, ist ein öffentlicher Mischwasserkanal verlegt, der auch an dem klägerischen Grundstück vorbeiführt. Da das Grundstück durch einen Mischwasserkanal erschlossen ist, ist das Anschlussrecht für das Niederschlags(-ab-)wasser auch nicht aufgrund der Regelung in § 2a Abs. 3 EWS ausgeschlossen.
156B.
157(Begründetheit der Anschluss- und Benutzungsforderung im Übrigen)
158Die mithin durch die Satzung gedeckte Anschluss- und Benutzungsforderung wäre allerdings dennoch rechtswidrig, wenn sie – nach den Umständen des Einzelfalls – gegen höherrangiges Recht, d. h. insbesondere gegen den im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) wurzelnden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstieße. Das wäre der Fall, wenn sie ungeeignet wäre, das im Interesse an einer ordnungsgemäßen Abwasserbeseitigung liegende Ziel der Entwässerung in die öffentliche Kanalisation zu erreichen, das Verlangen nicht erforderlich wäre, weil es ein anderes, zur Zweckerreichung gleich geeignetes, die Allgemeinheit oder den Betroffenen aber weniger belastendes Mittel gäbe oder die Zweck-Mittel-Relation nicht angemessen wäre.
159Die Anschluss- und Benutzungsforderung ist bei Anlegen dieser Maßstäbe hier aber nicht unverhältnismäßig, denn sie ist geeignet (a.), erforderlich (b.) und wahrt die Zweck-Mittel-Relation (c.).
160a. Der Anschluss- und Benutzungszwang ist geeignet, das mit ihm verbundene Ziel einer Abwasserbeseitigung, die den wasserrechtlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Beseitigung des Niederschlags(-ab-)wassers genügt (vgl. § 55 Abs. 2 WHG), zu erreichen.
161Zwar soll nach § 55 Abs. 2, 1. HS WHG in der zum 1. März 2010 in Kraft getretenen Fassung Niederschlagswasser (grundsätzlich) ortsnah versickert, verrieselt oder direkt oder über einer Kanalisation ohne Vermischung mit Schmutzwasser in ein Gewässer eingeleitet werden.
162Im vorliegenden Fall entspricht aber auch die Entsorgung des auf dem streitgegenständlichen Grundstück anfallenden Niederschlags(-ab-)wassers über den öffentlichen Mischwasserkanal den wasserrechtlichen Anforderungen des § 55 Abs. 2 WHG. Denn nach den Gesetzesmaterialien ist die Vorschrift (bewusst) „relativ weit und offen formuliert (Sollvorschrift), um den unterschiedlichen Verhältnissen vor Ort (z.B. vorhandenen Mischkanalisationen in Baugebieten) Rechnung tragen zu können“. Nach den mit der Regelung verbundenen Intentionen des Gesetzgebers hat sie zudem „nur für die Errichtung von neuen Anlagen Bedeutung; bereits bestehende Mischkanalisationen können daher im bisherigen Umfang weiter betrieben werden.“
163Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Wasserrechts“ vom 17. März 2009, Bundestagsdrucksache 16/12275, S. 68.
164Da der Mischwasserkanal, an den die Klägerseite ihr Grundstück auch wegen des Niederschlags(-ab-)wassers anschließen soll, im Jahre 1991 und damit bereits vor Inkrafttreten des § 55 Abs. 2 WHG n.F., d. h. vor dem 1. März 2010, verlegt worden ist und das Grundstück zudem in einem durch eine vorhandene Mischwasserkanalisation erschlossenen Baugebiet liegt, ändert sich durch die in Rede stehende Regelung nichts an der Eignung des betroffenen („bestandsgeschützten“) Mischwasserkanals zur ordnungsgemäßen Entsorgung des auf den anliegenden Grundstücken anfallenden Niederschlags(-ab-)wassers.
165Der „Bestandsschutz“ des Mischwasserkanals wird auch nicht durch die einschlägigen landesgesetzlichen Regelungen infrage gestellt, weil die Herstellung des Kanals auch auf einer vor dem 1. Juli 1995 gefassten Kanalnetzplanung beruht.
166Das Datum des 1. Juli 1995 ist in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung, weil zu diesem Zeitpunkt für das Land Nordrhein-Westfalen erstmals eine „Bestandsschutzregelung“ für Mischwasserkanäle, die auf einer „nach bisherigem Recht genehmigten Kanalnetzplanung“ beruhten, in Kraft getreten ist [vgl. § 51a Abs. 4 S. 2 LWG in der Fassung der ab 1. Juli 1995 geltenden Bekanntmachung der Neufassung des LWG vom 25.06.1995 (GV NRW 1995, S. 926) – LWG a.F. (1995)]; der seinerzeit für die Abwasserbeseitigung bundesgesetzlich geltende § 18a WHG a.F. sah im Gegensatz zu § 55 Abs. 2 WHG n.F. (2010) noch keine speziellen Anforderungen an die Beseitigung von Niederschlags(-ab-)wasser vor.
167Die landesgesetzliche Regelung über den Bestandsschutz für Mischwasserkanäle war seinerzeit erforderlich geworden, weil die mit § 51a Abs. 1 LWG a.F. (1995) zugleich erstmals landesgesetzlich eingeführten Anforderungen an die Beseitigung von Niederschlagswasser von Grundstücken, die nach dem 1. Januar 1996 erstmals bebaut, befestigt oder an die öffentliche Kanalisation angeschlossen werden, es – ohne die „Bestandsschutzregelung“ – an sich ausgeschlossen hätten, jedenfalls das auf den in § 51a Abs. 1 angesprochenen Grundstücken anfallende Niederschlags(-ab-)wasser über vorhandene Mischwasserkanäle zu beseitigen. Denn in § 51a Abs. 1 S. 1 LWG a.F. (1995) war geregelt, dass das auf den dort angesprochenen Grundstücken anfallende Niederschlags(-ab-)wasser vor Ort zu versickern, zu verrieseln oder ortsnah in ein Gewässer einzuleiten ist, sofern dies ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit möglich ist, und in § 51a Abs. 4 S. 1 LWG a.F. (1995) war vorgesehen, dass von der Verpflichtung nach Abs. 1 das Niederschlags(-ab-)wasser ausgenommen ist, das ohne Vermischung mit Schmutzwasser in einer vorhandenen Kanalisation abgeleitet wird.
168In § 51a Abs. 4 S. 2 LWG a.F. (1995) wurde daher „bestandsschützend“ bestimmt, dass von der Verpflichtung nach Abs. 1 (auch) das Niederschlags(-ab-)wasser ausgenommen ist, das aufgrund einer „nach bisherigem Recht genehmigten Kanalisationsnetzplanung“ gemischt mit Schmutzwasser einer öffentlichen Abwasserbehandlungsanlage zugeführt wird oder werden soll, wenn der technische oder wirtschaftliche Aufwand unverhältnismäßig ist. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass (erst) durch § 58 Abs. 1 LWG in der ab dem 1. Juli 1995 geltenden Fassung die zuvor – nach § 58 Abs. 1 LWG in der bis dahin geltenden Fassung – bestehende Pflicht, Pläne zur Erstellung oder wesentlichen Veränderung von Kanalisationsnetzen für die öffentliche Abwasserbeseitigung genehmigen zu lassen, durch eine Anzeigepflicht ersetzt worden ist [vgl. zum Fortbestand einer Anzeigepflicht: § 57 Abs. 1 LWG (2016)].
169Da ernstliche Anhaltspunkte dafür, dass die Herstellung des hier betroffenen Mischwasserkanals im Jahre 1991 nicht auf der Grundlage einer seinerzeit „nach bisherigem Recht genehmigten/zugelassenen Kanalnetzplanung“ erfolgt wäre, ebenso wenig bestehen wie dafür, dass der Aufwand für die Auflösung des im hier betroffenen Gebiet bestehenden Mischwassersystems nicht „wirtschaftlich unverhältnismäßig“ wäre,
170vgl. dazu, dass die Prüfung der hier in Rede stehenden wirtschaftlichen Unverhältnismäßigkeit auch die Kosten für die Anpassung der vorhandenen Anlagen umfasst und bei der Prüfung der wirtschaftlichen Unverhältnismäßigkeit grundsätzlich auf das gesamte Entwässerungsgebiet mit seiner abwassertechnischen Entwässerungssituation und nicht auf einzelne konkrete Grundstücke abzustellen ist: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 1. September 2010 – 15 A 1695/08 –, veröffentlicht unter anderem in juris, siehe dort insbesondere Rn. 31,
171ist auch aus landeswassergesetzlicher Sicht der hier betroffene Mischwasserkanal in dem Sinne „bestandsgeschützt“, dass die Entsorgung des auf den angeschlossenen/anzuschließenden Grundstücken anfallenden Niederschlags(-ab-) wassers über diesen Kanal wasserrechtskonform ist.
172An dieser Einschätzung ändert auch die Regelung in § 44 Abs. 1 S. 1 LWG n.F. (2016 – d.h. in der Fassung des „Gesetz zur Änderung wasser- und wasserverbandsrechtlicher Vorschriften“ vom 8. Juli 2016, GV NRW, 2016, S. 559 ff.) nichts, wie sich insbesondere aus der Einfügung des § 44 Abs. 1 S. 2 in das Landeswassergesetz durch das „Gesetz zur Änderung des Landeswasserrechts“ vom 4. Mai 2021 [LWG n.F. (2021) – GV NRW 2021, S. 559, 560 ff.] ergibt.
173In § 44 Abs. 1 S. 1 LWG n.F. (2016) ist bestimmt, dass Niederschlagswasser von Grundstücken, die nach dem 1. Januar 1996 erstmals bebaut, befestigt oder an die öffentliche Kanalisation angeschlossen werden, nach Maßgabe des § 55 Abs. 2 WHG zu beseitigen ist. In § 44 Abs. 1 S. 2 LWG (2021) ist geregelt, dass Niederschlagswasser, das aufgrund einer „nach bisherigem Recht zugelassenen Kanalisationsnetzplanung“ gemischt mit Schmutzwasser einer öffentlichen Abwasserbehandlungsanlage zugeführt wird oder werden soll, von der Verpflichtung nach § 44 Abs. 1 S. 1 LWG ausgenommen ist, wenn der technische oder wirtschaftliche Aufwand unverhältnismäßig ist.
174Nach den Gesetzesmaterialien dient die Bestimmung in § 44 Abs. 1 S. 2 LWG (2021) lediglich der klarstellenden Wiedereinfügung der Regelung in § 51a Abs. 3 LWG a.F., die bis zum 15. Juli 2016 galt, in das Gesetz [vgl. Landtagsdrucksache 17/9942 vom 25. Juni 2020, Gesetzentwurf der Landesregierung, Gesetz zur Änderung des Landeswasserrechts, S. 28, 29 und 95) – Anm.: durch das „Gesetz zur Änderung wasserrechtlicher Vorschriften“ vom 3. Mai 2005 (GV NRW 2005, S. 463) war der frühere § 51a Abs. 4 LWG (1995) zum Abs. 3 geworden]; dabei sollte ausweislich der Gesetzesbegründung der Wortlaut der Regelung in § 44 Abs. 1 S. 2 LWG n.F. (2021) gegenüber dem Wortlaut der Regelung in § 51a Abs. 3 LWG a.F. (2005; entspricht § 51a Abs. 4 LWG 1995) lediglich insoweit angepasst werden, als das auf die Kanalnetzplanung bezogene Wort „genehmigten“ durch das Wort „zugelassenen“ ausgetauscht worden ist, weil auch „nach alter Rechtslage“ Kanalnetzplanungen nur noch anzuzeigen und nicht mehr zu genehmigen gewesen seien. In der Sache soll die Einfügung nach den Gesetzesmaterialien klarstellen, dass auch unter Geltung des § 55 Abs. 2 WHG Niederschlags(-ab-)wasser – unter den in § 44 Abs. 1 LWG n. F. genannten Voraussetzungen – weiterhin über das Mischwassernetz beseitigt werden kann.
175Unter dem Begriff der „nach bisherigem Recht genehmigten/zugelassenen Kanalisationsnetzplanung“ dürfte im Hinblick auf den gesetzgeberischen Willen, die Regelung in § 51a Abs. 3 LWG a.F., die bis zum 15. Juli 2016 galt, lediglich „klarstellend“ wieder einfügen zu wollen, allerdings nur eine Kanalisationsnetzplanung zu verstehen sein, die bei dem erstmaligen Inkrafttreten des § 51a Abs. 3 LWG a.F. – damals noch als Abs. 4 – zum 1. Juli 1995 [vgl. Bekanntmachung der Neufassung des Wassergesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. Juni 1995 (GV NRW 1995, 926)] genehmigt bzw. zugelassen war.
176Auch bei Anlegung der hier in Rede stehenden landesgesetzlichen „Bestandsschutzmaßstäbe“ sind aber die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Beseitigung von Niederschlags(-ab-)wasser über einen Mischwasserkanal erfüllt. Denn der hier betroffene Mischwasserkanal ist bereits im Jahre 1991 verlegt worden und es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Herstellung dieses Kanals nicht einer – vor dem 1. Juli 1995 gefassten, d.h. – genehmigten/zugelassenen Kanalisationsnetzplanung der Beklagten im Sinne des § 58 LWG a.F. entsprochen hätte. Fraglos wäre auch die Einführung einer getrennten Abwasserentsorgung in dem hier betroffenen Gebiet, das bislang durch ein Mischwasserkanalnetz erschlossen ist, nach ihrem wirtschaftlichen Aufwand im Sinne des § 44 S. 2 LWG 2021 unverhältnismäßig.
177b. Dem Anschlusszwang kann nicht entgegengehalten werden, dass das auf den streitgegenständlichen bebauten und befestigten Flächen anfallende Niederschlags(-ab-) wasser bislang in den künstlich angelegten Teich mit Zufluss und Überlauf an den Sickerbrunnen eingeleitet oder unmittelbar über den Sickerbrunnen versickert werde und diese Form der Entsorgung qualitativ der Abwassereinleitung in einen Mischwasserkanal nicht nachstehe und der Anschlusszwang daher überflüssig, d. h. mit anderen Worten nicht erforderlich sei.
178Ein Zurückhalten von Niederschlags(-ab-)wasser auf dem Grundstück, ein Versickernlassen dort bzw. eine direkte Ableitung von Niederschlags(-ab-)wasser in ein Gewässer sind nämlich hier keine geeignete, „mildere“ Entsorgungsalternativen.
179Abwasserbeseitigungspflichtig für das Niederschlags(-ab-)wasser ist nach § 46 Abs. 1 Satz 1 LWG n.F. (= § 53 Abs. 1 LWG a.F.) die Gemeinde. Die Beseitigungspflicht liegt - wie bereits oben dargelegt - nicht bei der Klägerseite. Obliegt die Pflicht der Abwasserbeseitigung der Gemeinde, hat der Nutzungsberechtigte ihr das Abwasser zur Beseitigung zu überlassen (§ 48 LWG n.F. = § 53 Abs. 1c LWG a.F.). Dabei kann die Gemeinde bestimmen, in welcher Art und Weise die Überlassung zu erfolgen hat. Entscheidet sie sich wie hier in der Entwässerungssatzung mit Recht dazu, dies in der Form des Anschlusses an und der Ableitung in den öffentlichen Kanal zu verlangen, ist eine Entsorgung auf dem Grundstück keine wasserrechtlich ordnungsgemäße Abwasserbeseitigung.
180c. Der Anschlusszwang ist auch nicht mit Blick auf die Zweck-Mittel-Relation, d.h. hier insbesondere auf den erforderlichen Anschlussaufwand unverhältnismäßig.
181Die Gemeinde darf einen Kanalanschluss zwar nicht fordern, wenn die Erfüllung des Anschluss- und Benutzungszwanges an verfassungsrechtliche Grenzen stieße. Das wäre insbesondere dann der Fall, wenn das Anschlussverlangen enteignend wirkte oder – auch unter Berücksichtigung der von der Satzung und vom Gesetzgeber des Landeswassergesetzes vorgegebenen Zwecke – das Verlangen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzte. In solchen Fällen der Unzumutbarkeit muss auf die Ausübung des Anschluss- und Benutzungszwangs verzichtet werden.
182Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 12. Februar 1996 - 22 A 4244/95 -, NWVBl. 1996, 434 (436).
183Eine solche Unzumutbarkeit liegt hier nicht vor.
184Sie lässt sich nicht aus dem Umstand ableiten, dass die gegebenen Abwasserbeseitigungsverhältnisse z.T. schon seit vielen Jahren so bestehen. Mit der erstmaligen Einführung der Abwasserüberlassungspflicht für Niederschlags(-ab-)wasser durch die Einfügung des § 53 Abs. 1c in das Landeswassergesetz im Mai 2005 ist eine geänderte rechtliche Situation geschaffen worden, die eine etwaige zuvor begründete Erwartung, das Niederschlags(-ab-)wasser der Gemeinde auch künftig nicht überlassen zu müssen, kraft Gesetzes beendet hat. Die zur Anpassung der Niederschlags(-ab-) wasserbeseitigung von dem betroffenen Grundstück an diese geänderte Gesetzeslage notwendig werdenden (vor allem baulichen) Maßnahmen hat der Grundstückseigentümer als Anschlussnehmer im Rahmen des Zumutbaren zu treffen.
185Dass hier auch kein atypischer Sonderfall vorliegt, in dem eine Anschlussforderung unzumutbar wäre, weil ein Vertrauen in den Bestand der bisherigen Investitionen in die vorhandene Entwässerung gegenüber dem Anpassungsverlangen etwa besonders schutzwürdig wäre, ist bereits oben dargelegt worden.
186Die Zumutbarkeit der Anschlussmaßnahmen beurteilt sich i.Ü. in erster Linie nach der Zumutbarkeit des Anschlussaufwandes, da die Anpassungspflicht sich als solche aus der zulässigen Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums im Sinne des Art 14 Abs. 1 Satz 2 GG, die in der gesetzlichen Regelung der Überlassungspflicht liegt, rechtfertigt.
187Die Zumutbarkeit des Anschlussaufwandes bemisst sich ausgehend von den Kosten, die mit der Herstellung des Anschlusses verbunden sein werden, d.s. zum einen die Kosten für den Bau der Anschlussleitung, die hier zwischen dem öffentlichen Kanal und der Grundstücksgrenze bzw. dem Prüfschacht auf dem Grundstück (§ 1a Nr. 11 EWS) verläuft, und zum anderen die Kosten für die Verlegung der Haus- und Grundleitungen auf dem Grundstück (§ 1a Nr. 12 EWS), die das Niederschlags(-ab-)wasser von den Flächen, auf denen es sich sammelt, zur Anschlussleitung transportieren.
188Da für die Niederschlags(-ab-)wasserentsorgung berechtigterweise ein möglichst hoher Anschlussgrad erstrebt wird, kann als unzumutbar nur ein solcher Aufwand angesehen werden, der den üblichen Anschlussaufwand in gravierendem Umfang übersteigt. Zudem ist zu berücksichtigen, dass Erschwernisse, die durch lange Leitungsführungen oder etwa auch durch schwierige Gelände- oder Anschlussverhältnisse bei einzelnen Hausanschlüssen zu überwinden sind, als situationsbedingte Umstände dem Risikobereich des Eigentümers zuzurechnen sind; dies rechtfertigt es, von ihm gegenüber sonstigen Anschlussverpflichteten auch ggf. erhöhte finanzielle Anstrengungen zu verlangen.
189Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 19. November 1990 – 22 A 433/909 –, S. 10 des Urteilsabdruckes.
190Dementsprechend ist der Anschluss nicht schon dann unzumutbar, wenn die Anschlusskosten besonders hoch sind. Vielmehr ist darüber hinaus erforderlich, dass die Aufwendungen in keinem tragbaren Verhältnis zum Wert des Grundstücks stehen, bei dessen Bemessung die durch die Erschließung vermittelte Wertsteigerung zu berücksichtigen ist.
191Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 10. Oktober 2012 – 15 A 1505/12 –, veröffentlicht u.a. in juris, s. dort insbesondere Rdnr. 17.
192Nach der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen überschreiten selbst Anschlusskosten in Höhe von 25.000,00 Euro für ein Wohnhaus (d.h. für ein Grundstück mit einem Wohnhaus) noch nicht das einem Grundstückseigentümer zumutbare Maß.
193Vgl. z.B. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschlüsse vom 14. Oktober 2010 – 15 A 1290/10 – S. 8 des Beschlussabdruckes, vom 5. Juni 2003 - 15 A 1738/03 - S. 4 des Beschlussabdrucks, Urteil vom 18. Juni 1997 - 22 A 1406/96 -, StuG 1997, 284 (285); Anschlusskosten in Höhe von damals 50.000,00 DM für ein Wohnhaus sah das OVG NRW bereits in seinem Urteil vom 19. November 1990 – 22 A 433/90 – als zumutbar an.
194In den dieser Zumutbarkeitsrechtsprechung des OVG NRW zugrunde liegenden Fällen ging es zwar (auch) um den Schmutzwasseranschluss. Der dort zur Rechtfertigung der Verhältnismäßigkeit der Anschlusskosten angesprochene Belang der Volksgesundheit, der bei der zentralen Schmutzwasserbeseitigung ins Spiel kommt, spielt in vorliegendem Fall, in dem es um den Niederschlags(-ab-)wasseranschluss eines zu Wohnzwecken genutzten Grundstücks geht, ersichtlich keine Rolle. Aber auch das Interesse an einer zentralisierten Regenwasserbeseitigung zum Schutz fremder Grundstücke vor Wasserschäden und Überschwemmungen von Verkehrsflächen, dem die Einrichtung einer Kanalisation und die Anschlusspflicht daran dient,
195vgl. in diesem Sinne Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 10. Oktober 2012 – 15 A 1505/12 –, veröffentlicht u.a. in juris, s. dort insbesondere Rdnr. 16,
196ist – ebenfalls – ein überragender Belang, der vergleichbare Belastungen mit der Folge rechtfertigt, dass ein Anschluss nicht unzumutbar ist, wenn sich die Gesamtkosten für den Schmutzwasser- und den Niederschlags(-ab-)wasseranschluss – bei einem Wohnhaus – nicht auf deutlich mehr als 25.000,- Euro summieren.
197Angesichts des Umstandes, dass
198- das Grundstück wegen seiner Größe (782 m²) und seiner Bebauung mit einem (Bungalow-)Wohnhaus einen nicht unbedeutenden Verkehrswert hat,
199- Kosten für die Herstellung eines Anschlusskanals nicht anfallen, weil ein Anschluss an den öffentlichen Mischwasserkanal bereits besteht,
200- sich die Abstände der bebauten und befestigten Flächen im Verhältnis zum öffentlichen Kanal im Rahmen eines üblichen Baufensters halten (vgl. Pläne Bl. 2 ff. Beiakte Heft 1),
201- nach den topographischen Verhältnissen eine Entwässerung im Freispiegelgefälle möglich ist (vgl. Auszug aus dem GIS- Portal mit Höhenangaben – Bl. 3 Beiakte Heft 1),
202bestehen hier keine ernstlichen Anhaltspunkte dafür, dass der Anschluss der streitgegenständlichen Flächen mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden wäre.
203Für die Zumutbarkeit der Anschlussforderung spricht zudem, dass das Grundstück durch deren Erfüllung auch eine nicht zu vernachlässigende Wertsteigerung erführe; denn angesichts der bislang fehlenden Erfüllung einer bestehenden Anschlusspflicht würde sich der „Wert“ des Grundstücks für einen potenziellen Erwerber bei wohlinformierter wirtschaftlicher Betrachtung in einer den noch zu erwartenden – zum Wert des Grundstücks nicht ersichtlich außer Verhältnis stehenden – Anschlusskosten entsprechenden Höhe vermindern.
204Für die Frage der Verhältnismäßigkeit der letztlich wasserrechtlich begründeten Anschlussforderung kommt es im Hinblick darauf, dass die Abwasserüberlassungspflicht grundstücksgefahrenbezogen ist, auch nicht auf die persönliche finanzielle Leistungsfähigkeit des jeweiligen Anschlussnehmers an.
205d. Im Übrigen unterliegt der Anschluss- und Benutzungszwang grundsätzlich weder der Verjährung noch der Verwirkung. Dies ergibt sich aus seiner Zweckbestimmung, die der einer ordnungsbehördlichen Maßnahme der Gefahrenabwehr gleicht. Gefahrenabwehrrechtliche Eingriffsbefugnisse sind zumindest in aller Regel nicht verjährungs- und verwirkungsfähig.
206Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Juli 2016 – 15 A 1068/15 –, veröffentlicht unter anderem in juris, siehe dort insbesondere Rn. 48 f. mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung.
207Ernstliche Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte durch ihr Verhalten den Anschlusszwang verwirkt hätte, bestehen hier nicht. Dafür reicht eine lange Duldung der bestehenden Anschlussverhältnisse mangels hinreichender Basis für ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerseite darauf, dass sie ihr Grundstück oder Teilflächen davon entgegen der Gesetzeslage (ausnahmsweise) wegen des Niederschlags(-ab-)wassers nicht an die öffentliche Kanalisation anschließen müsse, nicht aus.
208e. Ist die Anschlussforderung (nach allem) verhältnismäßig und nicht unzumutbar, kommt auch kein Anspruch auf Befreiung vom Anschluss- oder Benutzungszwang im Sinne des § 7 EWS, der ohnehin nur das Schmutzwasser betrifft, in Betracht, der dem Anschluss- bzw. Benutzungsverlangen einredeweise entgegen gesetzt werden könnte.
209Vgl. zum „Einredecharakter“ der Befreiungsmöglichkeit u.a. OVG NRW, Beschluss vom 4. Januar 1995 – 22 A 2185/91 -, m.w.N..
210Abgesehen davon steht der Annahme einer zwingend zu erteilenden „Befreiung“ entgegen, dass auch deren Ablehnung aus Gründen der Schutzwürdigkeit der gemeindlichen Entwässerungskonzeption für den Regelfall intendiert ist (vgl. dazu bereits die hier entsprechend geltenden Ausführungen zum „Freistellungsanspruch“ – s. oben A.).
211f. Schließlich zieht auch der Hinweis der Klägerin, dass von dem Spar- und Bauverein T. im Zusammenwirken mit der Beklagte in den Jahren zwischen 2008 und 2015 fünf größere zusammenhängende Siedlungen, die im Besitz dieses Vereins seien, vom Mischwasserkanal abgekoppelt worden seien und das dort anfallende Niederschlags(-ab-) wasser versickert werde, nicht die Annahme eines Verstoßes der Anschlussforderung gegenüber der Klägerin gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG nach sich.
212Denn zum einen sind die hier angesprochenen Fälle, in denen sich die Beklagte offensichtlich entschieden hat, für größere Siedlungszusammenhänge ihr bisheriges dortiges Entwässerungskonzept einer Abwasserentsorgung über den Mischwasserkanal einheitlich zu ändern, nicht mit dem Fall der Klägerin zu vergleichen, in dem es um keine einheitliche Neugestaltung des städtischen Entwässerungskonzepts für ein größeres Gebiet geht, sondern um eine klägerseits anstrebte Ausnahme von dem für den fraglichen Bereich ansonsten fortbestehenden Entwässerungskonzept im Einzelfall.
213Abgesehen davon könnte die Klägerseite zum anderen aus einer offenbar rechtswidrigen teilweisen Nichtbeachtung des Anschluss- und Benutzungszwangs, der vom Satzungsgeber als rechtlich zwingend ausgestaltet worden ist [vgl. § 5 Abs. 1 S. 1 EWS: „… ist verpflichtet, sein Grundstück … anzuschließen (Anschlusszwang).“] und der seinerseits auf der vom Gesetzgeber ebenfalls als rechtlich zwingend ausgestalteten Abwasserüberlassungspflicht (vgl. § 48 S. 1 LWG „… ist … zu überlassen“) gründet, durch Eigentümer anderer Grundstücke für sich auch nicht das Recht ableiten, dem Anschluss- und Benutzungszwang, der die wasserrechtliche Abwasserüberlassungspflicht lediglich in ein einrichtungsrechtliches Gewand kleidet, nicht unterworfen zu werden.
214Vgl. in diesem Sinne: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 1. September 2010 – 15 A 1635/08 –, veröffentlicht unter anderem in juris, siehe dort insbesondere Rn. 49.
215Einen Anspruch auf „Gleichbehandlung im Unrecht“ gibt es im Übrigen nicht.
216g. Die Klägerin ist als anschlussberechtigte Eigentümerin des betroffenen Grundstücks gemäß §§ 2 und 5 EWS auch persönlich anschlusspflichtig und damit richtige Adressatin der Anschluss- und Benutzungsforderung.
217h. Die Anschlussfrist von drei Monaten nach Bestandskraft ist ausreichend bemessen; denn es bestehen keine Zweifel, dass innerhalb dieser Frist die geforderten Handlungen durchgeführt werden können.
218II.
219Auch die Zwangsgeldandrohung, die in dem angefochtenen Bescheid zudem ausgesprochen worden ist, ist nicht zu beanstanden; sie ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
220Die Rechtmäßigkeit einer Zwangsgeldandrohung ist nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. der Entscheidung in der letzten Tatsacheninstanz zu beurteilen. Dies ergibt sich aus dem Charakter des Zwangsgeldes als Beugemittel. Denn eine Zwangsgeldandrohung entfaltet mit ihrer willensbeugenden Zielsetzung fortdauernde Rechtswirkungen mit der Folge, dass entscheidungserhebliche Veränderungen grundsätzlich bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung oder der Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz zu berücksichtigen sind.
221Vgl. zum Vorstehenden: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16. Dezember 2004 – 1 C 30/03 –, veröffentlicht unter anderem in Juris, siehe dort Rn. 23.
222Nach § 55 Abs. 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG) kann ein Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist (sogenannte Grundverfügung) mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat.
223Die Grundverfügung, die hier im Wege des Verwaltungszwangs durch Zwangsgelder durchgesetzt werden soll, ist hier die Anschlussverfügung, mit der die Androhung zugleich erlassen worden ist. Diese Grundverfügung ist zwar zurzeit noch nicht vollziehbar, weil sie noch nicht unanfechtbar geworden ist und die gegen die Grundverfügung gerichtete Klage nach § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung hat. Die fehlende Vollziehbarkeit der Grundverfügung steht dem Erlass einer Zwangsmittelandrohung aber nicht entgegen. Nach § 63 Abs. 2 S. 1 VwVG kann nämlich die Androhung (schon) mit dem Verwaltungsakt verbunden werden, durch den die Handlung, Duldung oder Unterlassung aufgegeben wird; aus der Zusammenschau mit der Regelung in § 63 Abs. 2 S. 2 VwVG, wonach die Androhung mit der Grundverfügung (sogar) verbunden werden soll, wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat, ergibt sich, dass die Androhung rechtmäßigerweise aber auch schon dann mit der Grundverfügung verbunden werden kann, wenn ein Rechtsmittel gegen die Grundverfügung aufschiebende Wirkung hat.
224Der Rechtmäßigkeit der jeweiligen Zwangsmittelandrohung steht auch nicht entgegen, dass die (noch) nicht vollziehbare Grundverfügung, mit der die Androhung verbunden worden ist, etwa rechtswidrig und daher auf die dagegen erhobene Klage hin mit der Folge aufzuheben wäre, dass es an einer wirksamen Grundlage für eine Verwaltungsvollstreckung fehlte; aus den oben unter I. dargelegten Gründen ist die Grundverfügung vielmehr rechtmäßig.
225Die mithin zulässigerweise schon mit der Grundverfügung verbundene Zwangsgeldandrohung genügt auch den (übrigen) besonderen Anforderungen an eine rechtmäßige Androhung nach § 63 VwVG.
226Die Beklagte hat die Androhung des Zwangsmittels wie erforderlich schriftlich erteilt und der Klägerseite zugestellt (§ 63 Absatz 1 S. 1 und Abs. 6 S. 1 VwVG); der Bescheid, der der Klägerin von der Beklagten mit Zustellungswillen übersandt worden ist, gilt nämlich - obwohl sich seine formgerechte Zustellung nicht nachweisen lässt, weil die Postzustellungsurkunde nicht in Rücklauf gekommen ist, - gemäß der Heilungsvorschrift in § 8 VwZG NRW mit dem unstreitigen Empfang dieses Bescheides durch die Klägerin als zugestellt. Die Beklagte hat in dem angefochtenen Bescheid mit Wirkung für die Androhung auch eine angemessene Frist im Sinne des § 63 Abs. 1 S. 2 VwVG gesetzt, in der die im Wege des Verwaltungszwangs durchzusetzende Verpflichtung erfüllt werden kann. Zur Befolgung der Anschlussforderung ist nämlich ein Zeitraum von drei Monaten nach Bestandskraft der Grundverfügung gesetzt worden. Diese Frist, auf deren Ablauf die Androhung des Zwangsgeldes ausgerichtet ist, ist angemessen, weil sie zum einen sicherstellt, dass die Vollziehung (Festsetzung und Anwendung des Zwangsmittels) ihren Fortgang erst zu einem Zeitpunkt findet, in dem die dazu zu erfüllende Zulässigkeitsvoraussetzung des Verwaltungszwangs nach § 55 Abs. 1 VwVG, nämlich die Unanfechtbarkeit der Grundverfügung bereits eingetreten ist, und diese Frist zum anderen ausreichend Zeit gibt, die Forderung aus der Grundverfügung auch zu erfüllen.
227Die Androhung bestimmt mit dem Zwangsgeld ein zulässiges Zwangsmittel (§ 63 Abs. 3 in Verbindung mit § 60 VwVG), das in der angedrohten Höhe 1.000,- Euro nicht zu beanstanden ist. Die Androhung bewegt sich in dem in § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVG für Zwangsgelder vorgesehenen Rahmen; sie ist unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Interesses der Klägerseite an einer Nichtbefolgung der Grundverfügung und der Bedeutung der Erfüllung der im öffentlichen Interesse liegenden Forderung auch angemessen (§ 58 VwVG).
228Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
229Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO nicht vorliegen (§ 124 a Abs. 1 VwGO).
230Rechtsmittelbelehrung: (2021/22)
231Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
232Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
233Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
234Die Berufung ist nur zuzulassen,
2351. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2362. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
2373. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2384. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
2395. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
240Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen.
241Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen.
242Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
243Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst 3-fach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
244Beschluss:
245Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt [§ 52 Abs. 2 GKG (Regelstreitwert) unter Berücksichtigung der Nr. 1.7.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, wonach eine unselbstständige Zwangsgeldandrohungen neben einer Grundverfügung bei der Streitwertbemessung grundsätzlich außer Betracht bleibt.]
246Rechtsmittelbelehrung:
247Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
248Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
249Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
250Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
251Die Beschwerdeschrift soll möglichst 3-fach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
252War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.