Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Der Beklagte wird in das Amt eines Kriminaloberkommissars (Besoldungsgruppe A 10) zurückgestuft.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
2Der am 00. P. 1977 geborene Beklagte schloss das Gymnasium im Jahr 1998 mit der Fachhochschulreife ab und leistete von Juli 1998 bis Ende April 1999 seinen Wehrdienst. Anschließend studierte er sechs Semester Rechtswissenschaften an der Universität C..
3Am 00. September 2002 trat er in die Laufbahn des gehobenen Polizeidienstes des Landes Nordrhein-Westfalen ein und wurde unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Kommissaranwärter ernannt. Der Beklagte wurde am 00. September 2005 unter Verleihung der Eigenschaft eines Beamten auf Probe zum Polizeikommissar z.A. ernannt.
4Er erhielt am 00. April 2006 eine Anerkennung aufgrund seines vorbildlichen und professionellen Verhaltens im Rahmen eines Einsatzes. Am 00. August 2007 und am 00. Oktober 2007 erhielt er eine Anerkennung für sein außerdienstliches Engagement und vorbildliches Verhalten.
5Am 00. März 2008 wurde der Beklagte unter Verleihung der Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit zum Polizeikommissar ernannt. Er wurde am 00. Dezember 2012 zum Kriminaloberkommissar und zuletzt am 00. Mai 2016 zum Kriminalhauptkommissar ernannt.
6Mit Wirkung zum 00. Juni 2016 wurde der Beklagte aus dienstlichen Gründen in die Funktion eines Ermittlungsgruppenleiters in der Dir K / Kl 1 / KK 00 umgesetzt. Seine bis zum 00. Oktober 2018 befristete Umsetzung in die Funktion eines Wachdienstführers in der DirK / KI 6 / KK 00 / K-Wache 0 erfolgte am 00. November 2017. Er wurde aus dienstlichen Gründen nach Bekanntwerden des dem Verfahren zugrundeliegenden Sachverhalts am 00. September 2018 mit sofortiger Wirkung in die Funktion eines Sachbearbeiters beim KK 00 umgesetzt.
7Seine dienstliche Leistung und Befähigung lagen meist im überdurchschnittlichen Bereich. Seine letzte dienstliche Beurteilung für den Zeitraum vom 1. Juni 2014 bis zum 31. Mai 2017 im Amt eines Kriminalhauptkommissars (A 11) endet mit dem Gesamturteil „3 Punkte“, wobei Arbeitseinsatz, Leistungsgüte, Leistungsumfang sowie Mitarbeiterführung bereits mit „4 Punkten“ beurteilt sind.
8Der Beklagte ist seit dem Jahr 2015 verheiratet und hat zwei in den Jahren 2016 und 2018 geborene Kinder.
9Der Beklagte ist – abgesehen von den hier in Rede stehenden Sachverhalten – straf- und disziplinarrechtlich nicht vorbelastet.
10Der Polizeipräsident L. leitete mit Verfügung vom 00. Januar 2019 ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein und setzte dieses für die Dauer des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens aus.
11Das Amtsgericht Bonn (000 Xx-000 Xx 000/00-000/00) verurteilte den Beklagten mit Urteil vom 00. Mai 2019 wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (§ 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB), Bestechlichkeit (§ 332 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 StGB) sowie versuchter Erpressung (§ 253 Abs. 1, 2 und 3, 22, 23 StGB) zu einer Gesamtgeldstrafe von 280 Tagessätzen zu je 45 Euro. Das Urteil ist seit dem 20. November 2019 rechtskräftig. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:
12„Vorgeschichte:
13Im Jahr 2017 begann es in der Ehe des Angeklagten etwas zu kriseln. Dazu kam, dass er oft Nachtschicht hatte und sich währenddessen häufig langweilte. Der Angeklagte kaufte sich ein Iphone5 und nutzte dieses, um Kontakt mit „Hobbyprostituierten" zu knüpfen. Auf diese Damen stieß er im Internet über Escort-Service-Seiten bzw. das Internetportal „Kauf-mich.de". Die Seiten sind mit Damen verknüpft, die nebenbei der Prostitution nachgehen. Diese Seiten rief er auch über seinen Dienstrechner auf. Auf dem Portal stellte der Angeklagte ein Profil über seine Person ein.
14Im April 2018 stieß er bei seinen Recherchen auf die Zeugin I. O. L1.. Diese war damals 24 Jahre alt, stammte aus einer muslimischen Familie und war allein erziehende Mutter von zwei kleinen Kindern Sie war arbeitslos und beim Jobcenter angemeldet. Da die Zeugin finanzielle Probleme hatte und sie ihren Kindern ein besseres Leben ermöglichen wollte, hatte sie ein Profil bei der Seite „Kauf-mich.de“ angelegt. Dort hatte sie weder ihre private Telefonnummer, noch ihren Namen geschweige denn ihre Adresse hinterlegt. Sie hatte ihrer Familie nichts von ihrem Nebenerwerb mitgeteilt, auch nicht dem Jobcenter und war zudem unerfahren, wieviel Kontakt zu den Kunden üblich ist. Auch bei der Stadt C. hatte sie sich nicht als Prostituierte angemeldet, weil sie Angst vor dem Jugendamt hatte.
15Der Angeklagte war einer ihrer ersten Kunden.
16Zunächst hatten die beiden über das Portal im Internet Kontakt. Am 00.00.2018 schrieb die Zeugin an den Angeklagten eine WhatsApp auf dessen Handynummer des Iphone5. Diese lautete: „Hi N. ich bin my little sunshine von km... deine Nachricht kam direkt sympathisch rüber und hat mein Interesse geweckt [...] Lg N1 ." Es kam zu einem längeren Chat zwischen den beiden. Die Zeugin war dem Angeklagten sympathisch. Der Angeklagte, der nun die Handynummer der Zeugin hatte, suchte auf dem Dienstrechner im internen System der Polizei (J. ) nach der Zeugin L1. . Er wusste, dass er dies dienstrechtlich nicht darf, wollte aber sicher gehen, dass keine Organisierte Kriminalität dahinter steckte. So fand er den wahren Namen der Zeugin heraus. Die beiden vereinbarten über WhatsApp ein erstes Treffen für den 00.04.2018. Der Angeklagte hatte der Zeugin erzählt, dass er in einer großen Firma arbeite. Der Angeklagte lieh sich ein Fahrzeug von einem Freund und traf sich mit der Zeugin am 00.04.2018 auf dem M. -Parkplatz in C. –F. . Für die Zeugin war es wichtig, dass das erste Kennenlernen auf einem öffentlichen Platz stattfindet wegen der Sicherheit. Der Angeklagte wiederum hatte Angst davor, dass unerwartet ein Zuhälter auftaucht. Bei dem Treffen waren sich beide sympathisch. Die Zeugin stieg in das Auto, und der Angeklagte fuhr zur Polizeischule nach C1. . Mit seiner Dienstkarte konnte er an der Schranke Zugang zu dem Gelände bekommen. Die beiden begaben sich auf dem weitläufigen Übungsgelände der Polizei zu einem maroden Hochhaus, wo es in der obersten Etage zum Geschlechtsverkehr zwischen den beiden kam. Der Angeklagte bezahlte dafür 150,- €.
17Bei diesem Treffen erzählte der Angeklagte der Zeugin, dass er Polizeibeamter sei. Er fragte sie, ob sie damit ein Problem habe, was sie verneinte. In der Folgezeit gab es umfangreiche WhatsApp Nachrichten von beiden Seiten, die mal mehr mal weniger anzüglich waren. Die Zeugin schickte dem Angeklagten auch Nacktfotos von sich, was der Angeklagte mit einem B.gutschein bezahlte. In dem Chat ging es aber auch um private Dinge, und der Angeklagte fing an, für die Zeugin zu schwärmen.
181.
19Zwischenzeitlich bekam der Angeklagte bei seinen Recherchen über die Zeugin im polizeiinternen System deren private Anschrift in C. –U. heraus. Die beiden vereinbarten ein zweites Treffen für den 00.06.2018. Der Angeklagte hinterlegte das Geld für den Geschlechtsverkehr im privaten Briefkasten der Zeugin, was er ihr per WhatsApp mitteilte. Die Zeugin wusste nicht, was sie davon halten sollte, weil sie ihre Adresse vor ihren Kunden geheim hält. Da der Angeklagte nun ohnehin ihre Adresse wusste und ihre Kinder bei der Nachbarin waren, willigte sie ein, sich für den vereinbarten Geschlechtsverkehr bei ihr zu Hause im L2. Weg in C. zu treffen. Im Rahmen dieses Treffens am 00.06.2018 ließ sich die Zeugin auf Bitten des Angeklagten von diesem vor dem Geschlechtsakt die Augen verbinden und die Handgelenke fesseln. Sie war ausdrücklich nicht damit einverstanden, dass Bilder oder Videoaufzeichnungen von ihr gemacht werden. Obwohl der Angeklagte wusste, dass die Zeugin nicht damit einverstanden war, zeichnete er den Geschlechtsakt, der in ihrer Wohnung stattfand, mit seinem Mobiltelefon per Video auf. Er machte mehrere kleine Videos, die er für sich verwenden wollte.
202.
21Am 00.06.2018 fuhr die Zeugin, die keine Fahrerlaubnis hatte, mit einem C2. eines anderen Kunden über den Parkplatz des M. an der F. Straße in C. . Es wurde ein Ermittlungsverfahren gegen sie eingeleitet.
22Der Angeklagte fand dies durch seine internen Recherchen heraus. Am 00. Juli 2018 schrieb der Angeklagte eine WhatsApp an die Zeugin. Darin heißt es: „Hey I. , was ist passiert? Mit nem C2. über den Parkplatz gefahren und Gras geraucht? Nicht gut. Wie geht's dir?" Ihre Antwort lautete: Hi [...] schön das du dir Sorgen um mich machst aber ich komm schon klar... Mir geht's gut und dir? Daraufhin schrieb er: Natürlich kommst du klar. Du bist ja Mama und Schülerin und verdienst Geld.
23„Ich weiß ja, dass du eine starke Frau bist. [...] Wenn ich dir helfen kann, sag Bescheid." Fünf Minuten später antwortete sie: „Lösch mir den Eintrag“. Dahinter ist ein Smiley mit Heiligenschein. In derselben Minute schrieb sie „Geht aber glaub ich nicht".
24Darauf schrieb der Angeklagte bewusst und willentlich um xx Uhr: „Geht unter Umständen. Kommt alles auf den Preis an" und eine Minute später „Hat man dir schon gesagt, was die Strafe sein soll?“ Vier Minuten später schrieb die Zeugin „Nein noch nicht.... Welche Preis Vorstellung hast du denn? Sollte nur eine schriftliche Erklärung abgeben, hab aber nicht abgeschickt“.
25Um xx Uhr schrieb der Angeklagte an die Zeugin: „Die Strafe für das was du gemacht hast ist immer, also bei jedem: 1500 EUR, zahlbar in Raten, weil du Geld vom Jobcenter bekommst. Und 3 Jahre Sperre für den Führerschein. Also mindestens 3 Jahre keine Fahrschule. Und danach negative Drogen Tests. Was wäre denn ein Angebot von dir? Ich finde es besser, wenn du mir ein Angebot machst."
26Die Antwort der Zeugin lautete: „Ich hätte keine Ahnung was du dir von mir wünschen würdest oder erwartest".
27Der Angeklagte schrieb: „Du hast mehr Fantasie als ich. Mach mal einen Vorschlag.“ Sie fragte: „Willst du Geld dafür?“ Die Zeugin wusste in dem Moment nicht, ob der Angeklagte kostenlosen Sex mit ihr haben wollte oder Bilder oder Videos. Der Angeklagte meldete sich in derselben Minute mit folgenden Meldungen: „Hast du denn auch Ärger mit deinem Kunden, der dich hat fahren lassen? [...] Nein Geld will ich nicht. Das ist fantasielos“.
28Die Zeugin entgegnete: „[...] Ist egal, du musst nichts machen... Ich hab den Mist gebaut also muss ich damit zurecht kommen“, woraufhin der Angeklagte antwortete: „Das wird für den auch nicht billig. Ist leider so. Warum hast du mich damals nicht gefragt, bei mir hätte es keine Probleme gegeben.
29Ok. Verstehe. War ja nur eine Idee. Ich weiß ja, dass du auch sonst genug um die Ohren hast." Ihre Antwort lautete: „Genau das ist es ich hab schon viel zu tragen... Das macht jetzt auch kein Unterschied mehr. [...]. Der Angeklagte entgegnete: „Aber man muss auch nicht alles tragen. Hier in L. heißt es: „man kennt sich, man hilft sich“.
30Der Angeklagte schaute sich im internen System der Polizei das Ermittlungsverfahren gegen die Zeugin an. Einfluss auf die Ermittlungen nahm er nicht.
31Am 00.08.2018 meldete sich der Angeklagte wieder bei der Zeugin L1. . Er schrieb per WhatsApp: „Hey I. , […] also wegen deiner C2. Parkplatz Aktion. Mehr konnte ich nicht für dich rausholen. Ich denke aber, das passt so für dich“.
323.
33Zwei Tage später am 00.08.2018, schlug der Angeklagte der Zeugin vor, sich erneut zu treffen. Dies lehnte die Zeugin ab. Sie schrieb in den Chat: „Am Montag kann ich nicht und ehrlich gesagt macht es mich auch sehr unruhig und sehr nervös wenn du dich für meine Probleme interessierst und deine Position nutzt um noch mehr Dinge von mir zu erfahren... Vielen dank für deine Hilfe obwohl es meinerseits nicht gewollt war... aber ich möchte mich nicht mehr mit dir treffen... Ich wünsche dir weiterhin alles gute und hoffe, du verstehst das."
34Der Angeklagte antwortete: „Ich verstehe das nicht. Ich finde gut, dass du mir sagst, was los ist. Schließlich haben wir versprochen gegenseitig ehrlich zu sein. Aber was kann ich für meinen Job? [...]. Außerdem weiß ich doch schon alles, was für dich „gefährlich" werden könnte. Wäre es also nicht ein guter Weg nett zu mir zu sein?"
35Sie antwortete daraufhin: „Ich hoffe du kannst meine Entscheidung akzeptieren...“
36Der Angeklagte schrieb sodann: „Also ganz so einfach nicht. Was stört dich den genau?", worauf sie antwortete: „Hab ich dir geschrieben...“.
37Der Angeklagte beharrte: „Also du willst dich nicht treffen, weil ich frage, wie es dir geht und weil ich weiß, wer du bist und deine Familie und deine Situation mit dem Jugendamt dem Jobcenter und so kenne? Kapier ich nicht“.
38Die Zeugin antwortete: „Genau deswegen... tut mir leid, das du das nicht verstehst…"
39Der Angeklagte schrieb erneut: „Ist doch aber alles schon passiert. Deswegen nochmal. Wäre es nicht besser du wärest freundlich und nett zu mir? Die Zeugin schrieb um xx Uhr: „Tu was du nicht lassen kannst... Ich lass mich nicht erpressen...“
40Um xx Uhr schrieb der Angeklagte: „Ich erpresse dich doch nicht. Ich fand unser Date nur gut und will es wiederholen. Und du hast den Quatsch in deinem Kopf wegen meinem Job. Wahrscheinlich weil du weißt, dass du gegenüber Deiner Familie, Deinen Kids und dem Staat nicht ehrlich bist. Das ist aber nicht mein Problem. Also, sei ein Profi".
41Um xx Uhr meldete sich der Angeklagte mit den Worten „So schnell bist du doch nicht sprachlos, oder was ist?“
42Als keine Reaktion seitens der Zeugin erfolgte, schrieb der Angeklagte um xx Uhr: „Nicht zu antworten und nicht mit mir zu reden mag ich nicht. Dann werde ich sauer. Deswegen möchte ich noch heute!!! von Dir Fotos von Dir. Mit Kleid, ohne Kleid, ohne Unterwäsche. Was hübsches, damit ich nicht sauer bin. Ich war nett und habe meinen Job mit dir vergessen. Aber wenn ich sauer bin, kann ich das nicht mehr. [...]“
43Daraufhin gab es keinerlei Kontakt mehr zwischen dem Angeklagten und der Zeugin L1. .
44Am 00.08.2018 meldete sich die Zeugin beim Stadthaus als Prostituierte an. Dort arbeitet unter anderem eine Mitarbeiterin des Ordnungsamts, die sich um die Belange der Prostituierten in der Stadt kümmert. Dieser vertraute sich die Zeugin L1. an und erstattete Anzeige bei der Polizei, weil sie Angst vor dem Angeklagten hatte. Außer dem Spitznamen „N2. ", seiner Telefonnummer und seinem Beruf wusste sie nichts von dem Angeklagten.
45Die Zeugin L1. hat aufgrund dieser Sache ihre Tätigkeit als Prostituierte eingestellt, einen Schulabschluss gemacht und wird im Herbst eine Ausbildung bei W. beginnen.
46Am 00.08.2018 wurden das Büro des Angeklagten und sodann seine Privatanschrift durchsucht. Dadurch erfuhren die Ehefrau und die Mutter des Angeklagten von den Ermittlungen. Der Angeklagte sollte sich zwei Wochen Urlaub nehmen. Inzwischen macht er nur noch Dienst beim Regionalkommissariat und bearbeitet Ladendiebstähle in der Außenstelle in Q. .“
47Nach Abschluss des Strafverfahrens wurde das Disziplinarverfahren mit Verfügung vom 10. Februar 2020 fortgesetzt. Das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen vom 24. August 2020 wurde dem Beklagten am 3. September 2020 zur Kenntnis gebracht. Eine Mitwirkung des Personalrates wurde nicht beantragt.
48Der Kläger hat am 14. Januar 2021 die vorliegende Disziplinarklage erhoben und diese gemäß Beschluss der Disziplinarkammer vom 00. März 2021 durch Klageschrift vom 12. Mai 2021 konkretisiert.
49Er wirft dem Beklagten vor, durch mehrere inner- sowie außerdienstliche Verfehlungen seine Wohlverhaltenspflicht aus § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG und seine Gehorsamspflicht aus § 35 Satz 2 BeamtStG verletzt zu haben. Im Einzelnen:
50Teilsachverhalt 1:
51„[…] Der Angeklagte [O2. H. ] kaufte sich ein iphone5 und nutzte dieses, um Kontakt mit „Hobbyprostituierten“ zu knüpfen. Auf diese Damen stieß er im Internet über Escort-Service-Seiten bzw. das Internetportal Kaufmich.com“ [....] Die Seiten rief er auch über seinen Dienstrechner auf… […] Im April 2018 stieß er bei seinen Recherchen auf die Zeugin I. O. L1. . [...] Der Angeklagte war einer ihrer ersten Kunden.
52Zunächst hatten die beiden über das Portal im Internet Kontakt. Am 00.04.2018 schrieb die Zeugin an den Angeklagten eine WhatsApp auf dessen Handynummer des Iphone5. […] Der Angeklagte, der nun die Handynummer der Zeugin hatte, suchte auf dem Dienstrechner im internen System der Polizei (J. ) nach der Zeugin L1. . Er wusste, dass er dies dienstrechtlich nicht darf, wollte aber sicher gehen, dass keine organisierte Kriminalität dahinter steckte. So fand er den wahren Namen der Zeugin heraus. […]
53Zwischenzeitlich bekam der Angeklagte bei seinen Recherchen über die Zeugin im polizeilichen System deren private Anschrift in C. –U. heraus. Die beiden vereinbarten ein zweites Treffen für den 00.06.2018. Der Angeklagte hinterlegte das Geld für den Geschlechtsverkehr im Briefkasten der Zeugin was er ihr per WhatsApp mitteilte. Die Zeugin wusste nicht, was sie davon halten sollte, weil sie ihre Adresse vor ihren Kunden geheim hält. Da der Angeklagte nun ohnehin ihre Adresse wusste und ihre Kinder bei der Nachbarin waren, willigte sie ein, sich für den vereinbarten Geschlechtsverkehr bei ihr zu Hause im L2. Weg in C. zu treffen. Im Rahmen dieses Treffens am 00.06.2018 ließ sich die Zeugin auf Bitten des Angeklagten von diesem vor dem Geschlechtsakt die Augen verbinden und die Handgelenke fesseln. Sie war ausdrücklich nicht damit einverstanden, dass Bilder oder Videoaufzeichnungen von ihr gemacht werden. Obwohl der Angeklagte wusste, dass die Zeugin nicht damit einverstanden war, zeichnete er den Geschlechtsakt, der in ihrer Wohnung stattfand mit seinem Mobiltelefon per Video auf. Er machte mehrere kleine Videos, die er für sich verwenden wollte. […].
54Teilsachverhalt 2:
55Am 00.06.2018 fuhr die Zeugin [I. O. L1. ], die keine Fahrerlaubnis hatte, mit einem C2. eines anderen Kunden über den Parkplatz des M. an der F. Straße in C. . Es wurde ein Ermittlungsverfahren gegen sie eingeleitet.
56Der Angeklagte [O2. H. ] fand dies durch seine internen Recherchen heraus. Am 00. Juli 2018 schrieb der Angeklagte eine WhatsApp an die Zeugin. Darin heißt es „Hey I. , was ist passiert? Mit nem C2. über den Parkplatz gefahren und Gras geraucht? Nicht gut. Wie geht's dir?“ Ihre Antwort lautete: „Hi [...] schön, das du dir Sorgen um mich machst aber ich komm schon klar… Mir geht's gut und dir?“
57Daraufhin schrieb er: „Natürlich kommst du klar. Du bist ja Mama und Schülerin und verdienst Geld. Ich weiß ja, dass du eine starke Frau bist. [...] Wenn ich Dir helfen kann, Sag Bescheid". Fünf Minuten später antwortete sie: Lösch mir den Eintrag [*Smiley mit Heiligenschein*]. In derselben Minute schrieb sie: „Geht aber glaub ich nicht".
58Darauf schrieb der Angeklagte bewusst und willentlich um 21:23 Uhr: „Geht unter Umständen. Kommt alles auf den Preis an" und eine Minute später „Hat man dir schon gesagt, was die Strafe sein soll?". Vier Minuten später schrieb die Zeugin: „Nein noch nicht... Welche Preis Vorstellung hast du denn? Sollte nur eine schriftliche Erklärung abgeben hab aber nicht abgeschickt".
59Um 21.28 Uhr schrieb der Angeklagte an die Zeugin: Die Strafe für das was du gemacht hast ist immer, also bei jedem: 1500 EUR, zahlbar in Raten, weil du Geld vom Jobcenter bekommst. Und 3 Jahre Sperre für den Führerschein. Also mindestens 3 Jahre keine Fahrschule. Und danach negative Drogen Tests. Was wäre denn ein Angebot von dir? Ich finde es besser, wenn du mir ein Angebot machst."
60Die Antwort der Zeugin lautete: „lch hätte keine Ahnung was du dir von mir wünschen würdest oder erwartest.“
61Der Angeklagte schrieb: Du hast mehr Fantasie als ich. Mach mal einen Vorschlag." Sie fragte: „Willst du Geld dafür?". Die Zeugin wusste in dem Moment nicht, ob der Angeklagte kostenlosen Sex mit ihr haben wollte oder Bilder oder Videos. Der Angeklagte meldete sich in derselben Minute […] „Nein Geld will ich nicht Das ist fantasielos“.
62Die Zeugin entgegnete: „ [...] Ist egal, du musst nichts machen... ich hab den Mist gebaut also muss ich damit zurecht kommen", woraufhin der Beklagte antwortete „[…] Warum hast du mich damals nicht gefragt bei mir hätte es keine Probleme gegeben. OK. Verstehe. War ja nur eine Idee. Ich weiß ja, dass du auch sonst genug um die Ohren hast." Ihre Antwort lautete: „Genau das ist es ich hab schon viel zu tragen...Das macht jetzt auch kein Unterschied mehr. [...]
63Der Angeklagte entgegnete: .Aber man muss auch nicht alles tragen. Hier in L. heißt es: „man kennt sich, man hilft sich.“ […] Einfluss auf die Ermittlungen nahm er nicht. […].
64Teilsachverhalt 3:
65Zwei Tage später, am 00.08.2018 schlug der Angeklagte [O2. H. ] der Zeugin [I. O. L1. ] vor, sich erneut zu treffen. Dies lehnte die Zeugin ab. Sie schrieb in den Chat „Am Montag kann ich nicht und ehrlich gesagt macht es mich auch sehr unruhig und sehr nervös wenn du dich für meine Probleme interessierst und deine Position nutzt um noch mehr Dinge von mir zu erfahren... Vielen dank für deine Hilfe obwohl es meinerseits nicht gewollt war... aber ich möchte mich nicht mehr mit dir treffen... ich wünsche dir weiterhin alles gute und hoffe, du verstehst das.“
66Der Angeklagte antwortete: Ich verstehe das nicht. […] Aber was kann ich für meinen Job? […] Außerdem weiß ich doch schon alles, was für dich gefährlich werden könnte. Wäre es also nicht ein guter Weg nett zu mir zu sein? Sie antwortete daraufhin: Ich hoffe du kannst meine Entscheidung akzeptieren…..“.
67Der Angeklagte schrieb sodann: „Also ganz so einfach nicht. Was stört dich denn genau?“, worauf sie antwortete: „Hab ich dir geschrieben...“ Der Angeklagte beharrte: „Also du willst dich nicht treffen weil ich frage, wie es dir geht und weil ich weiß, wer du bist und deine Familie und deine Situation mit dem Jugendamt, dem Jobcenter und so kenne? Kapier ich nicht“.
68Die Zeugin antwortete. Genau deswegen... tut mir leid, das du das nicht verstehst.“. Der Angeklagte schrieb erneut: „[…] Wäre es nicht besser du wärest freundlich und nett zu mir?“ Die Zeugin schrieb um 20:47 Uhr: „Tu was du nicht lassen kannst. Ich lasse mich nicht erpressen...“. Um 20:53 Uhr schrieb der Angeklagte: „Ich erpresse dich doch nicht. [...]. Als keine Reaktion seitens der Zeugin erfolgte, schrieb der Angeklagte um 21:49 Uhr: „Nicht zu antworten und nicht mit mir zu reden mag ich nicht. Dann werde ich sauer. Deswegen möchte ich noch heute !!! von Dir Fotos von Dir. Mit Kleid, ohne Kleid, ohne Unterwäsche. Was hübsches, damit ich nicht sauer bin, Ich war nett und habe meinen Job mit dir vergessen. Aber wenn ich sauer bin, kann ich das nicht mehr. [...]“.
69Daraufhin gab es keinerlei Kontakt mehr zwischen dem Angeklagten und der Zeugin L1. .
70Teilsachverhalt 4:
71Im Rahmen der gegen den Beklagten geführten strafrechtlichen Ermittlungen (Vorgangsnummer 000000-000000-00/08) wurde festgestellt, dass er im ermittlungsrelevanten Zeitraum vom 01.04.2018 bis 03.08.2018 mit seiner persönlichen NW-Kennung „XX000000" insgesamt 34 Mal über seinen Dienstrechner mit der Identifikationsnummer x00xxxx00000000 auf die Internetseite „www.L3 .com“ zugegriffen hat.
72Während seiner Frühdienstschicht bei der Kriminalwache 0 hat er am 00.05.2018 in der Zeit von 08:50 Uhr bis 08:52 Uhr 12 Mal auf die Internetseite „www.L3. .com' zugegriffen. Unter anderem sah er sich das Profil einer Escort-Dame mit dem Alias-Namen „T. _U. " an. Ferner erfolgten durch den Beklagten während seines Spätdienstes bei der Kriminalwache 0 am 00.08.2018 über seinen Dienstrechner und seine NW-Kennung in der Zeit von 16:09 Uhr bis 16:10 Uhr erneut 16 Zugriffe auf die o. g. Internetseite. Hierbei wurde auch das Profil der Zeugin und Anzeigeerstatterin Frau I. O. L1. aufgerufen, die dort unter dem Profilnamen „N3. " auftrat und ihre Dienstleistungen anbot. In der Zeit von 18:40 Uhr bis 18:41 Uhr griff er weitere 6 Male auf das o.g. Internet-Escort-Portal zu. Dabei rief er auch das Escort-Profil „M1. " auf.
73(…)
74Teilsachverhalt 5:
75Ferner wurde bei den Ermittlungen gegen den Beklagten (Vorgangsnummer 000000-000000-00/0) festgestellt, dass er seinen dienstlichen Zugang zu polizeilichen Auskunftssystemen und Vorgangsbearbeitungsprogrammen missbräuchlich für private Zwecke nutzte, indem er ohne dienstlichen Bezug personenbezogene Daten von Prostituierten über seinen Dienst-Account „XX000000“ abfragte. Dies tat er in Kenntnis der geltenden „Dienstanweisung zur Nutzung des Integrationsverfahrens Polizei" vom 23.05.2013, wonach gemäß Unterpunkt 5 jeder Anwender [des polizeilichen Systems] nur die Daten verarbeiten darf, die zur jeweils rechtmäßigen Erfüllung der ihm im Rahmen seiner Funktion dienstlich zugewiesenen Aufgaben erforderlich sind.
76Im Einzelnen handelte es sich um folgende Zugriffe ohne dienstliche Veranlassung:
77Während seines Nachtdienstes bei der Kriminalwache 0 am 00.04.2018 fragte der Beklagte ohne dienstliche Veranlassung die Personalien der Zeugin L1. mit seinem dienstlichen Account „XX000000" um 22:51 Uhr und 22:52 Uhr, mithin zweimal, über das System „J. " (Kurzauskunft) ab. Um 22:53 Uhr fragte er die Personalien der Zeugin L1. auch über das Auskunftssystem J1. /Q1. zweimal ab. Sodann rief er um 22:57 Uhr die Einwohnermeldeüberprüfung (EMA) der Zeugin ab, gefolgt von der Einholung einer J2. - und T1. -Personenauskunft sowie einer Schnellauskunft jeweils um 23:12 Uhr über das Auskunftssystem W1. . Die EMA-Auskunft zur Zeugin L1. druckte er auch aus und ergänzte sie handschriftlich um weitere personenbezogene Informationen wie den Namen der Kinder der Zeugin. Nach Mitternacht (00.04.2018) rief der Beklagte um 03:24 Uhr und um 03:25 Uhr erneut die EMA-Auskunft bezüglich der Zeugin L1. über W1. ab. Innerhalb dieser Nachtschicht hat er die Zeugin L1. somit achtmal ohne dienstliche Veranlassung abgefragt.
78Am 00.05.2018 - während seiner Frühdienstschicht bei der Kriminalwache 0 - fragte der Beklagte abermals die Personendaten zur Zeugin L1. um 06:37 Uhr via J1. /Q1. über seinen Dienstrechner und mit seiner persönlichen NW-Kennung „XX000000" ohne dienstliche Veranlassung zweifach ab.
79Auch während seiner Nachtdienstschicht bei der Kriminalwache 0 (beginnend am 00.07.2018) fragte der Beklagte am 00.07.2018 um 2:12 Uhr die Personalien der Zeugin L1. mittels J. -Auskunftssystems ohne dienstliche Veranlassung ein weiteres Mal ab.
80Insgesamt hat der Beklagte die Personalien der Zeugin L1. 11 Mal ohne erkennbare, dienstliche Veranlassung abgefragt.
81Im Zusammenhang eines gegen die Zeugin L1. geführten Ermittlungsverfahrens fragte der Beklagte den Ermittlungsvorgang hinsichtlich des Mitbeschuldigten U1. B1. über seine persönliche NW-Kennung „XX000000“ im polizeilichen Vorgangsverwaltungssystem (VVW) am 00.07.2018 um 02:18 Uhr ohne erkennbare dienstliche Veranlassung während des Nachtdienstes ab.
82Darüber hinaus handelt es sich bei den am 00.08.2018 beim Beklagten aufgefundenen Ausdrucken um Abfragen, die er eigenmächtig mit Hilfe seines Dienst-Accounts „XX000000" und ohne dienstliche Veranlassung angefertigt hat.
83Im Einzelnen handelt es sich um folgende Ausdrucke:
84EMA-Auskunft der Stadt L. vom 22.01.2015 zu der Person X. H1. Groo (geb. 00.00.1976),
J1. -Vorgangskurzauskunft vom 00.08.2018 zu einem gegen L4. N4. (geb. 00.00.1996) geführten Strafermittlungsverfahren,
EMA-Abfrage vom 00.08.2018 00:06 Uhr zur Anschrift I1. , C3. 00x" und den Personen H2. M2. X. (geb. 00.00.1959), C4. T2. X. (geb. 00.00.1969) K. M2. X. (geb. 00.00.1994) sowie K1. X. (geb. 00.00.1996).
Bei den Personen L4. N4. (Nickname: „L5. XX“) und K1. X (Nicknames: „T3. 0000" und „K2. 00“) handelt es sich ebenfalls um (Gelegenheits-) Prostituierte, die sexuelle Dienstleistungen auf unterschiedlichen Internetplattformen anbieten. Den Ausdruck zu L4. N4. hat der Beklagte mit dem handschriftlichen Zusatz „L5. XXX M3. !“ versehen.
89Teilsachverhalt 6:
90Zudem wurde durch die Ermittlungen ersichtlich, dass der Beklagte mit seinem Dienst-Account „XX000000“ die von ihm kontaktierten (Gelegenheits-)Prostituierten im Zeitraum ab Juni 2017 bis Mitte August 2018 über deren Telefonnummer im Rahmen einer Anschlussinhaberüberprüfung gem. § 112 TKG bei der Bundesnetzagentur ohne dienstliche Veranlassung abgefragt und identifiziert hat.
91Als Beispiel für die Vorgehensweise des Beklagten dient die unerlaubte Abfrage zum Nachteil der Zeugin L1.: Der Beklagte kontaktierte die Zeugin L1. zunächst über das Escort-Portal „www.L3. .com", wo sie ausschließlich den Profilnamen „N3. " nutzte. Daraufhin teilte die Zeugin dem Beklagten online ihre Mobiltelefonnummer mit.
92Am 00.04.2018 um 21:59 Uhr fragte der Beklagte sodann von seinem Dienst-Account „XX000000" ohne dienstlichen Bezug die Mobiltelefonnummer 0000 / 00000000 bei der Bundesnetzagentur über das elektronische Auskunftssystem J3.00 (Auskunftsverfahren gem. § 112 TKG) ab und erhielt auf diese Weise die Personalien der Telefonanschlussinhaberin L1. .
93Auf dieselbe Weise ging der Beklagte im Zeitraum Juni 2017 bis Mitte August 2018 bei den (Gelegenheits-) Prostituierten
94- B1. L6. (*00.00.1997 in P1. ; Nickname: „L7 0000“),
95- K3. F1. (*00.00.1995 in M4. ; Profilname: „@K3.F1.00“),
96- W1. C5. (*00.00.1996 in L. , Nickname: „K4. “),
97- W2. S. T4. (*00.00.1996 in L. ; Nickname: „I2.0000“),
98- O3. T2. N5. (*00.00.1990 in L. ; Nickname: „K5. _0000“),
99- E. C6. (*00.00.1983 in C7. ; Nickname: „T5. T6.00I3. “),
100- L8. N6. (*00.00.1990 in C7. , Nickname: „U2. T7. “),
101- B2. B3. C8. (*00.00.1995 in L9. ; Nickname: „L10.00“),
102- L4. N4. (*00.00.1996 in C. ; Nickname: L5. XX00“).
103vor.
104Die (Gelegenheits-)Prostituierten waren (mit Ausnahme der K3. F1. ) auf der Internetseite „www.L3. .com" oder „www.0s. .de" oder der App „U3. " lediglich mit ihren fiktiven Profilnamen und ohne Klarnamen aufgetreten. Abgespeichert hatte der Beklagte die (Gelegenheits-) Prostituierten auf seinem iPhone5 jedoch mit Vor- und Nachnamen sowie dem tatsächlichen Geburtsdatum (mit Ausnahme der B2. C8. , bei der lediglich Vor- und Nachname abgespeichert waren).
105In einer WhatsApp-Konversation mit der (Gelegenheits-) Prostituierten B1. L6. (Nickname: L7. 0000) erwähnte der Angeklagte den Umstand, dass er sie unerlaubter Weise mittels polizeilicher Systeme abgefragt hat.
106Die Konversation lautete wie folgt:
107Beklagter: „Für mich war es nicht schwierig herauszufinden wer du bist.“
108L7. 0000: „Ach, wo hast du recherchiert? Darf ich fragen, wann?“
109Beklagter: „Es war ziemlich einfach. Gesichtserkennung gegen die Fotos des Einwohnermeldeamtes.“
110L7. 0000: „Wunderschönes Ausweisbild, nicht? Hätte ich aber tatsächlich mit gerechnet. Also ich bin kein bisschen überrascht. Und? Hast du dich mit dem Einwohnermeldeamt zufriedengegeben? Was machst du noch? Schon Schluss?"
111Beklagter: „Ich bin Cop. Das ist schön gruselig für mich gewesen, dass ich mich vor einer fremden ausziehe und sie dann später mit in die Kaserne nehme. Da musste ich kurz schauen.“
112Im Rahmen des Strafverfahrens räumte der Beklagte die vorgeworfenen und unerlaubten Abfragen der Personalien der oben aufgelisteten Prostituierten über seinen Dienst-Account mittels Auskunftsverfahren gemäß § 112 TKG mit anwaltlichen Schriftsätzen vom 00.09.2018 und 00.11.2018 ein.
113Teilsachverhalt 7:
114Die Auswertung des vom Durchsuchungsbeschluss umfassten privaten iPhone5 des Beklagten ergab, dass er insgesamt viermal mit verschiedenen (Gelegenheits-) Prostituierten, die er u.a. über das Escort-Portal „www.L3. .com" kennengelernt hatte, zur Vollziehung des Geschlechtsverkehrs Liegenschaften der Polizei aufgesucht hat.
115Im Einzelnen handelt es sich um folgende Treffen:
116a) Am 00.06.2017 verabredete sich der Beklagte während eines dienstlichen Aufenthalts (Fortbildungsseminar) mit der Gelegenheits-Prostituierten B1. L6. via WhatsApp für ein Treffen in der Polizeiliegenschaft des Landesamts für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten (M5. ), Bildungszentrum D. T8. , X1. Str. 000 in 00000 N7. . Gegen 20:00 Uhr traf der Beklagte die Gelegenheits-Prostituierte zunächst außerhalb des Polizeiareals. Zu einem späteren Zeitpunkt nahm er sie jedoch mit auf das Unterkunftsgelände des M5. und vollzog mit ihr in einem dortigen Kellerraum den Geschlechtsakt.
117b) Am 00.09.2017 verabredete sich der Beklagte mit der Gelegenheits-Prostituierten K3. F1. via WhatsApp für ein Treffen für die Dauer von einer Stunde zum Preis von 180,- EUR. Gegen 18:32 Uhr holte der Beklagte die vor dem Polizeipräsidium L. (X2. –Q2. -Ring 0-0 in 00000 L. ) Gebäudeteil X, Hausnummer 0 wartende Prostituierte ab und betrat gemeinsam mit dieser die Räumlichkeiten der Liegenschaft. In einem nicht näher zu bezeichnenden Büroraum wurde anschließend der Geschlechtsverkehr vollzogen.
118c) Am 00.02.2018 holte der Beklagte die Gelegenheits-Prostituierte W1. C5. (Profilname auf „L3. .com“: „K4. “), wie zuvor via WhatsApp vereinbart, um 18:30 Uhr mit einem Firmenfahrzeug von einem Park-and-Ride-Parkplatz am Bahnhof E1. ab. Anschließend betrat der Beklagte zusammen mit ihr die Liegenschaft des Polizeipräsidiums L. (X2. –Q2. -Ring 0-0 in 00000 L. ), fertigte mit seinem Smartphone iPhone8 um 18:53 Uhr und 18:54 Uhr drei (mit Geo-Daten versehene) Nacktbilder von ihr an und vollzog den Geschlechtsakt mit ihr in einem nicht näher zu bezeichnenden Büroraum des Präsidiums auf einem Schreibtisch.
119d) Am 00.04.2018 holte der Beklagte die Zeugin L1. , wie zuvor via WhatsApp vereinbart, gegen 20:58 Uhr in C. ab und fuhr im Verlauf des Abends mit ihr zur C6. Liegenschaft des M5. , S2. straße 000, 00000 C6. . Hier passierten sie um 22:06 Uhr die Schranke zum Polizeigelände unter Verwendung des dienstlichen Transponders des Beklagten. Im obersten Stock eines dortigen Trainingshaus vollzog der Beklagte den Geschlechtsakt mit ihr und zahlte der Zeugin hierfür 150,- EUR. Um 22:50 Uhr verließ er zusammen mit der Zeugin das Gelände wieder, um sie C. Bonn zurückzufahren.
120Von ergänzenden, behördlichen Ermittlungen sei im Rahmen des Disziplinarverfahrens gemäß § 23 Abs. 2 LDG NRW abzusehen gewesen, da der Sachverhalt hinsichtlich der Teilsachverhalte 1 bis 3 aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des rechtskräftigen Strafurteils vom 16. Mai 2019 feststehe. Im Rahmen des Strafprozesses habe der Beklagte zudem ein umfängliches Geständnis hinsichtlich der Teilsachverhalte 1 bis 3 abgelegt.
121Die übrigen Teilsachverhalte (4 bis 7) hätten anhand der gegen den Beklagten geführten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Bonn (Az.: 000 Xx 000/00 X) festgestellt werden können.
122Die Zurückstufung (§ 9 LDG NRW) des Beklagten in das Amt eines Kriminalkommissars mit der Besoldungsstufe A 9 sei unter Berücksichtigung aller disziplinarrechtlich relevanten Umstände angemessen, aber auch erforderlich, um erzieherisch auf die bekannt gewordenen Mängel im Persönlichkeitsbild des Beklagten einzuwirken.
123Der Kläger beantragt,
124den Beklagten in das Amt eines Kriminalkommissars (Besoldungsgruppe A 9) zurückzustufen.
125Der Beklagte beantragt,
126auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen.
127Er trägt im Wesentlichen vor: Das Strafgericht habe sein Geständnis und seine aufrichtige Reue gewürdigt. Er habe nach dem Strafverfahren der Geschädigten freiwillig 500 Euro übergeben, um seine Entschuldigung zum Ausdruck zu bringen. Zudem zahle er die ihm auferlegte Geldstrafe ab. Nicht zuletzt habe er aus Eigeninitiative ärztlich-therapeutische Hilfe gesucht. Er sei durch die partnerschaftliche Situation und den Vertrauensverlust innerhalb der Familie nach wie vor belastet. Seine negative Lebensphase habe er indes überwunden. Er verwiese auf die Gutachterliche Stellungnahme des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie, Kinder- und Jugendpsychotherapie Dr. I4. aus C6. vom 00. März 2021. Hiernach sei er im Januar 2018 in eine Doppelbelastung geraten. Es habe zum einen in der Ehe und Familie gekriselt und zum anderen habe sich eine berufliche Unzufriedenheit entwickelt. Mittlerweile habe er diese negative Lebensphase überwunden.
128Der Beklagte ist in der mündlichen Verhandlung gehört worden. Wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
129Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Personal- und Disziplinarakten sowie der Strafakte der Staatsanwaltschaft C. (000 Xx 000/00 X) Bezug genommen.
130Entscheidungsgründe:
131Die Klage hat im tenorierten Umfang Erfolg.
132I. Sie ist zulässig, insbesondere genügt die Disziplinarklageschrift vom 00. Mai 2021 nunmehr den Vorgaben des § 52 Abs. 2 Satz 1 LDG NRW. Nach dieser Vorschrift muss die Klageschrift unter anderem die Tatsachen, in denen ein Dienstvergehen gesehen wird, und die anderen Tatsachen und Beweismittel, die für die Entscheidung bedeutsam sind, geordnet darstellen. Die Sachverhalte, aus denen das Dienstvergehen hergeleitet wird, müssen aus sich heraus verständlich geschildert werden. Ort und Zeit der einzelnen Handlungen müssen möglichst genau angegeben und die Geschehensabläufe nachvollziehbar beschrieben werden. Dadurch soll sichergestellt werden, dass sich der Beamte gegen die disziplinarischen Vorwürfe sachgerecht verteidigen kann. Auch tragen die gesetzlichen Anforderungen an die Klageschrift dem Umstand Rechnung, dass diese Umfang und Grenzen der gerichtlichen Disziplinarbefugnis festlegt. Denn gemäß § 59 Abs. 2 Satz 1 LDG NRW dürfen nur Handlungen zum Gegenstand der Urteilsfindung gemacht werden, die dem Beamten in der Klage oder der Nachtragsklage als Dienstvergehen zur Last gelegt werden. Demgemäß muss aus der Klageschrift unmissverständlich hervorgehen, welche Sachverhalte angeschuldigt werden. Es ist erforderlich, aber auch ausreichend, wenn bei verständiger Lektüre aus der Klageschrift eindeutig hervorgeht, welche konkreten Handlungen dem Beamten als Dienstvergehen zur Last gelegt werden.
133Vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Juni 2018 – 2 B 31/18 –, juris, Rn. 9; Beschluss vom 20. Dezember 2011 - 2 B 59/11 -, juris, Rn. 5; Urteil vom 25. Januar 2007 - 2 A 3/05 -, juris, Rn. 27 f.; OVG NRW, Urteil vom 6. Dezember 2017 – 3d A 592/15.BDG –, juris, Rn. 60.
134Die neugefasste Klageschrift samt darin enthaltener Tabelle lässt nunmehr erkennen, welche Dienstpflichtverletzungen der Kläger dem Beklagten konkret vorwirft.
135Das behördliche Disziplinarverfahren weist keine die gerichtliche Entscheidung hindernden wesentlichen Mängel auf.
136Die Beteiligung des Personalrates vor Erhebung der Disziplinarklage nach § 73 Abs. 1 Nr. 6 LPVG NRW war entbehrlich. Der Personalrat wird hiernach nur auf Antrag des Beschäftigten beteiligt. Der Beklagte hat von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht, nachdem er rechtzeitig vorher von der beabsichtigten Maßnahme in Kenntnis gesetzt worden war.
137II. Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet. Der Beklagte hat ein einheitliches schweres Dienstvergehen im Sinne von § 47 Abs. 1 BeamtStG begangen, das unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere des Umfangs, in dem er seine Pflichten verletzt und das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit beeinträchtigt hat, sowie seines Persönlichkeitsbildes, im Ergebnis zur Zurückstufung in das Amt eines Kriminaloberkommissars (Besoldungsgruppe A 10) führt.
1381. In tatsächlicher Hinsicht legt die Disziplinarkammer für die disziplinarrechtliche Beurteilung der Teilsachverhalte 1 bis 3 die im Tatbestand wiedergegebenen tatsächlichen Feststellungen des rechtskräftigen Strafurteils des Amtsgerichts C. vom 00. Mai 2018 (000 Xx-000 Xx 000/00-000/00) zu Grunde.
139Diese tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils sind bindend. Die Bindungswirkung aus § 56 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW bezieht sich auf sämtliche tatsächlichen Feststellungen, die den Strafausspruch tragen. Hierzu gehören nicht nur die äußeren Aspekte eines Tathergangs, sondern auch Elemente des inneren Tatbestandes. Die Bindungswirkung umfasst deshalb auch Feststellungen zu Vorsatz oder Fahrlässigkeit, Zueignungsabsicht oder Unrechtsbewusstsein.
140Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. September 2012 – 2 B 31/12 -, juris, Rn. 6 m.w.N., und Urteil vom 29. Mai 2008 – 2 C 59/07 -, juris, Rn. 29.
141Gleiches gilt für die Feststellungen des Strafgerichts zur vorsätzlichen Begehungsweise und zum Fehlen von Rechtfertigungs-, Schuldausschließungs- und Entschuldigungsgründen.
142Vgl. OVG NRW, Urteil vom 26. April 2016 – 3d A 1785/14.O –, juris, Rn. 57.
143Die Disziplinarkammer sieht keine Veranlassung, sich von den bindenden Feststellungen des rechtskräftigen Strafurteils zu lösen. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 LDG NRW hat das Disziplinargericht die erneute Prüfung solcher Feststellungen zu beschließen, die offenkundig unrichtig sind. Nach ständiger Rechtsprechung ist dies aber nur ausnahmsweise und unter eng begrenzten Voraussetzungen möglich, denn das Disziplinargericht darf die eigene Entscheidung nicht an die Stelle der Entscheidung des Strafgerichts setzen. Eine Lösung kann insofern nur erfolgen, wenn das Disziplinargericht ansonsten gezwungen wäre, quasi „sehenden Auges“ auf der Grundlage offensichtlich unrichtiger oder inzwischen als unzutreffend erkannter Feststellungen zu entscheiden.
144Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Dezember 2017 – 2 B 24/17 –, juris, Rn. 20; Beschluss vom 26. August 2010 – 2 B 43/10 -, juris, Rn. 5, und Urteil vom 9. September 1997 – 1 D 36/96 -, juris, Rn. 13.
145Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, insbesondere hat der Beklagte die Vorwürfe in der mündlichen Verhandlung umfassend eingeräumt.
1462. Der Beklagte hat durch jede einzelne vorsätzlich begangene Straftat schuldhaft gegen seine Pflicht verstoßen, sich auch außerhalb des Dienstes achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (§ 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG), wozu auch die Pflicht gehört, die Gesetze - insbesondere die Strafgesetze - zu beachten.
147Der Verstoß gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten ist als außerdienstlich zu bewerten. Die Abgrenzung zwischen inner- und außerdienstlicher Pflichtverletzung beruht nicht auf der Zufälligkeit räumlicher oder zeitlicher Beziehung eines Verhaltens zur Dienstausübung, sondern auf einer etwaigen kausalen und logischen Einbindung des maßgeblichen Verhaltens in ein Amt und die damit verbundene dienstliche Tätigkeit.
148Vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Oktober 2006 - 1 DB 6/06 -, juris, Rn. 19; Urteil vom 19. August 2010 - 2 C 13/10 -, juris.
149Die vom Beklagten begangenen Straftaten waren nicht in sein Amt als Polizeibeamter und seine damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden, sondern stellen sich als das außerdienstliche (Fehl-)Verhalten einer Privatperson dar.
150Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. August 2009 - 1 D 1/08 -, juris, Rn. 54.
151Der Verstoß gegen den Tatbestand der Wohlverhaltenspflicht im außerdienstlichen Bereich setzt voraus, dass die besonderen qualifizierenden Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG erfüllt sind. Es muss nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet sein, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Die Disziplinarwürdigkeit außerdienstlichen Verhaltens nach diesen Kriterien ist von der Bemessung der Disziplinarmaßnahme nach § 13 LDG NRW zu unterscheiden.
152Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 2 C 13/10 -, juris, Rn. 11.
153Ob und in welchem Umfang durch das außerdienstliche Verhalten eines Beamten das für sein Amt erforderliche Vertrauen beeinträchtigt wird, hängt in maßgeblicher Weise von Art und Intensität der jeweiligen Verfehlung ab. Dabei kommt vorsätzlichen (vgl. § 24 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG) Straftaten eine besondere Bedeutung zu. Maßgeblich ist auch, ob der Pflichtenverstoß des Beamten einen Bezug zu seinem Amt aufweist. Bezugspunkt hierfür ist das dem Beamten verliehene Amt im statusrechtlichen Sinne.
154Vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Juni 2015 - 2 C 19/14 -, juris, Rn. 15 f., und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9/14 -, juris, Rn. 15 f. m.w.N.
155Das außerdienstliche Fehlverhalten des Beklagten erfüllt den Tatbestand eines Dienstvergehens i.S.d § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, weil es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für sein Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.
156Polizeibeamte haben Straftaten zu verhüten, aufzuklären und zu verfolgen. Sie genießen daher in der Öffentlichkeit - insbesondere auch für schutzbedürftige Personen - eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung. Dieses berufserforderliche Vertrauen wird in besonderem Maße beeinträchtigt, wenn Polizeibeamte selbst erhebliche Vorsatzstraftaten - gerade zu Lasten Schutzbedürftiger - begehen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Polizeibeamte auf seinem konkreten Dienstposten gerade mit der Verfolgung solcher Delikte betraut war. Erhebliche Straftaten eines Polizeibeamten begründen auch in Ansehung ihres außerdienstlichen Charakters ein disziplinarwürdiges Dienstvergehen.
157BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 – 2 C 9/14 –, juris, Rn. 22 f.
158Nach diesen Maßgaben hat der Beklagte das berufserforderliche Vertrauen in besonderem Maße beeinträchtigt, weil er als Polizeibeamter selbst erhebliche Vorsatzstraftaten begangen hat. Dies indiziert einen Persönlichkeitsmangel, der Anlass zu Zweifeln an seiner Eignung und Amtsautorität gibt.
159Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Mai 2012 – 2 B 133/11 –, juris. Rn. 9.
1603. Für die disziplinarrechtliche Beurteilung der Teilsachverhalte 4 bis 7 geht die Disziplinarkammer in tatsächlicher Hinsicht aufgrund der sich aus den vorliegenden Disziplinarakten und der Strafakte der Staatsanwaltschaft Bonn (555 Js 366/18 V) ergebenden Beweislage sowie des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung von folgenden Sachverhalten aus:
161Teilsachverhalt 4 (Internet-Nutzung vom Dienstcomputer):
162Der Beklagte griff im Zeitraum vom 1. April 2018 bis zum 3. August 2018 mit seiner persönlichen NW-Kennung „XX000000" insgesamt 34 Mal über seinen Dienstrechner mit der Identifikationsnummer x00xxxx00000000 auf die Internetseite „www.L3. .com“ zu. Es wird hinsichtlich der Einzelfälle auf die im Tatbestand enthaltene detaillierte Tabelle Bezug genommen.
163Teilsachverhalt 5 (Zugriff auf dienstliche Auskunftssysteme zu privaten Zwecken):
164Der Beklagte nutzte im Zeitraum vom 00. April 2018 bis zum 00. Juli 2018 seinen dienstlichen Zugang zu polizeilichen Auskunftssystemen und Vorgangsbearbeitungsprogrammen missbräuchlich für private Zwecke, indem er ohne dienstlichen Bezug personenbezogene Daten von Prostituierten über seinen Dienst-Account „XX00000“ abrief.
165Er fragte in diesem Zeitraum insgesamt 11 Mal die Personalien der Frau L1. ohne erkennbare dienstliche Veranlassung ab. Die genauen Zugriffsdaten und die verschiedenen polizeilichen Auskunftssysteme sind im Tatbestand im Einzelnen wiedergegeben.
166Darüber hinaus fragte er im Zusammenhang eines gegen die Frau L1. geführten Ermittlungsverfahrens den Ermittlungsvorgang hinsichtlich des Mitbeschuldigten U1. B1. am 00. Juli 2018 um 2.18 Uhr ohne erkennbare dienstliche Veranlassung ab.
167Schließlich fragte er im Zeitraum vom 00. Januar 2015 bis zum 00. August 2018 mit Hilfe seines Dienst-Accounts „XX00000" und ohne dienstliche Veranlassung zu sechs Personen weitere Auskünfte ab, die im Tatbestand im Einzelnen aufgeführt sind.
168Teilsachverhalt 6 (unbefugte Anschlussinhaberüberprüfung nach § 112 TKG):
169Der Beklagte fragte mit seinem Dienst-Account „XX00000“ insgesamt zehn der von ihm kontaktierten (Gelegenheits-)Prostituierten im Zeitraum ab Juni 2017 bis Mitte August 2018 über deren Telefonnummer im Rahmen einer Anschlussinhaberüberprüfung gem. § 112 TKG bei der Bundesnetzagentur ohne dienstliche Veranlassung ab. Die Namen und Daten der abgefragten Personen ergeben sich aus der Aufstellung im Tatbestand.
170Teilsachverhalt 7 (Treffen in Polizeiliegenschaften):
171Der Beklagte traf sich zwischen dem 00. Juni 2017 bis zum 00. April 2018 in insgesamt vier Fällen mit verschiedenen (Gelegenheits-) Prostituierten, die er u.a. über das Escort-Portal „www.L3. .com" kennengelernt hatte, zur Vollziehung des Geschlechtsverkehrs in Liegenschaften der Polizei. Daten, Zeiten und Orte sind im Tatbestand wiedergegeben.
172Die im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren als in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren getroffenen tatsächlichen Feststellungen sind zwar für das Disziplinarverfahren nicht bindend, können aber der Entscheidung der Kammer ohne nochmalige Prüfung zugrunde gelegt werden (§ 56 Abs. 2 LDG NRW). Der Sachverhalt wurde im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren umfassend aufgeklärt. Der Beklagte räumte im Disziplinarverfahren und insbesondere in der mündlichen Verhandlung die ihm zur Last gelegten Verfehlungen (auch insoweit) vollumfänglich ein.
1734. Der Beklagte hat durch die festgestellten Handlungen gegen die ihm obliegenden Dienstpflichten verstoßen:
174Teilsachverhalt 4:
175Indem der Beklagte im Zeitraum vom 00. April 2018 bis zum 00. August 2018 mit seiner persönlichen NW-Kennung in insgesamt 34 Fällen über seinen Dienstrechner auf die Internetseite „www.L3. .com“ zugriff, hat er vorsätzlich und schuldhaft innerdienstlich gegen die Gehorsamspflicht nach § 35 Satz 2 BeamtStG i.V.m. § 2 Abs. 2 der IT-Sicherheitsrichtlinie zur dienstlichen Nutzung des Internet am Arbeitsplatz (Internet-Richtlinie) der Polizei Nordrhein-Westfalen verstoßen, denn hiernach darf das Internet – wie der Beklagte wußte – nur dienstlich genutzt werden.
176Teilsachverhalt 5:
177Indem der Beklagte im Zeitraum vom 00. April 2018 bis zum 00. Juli 2018 seinen dienstlichen Zugang zu polizeilichen Auskunftssystemen und Vorgangsbearbeitungsprogrammen (J4. , J1. /Q1. , EMA, J2. - und T1. -Personenauskunft und W1. ) missbräuchlich für private Zwecke nutzte, weil er ohne dienstlichen Bezug personenbezogene Daten von Prostituierten über seinen Dienst-Account abrief, sowie indem er im Zeitraum vom 00. Januar 2015 bis zum 00. August 2018 mit Hilfe seines Dienst-Accounts „XX000000" und ohne dienstliche Veranlassung zu sechs Personen weitere Auskünfte abfragte, hat er durch die missbräuchlichen Datenabfragen in verschiedenen polizeilichen Systemen zu privaten Zwecken gegen § 6 Datenschutzgesetz NRW sowie die „Dienstanweisung zur Nutzung des Integrationsverfahrens Polizei" vom 23. Mai 2013 verstoßen, wonach jeder Anwender [des polizeilichen Systems] nur die Daten verarbeiten darf, die zur jeweils rechtmäßigen Erfüllung der ihm im Rahmen seiner Funktion dienstlich zugewiesenen Aufgaben erforderlich sind. Es liegt ein Verstoß gegen die Gehorsamspflicht nach § 35 Satz 2 BeamtStG und die innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht (§ 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) vor.
178Die wiederholten nicht-dienstlichen Zugriffe waren dem Beklagten nur aufgrund seiner Eigenschaft als Polizeibeamter möglich und sind deshalb als innerdienstliche Pflichtverstöße zu qualifizieren. Zudem erfolgten die Zugriffe während der Dienstzeit des Beklagten und unter Verwendung seines Dienstrechners. Der Beklagte, der gemäß Teilnahmebescheinigung vom 00. Februar 2009 an einem Seminar „J4. -Beschulung (X3. -Kräfte / Auffrischung)“ teilgenommen hat, handelte vorsätzlich und schuldhaft.
179Teilsachverhalt 6:
180Indem der Beklagte mit seinem Dienst-Account insgesamt zehn der von ihm kontaktierten (Gelegenheits-)Prostituierten im Zeitraum ab Juni 2017 bis Mitte August 2018 über deren Telefonnummer durch das automatisierte Auskunftsverfahren im Rahmen einer Anschlussinhaberüberprüfung gemäß § 112 TKG (in der bis 30. November 2021 geltenden Fassung) bei der Bundesnetzagentur ohne dienstliche Veranlassung abfragte, hat er durch die missbräuchlichen Datenabfragen zu privaten Zwecken vorsätzlich und schuldhaft gegen § 6 Datenschutzgesetz NRW verstoßen. Hierin liegt ein Verstoß gegen die Gehorsamspflicht nach § 35 Satz 2 BeamtStG und die innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht (§ 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) vor.
181Teilsachverhalt 7:
182Darüber hinaus hat der Beklagte durch die vier Treffen mit verschiedenen (Gelegenheits-) Prostituierten in Liegenschaften der Polizei zur Vollziehung des Geschlechtsverkehrs vorsätzlich und schuldhaft gegen die Gehorsamspflicht gemäß § 35 Satz 2 BeamtStG in Verbindung mit den Hausordnungen der entsprechenden Polizeibehörden verstoßen. Nach der Hausordnung des Polizeipräsidiums Köln hat sich jede behördenfremde Person beim Sicherheitsdienst oder der Wache anzumelden, durch Vorlage eines Lichtbildausweises auszuweisen und den Grund ihres Anliegens anzugeben. Der Beklagte missachtete in den zwei Fällen, die im Kölner Polizeipräsidium stattfanden, wissentlich und willentlich die behördeninternen Regelungen, da er den beiden Prostituierten im Vorfeld per WhatsApp-Nachricht mitteilte, er müsse sie am Pförtner vorbeischmuggeln, wobei sie nicht auffallen dürften. Im Hinblick auf die Nutzung von Trainingsstätten und Einrichtungen des M5. NRW gilt die Vorgabe, dass die Einrichtungen nur von Angehörigen der Polizei und ausschließlich entsprechend ihrer Bestimmung genutzt werden dürfen.
183Obwohl dem Beklagten diese Vorgaben bekannt waren, hat er - durch heimliche Mitnahme der behördenfremden Personen zur Vollziehung des Geschlechtsakts - bewusst gegen sie verstoßen. Die Mitnahme von behördenfremden Personen in polizeiliche Liegenschaften stellt – worauf der Kläger zu Recht hinweist – indes ein enormes Sicherheitsrisiko dar.
184Dieses - außerdienstliche - Fehlverhalten des Beklagten erfüllt den Tatbestand eines Dienstvergehens i.S.d § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, weil es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für sein Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Der Beklagte konnte die unterschiedlichen polizeilichen Liegenschaften nur aufgrund seiner Stellung als Polizeivollzugsbeamter mit Hilfe seines Transponders betreten, so dass ein funktionaler Zusammenhang der Pflichtverletzung zu seinem Amt festzustellen ist.
185Der Beklagte handelte hinsichtlich sämtlicher aufgeführter Dienstpflichtverletzungen vorsätzlich und schuldhaft.
186III. Die festgestellten disziplinarrechtlichen Verstöße bilden ein einheitliches Dienstvergehen i.S.v. § 47 Abs. 1 BeamtStG. Das Disziplinarrecht wird durch den Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens geprägt. Soweit die Vorwürfe Gegenstand des Disziplinarverfahrens sind, ist das durch mehrere Pflichtenverstöße zutage getretene Fehlverhalten eines Beamten danach einheitlich zu würdigen.
187Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2014 - 2 B 37/12 -, juris, Rn. 17.
188Das Dienstvergehen des Beklagten führt im Rahmen einer Gesamtwürdigung sämtlicher zu berücksichtigender Umstände zur Zurückstufung in das Amt eines Kriminaloberkommissars (Besoldungsgruppe A 10).
189Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 bis 3 LDG NRW insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung.
190Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt voraus, dass die sich aus § 13 Abs. 2 Satz 1 bis 3 LDG NRW ergebenden Bemessungskriterien mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht ermittelt und in die Entscheidung eingestellt werden. Dieses Erfordernis beruht letztlich auf dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Danach muss die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme unter Berücksichtigung aller belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen.
191Vgl. BVerwG, Urteile vom 10. Dezember 2015 – 2 C 6/14 -, juris, Rn. 12, vom 18. Juni 2015 – 2 C 9/14 -, juris, Rn. 25, und vom 25. Juli 2013 – 2 C 63/11 -, juris, Rn. 13; OVG NRW, Urteil vom 3. Juli 2019 – 3d A 2902/18.O -, S. 23 des Urteilabdrucks.
192Dies entspricht dem Zweck der Disziplinarbefugnis als einem Mittel der Funktionssicherung des öffentlichen Dienstes. Danach ist Gegenstand der disziplinarrechtlichen Wertung die Frage, welche Disziplinarmaßnahme geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrechtzuerhalten.
193Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2012 – 2 C 38/10 -, juris, Rn. 11 m.w.N.
194Als maßgebendes Bemessungskriterium ist gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 LDG NRW zunächst die Schwere des Dienstvergehens richtungweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Die Schwere beurteilt sich nach objektiven Handlungsmerkmalen wie Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzungen, den besonderen Umständen der Tatbegehung sowie Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens, nach subjektiven Handlungsmerkmalen wie Form und Gewicht des Verschuldens des Beamten, den Beweggründen für sein Verhalten sowie den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte.
195Das Dienstvergehen ist nach der festgestellten Schwere einer der im Katalog des § 5 LDG NRW aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen. Hiervon ausgehend kommt es für die endgültige Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme geboten ist.
196Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 – 2 C 16/10 -, juris, Rn. 29; OVG NRW, Urteile vom 28. April 2021 – 3d A 1650/20.O -, juris, Rn. 75, und vom 3. Juli 2019 – 3d A 2902/18.O -, S. 24 des Urteilabdrucks.
197Setzt sich – wie hier – das Dienstvergehen aus mehreren Dienstpflichtverletzungen zusammen, so bestimmt sich die zu verhängende Disziplinarmaßnahme in erster Linie nach der schwersten Verfehlung.
198Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2005 - 1 D 1/04 -, juris, Rn. 113.
199Das sind hier – ungeachtet des eigenen Gewichts der weiteren Dienstpflichtverletzungen – die durch das Amtsgericht C. durch Urteil vom 00. Mai 2019 geahndeten Straftaten wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (§ 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB), Bestechlichkeit (§ 332 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 StGB) sowie versuchter Erpressung (§ 253 Abs. 1, 2 und 3, 22, 23 StGB).
200Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist bei einem außerdienstlichen Dienstvergehen, das ein strafbares Verhalten zum Gegenstand hat, in einer ersten Stufe auf den gesetzlich bestimmten Strafrahmen zurückzugreifen, denn der Gesetzgeber hat mit der Strafandrohung seine Einschätzung des Unwerts eines Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht. Die Orientierung des Umfangs des Vertrauensschadens am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung von außerdienstlich begangenen Straftaten.
201Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 – 2 C 50/13 -, juris, Rn. 15 m.w.N.
202Begeht ein Beamter eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht, so reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.
203Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2019 – 2 C 3/18 -, juris, Rn. 29.
204Diese Voraussetzungen liegen hier vor, denn bereits der Strafrahmen für die Bestechlichkeit (in einem minderschweren Fall) nach § 332 Abs. 1 Satz 2 StGB betrug im Tatzeitpunkt bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob das Amtsgericht C. den Beklagten zu Recht wegen versuchter Erpressung nach § 253 Abs. 1 StGB (Strafrahmen bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe) verurteilt hat, oder ob nur eine versuchte Nötigung nach § 240 Abs. 1 StGB anzunehmen ist. Auch im Fall einer versuchten Nötigung sieht der gesetzliche Strafrahmen eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vor. Damit ist im vorliegenden Fall für die disziplinarrechtliche Ahndung der Orientierungsrahmen bis zur disziplinarische Höchstmaßnahme eröffnet.
205Die Ausschöpfung des maßgeblich in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens kommt aber nur dann in Betracht, wenn dies auch dem Schweregehalt des vom Beamten konkret begangenen Dienstvergehens entspricht. Aufgrund dessen ist eine umfassende Würdigung der Einzelfallumstände geboten. Die Disziplinargerichte müssen für eine solche Betrachtung und Ausschöpfung des Orientierungsrahmens – nach oben wie nach unten – unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände offen sein.
206Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 C 50/13 -, juris, Rn. 17; OVG NRW, Urteil vom 16. Februar 2022 – 31 A 2404/20.O -, juris, Rn. 109.
207Die im konkreten Fall im Wege der Strafzumessung ausgesprochene Strafe hat demgegenüber allein strafrechtliche Relevanz. Eine weitergehende, die disziplinare Maßnahmenbemessung begrenzende Indizwirkung kommt ihr nicht zu. Dies beruht auf den unterschiedlichen Zwecken von Straf- und Disziplinarrecht. Während die konkrete Strafzumessung strafrechtlichen Kriterien folgt, wird die disziplinarrechtliche Maßnahmenbemessung insbesondere durch den Vertrauensverlust des Dienstherrn und der Allgemeinheit bestimmt.
208Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2019 - 2 C 3/18 -, juris, Rn. 34; OVG NRW, Urteil vom 16. Februar 2022 – 31 A 2404/20.O -, juris, Rn. 107.
209Nach diesen Maßgaben wiegt das Dienstvergehen schwer. Der Beklagte hat über einen nicht unerheblichen Zeitraum Straftaten zum Nachteil der Frau L1. begangen, die ein hohes Eigengewicht aufweisen.
210Es handelt sich um Straftaten wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen, wegen Bestechlichkeit und wegen versuchter Erpressung. Der Beklagte hat diese Straftaten gegenüber einer jungen Frau begangen, die aufgrund ihrer Herkunft aus einer muslimischen Familie sowie als alleinerziehende Mutter von zwei kleinen Kindern besonders verletzlich war. Er hat dabei – wie sich auch aus den Ausführungen des Strafurteils ergibt – Frau L1. psychisch erheblich unter Druck gesetzt. Das Strafgericht hat hierzu im Urteil unter Bezugnahme auf die Zeugenaussage der Frau L1. nachvollziehbar ausgeführt, diese habe Angst gehabt, dass ihr „Leben kaputt gemacht“ werde. Dass es sich bei den vom Beklagten begangenen Delikten nicht um Taten mit geringem Unwertgehalt handelt, zeigt auch der Umstand, dass das Strafgericht gegen den Beklagten insgesamt auf eine Gesamtgeldstrafe in empfindlicher Höhe von 280 Tagessätzen (zu je 45 Euro) erkannt hat.
211Zusätzlich belasten den Beklagten die weiteren Dienstpflichtverletzungen, namentlich die unerlaubten Datenabfragen, die – wie auch das Strafgericht festgestellt hat – aus rein privaten Interessen heraus erfolgten, sowie die Nutzung von verschiedenen Polizeiliegenschaften für die Treffen mit Prostituierten.
212Die Disziplinarkammer hält gleichwohl die Ausschöpfung des Orientierungsrahmens aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles nicht für geboten. Der Beklagte ist vielmehr in das Amt eines Kriminaloberkommissars (A 10) zurückzustufen.
213Wie bereits das Amtsgericht geht auch die Disziplinarkammer von einem minder schweren Fall der Bestechlichkeit aus. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte tatsächlich keinen Einfluss auf das gegen Frau L1. geführte Ermittlungsverfahren genommen hat, die in Aussicht gestellte pflichtwidrige Diensthandlung folglich nie zur Ausführung kam. Zu Gunsten des Beklagten ist zudem zu berücksichtigen, dass es bei dem Versuch der Erpressung geblieben ist. Die Sex-Videos, die der Beklagte von Frau L1. aufgenommen hatte, hat er nicht weiter verbreitet. Die gesamten Umstände der Taten lassen diese in einem durchgreifend milderen Licht erscheinen. Es handelt sich im weitesten Sinne um „Beziehungstaten“. Das Verhalten des Beklagten war vor allem dem Umstand geschuldet, dass er für Frau L1. „schwärmte“ und weiter Kontakt mit ihr haben wollte. Obgleich er Frau L1. mit seinem Verhalten psychisch erheblich unter Druck setzte, wollte er ihr letztlich keinen Schaden zufügen. Diesen Eindruck hat die Disziplinarkammer jedenfalls in der mündlichen Verhandlung gewinnen können. Der Beklagte hat sich zu seinen Motiven dahingehend eingelassen, es sei ihm vor allem um Aufmerksamkeit und Anerkennung gegangen. Dies sei ihm heute klar, nachdem er sein damaliges Verhalten in einer Psychotherapie aufgearbeitet habe. Die Disziplinarkammer hält diese Einlassung des Beklagten für glaubhaft.
214Zudem fallen Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild des Beklagten und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung nach § 13 Abs. 2 und 3 LDG NRW derart ins Gewicht, dass eine Ausschöpfung des Orientierungsrahmens letztlich unangemessen erscheint.
215Das Bemessungskriterium „Persönlichkeitsbild des Beamten“ gemäß § 13 Abs. 2 Satz 2 LDG NRW erfasst dessen persönliche Verhältnisse und sein sonstiges dienstliches Verhalten vor, bei und nach Tatbegehung. Es erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des Beamten übereinstimmt oder ob es etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder psychischen Ausnahmesituation davon abweicht.
216Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2013 – 2 B 35/13 -, juris, Rn. 6.
217Es liegen zwar keine von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten persönlichkeitsbezogenen Milderungsgründe vor, die zu einem Absehen von der Höchstmaßnahme führen könnten.
218Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2013 – 2 B 35/13 -, juris, Rn. 27.
219Insbesondere kann der Milderungsgrund der „Entgleisung während einer inzwischen überwundenen negativen Lebensphase" im Tatzeitraum dem Beklagten nicht zu Gute gehalten werden. Zwar kann eine so genannte „negative Lebensphase“ während des Tatzeitraums je nach den Umständen des Einzelfalles mildernd berücksichtigt werden. Dies gilt allerdings nur für außergewöhnliche Verhältnisse, die den Beamten zeitweilig aus der Bahn geworfen haben. Hinzukommen muss, dass er die negative Lebensphase in der Folgezeit überwunden hat. Die Berücksichtigung einer schwierigen, inzwischen überwundenen Lebensphase liegt dabei vor allem dann nahe, wenn sich der Pflichtenverstoß als Folge der Lebensumstände darstellt. Dieser Rechtsprechung liegt die Erwägung zugrunde, dass die Frage, welche Disziplinarmaßnahme zu verhängen ist, insbesondere ob ein Beamter trotz eines gravierenden Dienstvergehens noch tragbar ist, nach dem Zweck der disziplinarrechtlichen Sanktionierung stets in Ansehung der gesamten Persönlichkeit zu beantworten ist.
220Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. März 2016 - 2 B 43/15 -, juris Rn. 11, und Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 C 3/12 -, juris Rn. 40 f. m.w.N.; OVG NRW, Urteil vom 30. Oktober 2019 - 3d A 4373/18.O -, juris, Rn. 589.
221Danach muss es sich um eine persönlich besonders belastende Situation gehandelt haben, die so gravierend ist, dass die Pflichtverletzung des Beamten in einem milderen Licht erscheint, weil ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten vom Beamten nicht mehr erwartet und damit nicht mehr vorausgesetzt werden kann. Wenn aber das Verhalten des Beamten zum Tatzeitpunkt in keiner Hinsicht auffällig gewesen ist, bestehen auch keine Anhaltspunkte für die Annahme, der Beamte sei aufgrund von außergewöhnlichen Umständen „zeitweilig aus der Bahn geworfen".
222Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Juni 2016 - 2 B 49/15 -, juris, Rn. 11.
223Eine solche „Entgleisung" während einer negativen Lebensphase lag im Tatzeitraum nicht vor. Dabei wird nicht verkannt, dass es im Jahr 2017 in der Ehe des Beklagten zu kriseln begann. Dies führte zu einer Phase des enttäuschten Rückzugs voneinander. Daneben entwickelte sich eine zunehmende berufliche Unzufriedenheit. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gutachterliche Stellungnahme des Dr. I4. vom 22. März 2021 hinsichtlich einer zwischenzeitlich überwundenen „negativen Lebensphase“ Bezug genommen. Es gibt jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte dadurch im Rechtssinne „zeitweilig aus der Bahn geworfen“ gewesen wäre. Zwar drückte sich in dem Handeln des Beklagten ein „Bedürfnis nach Ablenkung von Sorgen und das Suchen eines Nervenkitzels, also eines gewissen Reizhungers“ aus. Das planvolle und zielgerichtete Vorgehen des Beklagten steht aber einer Situation des „Aus-der-Bahn-Geworfenseins“ gerade entgegen. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beklagte im Tatzeitraum nicht in der Lage gewesen wäre, seinen dienstlichen Pflichten nachzukommen.
224Zugunsten des Beklagten greift auch nicht der Milderungsgrund einer verminderten Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB ein. Eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit setzt gemäß § 21 StGB voraus, dass die Fähigkeit des Täters, das Unrecht einer Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, wegen einer Störung im Sinne von § 20 StGB bei der Tatbegehung erheblich eingeschränkt war. Gründe in diesem Sinne sind eine krankhafte seelische Störung, eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung, Schwachsinn oder eine schwere andere seelische Abartigkeit, die die Fähigkeit beeinträchtigen, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Im vorliegenden Fall lassen sich bereits keine Anhaltspunkte dafür feststellen, dass bei dem Beklagten zur Tatzeit eine solche Beeinträchtigung und damit ein Eingangsmerkmal im Sinne von § 20 StGB vorgelegen hat. Solche Anhaltspunkte ergeben sich weder aus der gutachterlichen Stellungnahme des Herrn Dr. I4. vom 22. März 2021 noch aus dem Vorbringen des Beklagten, der sich selbst nicht auf eine verminderte Schuldfähigkeit beruft.
225Die nach der Entdeckung der Taten gezeigte Bereitschaft des Beklagten, zur Aufklärung des Geschehens beizutragen, wie auch die im Disziplinarverfahren als geständig zu wertenden Einlassungen des Beklagten, bilden keinen durchgreifenden für ihn sprechenden Milderungsgrund. Das Offenbaren der Tat stellt einen erheblichen Milderungsgrund dar, wenn es vor Aufdeckung der Tat erfolgte, weil es eine „Umkehr“ des Beamten aus freien Stücken dokumentiert und Anknüpfungspunkt für die Erwartung sein kann, die verursachte Ansehensschädigung könne wettgemacht werden.
226Vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Juli 2011 – 2 C 16/10 -, juris, Rn. 36 f., und vom 5. Mai 1990 – 1 D 81/89 -, juris, Rn. 16.
227Demgegenüber hat sich der Beklagte erst geständig eingelassen, nachdem die Taten bereits aufgedeckt worden waren.
228Stehen dem Beklagten damit keine in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts „anerkannten“ Milderungsgründe zur Seite, bedeutet dies nicht, dass die entlastenden Aspekte seines Persönlichkeitsbildes bei der Maßnahmebemessung unberücksichtigt bleiben dürfen. Sie sind vielmehr auch dann, wenn sie keinen der anerkannten Milderungsgründe verwirklichen, insgesamt mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Bewertung einzubeziehen. Dabei bieten die Milderungsgründe Vergleichsmaßstäbe für die Bewertung, welches Gewicht entlastenden Gesichtspunkten in der Summe zukommen muss, um eine Fortsetzung des Beamtenverhältnisses in Betracht ziehen zu können. Generell gilt, dass deren Gewicht umso größer sein muss, je schwerer das Dienstvergehen im Einzelfall wiegt.
229Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 – 2 C 63/11 -, juris, Rn. 25, Beschluss vom 20. Dezember 2013 – 2 B 35/13 -, juris, Rn. 21.
230Hiervon ausgehend kommt den im vorliegenden Fall in den Blick zu nehmenden entlastenden Gesichtspunkten jedenfalls ein solches Gewicht zu, dass sie für das dem Beklagten zur Last fallende Dienstvergehen in der Gesamtschau eine mildere Maßnahme als die Höchstmaßnahme rechtfertigen.
231Für den Beklagten sprechen seine geständigen Einlassungen im Straf- und im Disziplinarverfahren. Die Disziplinarkammer hat auch keinen Zweifel daran, dass der Beklagte sein Verhalten gegenüber Frau L1. aufrichtig bereut. Er hat sich bei Frau L1. ausdrücklich entschuldigt und ihr – gegen den Rat seines Anwaltes – nach dem Strafverfahren eine finanzielle Entschädigung in Höhe von 500,- Euro überreicht. Der Beklagte hat auch für sich und seine Familie Konsequenzen gezogen und sich in therapeutische Behandlung begeben. Bis heute besucht er einen entsprechenden Gesprächskreis. Wie der Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, ist die familiäre Situation allerdings nach wie vor angespannt.
232Wie bereits das Amtsgericht C. in seinem Urteil ausgeführt hat, hat der Beklagte erheblich unter dem Strafverfahren gelitten. Die Hauptverhandlung sei für ihn die „schlimmsten Stunden seines Lebens“ gewesen. Die Disziplinarkammer schließt sich dieser Wertung aufgrund des unmittelbaren Eindrucks in der mündlichen Verhandlung ohne Einschränkungen an.
233Mögen diese Gesichtspunkte angesichts der Art und Schwere des Dienstvergehens auch noch nicht zu einer durchgreifenden Entlastung des Beklagten führen, weil der Dienstherr und die Allgemeinheit darauf vertrauen können müssen, dass ein Beamter die festgestellten Dienstpflichtverletzungen nicht begeht, so ergibt sich ein entlastendes Element mit Blick auf die Dienstausübung des Beklagten.
234Für den Beklagten sprechen seine langjährigen guten dienstlichen Leistungen und sein im Übrigen beanstandungsfreies dienstliches und außerdienstliches Verhalten. Zwar ist jeder Beamte grundsätzlich verpflichtet, dauerhaft bestmögliche Leistungen bei vollem Einsatz der Arbeitskraft zu erbringen und sich innerhalb und außerhalb des Dienstes achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten. Die langjährige Erfüllung dieser Verpflichtung kann nicht dazu führen, dass die Anforderungen an das Verhalten abgesenkt werden.
235Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 2013 – 2 B 63/12 -, juris, Rn. 13.
236Im vorliegenden Fall ist aber zu berücksichtigen, dass der Beklagte überdurchschnittlich gute dienstliche Leistungen erbracht hat. Er wurde schnell befördert und erreichte auch nach seiner Beförderung in Teilbereichen bereits überdurchschnittliche Bewertungen. Nicht zuletzt zeichnen auch die aus Anlass des Disziplinarverfahrens eingeholten formlosen Beurteilungsbeiträge des EKHK B4. vom 00. Juni 2019 und des EKHK T9. vom 00. Juli 2020 ein positives Bild des Beklagten. Er wird als fachlich äußerst versierter und leistungsstarker Mitarbeiter beschrieben, der die ihm übertragenen Aufgaben zuverlässig und verantwortungsbewusst bearbeitet. In beiden Beiträgen wird hervorgehoben, dass der Beklagte sein Verhalten bereut und er sich darum bemüht, verloren gegangenes Vertrauen wieder zu gewinnen.
237Das Bemessungskriterium „Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit“ gemäß § 13 Abs. 2 Satz 3 LDG NRW erfordert eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion.
238Vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Mai 2008 – 2 C 59/07 -, juris, Rn. 15, und vom 20.Oktober 2005 – 2 C 12/04 -, juris, Rn. 26; OVG NRW, Urteil vom 16. Februar 2022 – 31 A 2404/20.O -, juris, Rn. 174.
239Die Würdigung aller Aspekte unter Beachtung auch dieses Kriteriums führt bei prognostischer Beurteilung zu der Bewertung, dass der Dienstherr selbst das Vertrauen in den Beklagten offenkundig noch nicht endgültig verloren hat. KD L11. riet in seiner Stellungnahme vom 00. Juni 2019 von einer Suspendierung ab. Der Dienstvorgesetzte beantragte im vorliegenden Disziplinarklageverfahren dementsprechend nicht die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Auch dieser Rest an Vertrauen, den der Dienstherr dem Beklagten noch entgegenbringt, lässt es aus Sicht der Disziplinarkammer als gerechtfertigt erscheinen, auch unter Berücksichtigung der weiteren vom Beklagten begangenen Dienstpflichtverletzungen von der Höchstmaßnahme abzusehen.
240Angesichts der Schwere des Dienstvergehens und unter Berücksichtigung sämtlicher be- und entlastenden Gesichtspunkte ist der Beklagte nach allem in das Amt eines Kriminaloberkommissars zurückzustufen. Die (einfache) Zurückstufung ist als angemessene Disziplinarmaßnahme erforderlich, aber auch ausreichend.
241Dies entspricht dem Zweck der Disziplinarbefugnis als einem Mittel der Funktionssicherung des öffentlichen Dienstes. Daher ist Gegenstand der disziplinarrechtlichen Betrachtung und Wertung die Frage, ob ein Beamter, der in vorwerfbarer Weise gegen Dienstpflichten verstoßen hat, nach seiner Persönlichkeit noch im Beamtenverhältnis tragbar ist und falls dies zu bejahen ist, durch welche Disziplinarmaßnahme auf ihn eingewirkt werden muss, um weitere Pflichtenverstöße zu verhindern.
242BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 – 2 C 3/12 –, juris, Rn. 23.
243Nach diesen Maßgaben erscheint zur Überzeugung der Disziplinarkammer eine Zurückstufung in das Amt eines Kriminaloberkommissars (A 10) als Disziplinarmaßnahme ausreichend. Eine darüber hinausgehende Disziplinarmaßnahme einer doppelten Zurückstufung in das (Eingangs-) Amt eines Kommissars (Besoldungsgruppe A 9) ist demgegenüber nicht angezeigt. Der Beklagte steht nach wie vor massiv unter dem Eindruck der straf- und disziplinarrechtlichen Verfahren. Er hat zur Überzeugung seiner Vorgesetzten, der Strafrichterin des Amtsgerichts C. und nicht zuletzt auch der Disziplinarkammer sowohl unter dem Strafverfahren wie auch unter dem Disziplinarverfahren erheblich gelitten.
244Die Zurückstufung zum Kriminaloberkommissar (A 10) ist deshalb ausreichend, um ihn einerseits aus dem Beförderungsamt zu entfernen und ihn andererseits an die Einhaltung seiner Dienstpflichten zu ermahnen. Damit einher geht neben der Versetzung in das Amt derselben Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt (§ 9 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW) auch die Beförderungssperre von fünf Jahren nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung (§ 9 Abs. 3 Satz 1 LDG NRW).
245Die Kostenentscheidung folgt aus § 74 Abs. 1 LDG NRW, § 154 Abs. 1 VwGO.
246Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 3 Abs. 1 LDG NRW i.V.m. § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.
247Rechtsmittelbelehrung:
248Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach seiner Zustellung Berufung an den Disziplinarsenat des Oberverwaltungsgerichts in Münster eingelegt werden. Die Berufung ist bei der Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich einzulegen.
249Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
250Im Berufungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
251In der Berufungsschrift ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen und anzugeben, inwieweit es angefochten wird und welche Änderungen beantragt werden; die Anträge sind zu begründen.