Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
1. In Nordrhein-Westfalen können die zuständigen örtlichen Ordnungsbehörden grundsätzlich weiterhin die in § 28a Abs. 1 IfSG genannten Schutzmaßnahmen anordnen.2. Die Anordnung, eine als Aufzug angemeldete Versammlung als ortsfeste Kundgebung durchzuführen, ist als Auflage nach § 28a Abs. 1 Nr. 10 IfSG einzustufen.3. Durch die Vorschrift in § 28a Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 IfSG soll nur das Vollverbot von Versammlungen durch die Infektionsschutzbehörde von der Möglichkeit der Anordnung auf Landesebene ausgeschlossen werden.
Es wird festgestellt, dass die Ordnungsverfügung der Stadt E. vom 6. Januar 2022 rechtswidrig war.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
2Am 15. Dezember 2021 meldete der Kläger als verantwortlicher Versammlungsleiter beim Polizeipräsidium E. eine versammlungsrechtliche Veranstaltung mit dem Thema „Freie Impfentscheidung! Kein Ungeimpfter Mensch ist illegal! Grundrechte sind nicht verhandelbar“ für den 8. Januar 2022 an. Beginnend mit der Sammlungsphase ab 14:30 Uhr sollte die Versammlung bis ca. 20 Uhr dauern. Die Versammlung sollte mit einer Auftaktkundgebung am K. -S. -Platz beginnen. Daran sollte sich ein Aufzug auf einer in der Anmeldung näher bezeichneten Strecke durch die E1. Innenstadt mit dem K. -S. -Platz als Versammlungsende anschließen. Dabei gab der Kläger an, er rechne mit 2000 Teilnehmern.
3Von der geplanten Veranstaltung wurde die Beklagte vom Polizeipräsidium E. am 4. Januar 2022 in Kenntnis gesetzt.
4Die Beklagte hörte den Kläger unter dem 4. Januar 2022 zu der beabsichtigten Beschränkung der Versammlung auf eine Kundgebung an einem geeigneten Kundgebungsort an. Dieser nahm hierzu am 5. Januar 2022 Stellung.
5Mit Ordnungsverfügung der Beklagten vom 6. Januar 2022 erging unter Ziffer 1 folgende Anordnung: „Die Durchführung des angemeldeten Aufzugs wird untersagt. Zulässig ist lediglich die Durchführung einer Kundgebung.“ Zur Begründung führte die Beklagte aus, sie sei als örtliche Ordnungsbehörde sachlich und örtlich zuständig. Nach den Erfahrungen mit den letzten vom Kläger verantworteten Versammlungen, zuletzt am 1. Januar 2022, sei eine Teilnehmerzahl von 6.500 Personen in der Spitze zu erwarten. Der Krankheitserreger SARS-CoV-2 verbreite sich weiterhin auch in Nordrhein-Westfalen. Das Virus verursache die übertragbare Krankheit Covid-19, die bei schwerem Verlauf tödlich enden könne. Das Teilnehmerspektrum gerade von den vom Kläger organisierten Versammlungen sei nach ihren Feststellungen überdurchschnittlich gefährdet, aktiv oder passiv zur Verbreitung des Virus beizutragen und außerdem auch noch unterdurchschnittlich gut geschützt. So sei der Anteil der Personen, die aus medizinischen Gründen keine Maske tragen könnten, bei der Versammlung vom 1. Januar 2022 im Vergleich zu sonstigen ordnungsbehördlichen Kontrollsituationen überdurchschnittlich hoch gewesen. Überdies habe bei den beiden letzten vom Kläger organisierten Versammlungen jeweils ein erheblicher Teil der Teilnehmer die Maskenpflicht nicht konsequent eingehalten, obwohl der Kläger sich unbestreitbar um die Herstellung ordnungsgemäßer Zustände bemüht und auch selbst Masken bereitgestellt habe. Die Zahl potentiell infektionsrelevanter Kontakte sei bei einem Aufzug im Vergleich zu einer Standkundgebung als besonders hoch einzuschätzen. Das gelte erst recht, wenn es zusätzlich, wie z.B. auf großen Einkaufsstraßen, auch noch zu einer Durchmischung mit weiteren Personen komme. Zugleich sei es, wie die Versammlung am 1. Januar 2022 gezeigt habe, für den Kläger als Verantwortlichen erheblich erschwert, die Teilnehmenden eines Aufzugs zur Einhaltung der Anforderungen der Coronaschutzverordnung anzuhalten, die ihm obliegenden Überprüfungen sachgerecht durchzuführen und ggf. notwendige Konsequenzen effektiv durchzusetzen. Im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens habe sie sich entschieden, dem Schutz des staatlichen Gesundheitswesens den Vorrang vor dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit einzuräumen. Als Mittel habe sie die Untersagung des Aufzugs ausgewählt. Eine Standkundgebung auf einer geeigneten Fläche bleibe zulässig. Ein Aufzug der jetzt anzunehmenden Größenordnung mit Teilnehmern aus ganz Nordrhein-Westfalen und einem erhöhten aktiven und passiven Infektionsrisiko übersteige das durch die Coronaschutzverordnung gebilligte Risiko und erfordere deshalb über die Verordnung hinausgehende Schutzmaßnahmen.
6Hiergegen hat der Kläger am 7. Januar 2022 Klage erhoben und einen Eilantrag (29 L 23/22) gestellt. Diesem hat die Kammer mit rechtskräftigem Beschluss vom 7. Januar 2022 mit der Begründung stattgegeben, es fehle an einer tragfähigen Rechtsgrundlage für die getroffene Anordnung der Beklagten als örtlicher Ordnungsbehörde.
7Die Versammlung wurde am 8. Januar 2022 wie angemeldet durchgeführt.
8Daraufhin hat der Kläger seine ursprünglich auf Aufhebung des Bescheides vom 6. Januar 2022 gerichtete Klage auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umgestellt. Zur Begründung macht er geltend: Er beabsichtige, weiterhin vergleichbare Veranstaltungen in E. durchzuführen. Das präventiv gesundheitspolizeiliche Versammlungsverbot sei offensichtlich rechtswidrig. Es fehle an einer Ermächtigungsgrundlage. Ein Aufzugsverbot sei durch die gesetzliche Neuregelung des Infektionsschutzgesetzes ausgeschlossen. Zudem handele es sich bei der in Rede stehenden Untersagungsverfügung materiell um eine durchführungsbezogene Maßnahme. Diese modifiziere nicht lediglich das Recht des Klägers, sich mit weiteren Teilnehmern versammeln zu dürfen. Vielmehr handele es sich um eine „verbotsgleiche“ Untersagung, die im Hinblick auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit eine unzulässige, dem Normzweck widersprechende Beschränkung darstelle. Es fehle zudem an einer mit objektiven Tatsachen belegten, hinreichenden Prognose der Beklagten, dass es bei der Durchführung von Versammlungen in E. zu einer unmittelbaren, über das ohnehin nach der Coronaschutzverordnung erlaubte Maß hinausgehenden Gefährdung der öffentlichen Sicherheit komme.
9Der Kläger beantragt,
10festzustellen, dass die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 6. Januar 2022 rechtswidrig war.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Zur Begründung trägt sie vor: Rechtsgrundlage der Ordnungsverfügung sei die Generalklausel des Infektionsschutzgesetzes. Die Generalklausel sei nicht durch den Katalog der Regelbeispiele gesperrt. Jedenfalls habe die Ordnungsverfügung auch hierauf gestützt werden können. Die aufgrund der gesetzlichen Neuregelung des Infektionsschutzgesetzes vorgenommene Einschränkung, wonach die Untersagung von Aufzügen und Versammlungen ausgeschlossen sei, stehe der streitgegenständlichen Verfügung nicht entgegen, da Beschränkungen und Einschränkungen in Form von Auflagen möglich blieben. Die Anordnung, einen angemeldeten Aufzug als ortsfeste Kundgebung durchzuführen, sei als Auflage zu qualifizieren. Mit der „Untersagung“ eines Aufzugs sei ebenso wie mit der „Untersagung“ einer Versammlung ein absolutes Versammlungsverbot, ein Totalverbot, zu verstehen. Die Begrenzung der Versammlung auf eine stehende Kundgebung sei auch materiell rechtmäßig gewesen, da sie der Verbesserung der Möglichkeiten gedient habe, die dem Infektionsschutz dienenden Vorgaben der Coronaschutzverordnung zu kontrollieren, durchzusetzen und für die Teilnehmer einzuhalten.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
15Entscheidungsgründe:
16Die Klage hat Erfolg.
17Sie ist zulässig und begründet.
18Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft, da sich die angefochtene Ordnungsverfügung erledigt hat. Nachdem die Kammer auf den Eilantrag des Klägers mit Beschluss vom 7. Januar 2022 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 1 der Ordnungsverfügung vom 6. Januar 2022 angeordnet hatte, fand die angemeldete Versammlung am 8. Januar 2022 wie geplant statt. Die Umstellung der Klage von einer ursprünglichen Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VwGO in eine Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO stellt nach § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 264 Nr. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) eine zulässige Klageänderung dar.
19Der Kläger hat zudem ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ordnungsverfügung vom 6. Januar 2022.
20Bei der Prüfung, ob ein solches berechtigtes Interesse vorliegt, werden rechtsgebietsübergreifend die Fallgruppen Wiederholungsgefahr, Rehabilitationsinteresse, schwerwiegende Grundrechtsbeeinträchtigung sowie Vorbereitung eines Amtshaftungs- oder Entschädigungsprozesses unterschieden.
21In Anbetracht der in Art. 8 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verbürgten Rechte erlangt der Aspekt des gewichtigen Grundrechtseingriffs im Versammlungsrecht besondere Bedeutung. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse lässt sich entsprechend für Klagen bejahen, die besonders tief in das Versammlungsgrundrecht eingreifende Maßnahmen zum Gegenstand haben. Das gilt etwa für Fälle von Versammlungsverboten, weil es sich bei ihnen um die schwerste mögliche Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit handelt.
22Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77 (89); Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW, Beschluss vom 19. März 2018 - 15 A 943/17 -, juris Rn. 11.
23Um einen gesondert zu bewertenden Fall handelt es sich jedoch dann, wenn die verbotene Versammlung aufgrund einer im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wiederhergestellten aufschiebenden Wirkung des eingelegten Rechtsbehelfs durchgeführt werden kann (wenn auch gegebenenfalls unter Einhaltung vom Gericht auferlegter Modalitäten). Hier besteht ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Hauptsacheverfahren nur dann, wenn belastende Wirkungen durch die Art der Begründung der Verbotsverfügung fortbestehen und diese Wirkungen ein besonderes Gewicht haben.
24BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77 (90).
25Ähnliches gilt für versammlungsbeschränkende Auflagen. Hier kommt es für die Bejahung eines entsprechenden Feststellungsinteresses auf die versammlungsspezifische Eingriffsintensität an. So ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse anzunehmen, wenn die versammlungsbehördlichen Auflagen bzw. Beschränkungen den Charakter der Versammlung verändert und insbesondere die Verwirklichung des kommunikativen Anliegens wesentlich erschwert haben. Dagegen liegt ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse unter anderem dann nicht vor, wenn es sich bei den Beschränkungen um bloße Modalitäten der Versammlungsdurchführung gehandelt hat.
26OVG NRW, Beschluss vom 19. März 2018 - 15 A 943/17 -, juris Rn. 11.
27Lässt sich ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht (bereits) vor dem Hintergrund eines gewichtigen Eingriffs in das Versammlungsgrundrecht begründen, kommt auch bei versammlungsrechtlichen Sachverhalten die Annahme eines entsprechenden Interesses aufgrund einer feststellbaren Wiederholungsgefahr in Betracht. Für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr bedarf es der Möglichkeit der erneuten Durchführung einer vergleichbaren Versammlung durch den Kläger sowie der Prognose, dass die Behörde voraussichtlich auch zukünftig an ihrer Rechtsauffassung festhalten wird.
28BVerfG, Beschluss vom 8. Februar 2011 - 1 BvR 1946/06 -, NVwZ-RR, 405 (405 f.); s.a. VG Gießen, Urteil vom 29. November 2019 - 4 K 4129/18.GI -, juris Rn. 17 f. und VG Lüneburg, Urteil vom 22. Mai 2019 - 5 A 312/17-, juris Rn. 36 ff.
29Dabei ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse auch dann anzunehmen, wenn die betreffende Frage bereits im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes geklärt worden ist, jedoch Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Behörde sich nicht an der dort vorgenommenen gerichtlichen Bewertung ausrichten wird.
30BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77 (90).
31Dagegen ist die Annahme einer Wiederholungsgefahr nicht gerechtfertigt, wenn die konkret betroffene Behörde eindeutig hat erkennen lassen, in Zukunft von einer Wiederholung der betreffenden Beschränkung absehen zu wollen.
32Verwaltungsgerichtshof (VGH) München, Urteil vom 10. Juli 2018 - 10 BV 17.2405 -, BayVBl 2019, 20 ff.
33Vorliegend kann offenbleiben, ob dem Kläger, der die Versammlung wie angemeldet durchführen konnte, ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der schwerwiegenden Grundrechtsbeeinträchtigung zur Seite steht. Denn es besteht jedenfalls eine Wiederholungsgefahr.
34Der Kläger hat angegeben, weiterhin regelmäßig Versammlungen in E. durchführen zu wollen. Nach den Erkenntnissen des Gerichts war dies an den vergangenen Samstagen auch der Fall. Die Beklagte hat mit ihren der Presse zu entnehmenden Äußerungen kundgetan, dass sie die Eilentscheidung des Gerichts für „schlicht falsch“ halte und im Wiederholungsfall erneut sorgfältig abwägen werde, ob die Voraussetzungen für ein Aufzugsverbot vorlägen.
35Vgl. etwa den Artikel „Eiertanz um das Aufzugsverbot bei der Demo“ im E1. F. vom 13. Januar 2022.
36Diesen Einlassungen ist klar zu entnehmen, dass künftig vergleichbare Versammlungsbeschränkungen durch die Beklagte zu erwarten sind.
37Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 6. Januar 2022, mit dem die Durchführung des angemeldeten Aufzugs untersagt und die Durchführung einer Kundgebung für zulässig angesehen wurde, war zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erledigung des Verwaltungsakts,
38vgl. hierzu Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 25. Juli 1985 - 3 C 25/84 -, juris Rn. 42,
39rechtswidrig und verletzte den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 4 in Verbindung mit § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
40Ermächtigungsgrundlage für die Untersagung der Durchführung des angemeldeten Aufzugs und Zulassung der Durchführung einer Kundgebung sind §§ 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2, 28a Abs. 1 Nr. 10, Abs. 8 Satz 1 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) in der ab dem 12. Dezember 2021 gültigen Fassung i.V.m. § 7 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) vom 3. Dezember 2021 in der vom 30. Dezember 2021 bis 12. Januar 2022 gültigen Fassung.
41Die Ordnungsverfügung ist formell rechtmäßig. Die Zuständigkeit der Beklagten ergibt sich aus § 6 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung besonderer Handlungsbefugnisse im Rahmen einer epidemischen Lage von nationaler oder landesweiter Tragweite und zur Festlegung der Zuständigkeiten nach dem Infektionsschutzgesetz (Infektionsschutz- und Befugnisgesetz – IfSBG NRW). Danach sind zuständige Behörden im Sinne des § 25 Absatz 4 und der §§ 28, 30 und 31 IfSG die Städte und Gemeinden (örtliche Ordnungsbehörden).
42Die vor Einführung des § 28a IfSG in Rechtsprechung und Literatur diskutierte Frage, ob aufgrund der Konzentrationswirkung des Versammlungsrechts infektionsschutzrechtliche Belange zum Gegenstand der versammlungsbehördlichen Verfügung zu machen sind, oder ob das Versammlungsrecht unter dem Aspekt der „Polizeirechtsfestigkeit“ keine Sperrwirkung gegenüber den infektionsschutzrechtlichen Bekämpfungsbefugnissen entfaltet,
43vgl. zum Streitstand OVG NRW, Beschluss vom 23. September 2020 - 13 B 1422/20 -, juris Rn. 9 ff.,
44stellt sich nicht mehr. Denn jedenfalls kann auf der Grundlage der §§ 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2, 28a Abs. 1 Nr. 10, Abs. 8 Satz 1 IfSG auch die für Infektionsschutzmaßnahmen zuständige Behörde Anordnungen für Versammlungen nach Art. 8 GG erlassen. Wer zuständige Behörde im Sinne des Infektionsschutzgesetzes ist, bestimmen nach § 54 Satz 1 IfSG die Landesregierungen durch Rechtsverordnung, wobei sie – wie es in Nordrhein-Westfalen der Fall ist – die Zuständigkeit auch unmittelbar durch Landesgesetz bestimmen können.
45Vgl. Kießling, in: Kießling, Infektionsschutzgesetz, 2. Aufl. 2021, § 54 Rn. 2.
46Die Anordnung unter Ziffer 1 der angefochtenen Ordnungsverfügung ist jedoch materiell rechtswidrig. Die von der Beklagten angeordnete Beschränkung des angemeldeten Versammlungsaufzugs auf eine Standkundgebung ließ sich zwar auf §§ 28 Abs. 1 Satz 1 und 2, 28a Abs. 1 Nr. 10, Abs. 8 Satz 1 IfSG i.V.m. § 7 Abs. 2 Satz 2 CoronaSchVO stützen. Sie stellte aber einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Versammlungsfreiheit des Klägers dar. Aus Infektionsschutzgründen war die verfügte Anordnung nicht erforderlich.
47Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Unter den Voraussetzungen von Satz 1 kann die zuständige Behörde nach § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG unter anderem Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten. Notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Absatz 1 Satz 1 und 2 IfSG zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) können für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Absatz 1 Satz 1 IfSG durch den Deutschen Bundestag insbesondere sein die Untersagung von oder Erteilung von Auflagen für das Abhalten von Veranstaltungen, Ansammlungen, Aufzügen, Versammlungen sowie religiösen oder weltanschaulichen Zusammenkünften (§ 28a Abs. 1 Nr. 10 IfSG).
48Die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch den Deutschen Bundestag, zuletzt getroffen mit Beschluss vom 25. August 2021, wurde nicht verlängert und endete daher gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 IfSG mit Ablauf des 25. November 2021. Die Vorschrift ist dennoch aufgrund der Länderöffnungsklausel des § 28a Abs. 8 Satz 1 IfSG in Nordrhein-Westfalen weiter anwendbar. Nach dieser Bestimmung können nach dem Ende einer durch den Deutschen Bundestag nach § 5 Absatz 1 Satz 1 IfSG festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite die Absätze 1 bis 6 auch angewendet werden, soweit und solange die konkrete Gefahr der epidemischen Ausbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) in einem Land besteht und das Parlament in dem betroffenen Land die Anwendbarkeit der Absätze 1 bis 6 feststellt.
49Diese Voraussetzungen sind gegeben. Die konkrete Gefahr der epidemischen Ausbreitung von COVID-19 besteht unzweifelhaft fort. Der Landtag Nordrhein-Westfalen hat mit Beschluss vom 1. Dezember 2021 die Feststellung der Anwendbarkeit der Absätze 1 bis 6 getroffen.
50https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_text?print=1&anw_nr=2&gld_nr=%202&ugl_nr=2126&val=47232&ver=0&aufgehoben=N&keyword=&bes_id=47232&show_preview=1.
51Damit können in Nordrhein-Westfalen die zuständigen örtlichen Ordnungsbehörden grundsätzlich weiterhin die in § 28a Abs. 1 IfSG genannten Schutzmaßnahmen anordnen.
52Der Anwendbarkeit der nach § 28a Abs. 1 Nr. 10 IfSG bezogen auf Versammlungen möglichen Schutzmaßnahmen steht hier auch die Bestimmung in § 28a Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 IfSG nicht entgegen. Danach ist die Untersagung von Versammlungen oder Aufzügen im Sinne von Artikel 8 GG und von religiösen oder weltanschaulichen Zusammenkünften von der Weitergeltung auf Landesebene ausgeschlossen.
53Die angefochtene Anordnung der Beklagten vom 6. Januar 2022 stellt keine Untersagung einer Versammlung oder eines Aufzugs im Sinne dieser Bestimmung dar. Sie ist vielmehr als zulässige Auflage für das Abhalten einer Versammlung nach § 28a Abs. 1 Nr. 10 IfSG zu qualifizieren.
54Bei der am 8. Januar 2022 in der E1. Innenstadt durchgeführten Veranstaltung handelte es sich um eine Versammlung im Sinne von Art. 8 GG.
55Versammlungen im Sinne des Art. 8 GG und damit auch der Versammlungsgesetze sind örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zu gemeinschaftlicher, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung.
56Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 - 1 BvR 1190/90 -, BVerfGE 104, 92-126, juris Rn. 40 ff.
57Das ist hier fraglos gegeben. Mit dem Thema „Freie Impfentscheidung! Kein Ungeimpfter Mensch ist illegal! Grundrechte sind nicht verhandelbar!“ sollte die vom Kläger unter dem 15. Dezember 2021 beim Polizeipräsidium E. angemeldete Veranstaltung ersichtlich zur öffentlichen Meinungsbildung hinsichtlich der möglichen Einführung einer Impfpflicht beitragen.
58Die Versammlung sollte unter freiem Himmel in der Form eines Aufzugs stattfinden und wurde auch so durchgeführt. Nach der Terminologie des Versammlungsrechts liegt ein Aufzug vor, wenn sich die Versammelten sofort oder nach einer stationären Versammlung als Auftaktveranstaltung auf einer festgelegten Wegstrecke vom Ort der Zusammenkunft fortbewegen, um mit ihrer Aussage die Öffentlichkeit zu erreichen.
59Kniesel/Poscher, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 7. Aufl. 2021, J. Versammlungsrecht, Rn. 210.
60Um eine solche sich fortbewegende Zusammenkunft handelte es sich bei der Veranstaltung vom 8. Januar 2022. Die Demonstrationsteilnehmer zogen, nachdem sie sich zunächst am K. -S. -Platz in E. gesammelt hatten, über eine bestimmte Strecke durch die E1. Innenstadt zurück zum Ausgangspunkt.
61Mit der angefochtenen Ordnungsverfügung hat die Beklagte die für den 8. Januar 2022 angemeldete Versammlung auf eine ortsfeste Kundgebung beschränkt. Das folgt aus dem Wortlaut der in Nummer 1 Sätze 1 und 2 der Verfügung getroffenen Regelung in Verbindung mit ihrer Begründung. Darin wurde nicht nur die Durchführung des angemeldeten Aufzugs untersagt, sondern auch gleichzeitig festgestellt, dass die Durchführung einer Standkundgebung auf einer der Größe nach geeigneten Fläche zulässig sei. Ein (vollständiges) Versammlungsverbot hat die Beklagte demnach nicht angeordnet.
62Soll eine Versammlung nach dem Willen der zuständigen Verwaltungsbehörde als stationäre Kundgebung statt wie geplant als Aufzug stattfinden, ist eine solche Verfügung, mit der die Modalitäten einer Versammlung geregelt werden, aus dem Blickwinkel des Versammlungsrechts als Auflage im Sinne des § 15 des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz – VersammlG) zu qualifizieren.
63Vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. August 2020 - 1 BvQ 92/20 -, juris Rn. 16; Kniesel/Poscher, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 7. Aufl. 2021, J. Versammlungsrecht, Rn. 359 ff.
64Anders ausgedrückt wird durch eine solche Anordnung die als Aufzug geplante Versammlung räumlich auf eine Standkundgebung beschränkt.
65Ullrich/von Coelln/Heusch, Handbuch Versammlungsrecht, Rn. 787.
66Nur wenn der geplante Aufzug vollständig untersagt wird, liegt ein Versammlungsverbot vor.
67Auch auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes ist die hier getroffene Anordnung, die als Aufzug angemeldete Versammlung als ortsfeste Kundgebung durchzuführen, als Auflage nach § 28a Abs. 1 Nr. 10 IfSG einzustufen.
68Für die Qualifizierung als Auflage ebenso: OVG NRW, Beschluss vom 20. November 2020 - 15 B 1822/20 -, juris Rn. 7; VG Arnsberg, Beschluss vom 29. Januar 2021 - 6 L 58/21 -, juris Rn. 18, bestätigt durch OVG NRW, Beschluss vom 30. Januar 2021 - 15 B 124/21 -, juris.
69Es handelte sich nicht um eine Untersagung eines Aufzugs im Sinne des § 28a Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 IfSG. Durch diese Vorschrift soll nur das Vollverbot von Versammlungen durch die Infektionsschutzbehörde von der Möglichkeit der Anordnung auf Landesebene ausgeschlossen werden.
70Zwar ist nicht auszuschließen, dass die im Infektionsschutzgesetz im Zusammenhang mit Versammlungen verwendeten Ausdrücke „Auflage“ und „Untersagung von Aufzügen“ in einem anderen Sinne gemeint sind als im Versammlungsrecht, und eine Anordnung, wie sie die Beklagte getroffen hat, infektionsschutzrechtlich unter den Ausschlusstatbestand der „Untersagung eines Aufzugs“ im Sinne des § 28a Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 IfSG fällt. Für eine solche Abweichung von der Terminologie des Versammlungsrechts mit der Folge, dass ggf. auch die räumliche Beschränkung auf eine Standkundgebung nach § 28a Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 IfSG von der Infektionsschutzbehörde nicht mehr angeordnet werden darf, fehlt aber jeglicher Anhaltspunkt.
71Ausgangspunkt sind die für die Gesetzesauslegung allgemein geltenden Kriterien. Maßgebend ist der in der Vorschrift zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte, aus dem Zusammenhang, in dem der Gesetzesbegriff steht, sowie aus dem Sinn und Zweck der Regelung ergibt.
72Zunächst gibt der Wortlaut von § 28a Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 IfSG nichts für die Annahme her, dass der Infektionsschutzgesetzgeber mit der Formulierung „Untersagung von Versammlungen oder Aufzügen“ vom allgemeinen versammlungsrechtlichen Verständnis abweichen wollte. Das ergibt sich weder aus dem Gebrauch des Begriffs „Untersagung“ noch aus der Konjunktion „oder“.
73Ebenso wie in § 28a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 IfSG wird in der Bestimmung der allgemeine Begriff der „Untersagung“ von Versammlungen und Aufzügen verwendet, während im Versammlungsgesetz die Untersagung einer Versammlung oder eines Aufzugs als Verbot bezeichnet wird (§ 15 VersammlG). Nach allgemeinem Sprachgebrauch haben die beiden Begriffe dieselbe Bedeutung. „Untersagen“ heißt, ein Verbot auszusprechen. Als Synonym wird „verbieten“ genannt.
74https://www.wortbedeutung.info/untersagen/.
75Sofern der Gesetzgeber hier überhaupt bewusst einen anderen als den versammlungsspezifischen Begriff des Verbots gewählt hat, dürfte dies allein sprachliche Gründe haben. Im Katalog der möglichen Schutzmaßnahmen nach § 28a Abs. 1 IfSG werden mehrere Tatbestände aufgeführt, in denen eine Untersagung angeordnet werden kann, nämlich in den Nummern 5, 6, 7, 8, 10, 11, 12, 13 und 15. Zudem betrifft die Untersagung nach § 28a Abs. 1 Nr. 10 IfSG nicht nur Versammlungen im Sinne von Art. 8 GG, sondern deutlich weiter auch „Veranstaltungen, Ansammlungen, Aufzüge, Versammlungen sowie religiöse oder weltanschauliche Zusammenkünfte“. Hier lag es nahe, das allgemeinere Wort „Untersagung“ zu benutzen, um sämtliche Formen von Veranstaltungen zu erfassen.
76Die nahezu wortgleichen Vorschriften in § 28a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 IfSG und § 28a Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 IfSG beziehen sich zwar nur auf „Versammlungen oder Aufzüge im Sinne von Artikel 8 des Grundgesetzes“, so dass hier auch der versammlungsrechtliche Begriff des „Verbots“ hätte verwendet werden können. Allerdings greifen sich die Regelungen in § 28a Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 IfSG bzw. § 28a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 IfSG (nur) einen bestimmten Teilbereich der Veranstaltungen im Sinne des § 28a Abs. 1 Nr. 10 IfSG heraus, so dass es aus sprachlicher Sicht einleuchtet, bei demselben Begriff zu bleiben. Aus der „untechnischen“ Wortwahl lässt sich mithin nicht schließen, dass der Gesetzgeber dem Begriff „Untersagung“ von Versammlungen oder Aufzügen eine vom „Verbot“ von Versammlungen oder Aufzügen abweichende Bedeutung beimessen wollte.
77Auch aus der Verwendung der Konjunktion „oder“ in § 28a Abs. 8 Satz 1Nr. 3 IfSG folgt nicht, dass der Gesetzgeber neben der Untersagung einer Versammlung explizit auch die isolierte Untersagung eines Aufzugs ausschließen wollte. Zwar kommt der im Gesetz ausdrücklich erwähnten Untersagung eines Aufzugs bei dem hier gefundenen Auslegungsergebnis kein selbständiger Gehalt zu. Denn die Untersagung eines Aufzugs ohne gleichzeitige Beschränkung auf eine ortsfeste Versammlung fällt bereits unter den Tatbestand der Untersagung einer Versammlung. Auch ein Aufzug ist eine Versammlung.
78Ullrich/von Coelln/Heusch, Handbuch Versammlungsrecht, Rn 71.
79Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist jedoch davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit dieser Wortwahl schlicht auf das im Versammlungsgesetz verwendete Begriffspaar „Versammlung und Aufzüge“ zurückgegriffen hat, ohne dadurch eine Unterscheidung herbeiführen zu wollen. Zum einen regelt er ausdrücklich „Versammlungen oder Aufzüge im Sinne von Artikel 8 des Grundgesetzes“ und nimmt dadurch auf das Versammlungsrecht Bezug. Zum anderen differenziert auch das Versammlungsgesetz zwischen Versammlungen und Aufzügen, obwohl dies mit Blick auf den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit inhaltlich irrelevant ist und terminologisch sogar missverständlich.
80So ausdrücklich: Ullrich/von Coelln/Heusch, Handbuch Versammlungsrecht, Rn. 71.
81Denn ein Aufzug im Sinne des Versammlungsgesetzes ist eine sich fortbewegende Versammlung, also lediglich ein besonderer Fall einer Versammlung. Grundrechtlich werden seine Teilnehmer ebenso durch Art. 8 Abs. 1 GG geschützt wie Teilnehmer einer ortsfesten Versammlung.
82Ullrich/von Coelln/Heusch, Handbuch Versammlungsrecht, Rn. 71.
83Dabei ist im Versammlungsgesetz sowohl von „Versammlungen und Aufzügen“ die Rede (etwa in § 1 Abs. 1 VersammlG) als auch von „Versammlungen oder Aufzügen“ (wie etwa in §§ 2 Abs. 1, 13 Abs. 1 VersammlG), ohne dass der unterschiedlichen Formulierung eine besondere Bedeutung zuzukommen scheint. Wenn der Gesetzgeber im Infektionsschutzgesetz aber ersichtlich die Terminologie des Versammlungsrechts übernimmt, besteht Anlass anzunehmen, dass er diesen Begriffen auch ihre versammlungsrechtliche Bedeutung beigemessen hat.
84Der Entstehungsgeschichte des § 28a Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 IfSG und auch des § 28a IfSG im Weiteren ist ein gegenteiliger Wille des Gesetzgebers nicht zu entnehmen. Die Gesetzesmaterialien verhalten sich vielmehr überhaupt nicht zu der Frage, ob mit der dort erwähnten „Untersagung eines Aufzugs“ auch die Beschränkung eines Aufzugs auf eine stationäre Kundgebung gemeint sein könnte.
85Während zunächst nach § 28a Abs. 8 Nr. 3 IfSG in der ab 24. November 2021 gültigen Fassung die Untersagung von Veranstaltungen, Ansammlungen, Aufzügen, Versammlungen sowie religiösen oder weltanschaulichen Zusammenkünften auch auf Landesebene ausgeschlossen war, wurde die Bestimmung durch das Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie vom 6. Dezember 2021 erneut geändert und erhielt die seit 12. Dezember 2021 gültige Fassung: „Ausgeschlossen sind die Untersagung von Versammlungen oder Aufzügen im Sinne von Art. 8 des Grundgesetzes und von religiösen oder weltanschaulichen Zusammenkünften.“
86Zur Begründung der Änderung heißt es im Gesetzesentwurf insoweit lediglich: „In § 28a wird der Katalog ausgeschlossener Schutzmaßnahmen präzisiert.“ (…) „Indem in der Aufzählung der Nummer 3 Veranstaltungen und Ansammlungen entfallen, sind Veranstaltungen jeglicher Art, sofern sie nicht eine Versammlung oder einen Aufzug im Sinne von Art. 8 des Grundgesetzes oder eine religiöse oder weltanschauliche Zusammenkunft darstellen, untersagbar. Untersagbar sind danach insbesondere Sportveranstaltungen mit einem größeren Publikum.“
87Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie, Bundestags-Drucksache (BT-Ds.) 20/188, S. 44 f.
88Auch der Bericht des Hauptausschusses zum „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ vom 17. November 2021 führt nicht weiter. Bezogen auf § 28a Abs. 8 IfSG heißt es darin: „Nach dem Ende einer durch den Deutschen Bundestag nach § 5 Absatz 1 Satz 1 festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite kann in den Bundesländern die Situation bestehen oder sich entwickeln, dass eine konkrete Gefahr der epidemischen Ausbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) in einem Land weiterbesteht und abseits der Schutzmaßnahmen nach Absatz 7 Satz 1 weitere Maßnahmen nach Absatz 1 erforderlich sind. Soweit und solange dies der Fall ist, kann das Parlament in dem betroffenen Land die Anwendbarkeit der Absätze 1 bis 6 für das Land feststellen. Damit steht den betroffenen Bundesländern ein Instrumentarium zur Verfügung, das eine ausreichende und zweckgerichtete Reaktion auf ein dynamisches Infektionsgeschehen ermöglicht. Davon ausgenommen sind jedoch vorbehaltlich möglicher Schutzmaßnahmen nach Absatz 7 Satz 1 die Anordnung von Ausgangsbeschränkungen (auch Ausgangssperren sind damit untersagt), die Untersagung von Veranstaltungen, Ansammlungen, Aufzügen, Versammlungen sowie religiösen oder weltanschaulichen Zusammenkünften, die Untersagung von Sportausübung, Schutzmaßnahmen nach Absatz 1 Nummer 11 bis 14 und die Schließung von Gemeinschaftseinrichtungen im Sinne von § 33. Möglich bleiben danach unter den Voraussetzungen des Absatzes 8 Untersagungen und Beschränkungen von Freizeitveranstaltungen (z. B. Weihnachtsmärkte) nach Absatz 1 Nummer 5.“
89BT-Ds. 20/89, S. 15.
90Weiteres findet sich hierzu in den Gesetzesmaterialien nicht.
91Bei einer zusätzlichen Heranziehung der Entstehungsgeschichte des § 28a IfSG und hier insbesondere der Vorschrift in § 28a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 IfSG ergibt sich ebenfalls kein anderes Bild.
92§ 28a IfSG wurde mit dem Dritten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18. November 2020 eingeführt. Dabei enthielt der Gesetzentwurf (BT-Ds. 19/23944) in § 28a Abs. 1 Nr. 10 und Nr. 11 noch zwei getrennte Regelungen für Veranstaltungen. Nr. 10 lautete: „Untersagung oder Erteilung von Auflagen für das Abhalten von Veranstaltungen“. Nr. 11 lautete: „Untersagung, soweit dies zwingend erforderlich ist, oder Erteilung von Auflagen für das Abhalten von Versammlungen oder religiösen Zusammenkünften.“ Die schließlich in Kraft getretene Fassung des § 28a Abs. 1 Nr. 10 IfSG, die der aktuellen Fassung entspricht und beide Regelungen des Gesetzentwurfs zusammenführt, beruht auf der Beschlussempfehlung des federführenden Gesundheitsausschusses (BT-Ds. 19/24334, S. 22). Zudem wurden „Aufzüge“ zusätzlich in die Aufzählung der von § 28a Abs. 1 Nr. 10 IfSG erfassten Veranstaltungen aufgenommen. Zutreffend hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass gerade im Zusammenhang mit der Erweiterung des Tatbestandes um „Aufzüge“ eine Begründung hierfür in den Gesetzesmaterialien zu erwarten gewesen wäre, wenn der Gesetzgeber diesem Begriff eine spezielle Bedeutung hätte geben wollen.
93Gleichzeitig mit der Neufassung des § 28a Abs. 1 Nr. 10 IfSG wurde – soweit hier relevant – der neue Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 eingefügt, dessen Wortlaut bis heute unverändert geblieben ist. Durch diese Bestimmung wird die „Untersagung von Versammlungen oder Aufzügen im Sinne von Artikel 8 des Grundgesetzes und von religiösen oder weltanschaulichen Zusammenkünften nach Absatz 1 Nummer 10“ davon abhängig gemacht, dass auch bei Berücksichtigung aller bisher getroffenen anderen Schutzmaßnahmen eine wirksame Eindämmung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erheblich gefährdet wäre.
94Da die neu eingeführte Regelung in § 28a Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 IfSG nahezu wortgleich ist mit § 28a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 IfSG, spricht viel dafür, etwaige Hinweise des Gesetzgebers zur Bedeutung der Formulierung „Untersagung von Versammlungen oder Aufzügen“ auch für die Auslegung der hier streitentscheidenden Norm heranzuziehen. Jedoch fehlt auch im Zusammenhang mit der Bestimmung in § 28a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 IfSG in den Gesetzesmaterialien jedes Indiz für die Annahme, der Infektionsschutzgesetzgeber habe die isolierte Untersagung eines Aufzugs im Sinne einer Beschränkung auf eine stationäre Kundgebung der Untersagung einer Versammlung gleichstellen wollen.
95Mit der Regelung in § 28a Abs. 2 IfSG hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, welche Maßnahmen er als besonders eingriffsintensiv erachtet und deswegen an qualifizierte Voraussetzungen knüpft.
96Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. Dezember 2020 - 13 B 1855/20.NE -, juris Rn. 35.
97§ 28a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 IfSG knüpft die „Untersagung von Versammlungen oder Aufzügen im Sinne von Art. 8 des Grundgesetzes und von religiösen oder weltanschaulichen Zusammenkünften nach Absatz 1 Nummer 10“ an die strengere Voraussetzung, dass ohne diese Maßnahmen auch bei Berücksichtigung aller bisher getroffenen anderen Schutzmaßnahmen eine wirksame Eindämmung der Verbreitung von COVID-19 erheblich gefährdet würde. Mit dem neuen Absatz 2 wurde, wie es in der Begründung der Beschlussempfehlung des federführenden Gesundheitsausschusses heißt, „grundrechtsdeterminiert eine materielle Eingrenzung von Schutzmaßnahmen im Hinblick auf die spezifische Eingriffsintensität“ vorgenommen. Und weiter: „Eingriffe in die Versammlungsfreiheit sind nur zum Schutz gleichgewichtiger anderer Rechtsgüter unter strikter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zulässig. Zwar sind die Gesundheit sowie die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems als gleichgewichtige andere Rechtsgüter anzusehen, ein Verbot der Versammlung kommt aber nur als ultima ratio im Einzelfall in Betracht. (…).“
98BT-Ds. 19/24334, S. 80.
99Dem lässt sich in erster Linie der Bezug der Vorschrift auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit entnehmen, was auch hier auf ein versammlungsrechtliches Verständnis der Begriffe schließen lässt. Zudem heißt es in der Begründung abweichend vom Wortlaut der Norm ausdrücklich, dass ein „Verbot der Versammlung“ zum Zwecke des Infektionsschutzes ultima ratio sein solle. Auch diese Wortwahl spricht für den Willen des Gesetzgebers, nur ein vollständiges Versammlungsverbot als besonders tiefgreifenden Eingriff dem strikten Verhältnismäßigkeitsgebot zu unterwerfen.
100Der Gesetzeszusammenhang stützt das hier vertretene versammlungsrechtliche Verständnis des § 28a Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 IfSG, wonach nur das vollständige Verbot der Versammlung oder des Aufzugs als mögliche Schutzmaßnahme nach §§ 28 Abs. 1 Satz 1 und 2, 28a Abs. 1 Nr. 10 IfSG ausgeschlossen ist.
101Notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG können nach § 28a Abs. 1 Nr. 10 IfSG neben der Untersagung ausdrücklich die Erteilung von Auflagen für das Abhalten von Veranstaltungen im weitesten Sinne sein.
102Der Begriff der „Auflage“ wird vom Gesetzgeber untechnisch verwendet, gemeint sind nicht zwingend solche im Sinne des § 36 Verwaltungsverfahrensgesetz.
103Kießling, in: Kießling, Infektionsschutzgesetz, 2. Aufl. 2021, § 28a Rn. 61.
104Bei der Erteilung von Auflagen für das Abhalten von Versammlungen handelt es sich um eine gegenüber der Untersagung weniger belastende Schutzmaßnahme. Die zuständige Behörde muss wegen der besonderen Bedeutung des Art. 8 GG in jedem Einzelfall prüfen, ob die Versammlung unter Auflagen zum Infektionsschutz stattfinden kann.
105Vgl. Kießling, in: Kießling, Infektionsschutzgesetz, 2. Aufl. 2021, § 28a Rn. 105; Gerhardt, Infektionsschutzgesetz, 5. Aufl. 2021, § 28a Rn. 57 „infektionshygienische Auflagen“.
106Der Begriff der Auflage dürfte deckungsgleich sein mit dem Begriff „Beschränkungen“ in § 28a Abs. 1 Nr. 5-8, 11-15 IfSG.
107Kießling, in: Kießling, Infektionsschutzgesetz, 2. Aufl. 2021, § 28a Rn. 61
108Dies wiederum passt zur versammlungsrechtlichen Terminologie. Die Auflage, den geplanten Aufzug als stationäre Kundgebung durchzuführen, wird auch als räumliche Beschränkung bezeichnet.
109Ullrich/von Coelln/Heusch, Handbuch Versammlungsrecht, Rn. 787.
110Im am 6. Januar 2022 in Kraft getretenen Versammlungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (Versammlungsgesetz NRW – VersG NRW) wird nur noch zwischen einer beschränkenden Verfügung und einem Verbot unterschieden (§ 13 VersG NRW).
111Bezogen auf den Begriff der Auflage zeigt sich mithin ebenfalls, dass der Infektionsschutzgesetzgeber kein abweichendes Begriffsverständnis zugrunde legt und eine „Auflage“ im Sinne von § 28a Abs. 1 Nr. 10 IfSG für das Abhalten von Versammlungen gleichbedeutend mit dem Versammlungsgesetz als Beschränkung verstanden werden soll. Wie im Versammlungsrecht unterscheidet auch § 28a IfSG zwischen weniger eingriffsintensiven Maßnahmen, die als Auflagen oder Beschränkungen bezeichnet werden, und tiefgreifenden Eingriffen in Grundrechte, nämlich die vollständige Untersagung bzw. das Verbot.
112Sinn und Zweck des § 28a Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 IfSG stellen das hier gefundene Auslegungsergebnis nicht in Frage.
113Der Begründung des Gesetzentwurfs ist zu entnehmen, dass das Auslaufen der epidemischen Notlage von nationaler Tragweite und die damit einhergehenden Änderungen des § 28a IfSG im Wesentlichen von der Absicht getragen waren, die „exekutiven Sonderrechte“ zurückzudrängen und die wesentlichen Entscheidungen wieder vollständig in die Hand des zuständigen parlamentarischen Gesetzgebers zu legen. Mit der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite seien der Bundesregierung umfangreiche Kompetenzen zur Bekämpfung der pandemischen Lage im Wege der Verordnungsgebung eingeräumt worden, deren Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Grundlagen mit zunehmender Dauer der Pandemie größer werdenden Zweifeln ausgesetzt sei.
114Vgl. BT-Ds. 20/15, S. 20.
115Man schaffe eine Reparlamentarisierung der Entscheidungsprozesse und beende die fortdauernde Notverordnungsgesetzgebung.
116Bericht des Hauptausschusses, BT-Ds. 20/89, S. 11.
117Gleichzeitig wurde mit § 28a Abs. 7 IfSG ein bundeseinheitlich anwendbarer Katalog möglicher Schutzmaßnahmen eingefügt – wie etwa die Anordnung von Abstandsgeboten, die Verpflichtung zur Vorlage von Impf-, Genesenen- oder Testnachweisen oder die Beschränkung der Anzahl von Personen bei Veranstaltungen –, der es ermöglicht, je nach Entwicklung der aktuellen Lage weniger intensive Schutzmaßnahmen zu ergreifen.
118BT-Ds. 20/15, S. 20.
119Grundsätzlich sollte es den Ländern aber nicht mehr möglich sein, von den in § 28a Abs. 1 IfSG genannten Schutzmaßnahmen Gebrauch zu machen,
120vgl. BT-Ds. 20/15, S. 1,
121wobei gleichwohl die je nach der regionalen Situation in den Bundesländern differenzierte Anwendung gewährleistet bleiben sollte.
122BT-Ds 20/15, S. 20.
123Davon ausgenommen wurden jedoch vorbehaltlich möglicher Schutzmaßnahmen nach § 28a Abs. 7 Satz 1 IfSG die Anordnung von Ausgangsbeschränkungen, die Untersagung der Sportausübung und die Schließung von Sporteinrichtungen, die Untersagung von Versammlungen oder Aufzügen im Sinne von Artikel 8 GG und von religiösen oder weltanschaulichen Zusammenkünften, die Untersagung von Reisen, die Untersagung von Übernachtungsangeboten, die Schließung von Betrieben, Gewerben, Einzel- oder Großhandel usw. sowie die Schließung von Gemeinschaftseinrichtungen im Sinne von § 33 IfSG (§ 28a Abs. 8 Satz 1 IfSG).
124Ziel der Gesetzesänderung war damit zum einen eine Beendigung der „Notverordnungsgesetzgebung“ und Rückkehr zur Normalität. Darüber hinaus sollten den Ländern grundsätzlich nur noch Maßnahmen mit geringerer Eingriffstiefe möglich sein (§ 28a Abs. 7 und 8 Satz 1 IfSG). Dies lässt, bezogen auf Versammlungen, durchaus den Schluss zu, dass der Gesetzgeber bei der Frage, welche Schutzmaßnahmen auf Landesebene weiterhin zulässig sind, auf die Eingriffsintensität abstellen und das zu Verwirrung bei Normadressaten und Gerichten führende Nebeneinander von zwei Behörden jedenfalls bei den tief in die Versammlungsfreiheit eingreifenden Versammlungsverboten beenden wollte.
125Vgl. zur Untersagung eines Aufzugs nur aus der obergerichtlichen Rechtsprechung: OVG NRW, Beschluss vom 9. März 2021 - 15 B 339/21 -, juris: Rechtsgrundlage § 28a Abs. 1 Nr. 10 IfSG, Anordnung durch die Infektionsschutzbehörde; VGH München, Beschluss vom 21. Februar 2021 - 10 CS 21.526 -, juris: Rechtsgrundlage § 28a Abs. 1 Nr. 10 IfSG, Anordnung durch die Versammlungsbehörde; OVG Bautzen, Beschluss vom 13. März 2021 - 6 B 432/20 -, juris: Rechtsgrundlagen § 28a Abs. 1 Nr. 10 IfSG und § 15 SächsVersG, Anordnung durch die Versammlungsbehörde; zu einem Versammlungsverbot durch Allgemeinverfügung: OVG Koblenz, Beschluss vom 3. Januar 2022 - 7 B 10005/22 -, juris: Rechtsgrundlage § 15 VersammlG; mögliche Sperrwirkung von § 28a Abs. 1 Nr. 10 i.V.m. Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 IfSG offen gelassen.
126Die Umwandlung eines Aufzugs in eine stationäre Kundgebung kann im Einzelfall einem Versammlungsverbot gleichkommen und einen ähnlich schwerwiegenden Eingriff in die Versammlungsfreiheit darstellen.
127Vgl. dazu Ullrich/von Coelln/Heusch, Handbuch Versammlungsrecht, Rn. 787.
128Selbst wenn der Gesetzgeber im Zuge der gesetzlichen Neuregelung die „Untersagung von Versammlungen oder Aufzügen“ im Sinne des § 28a Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 IfSG aber derart materiell hätte definieren wollen, hätte ein entsprechender Wille des Gesetzgebers im Gesetz seinen Niederschlag finden müssen. Das ist, wie ausgeführt, nicht der Fall. Der Gesetzgeber hat im Gegenteil bei der Regelung der Ausnahme nach § 28a Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 IfSG die Formulierung des § 28a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 IfSG aufgegriffen. Diese Bestimmung galt bereits, als noch eine epidemische Notlage von nationaler Tragweite bestand. Abgesehen davon spricht auch deshalb nichts für eine Differenzierung nach der Eingriffsintensität, weil die Frage, ob eine Anordnungsbefugnis für die Länder besteht oder nicht, dann von einer Auslegung im Einzelfall abhängig wäre.
129Die Anordnung, mit der dem Kläger aufgegeben worden ist, die als Aufzug angemeldete Versammlung lediglich als ortsfeste Kundgebung durchzuführen, war gleichwohl rechtswidrig. Sie stellte einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Versammlungsfreiheit des Klägers dar. Unter Zugrundelegung der von der Beklagen in ihrer Verfügung angestellten Gefahrenprognose war die Beschränkung auf eine ortsfeste Kundgebung zum Zwecke des Schutzes vor Infektionsgefahren nicht erforderlich.
130Eine auf Grundlage von § 7 Abs. 2 Satz 2 CoronaSchVO i. V. m. §§ 28 Abs. 1 Satz 1 und 2, 28a Abs. 1 Nr. 10 IfSG im Ermessenswege verfügte Schutzmaßnahme muss unter Infektionsschutzgesichtspunkten notwendig sein. Unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, der insbesondere die Beachtung sämtlicher Umstände des Einzelfalls einschließlich des aktuellen Stands des dynamischen und tendenziell volatilen Infektionsgeschehens erforderlich macht, können zum Zweck des Schutzes vor Infektionsgefahren auch versammlungsbeschränkende Maßnahmen ergriffen werden. In Betracht kommen namentlich Auflagen mit der Verpflichtung zur Einhaltung bestimmter Mindestabstände, aber auch Beschränkungen der Teilnehmerzahl, um eine Unterschreitung notwendiger Mindestabstände zu verhindern, zu der es aufgrund der Dynamiken in einer großen Menschenmenge oder des Zuschnitts und Charakters einer Versammlung im Einzelfall selbst dann kommen kann, wenn bezogen auf die erwartete Teilnehmerzahl eine rein rechnerisch hinreichend groß bemessene Versammlungsfläche zur Verfügung steht. Als weitere Regelungen der Modalitäten einer Versammlung kommen etwa ihre Durchführung als ortsfeste Kundgebung anstatt als Aufzug oder die Verlegung an einen aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vorzugswürdigen Alternativstandort in Betracht.
131Vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. August 2020 - 1 BvQ 94/20 -, juris Rn. 16; OVG NRW, Beschlüsse vom 9. März 2021 - 15 B 339/21 -, juris Rn. 6, und vom 4. Dezember 2020 - 15 B 1909/20 -, juris Rn. 5.
132Im Rahmen der Ermessensausübung muss dem Grundrecht aus Art. 8 GG Rechnung getragen werden. Dies erfordert insbesondere eine hinreichende Berücksichtigung der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Lediglich pauschale Erwägungen, die jeder Versammlung entgegengehalten werden könnten, werden dem nicht gerecht.
133Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. April 2020 - 1 BvQ 37/20 -, juris Rn. 23.
134Dabei erfordert die von der Behörde angestellte Gefahrenprognose tatsächliche Anhaltspunkte, die bei verständiger Würdigung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Gefahreneintritts ergeben. Bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen nicht aus. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Auflage liegt grundsätzlich bei der Behörde.
135Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24. Mai 2020 - 15 B 755/20 -, juris Rn. 9.
136Diesen Anforderungen genügt die Gefahrenprognose der Beklagten nicht. Sofern überhaupt die Nichteinhaltung infektionsschutzrechtlicher Pflichten droht, hat die Beklagte nicht hinreichend konkret dargelegt, welche unter Infektionsschutzgesichtspunkten relevanten Verstöße durch den Aufzug durch die E1. Innenstadt am 8. Januar 2022 zu erwarten waren.
137Soweit sich die Beklagte bei ihrer Prognose eines erhöhten Infektionsrisikos durch den Aufzug darauf stützt, dass der Anteil der Personen, die aus medizinischen Gründen keine Maske tragen könnten, überdurchschnittlich hoch sei, liegt darin bereits kein Verstoß gegen die Maskenpflicht. Denn nach § 3 Abs. 2 Nr. 16 CoronaSchVO kann in solchen Fällen auf das Tragen einer Maske verzichtet werden. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die medizinischen Atteste nur vorgeschoben sein könnten, trägt die Beklagte nicht vor und sind auch nicht ersichtlich.
138Die hinreichende Wahrscheinlichkeit relevanter Verstöße gegen die Maskenpflicht durch die übrigen Versammlungsteilnehmer lässt sich der Ordnungsverfügung nicht entnehmen. Die Beklagte verweist insoweit lediglich darauf, bei den beiden letzten vom Kläger organisierten Versammlungen habe ein erheblicher Teil der Teilnehmer die Maskenpflicht nicht konsequent eingehalten. Was mit „nicht konsequent“ gemeint ist, wird ebenso wenig konkretisiert wie die Größenordnung der Teilnehmer. Bestimmte Vorfälle bei den letzten beiden Versammlungen nennt die Beklagte nicht. Sie nimmt auch nicht auf entsprechende Feststellungen der Polizei, beispielsweise Einsatzberichte, Bezug. Im Gegenteil verweist die Beklagte darauf, dass sich der Kläger als Versammlungsleiter um die Herstellung ordnungsgemäßer Zustände bemüht und auch selbst Masken bereitgestellt habe. Den Presseberichten zu den vorangegangenen Versammlungen ist zu entnehmen, dass sich die Versammlungsteilnehmer überwiegend an die Maskenpflicht gehalten haben.
139Vgl. für die Versammlung vom 1. Januar 2022: https://www.zeit.de/news/2022-01/01/rund-6500-gegner-von-corona-massnahmen-demonstrieren?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F; https://www.aachener-zeitung.de/nrw-region/rund-6500-gegner-von-corona-massnahmen-demonstrieren-in-duesseldorf_aid-64983935; https://www.report-k.de/6-500-corona-leugner-demonstrieren-an-neujahr-in-duesseldorf/
140Im Übrigen bietet der Test- oder Immunisierungsnachweis, der nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a CoronaSchVO eine Zugangsvoraussetzung zu der Versammlung am 8. Januar 2022 darstellte, eine Schutzvorkehrung, die es gerechtfertigt erscheinen lässt, die Maskenpflicht insoweit großzügiger zu handhaben als in Fällen, in denen der Zugang allen Teilnehmern unabhängig von einem Test- oder Immunisierungsnachweis möglich ist.
141Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14. Januar 2022 - 13 B 33/22.NE -, juris Rn. 53.
142Soweit die Beklagte mit ihrer Erwägung, bei einem Aufzug der hier anzunehmenden Größenordnung komme es regelmäßig zu Verschiebungen der Marschierenden untereinander, die Gefahr einer Nichteinhaltung der Mindestabstände geltend macht, kann sie damit von vorneherein nicht durchdringen. Die Einhaltung eines Mindestabstands der Versammlungsteilnehmer untereinander sowie ggf. zu Passantinnen und Passanten (vgl. § 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 IfSG) hat die Beklagte nicht angeordnet. Die Coronaschutzverordnung enthält kein zwingendes Abstandsgebot mehr. In § 2 Abs. 1 Satz 2 CoronaSchVO heißt es nur noch, die allgemeinen Verhaltensregeln zu Abstand, Hygiene und Masken seien möglichst umfassend in allen Lebensbereichen einzuhalten. Darüber hinaus zeigt die Regelung in § 4 Abs. 1 Nr. 1a CoronaSchVO, wonach „Versammlungen im Sinne von Art. 8 des Grundgesetzes im öffentlichen Raum im Freien bei gleichzeitig mehr als 750 Teilnehmenden“ keinen Zugangsbeschränkungen unterliegen, wenn die Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 Metern sichergestellt ist, im Umkehrschluss, dass Verstöße gegen Mindestabstände in Kauf genommen werden können, wenn nur immunisierte und getestete Personen an der Versammlung teilnehmen.
143Die COVID-19-Impfung wirkt zumindest einer Belastung des Gesundheitssystems entgegen. Indem mit Hilfe der Testnachweispflicht infizierten nicht immunisierten Personen der Zugang zu Versammlungen verwehrt werden kann, wird die Ansteckung mit einer potentiell tödlich verlaufenden Krankheit vermieden und werden medizinische Versorgungskapazitäten geschont.
144Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14. Januar 2022 - 13 B 33/22.NE -, juris Rn. 40, 53, 77.
145Auch bei der streitgegenständlichen Versammlung galt die sogenannte 3G-Regel. Die Beklagte hat den Kläger in der Ordnungsverfügung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er als Versammlungsleiter zur Kontrolle der Immunitäts- und Testnachweise verpflichtet sei.
146Wenn bei Versammlungen mit Zugangsbeschränkung – wie hier – ein Mindestabstand nicht sichergestellt sein muss, kann auch in der befürchteten Durchmischung mit weiteren Personen keine Maßnahmen gegenüber der Versammlung rechtfertigende erhöhte Infektionsgefahr liegen, zumal die Möglichkeit spontan hinzukommender Personen auch im Falle einer Standkundgebung besteht. Mangels gegenteiliger Erkenntnisse ist davon auszugehen, dass auch diese Personen von den eingesetzten Ordnerinnen und Ordnern auf ihren Immunitäts- oder Testnachweis hin kontrolliert und ggf. abgewiesen werden. Die Beklagte hat nicht behauptet, dass der Kläger seinen Pflichten voraussichtlich nicht nachkommen wird. Sie macht ihm auch sonst kein Fehlverhalten zum Vorwurf.
147Gelingt dem Versammlungsleiter und den eingesetzten Ordnungskräften die effektive Durchsetzung der Anforderungen der Coronaschutzverordnung nicht, steht es im Ermessen der Versammlungsbehörde, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen und die Versammlung als ultima ratio auch aufzulösen.
148Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. März 2021 -15 B 339/21 -, juris Rn. 17.
149Die allgemeine Erwägung der Beklagten, bei einem Aufzug der hier anzunehmenden Größenordnung komme es regelmäßig zu Verschiebungen der Marschierenden untereinander, und deshalb sei die Zahl potentiell infektionsrelevanter Kontakte besonders hoch, trägt die angeordnete Beschränkung nicht. Mit dieser Begründung wären Versammlungen in der Form von Aufzügen – also von mobilen, ihren Standort entlang einer bestimmten Aufzugsstrecke verändernden Kundgebungen – generell unzulässig, weil Aufzüge niemals Gewähr dafür böten, dass der Mindestabstand eingehalten wird. Vielmehr bedarf es auch insofern zur Begründung einer dahingehenden Gefahrenprognose der Prüfung der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls.
150Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. April 2021 - 15 B 804/21 -, juris Rn. 7 m.w.N.
151Die Größe der Versammlung allein rechtfertigt die Untersagung des Aufzugs ebenfalls nicht. Die Zahl der Teilnehmer und daraus etwa resultierende besondere Herausforderungen bei der Überprüfung der Einhaltung der Vorgaben der Coronaschutzverordnung sind bei einer Standkundgebung gleich hoch.
152Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
153Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.
154Rechtsmittelbelehrung:
155Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
156Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
157Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
158Die Berufung ist nur zuzulassen,
1591. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
1602. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
1613. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
1624. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
1635. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
164Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen.
165Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen.
166Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
167Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst 3-fach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
168Beschluss:
169Der Streitwert wird auf 5.000,-- Euro festgesetzt.
170Gründe:
171Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 2 GKG erfolgt.
172Rechtsmittelbelehrung:
173Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
174Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
175Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
176Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
177Die Beschwerdeschrift soll möglichst 3-fach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
178War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.