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Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 30. September 2021 – 000.00 – 00000/00 – wird wiederhergestellt, soweit der Antragstellerin darin aufgegeben wird, die fachgerechte Installation (einer Umwehrung) innerhalb von 4 Wochen nach Zustellung dieses Bescheids durch die Bescheinigung eines Fachunternehmens bei der Unteren Bauaufsichtsbehörde nachzuweisen.
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 30. September 2021 – 000.00 – 00000/00 – wird angeordnet, soweit darin für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Forderung zum Einreichen des Nachweises des Fachunternehmens ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 Euro angedroht wird.
Der Antrag im Übrigen wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin zu 2/3 und die Antragsgegnerin zu 1/3.
Der Streitwert wird auf 1.250,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
2Der sinngemäße Antrag der Antragstellerin,
3die aufschiebende Wirkung der Klage vom 28. Oktober 2021 gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 30. September 2021 - Az. 000.00 – 0000 0/00 - wiederherzustellen bzw. hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung und des Gebührenbescheides vom 30. September 2021 anzuordnen,
4hat nur teilweise Erfolg.
5Der Antrag ist, soweit er die Ordnungsverfügung vom 30. September 2021 betrifft, gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 bzw. – in Bezug auf die Zwangsgeldandrohung – gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO und § 112 des Justizgesetzes (JustG NRW) zulässig, aber nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen hingegen unbegründet und soweit er den Gebührenbescheid betrifft unzulässig.
6Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Dabei trifft das Gericht aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs oder das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts überwiegt. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind vor allem die Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu berücksichtigen. Ein überwiegendes Aussetzungsinteresse des Antragstellers ist in der Regel anzunehmen, wenn die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur mögliche summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage ergibt, dass der in der Hauptsache eingelegte Rechtsbehelf gegen den angegriffenen Verwaltungsakt voraussichtlich erfolgreich sein wird. Hingegen überwiegt in der Regel das öffentliche Vollzugsinteresse, wenn der in Hauptsache eingelegte Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Sind die Erfolgsaussichten offen, nimmt das Gericht eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten in der Hauptsache unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen vor.
7Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. Juli 2014 - 2 B 666/14 -, juris.
8Ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hat unabhängig von einer Interessenabwägung Erfolg, wenn die Vollziehungsanordnung formell rechtswidrig ist.
9Vgl. zu den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO: OVG NRW, Beschlüsse vom 30. September 2014 - 1 B 1001/14 -, juris und vom 11. Februar 2014 - 15 B 69/14 -, juris.
10Letzteres ist hier nicht der Fall.
11Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 30. September 2021 genügt – anders als die Antragstellerin meint – den formellen Begründungserfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
12Die Antragstellerin führt zur Begründung ihrer gegenteiligen Rechtsansicht in diesem Zusammenhang an, die Behörde habe zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass der als rechtswidrig angemahnte Zustand bereits seit mehr als 44 Jahren bestehe und vor diesem Hintergrund eine Eilbedürftigkeit nicht gegeben sei. Hinzu komme, dass die Antragsgegnerin seit Beginn der Bearbeitung des Vorganges im August 2020 rund ein weiteres Jahr habe verstreichen lassen, was gleichfalls belege, dass eine Eilbedürftigkeit nicht gegeben sei.
13Diese von der Antragstellerin gerügten, vermeintlichen Mängel führen jedoch nicht zur formellen Rechtswidrigkeit der Vollziehungsanordnung. Das formale Begründungserfordernis nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO bezweckt zum einen die Unterrichtung des Bescheidadressaten sowie gegebenenfalls des Verwaltungsgerichts über die maßgeblichen Gründe für den Sofortvollzug und dient zum anderen der Selbstvergewisserung der anordnenden Behörde darüber, dass die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs die Regel, der Sofortvollzug hingegen die Ausnahme ist. Die Begründung muss dementsprechend erkennen lassen, dass und warum die Behörde in dem konkreten Einzelfall dem öffentlichen Vollziehbarkeitsinteresse Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Betroffenen einräumt. Die Begründungspflicht des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist rein formeller Natur. Es genügt jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die Behörde aus Gründen des zu entscheidenden Einzelfalls eine sofortige Vollziehung ausnahmsweise für geboten hält.
14Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2. Juni 2021 - 2 B 443/21 -, juris Rn. 7.
15Insoweit ist es unerheblich, ob die zur Begründung der Vollziehungsanordnung angeführten Gründe die sofortige Vollziehung auch tatsächlich rechtfertigen, beziehungsweise ob damit eine besondere Eilbedürftigkeit erschöpfend und zutreffend dargetan ist. Notwendig und zugleich ausreichend ist vielmehr, dass die Begründung erkennen lässt, dass und warum die Behörde in dem konkreten Einzelfall dem sofortigen Vollziehbarkeitsinteresse Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Betroffenen einräumt.
16Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 23. Januar 2020 - 13 B 1423/19 -, juris Rn. 5 f. m.w.N., vom 7. April 2014 - 16 B 89/14 -, juris Rn. 2 und vom 19. März 2012 - 16 B 237/12 -, juris Rn. 2.
17Dies ist hier der Fall. Als Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung nennt die Antragsgegnerin nicht nur das besondere, überwiegende Interesse der Eigentümer des begünstigten Grundstücks, denen es ohne die Umwehrung nicht möglich sei, die sich aus der Grunddienstbarkeit ergebenden Rechte zur Gartennutzung und Bepflanzung wahrzunehmen, ohne sich einer Gesundheitsgefährdung auszusetzen. Vielmehr stellt die Antragsgegnerin in ihrer Begründung zusätzlich auf das öffentliche Interesse an der Beseitigung einer Gefahr für Leib oder Leben ab, indem sie ausführt, die Verzögerung der Mängelbeseitigung durch die Erhebung einer Klage des Ordnungspflichtigen könne nicht hingenommen werden, da hochrangige Rechtsgüter gefährdet seien und das Interesse an der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs hinter dem besonderen, überwiegenden Interesse an einer Gefahrenbeseitigung zurückstehen müsse. Der Schutz der Gesundheit der Grunddienstberechtigten lasse es nicht zu, auf den Abschluss eines etwaigen Klageverfahrens zu warten. Mit diesen Ausführungen hat die Antragsgegnerin hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass sie sich mit dem hier gegebenen Einzelfall auseinandergesetzt hat und es ist eindeutig, dass sie in diesem Fall die Anordnung der sofortigen Vollziehung ausnahmsweise für geboten hält.
18Die somit nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt hinsichtlich der zwangsgeldbewehrten Anordnung, eine Umwehrung zu errichten, zu Ungunsten der Antragstellerin aus. Das öffentliche Interesse an der Vollziehung dieser Regelung überwiegt das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage, da sich die Ordnungsverfügung insoweit als offensichtlich rechtmäßig erweist und auch die Zwangsgeldandrohung keinen ernstlichen Zweifeln unterliegt.
19Die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 30. September 2021, soweit mit ihr die Installation einer Umwehrung von mindestens 0,90 m Höhe auf der im Eigentum der Antragstellerin stehenden Garage in Wuppertal (Gemarkung E. , Flur 0, Flurstück 000) aufgegeben wird, ist offensichtlich rechtmäßig.
20Die Verfügung findet ihre Ermächtigungsgrundlage in § 58 Abs. 2 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. Juli 2018 – Landesbauordnung 2018 – (BauO NRW 2018).
21Hiernach haben die Bauaufsichtsbehörden bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und Beseitigung sowie bei der Nutzung und Instandhaltung von Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden, soweit nicht andere Behörden zuständig sind (Satz 1) Sie haben in Wahrnehmung dieser Aufgaben nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen (Satz 2).
22Die Verfügung ist formell rechtmäßig ergangen. Insbesondere ist die Antragstellerin vor Erlass der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG NRW angehört worden.
23Die angegriffene Ordnungsverfügung erweist sich auch in materieller Hinsicht als rechtmäßig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Eingriffsnorm sind erfüllt. Die auf dem Grundstück der Antragstellerin errichtete Garage verstößt gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften und ist in ihrer konkreten Ausführung nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt.
24Das Fehlen einer Absturzsicherung in dem fraglichen Bereich verstößt gegen die dem Schutz von Leib und Leben dienende Vorschrift des § 38 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 BauO NRW 2018. Hiernach sind an und auf baulichen Anlagen Flächen, die im Allgemeinen zum Begehen bestimmt sind und unmittelbar an mehr als 1 m tiefer liegende Flächen angrenzen, zu umwehren oder mit Brüstungen zu versehen. Aufgrund der eingetragenen Grunddienstbarkeit, die den Berechtigten neben dem Bepflanzungsrecht auch ein Gartennutzungsrecht einräumt, ist die Dachfläche im Allgemeinen zum Begehen bestimmt. Eine Umwehrung wird zudem in Abs. 1 Nr. 3 der Vorschrift für Dächer oder Dachteile vorgeschrieben, die zum auch nur zeitweiligen Aufenthalt von Menschen bestimmt sind. Dabei müssen notwendige Umwehrungen von Flächen mit einer Absturzhöhe von 1 m bis zu 12 m eine Mindesthöhe von 0,90 m haben (vgl. § 38 Abs. 4 Nr. 1 BauO NRW 2018).
25Die Antragstellerin kann sich bezüglich des derzeitigen Zustands der Garage nicht auf Bestandsschutz berufen. Zu keiner Zeit seit Genehmigung bzw. Errichtung der Garage war diese bauliche Anlage ohne das Vorhandensein einer Umwehrung formell und materiell rechtmäßig.
26Die Verpflichtung zur Errichtung einer Umwehrung als Absturzsicherung in der geforderten Höhe ergibt sich aus der am 28. Juli 1977 erteilten Nachtragsbaugenehmigung. In den grüngestempelten Bauvorlagen, die Bestandteil dieser Genehmigung sind, ist die Umwehrung in einer Höhe von 0,90 m eingezeichnet und somit Teil der Baugenehmigung. Gemäß § 58 Abs. 3 BauO NRW 2018 gelten bauaufsichtliche Genehmigungen und sonstige Maßnahmen auch für und gegen Rechtsnachfolgerinnen oder gegen Rechtsnachfolger.
27Eine Umwehrung war für die streitgegenständliche Garage zudem materiell-rechtlich nach §§ 36 Abs. 7 BauO NW 1970, 37 Abs. 1 Satz 1 BauO NW 1984 und 41 Abs. 1 BauO NW 1995 sowie 41 Abs. 1 BauO NRW 2000 vorgeschrieben. Ungeachtet dessen ist es nicht nur nach der geltenden Bauordnung, sondern auch nach keiner früheren Fassung der Landesbauordnung zulässig, eine bauliche Anlage in einer Art zu nutzen, die mit Gefahren für Leben oder Gesundheit verbunden ist. Das Fehlen einer Absturzsicherung in dem fraglichen Bereich verstößt aber gegen § 3 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW 2018. Nach dieser Vorschrift sind Anlagen so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen, nicht gefährdet werden, dabei sind die Grundanforderungen an Bauwerke gemäß Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 zu berücksichtigen. Besteht eine solche Gefahr, ist daher jedenfalls eine auf Gefahrenbeseitigung gerichtete Ordnungsverfügung auf der Grundlage von § 58 Abs. 2 BauO NRW 2018 grundsätzlich möglich, unabhängig davon, ob die Anlage bestandsgeschützt ist oder nicht.
28Vgl. VG Münster, Urteil vom 20. Mai 2019 - 10 K 1832/18 -, juris Rn. 15, unter Berufung auf OVG NRW, Urteil vom 25. August 2010 - 7 A 749/09 -, juris.
29Schließlich kann auch dahingestellt bleiben, ob nach Errichtung der Garagen seinerzeit eine Schlussabnahme (vgl. § 96 Abs. 5 Satz 1 BauO NW 1970) erfolgt und bescheinigt worden ist. Denn die Erteilung der Schlussabnahmebescheinigung ohne Beanstandungen hat keine die errichtete bauliche Anlage legalisierende Wirkung. Die Erteilung eines Schlussabnahmescheins durch die Baugenehmigungsbehörde ist zwar die formale Voraussetzung dafür, die bauliche Anlage zu nutzen. Die Benutzung darf unbeschadet der Schlussabnahme jedoch nur im Rahmen der Baugenehmigung erfolgen. Die Erteilung eines Schlussabnahmescheins ändert weder die Baugenehmigung ab noch verleiht sie den unbeanstandet gebliebenen Abweichungen von der Baugenehmigung die Legalität. Etwaige Verstöße gegen die Baugenehmigung werden durch die Abnahme und den Abnahmeschein nicht abgesegnet. Vielmehr können auch nach erfolgter Schlussabnahme weiterhin Maßnahmen gefordert werden, um übersehene oder aus sonstigen Gründen nicht beanstandete Verstöße gegen das materielle Baurecht zu beseitigen.
30Vgl. OVG NRW, Urteile vom 15. Juli 2002 - 7 A 3098/01 - juris Rn. 57 und vom 20. August 1992 - 7 A 2702/91 - juris Rn. 6; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 15. Oktober 2014 - 9 L 1395/14 -, Juris Rn. 23 f.
31Die Antragstellerin ist auch ordnungspflichtig. Da Ordnungsverfügungen nur gegen ordnungspflichtige Personen ergehen können, gehört die Störereigenschaft des Ordnungspflichtigen zu den Eingriffsvoraussetzungen des § 58 Abs. 2 Satz 2 BauO NRW 2018. Wer Störer ist, richtet sich nach den allgemeinen Regeln der §§ 17 und 18 OBG NRW. Gemäß § 18 Abs. 1 OBG NRW sind Maßnahmen gegen den Eigentümer zu richten, wenn von einer Sache eine Gefahr ausgeht. Die Gefahr geht von einer Sache aus, die im Eigentum der Antragstellerin steht. Sie ist Eigentümerin des Flurstücks, dessen wesentlicher Bestandteil die darauf errichtete Garage ist. Die Störereigenschaft entfällt – anders als die Antragstellerin meint – nicht, weil zugunsten Dritter (hier: der Eheleute S. als Eigentümer der Flurstücke 000 und 000) hinsichtlich des Flurstücks, auf dem die Garage steht, eine Grunddienstbarkeit eingetragen ist, die den Berechtigten ein Gartennutzungs- und Bepflanzungsrecht einräumt.
32Insoweit führt die Antragstellerin gegen eine sie treffende Ordnungspflicht an, die Einheitlichkeit der Rechtsordnung verbiete es, ihr per Bauordnungsverfügung eine Pflicht aufzuerlegen, die nach den einschlägigen Regelungen des Bürgerlichen Rechts ein anderer zu tragen habe. Die streitgegenständlichen Garagen würden einzig aufgrund der Grunddienstbarkeit zugunsten der Eheleute S. als Garten genutzt. Ohne die Gartennutzung wäre auch eine Absturzsicherung nicht notwendig. Die Eheleute S. seien die einzigen Nutzer der Gartenfläche und für deren Unterhalt und Verkehrssicherheit verantwortlich. Sie seien gem. § 1020 Satz 2 BGB verpflichtet, „die Anlage“, d.h. den angelegten Garten, in einem ordnungsgemäßen Zustand zu halten. Dies umfasse insbesondere auch die Pflicht, die Verkehrssicherheit der Anlage herzustellen bzw. zu erhalten und gelte selbst dann, wenn eine entsprechende Verpflichtung nicht zum Inhalt der Grunddienstbarkeit gemacht worden sei. Der Berechtigte sei verpflichtet, von der Anlage ausgehende Beeinträchtigungen des Eigentums zu vermeiden, die Verkehrssicherheit sicherzustellen und gegebenenfalls auch für ein ordentliches Aussehen der Anlage zu sorgen. Die Verkehrssicherheit der Gartenfläche im hier vorliegenden Fall erfordere es, dass eine Absturzsicherung installiert und unterhalten werde.
33Diese Überlegungen sprechen jedoch nicht gegen eine Ordnungspflicht der Antragstellerin. Als Eigentümerin des belasteten Flurstücks ist die Antragstellerin ungeachtet der Rechte oder Pflichten Dritter für den Zustand ihrer Sache nach § 18 Abs. 1 OBG NRW verantwortlich. Auch wenn ein Dritter wiederum dem Eigentümer zivilrechtlich zur Instandhaltung und -setzung der Sache verpflichtet ist, hindert dies die Ordnungspflicht des Eigentümers nicht.
34Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. Februar 1988 - 11 B 186/88 -, juris.
35Da gemäß § 58 Abs. 3 BauO NRW 2018 bauaufsichtliche Genehmigungen und sonstige Maßnahmen auch für und gegen Rechtsnachfolgerinnen oder gegen Rechtsnachfolger gelten, ist die Antragstellerin nicht nur Zustandsstörerin, sondern zusätzlich Verhaltensstörerin, denn sie ist der durch die Nachtragsbaugenehmigung konkretisierten und auf sie übergegangenen Rechtspflicht zur Errichtung einer Umwehrung nicht nachgekommen. Ein für eine Gefahr ursächliches Unterlassen begründet die Verhaltenshaftung, wenn – wie hier – eine besondere Rechtspflicht zu polizeimäßigem Handeln besteht.
36Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. Februar 1988 - 11 B 186/88 -, juris.
37Daher ist auch der Einwand der Antragstellerin unbeachtlich, mit Fertigstellung der Baumaßnahmen i.S.d. § 84 BauO NRW 2018 ende die Bauherreneigenschaft und die Landesbauordnung NRW enthalte keine Regelung, wonach der Eigentümer an die Stelle des Bauherrn trete.
38Die gegenüber der Antragstellerin erhobene Forderung, auf ihrer Garage eine Umwehrung zu errichten, ist zudem ermessensfehlerfrei erfolgt.
39Die Behörde hat, wenn die Voraussetzungen für ein Eingreifen vorliegen, nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wobei sie diese entweder gegen den durch sein Verhalten (sog. Handlungsstörer, § 17 OBG) oder den kraft seines Eigentums an der Sache für den Zustand des Grundstücks Verantwortlichen (sog. Zustandsstörer, § 18 OBG) richten kann. Sind mehrere Personen für einen baurechtswidrigen Zustand verantwortlich, so hat die Bauordnungsbehörde zur Herstellung und Aufrechterhaltung baurechtmäßiger Zustände nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, welchen der in Betracht kommenden Störer sie in Anspruch nimmt. Für die Auswahl und Inanspruchnahme derjenigen Personen, die aufgrund ihrer Störereigenschaft nach §§ 17, 18 OBG NRW zur Beseitigung eines baurechtswidrigen Zustandes in Betracht kommen, gibt es keine starre Regel. Insbesondere besteht kein genereller Vorrang der Inanspruchnahme des Handlungsstörers im Sinne des § 17 OBG NRW. Die Entschließung, wer als Pflichtiger heranzuziehen ist, ist an den Umständen des Einzelfalles, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem Gebot effektiver und schneller Gefahrenbeseitigung auszurichten.
40Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 27. Mai 2021 - 2 B 1866/20 und 2 B 1867/20 - juris, vom 8. Mai 2020 - 2 B 461/20 -, juris und vom 19. April 2016 - 2 A 1778/15 -, juris, Urteil vom 9. Dezember 1994 - 10 A 1753/91 -, juris.
41Die pflichtgemäße Ausübung des bauaufsichtsbehördlichen Ermessens setzt voraus, dass die Behörde den entscheidungserheblichen Sachverhalt einschließlich aller in Betracht kommenden Störer sowie deren Möglichkeiten zur Gefahrenbeseitigung zutreffend ermittelt und zur Grundlage einer Störerauswahl gemacht hat.
42Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Oktober 2012 - 2 B 1135/12 -, juris Rn. 19.
43Ausgehend von diesen Grundsätzen ist es nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin ihre Ordnungsverfügung gegen die Antragstellerin gerichtet hat und nicht gegen die Eheleute S. als Dienstbarkeitsberechtigte.
44Da die Antragstellerin sowohl Zustandsstörerin nach § 18 Abs. 1 OBG NRW als auch Verhaltensstörerin nach § 17 Abs. 1 OBG NRW ist, hat sie die Gefahrenschwelle bei wertender Betrachtung unmittelbar selbst überschritten und steht damit der Gefahrenquelle am nächsten. In dieser eindeutigen Situation der ordnungsrechtlichen Verantwortlichkeit der Antragstellerin trifft die Antragsgegnerin im Zusammenhang mit der Abwehr von Gefahren für Leib oder Leben keine Rechtspflicht, vorrangig andere Ordnungspflichtige heranzuziehen oder dies ernsthaft zu erwägen.
45Das Absehen von einer Heranziehung der damaligen Bauherren der Garage oder der ebenfalls als Störer in Betracht kommenden Dienstbarkeitsberechtigten Eheleute S. ist weder von sachwidrigen Erwägungen geleitet noch für die Antragstellerin unverhältnismäßig.
46Wie aus der vorgerichtlichen Korrespondenz zwischen den Beteiligten hervorgeht, hat die Antragsgegnerin bei der Heranziehung der Antragstellerin auch in den Blick genommen, dass die damaligen Bauherren der Garage – gemäß der genehmigten Planung – zur Errichtung der Umwehrung verpflichtet waren, hat deren Inanspruchnahme zur Störungsbeseitigung aus einem seit mehr als 40 Jahren abgeschlossenen Verfahren jedoch verworfen und sie hat
darauf verwiesen, dass etwaige zivilrechtliche Ansprüche der Antragstellerin gegenüber Dritten nicht von der Bauaufsichtsbehörde zu beurteilen, sondern auf dem privaten Rechtsweg zu klären seien. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn diedie
Antragsgegnerin die Inanspruchnahme der Antragstellerin in Anbetracht der konkreten Umstände des Einzelfalles von vornherein als das effektivste Mittel zur Gefahrenbeseitigung betrachtete, zumal die Errichtung der geforderten Umwehrung durch die dafür erforderliche Befestigung an der Stirnwand der Garage oder Verankerung auf der Dachfläche einen Eingriff in die Bausubstanz erfordern dürfte, der von der Grunddienstbarkeit nicht umfasst wäre.
Soweit die Antragstellerin gegen die Rechtmäßigkeit der Störerauswahl einwendet, von Effektivität der Gefahrenabwehr könne keine Rede sein, wenn statt dem einen Dienstbarkeitsberechtigten fünf verschiedene Garageneigentümer in Anspruch genommen würden, die – jedenfalls theoretisch – verschieden aussehende Brüstungen evtl. sogar mit Lücken dazwischen hätten anbringen können, verkennt sie, dass sich die übrigen Garageneigentümer schon lange vor Erlass der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung zur Ausführung bereit erklärt und damit begonnen hatten, Umwehrungen/Absturzsicherungen auf ihren jeweiligen Garagen zu errichten.
48Auch der weitere Einwand, bei der Ausübung des Auswahlermessens sei die Gefahr zu berücksichtigen, dass gegen die Art der von ihr errichteten Absturzsicherung seitens der Grunddienstbarkeitsberechtigten Einwendungen erhoben würden, weil sie nicht berechtigt sei, die Garagendächer zu betreten, um dort bauliche Anlagen zu errichten, und die Antragstellerin zivilrechtlich auf Unterlassung in Anspruch genommen würde, greift nicht durch. Für die Errichtung der Umwehrung ist ein Betreten der Garagendächer nicht zwingend erforderlich und ungeachtet dessen haben die Eheleute S. ein Recht der jeweiligen Garageneigentümer zum Betreten der Dachflächen zwecks Errichtung der Umwehrung zu keinem Zeitpunkt angezweifelt. Gegen die Heranziehung der Eheleute S. zur Errichtung der Absturzsicherung spricht demgegenüber, dass die Antragstellerin ausdrücklich erklärt hat, mit der von den Eheleuten S. praktizierten Nutzung und insbesondere auch mit einem Betreten der Garagendächer nicht einverstanden zu sein.
49Auch dem Einwand, es sei unangemessen, dem von der Nutzung der Dachfläche ausgeschlossenen Garageneigentümer die Pflicht aufzuerlegen, eine Absturzsicherung anzubringen und zu unterhalten, weil dieser nicht zu der Gefahrenlage beigetragen hätte und in keiner Weise von der Nutzung profitierte, vielmehr dieser Nutzen allein auf Seiten der Grunddienstberechtigten liege, vermag die Kammer nicht zu folgen. Dadurch dass der vormalige Eigentümer der Garage auf dem Flurstück 000 der Bestellung und Eintragung einer Grunddienstbarkeit zugestimmt hat, hat er zur Entstehung der Gefahrenlage herbeigetragen. Als Rechtsnachfolgerin muss sich die Antragstellerin diesen Gefahrenbeitrag zurechnen lassen, ohne dass es darauf ankäme, ob und ggf. welchen (zivilrechtlichen) Nutzen sie oder ihr Rechtsvorgänger aus der Gewährung der Grunddienstbarkeit zieht bzw. gezogen hat.
50Soweit die Antragstellerin auf dem Standpunkt steht, die Antragsgegnerin hätte als milderes Mittel in Betracht müssen, den Eheleuten S. aufzugeben, am Rand der eigentlichen Gartenfläche vor der im Eigentum der Antragstellerin stehenden Garage eine geeignete Umzäunung zu errichten, die ein Betreten der Garagendächer verhindere, verkennt sie, dass das Absperren der möglichen Absturzbereiche durch die Errichtung einer Umwehrung bzw. eines Zauns am Rande der Rasenfläche nicht in gleicher Weise geeignet ist, die Gefahr eines Absturzes dauerhaft und verlässlich zu minimieren bzw. zu beseitigen, weil hierdurch kein Schutz vor Absturz bei pflegerischen Maßnahmen an den Dachrändern gewährleistet wäre, sondern im Einzelfall selbst bei geringsten pflegerischen Maßnahmen (Laub einsammeln, Entfernen losere Zweige) jeweils zusätzliche Schutzmaßnahmen, z.B. mobile Absturzsicherungen, erforderlich wären.
51Schließlich fehlt es nicht an dem nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO erforderlichen, keinen Aufschub bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens duldenden besonderen Vollzugsinteresse. Dem steht, andersals die Antragstellerin meint, nicht entgegen, dass der nunmehr beanstandete Zustand seit 1977 andauert und die Antragsgegnerin spätestens seit dem 13. August 2020 von dem Fehlen der Absturzsicherung Kenntnis gehabt habe. Es bedarf keiner vertieften Erörterung, dass die mangels Umwehrung bestehende Absturzgefahr ungeachtet der Frage, seit wann der Zustand besteht, ein besonderes öffentliches Vollziehungsinteresse begründet.
52Die auf §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60 und 63 VwVG NRW beruhende Zwangsgeldandrohung in der Ordnungsverfügung erweist sich ebenfalls als offensichtlich rechtmäßig. Ein Zwangsgeld ist in dem gesetzlich vorgegebenen Rahmen von zehn bis hunderttausend Euro unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Interesses des Betroffenen an der Nichtbefolgung des Verwaltungsaktes zu bemessen. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben bestehen im Hinblick auf den angestrebten Erfolg keine rechtlichen Bedenken gegen die Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 2.000,00 Euro. Dieses hält sich noch im unteren Bereich des nach der gesetzlichen Regelung vorgegebenen Rahmens. Einer besonderen Begründung bedurfte es insoweit nicht.
53II. Hingegen ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage begründet, soweit er die weitere im angefochtenen Bescheid enthaltene Regelung betrifft, die fachgerechte Installation (der Umwehrung) innerhalb von 4 Wochen nach Zustellung dieses Bescheids durch die Bescheinigung eines Fachunternehmens der Unteren Bauaufsichtsbehörde nachzuweisen und soweit für den Fall der Zuwiderhandlung der Antragstellerin eine Zwangsgeld in Höhe von 500,00 Euro angedroht wird. Die von der Antragstellerin erhobene Klage wird aller Voraussicht nachinsoweit Erfolg haben.
54Die in Rede stehende Regelung bedarf zunächst der Auslegung. Während nämlich im Tenor der Ordnungsverfügung lediglich die Vorlage einer Bescheinigung eines Fachunternehmens über die fachgerechte Installation verlangt wird, was impliziert, dass auch eine von einem Fachunternehmen bescheinigte fachgerecht ausgeführte Eigenleistung der Antragstellerin zur Erfüllung der auferlegten Nachweispflicht genügen würde, verdeutlichen die Ausführungen auf Seite 3 des Bescheides, wonach die Antragstellerin als Eigentümerin und Inhaberin der tatsächlichen Gewalt die Möglichkeit habe, kurzfristig ein Fachunternehmen mit der Installation der Umwehrung zu beauftragen, dass die Antragstellerin den Nachweis eines Fachunternehmens über die von diesem durchgeführte Installation der Umwehrung vorzulegen hat.
55Ausgehend hiervon erweist sich das diesbezügliche Verlangen auch materiell als offensichtlich rechtswidrig. Es fehlt in Bezug auf die der Antragstellerin mit der Ordnungsverfügung auferlegte Vorlagepflicht bereits an den Eingriffsvoraussetzungen.
56Da keine spezielle Ermächtigungsgrundlage eingreift – eine Verpflichtung zur Vorlage einer Fachunternehmerbescheinigung ergibt sich weder aus § 62 Abs. 1 Satz 2 noch aus § 68 oder § 83 Abs. 3 BauO NRW 2018 und auch nicht aus den Vorschriften der Bauprüfungsverordnung – kann sich die Befugnis der Antragsgegnerin, den Nachweis fachgerechter Installation zu verlangen, allein aus § 58 Abs. 2 BauO NRW 2018 i.V.m. § 83 Abs. 1 BauO NRW 2018 ergeben.
57Den Bauaufsichtsbehörden, die gemäß § 58 Abs. 2 BauO NRW 2018 bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und Beseitigung sowie bei der Nutzung und Instandhaltung von Anlagen darüber zu wachen haben, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden, soweit nicht andere Behörden zuständig sind und in Wahrnehmung dieser Aufgaben nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen haben, obliegt grundsätzlich auch die Bauüberwachung. Nach § 83 Abs. 1 BauO NRW 2018 kann die Bauaufsichtsbehörde die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften und Anforderungen und die ordnungsgemäße Erfüllung der Pflichten der am Bau Beteiligten überprüfen. Die Bauüberwachung ist allerdings beschränkt auf den Umfang der im Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden Bauvorlagen (Abs. 2). Stellt die Bauaufsichtsbehörde bei einer Baukontrolle einen gefährlichen Bauzustand fest, besteht nach § 58 Abs. 2 Satz 2 BauO NRW 2018 eine Pflicht zum Einschreiten.
58Zu den Vorschriften, die einzuhalten sind, gehört auch die Vorschrift des § 53 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW 2018. Hiernach hat die Bauherrin oder der Bauherr zur Vorbereitung, Überwachung und Ausführung eines nicht verfahrensfreien Bauvorhabens sowie der Beseitigung von Anlagen geeignete Beteiligte nach Maßgabe der §§ 54 bis 56 zu bestellen, soweit sie oder er nicht selbst zur Erfüllung der Verpflichtungen nach diesen Vorschriften geeignet ist. Der Bauherrin oder dem Bauherrn obliegen außerdem nach § 53 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW 2018 die nach den öffentlich-rechtlichen Vorschriften erforderlichen Anträge, Anzeigen und Nachweise. Sie oder er hat die zur Erfüllung der Anforderungen dieses Gesetzes oder aufgrund dieses Gesetzes erforderlichen Nachweise und Unterlagen zu den verwendeten Bauprodukten und den angewandten Bauarten bereitzuhalten (Abs. 1 Satz 3).
59Die Pflicht zur Beauftragung von geeigneten Entwurfsverfassenden, Unternehmen und Bauleitenden geht auf die Vorstellung des Gesetzgebers zurück, dass die Bauherrschaft in der Regel nicht über die ausreichenden Kenntnisse verfügt, die Bauunterlagen selbst anzufertigen und die Bauausführung selbst vorzunehmen oder zu überwachen und es insofern zur Sicherstellung der Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften der Unterstützung durch die genannten Baubeteiligten bedarf. Anknüpfungspunkt der Pflicht ist damit der grundsätzliche Charakter des Bauordnungsrechts als besonderes Gefahrenabwehrrecht und die Tatsache, dass die Ausführung von Bauvorhaben unter Verletzung von öffentlich-rechtlichen Vorschriften eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, insbesondere die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung sowie der Individualrechtsgüter Leben, Leib und Eigentum, und/oder der öffentlichen Ordnung darstellen.
60Vgl. BeckOK BauordnungsR NRW/Gohde, 9. Ed. 1.10.2021, BauO NRW 2018 § 53 Rn. 13.
61Einer Beauftragung bedarf es allerdings nicht, wenn die Bauherrschaft selbst zur Erfüllung der Verpflichtungen geeignet ist. Dies folgt unabhängig davon, ob das Bauvorhaben verfahrensfrei ist oder nicht, aus § 53 Abs. 2 Satz 1 BauO NRW 2018, wonach bei Bauarbeiten, die unter Einhaltung des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit in Selbst- oder Nachbarschaftshilfe ausgeführt werden, die Beauftragung von Unternehmen nicht erforderlich ist, wenn dabei genügend Fachkräfte mit der nötigen Sachkunde, Erfahrung und Zuverlässigkeit mitwirken.
62Vgl. Gädtke/Wenzel, BauO NRW, 13. Aufl. 2019, § 53 Rn. 15 f.
63Die Mitwirkung der Fachkräfte ist bereits gegeben, wenn diese die Bauherrschaft und/oder Nachbarn hinsichtlich der Bauarbeiten anleiten.
64Vgl. BeckOK BauordnungsR NRW/Gohde, 9. Ed. 1.10.2021, BauO NRW 2018 § 53 Rn. 26.
65Bei technisch einfachem Bauvorhaben ist die Messlatte niedriger anzusetzen als bei anspruchsvollen Bauvorhaben. Letztlich liegt es in der Verantwortung des Bauherrn zu entscheiden, ob er die Hilfe anderer am Bau Beteiligter benötigt oder die Aufgaben selbst erledigen kann.
66Vgl. Gädtke/Wenzel, BauO NRW, 13. Aufl. 2019, § 53 Rn. 18 ff.
67Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass die Installation der Umwehrung fachgerecht nur durch ein Fachunternehmen, nicht aber in Selbsthilfe unter Mitwirkung von genügend und geeigneten Fachkräften ausgeführt werden könnte. Nach § 3 Abs. 2 BauO NRW 2018 sind die der Wahrung der Belange nach Absatz 1 dienenden allgemein anerkannten Regeln der Technik zu beachten. Die Verantwortlichkeit für die Übereinstimmung der Umwehrung mit den allgemein anerkannten Regeln der Technik trifft die am Bau Beteiligten. Umwehrungen müssen, wie aus § 3 Abs. 2 BauO NRW 2018 folgt, neben dem Aufweisen einer ausreichenden Höhe den allgemeinen Regeln der Technik entsprechen und vor allem standsicher bzw. druck- und zugsicher, d.h. ihrer Zweckbestimmung entsprechend beanspruchbar (§ 12 BauO NRW 2018), mit anderen Worten stabil sein. Dies ist im jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung der Lage der Umwehrung und der Nutzung des Gebäudes zu bewerten. Nähere Regelungen zur Ausbildung der Umwehrungen fehlen in der Landesbauordnung.
68Vgl. BeckOK BauordnungsR NRW/Otto/Schulz, 9. Ed. 1.12.2019, BauO NRW 2018 § 38 Rn. 28; Gädtke/Hanne/Bökamp-Gerdemann, BauO NRW, 13. Aufl. 2019, § 3 Rn. 4 und Rn. 19.
69Ist aber die Antragstellerin gemäß § 53 Abs. 2 BauO NRW 2018 dazu berechtigt, die geforderten Arbeiten in Selbsthilfe auszuführen, so fordert die Antragsgegnerin mit der angegriffenen Ordnungsverfügung einen Nachweis („Fachunternehmerbescheinigung“), den die Antragstellerin nach den einschlägigen Vorschriften der Landesbauordnung zu erbringen nicht verpflichtet ist.
70Darüber hinaus ist die auferlegte Maßnahme auch nicht erforderlich. Zwar bestreitet die Antragstellerin jegliche Pflicht zur Errichtung einer Umwehrung. Es ist jedoch in keiner Weise ersichtlich oder zu erwarten, dass die Antragstellerin, wenn sie der ihr auferlegten Verpflichtung zur Errichtung einer Absturzsicherung nachkommt, diese nicht fachgerecht installieren wird. Die Eingriffsnorm des § 58 Abs. 2 BauO NRW 2018 dient aber der Gefahrenabwehr und nicht dazu, der Behörde die Bauüberwachung zu erleichtern. Sollte die Antragsgegnerin, wenn ihr die Fertigstellung der Umwehrung angezeigt wird, Bedenken hinsichtlich der fachgerechten Ausführung haben, so bleibt es ihr unbenommen, im Wege der Bauüberwachung nach § 83 Abs. 1 BauO NRW 2018 die Anlage in Augenschein zu nehmen. Erst und nur dann, wenn sich Zweifel hinsichtlich der fachgerechten Ausführung ergeben sollten, besteht das Erfordernis eines entsprechenden Nachweises über die fachgerechte Ausführung.
71Die Interessenabwägung hinsichtlich der auf § 63, § 57 Abs. 3 Satz 2 VwVG NRW gestützten Zwangsmittelandrohung, für die der Maßstab des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO in entsprechender Anwendung maßgeblich ist, geht ebenfalls zu Lasten der Antragsgegnerin aus. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zwangsmittelandrohung, weil diese das rechtliche Schicksal der Grundverfügung teilt.
72III. Soweit die Antragstellerin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Gebührenbescheid der Antragsgegnerin vom 30. September 2021 beantragt, ist der Antrag bereits unzulässig. Gemäß § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO ist in den Fällen, in denen die aufschiebende Wirkung der Klage bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten entfällt, der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat.
73Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 26. Mai 2015 - 5 L 793/15 -, juris Rn. 4.
74Ein solcher vorheriger behördlicher Antrag wurde seitens der Antragstellerin nicht gestellt.
75Unabhängig von der Unzulässigkeit des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Gebührenbescheid der Antragsgegnerin vom 30. September 2021 unterliegt dieser Gebührenbescheid nach der im Eilverfahren angezeigten nur summarischen Prüfung keinen rechtlichen Bedenken.
76Rechtsgrundlage für die Erhebung der Gebühren ist § 2 Abs. 1 des Gebührengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (GebG NRW) i.V.m. § 1 Abs. 1 der Allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung (AVerwGebO NRW).
77Danach erhebt die
er
Antragsgegnerin
als Bauaufsichtsbehörde für die im Allgemeinen Gebührentarif zur AVerwGebO genannten Amtshandlungen Kosten (Gebühren und Auslagen). Der Allgemeine Gebührentarif bildet – als Anlage – einen Teil dieser Verordnung.
Die Antragstellerin ist als Kostenschuldnerin nach § 13 Abs. 1 GebG NRW zur Zahlung der Kosten verpflichtet, weil sie die Amtshandlung zurechenbar verursacht hat. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 GebG NRW entsteht die Gebührenschuld dem Grunde und der Höhe nach mit Beendigung der gebührenpflichtigen Amtshandlung, hier dem Erlass der Ordnungsverfügung. Daran ändert auch die teilweise Rechtswidrigkeit der Ordnungsverfügung nichts, denn die Rechtmäßigkeit der Amtshandlung als solche bleibt davon unberührt.
79Tarifstelle 2.8.2.2 der Allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung (AVerwGebO NRW). bestimmt für die Untersagung rechtswidriger Nutzungen eine Gebühr je nach Zeitaufwand nach der Tarifstelle 2.1.4. Nach Tarifstelle 2.1.4 ist bei der Berechnung der Gebühr nach Zeitaufwand die Zeit anzusetzen, die unter regelmäßigen Verhältnissen von einer entsprechend ausgebildeten Fachkraft benötigt wird. Für die Arbeitsstunde wird ein Betrag von 1,35 Prozent des Monatsgrundgehalts einer Landesbeamtin oder eines Landesbeamten in der Endstufe der Besoldungsgruppe A 15 berechnet. Der Betrag wird vom für die Bauaufsicht zuständigen Ministerium jährlich im Ministerialblatt Teil II bekanntgegeben. Sofern im Folgenden eine Tarifstelle vorsieht, dass eine Gebühr nach Zeitaufwand zu berechnen ist, ist für die Berechnung der zu erhebenden Verwaltungsgebühren je angefangene 15 Minuten ein Viertel dieses Betrages zugrunde zu legen. Nach der Bekanntmachung des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung – 612 – 66.2 – vom 20. Juli 2020 über die Festlegung der Rohbauwerte und des Stundensatzes gemäß Tarifstellen 2.1.2 und 2.1.4 des Allgemeinen Gebührentarifs der Allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung (MBl. NRW. 2020 S. 456) beträgt für das Jahr 2021 der Stundensatz 91,00 Euro. Soweit die Antragsgegnerin hier drei Stunden veranschlagt hat, ist dies nachvollziehbar und von der Antragstellerin nicht in Frage gestellt worden. Gegen die Höhe der Gebühr hat die Antragstellerin auch sonst keine Einwendungen erhoben. Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit der Gebührenhöhe sind auch im Übrigen nicht ersichtlich.
80Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Sie ist an den Ziffern 11 Buchstabe d), 13 Buchstabe d) und 14 Buchstabe a) des Streitwertkatalogs der Bausenate des OVG NRW vom 17. September 2003 orientiert. Da die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes die Höhe des für die Grundverfügung anzusetzenden Wertes übersteigt, hat die Kammer unter Berücksichtigung der Vorläufigkeit der erstrebten Regelung die Hälfte der Summe des angedrohten Zwangsgeldes von 2.500,00 Euro in Ansatz gebracht.
81Rechtsmittelbelehrung:
82(1) Gegen die Entscheidung über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet.
83Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
84Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) eingeht.
85Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
86Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sind durch einen Prozessbevollmächtigten einzureichen. Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
87Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
88(2) Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
89Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
90Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
91Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
92Die Beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
93War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.