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Das Verfahren wird insoweit eingestellt, als mit der Klage die Aufhebung von Ziffer 1. der Ordnungsverfügung der Beklagten vom 4. November 2019 begehrt worden ist.
Die Klage im Übrigen wird abgewiesen.
Der Kläger und die Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
2Der Kläger und seine Ehefrau sind Eigentümer des Grundstücks Gemarkung M. , Flur 0, Flurstück 000, das mit einem zweigeschossigen Wohnhaus (B.-----straße 00x) und einer Garage bebaut ist. Durch Baugenehmigung vom 26. Juni 1995 wurde ein Anbau nebst Balkon und Loggia genehmigt, durch den die Wohnfläche des Gebäudes im Erdgeschoss und im ausgebauten Dachgeschoss um insgesamt 55,82 m² vergrößert wurde. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich der Satzung über besondere Anforderungen an bauliche Anlagen und über ihre Gestaltung in der Altsiedlung vom 19. Dezember 2002 i.d.F. der 2. Änderung vom 26. April 2006 (Gestaltungssatzung Altsiedlung).
3Im September 2019 erhielt die Beklagte Kenntnis davon, dass an der Seitenfront des Hauses ein Dachflächenfenster eingebaut worden war. Mit einem an den Kläger und seine Ehefrau gerichteten Schreiben vom 17. September 2019 wies die Beklagte darauf hin, dass nach der Gestaltungssatzung Dachflächenfenster an der Vorder- und Seitenfront baulicher Anlagen nur zulässig seien, wenn dies zur Verbesserung des Wohnwertes unbedingt erforderlich sei. Da das Fenster im Bereich eines unausgebauten Spitzbodens eingebaut worden sei, diene es keinen Wohnzwecken, weshalb der Einbau eines Dachflächenfensters nicht möglich sei. Bei einem nachfolgenden persönlichen Gespräch wurde den Eheleuten die Sach- und Rechtslage erläutert. Hierbei teilte die Ehefrau des Klägers mit, dass der Spitzboden schon seit vielen Jahren als Wohnraum genutzt werde. Ihr Sohn, der studiere, halte sich dort auf, wenn er zu Hause sei. Das komme allerdings höchstens mal am Wochenende vor. Die Beklagte wies darauf hin, dass die Wohnnutzung des Spitzbodens unzulässig sei und von der Nutzung Gefahren ausgingen, weil der Brandschutz nicht geprüft und sichergestellt sei. Im Nachgang teilte die Beklagte dem Kläger außerdem mit, dass eine Legalisierung der Wohnnutzung nicht möglich sei.
4Mit Ordnungsverfügung vom 4. November 2019 gab die Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau auf, jedwede Nutzung des Spitzbodens sofort nach Zustellung dieser Verfügung aufzugeben (Ziff. 1) und das im Spitzboden eingebaute Dachflächenfenster „innerhalb von sechs Wochen nach Unanfechtbarkeit dieser Verfügung, das sind ein Monat und sechs Wochen nach Zustellung“ zurückzubauen (Ziff. 2). Zugleich ordnete die Beklagte die sofortige Vollziehung der Nutzungsuntersagung an (Ziff. 3) und drohte dem Kläger und seiner Ehefrau bei Nichtbefolgung oder nicht fristgerechter Erfüllung der Forderungen jeweils für die Ziffern 1 und 2 ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 Euro an (Ziff. 4).
5Zur Begründung ihrer Verfügung führte die Beklagte aus: Die Nutzungsänderung eines Spitzbodens in Wohnraum stelle eine genehmigungsbedürftige Nutzungsänderung dar, deren Zulässigkeit im Rahmen eines Baugenehmigungsverfahrens zu prüfen sei. Eine Baugenehmigung sei jedoch weder beantragt noch erteilt. Die erforderliche Baugenehmigung könne voraussichtlich auch nicht nachträglich erteilt werden, weil materielle Baurechtsvorschriften verletzt seien. Durch die Nutzungsänderung sei ein Aufenthaltsraum im Sinne des § 2 Abs. 7 BauO NRW entstanden. Aufenthaltsräume müssten eine lichte Höhe von mindestens 2,4 m haben, wobei unter bestimmten Voraussetzungen auch eine geringere lichte Höhe, mindestens jedoch von 2,3 m, gestattet werden könne. Außerdem müssten Aufenthaltsräume ausreichend belüftet und mit Tageslicht belichtet werden können. Aufgrund der vorhandenen Dachschrägen werde die notwendige lichte Höhe nicht eingehalten. Außerdem müssten für jedes Geschoss mindestens zwei voneinander unabhängige Rettungswege ins Freie vorhanden sein. Der 2. Rettungsweg müsste hier über das vorhandene Fenster geführt werden. Es sei aber zweifelhaft, ob das eingebaute Fenster den entsprechenden Anforderungen entspreche. Es sei eindeutig zu klein. Weiterhin liege das Grundstück im Bereich der örtlichen Bauvorschriften der Gestaltungssatzung Altsiedlung. Gemäß § 10 Abs. 3 der Gestaltungssatzung seien Dachflächenfenster an der Vorderseite und Seitenfront baulicher Anlagen nur zulässig, wenn dies zur Verbesserung des Wohnwertes unbedingt erforderlich sei. Da der Aufenthaltsraum im Spitzbodenbereich voraussichtlich nicht genehmigungsfähig sei, sei das Dachflächenfenster unzulässig. Durch den Verstoß gegen formelles und materielles Baurecht sei eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung eingetreten. Zur Beseitigung der bestehenden Gefährdung der Gesundheit und des Lebens für die Bewohner des Gebäudes sei die Nutzungsuntersagung angeordnet worden. Soweit gegen die Gestaltungssatzung verstoßen werde, sei eine Duldung des aktuellen Zustands nicht hinnehmbar und im Sinne der Satzung nicht mit den öffentlichen Belangen zu vereinbaren. Sinn und Zweck der Satzung sei es, das traditionelle Erscheinungsbild der Altsiedlung und den Charakter ihres ursprünglichen Zustandes zu bewahren und die städtebauliche Qualität zu sichern. Das Fenster sei auch im Wege der Abweichung mit den öffentlichen Belangen nicht vereinbar und würde den Zielsetzungen der Satzung widersprechen. Aus diesem Grund sei es ermessensgerecht, den Rückbau des Dachflächenfensters zu fordern. Bei einer Duldung würden der rechtswidrige Zustand verfestigt und andere Personen dazu veranlasst, ebenso zu verfahren. Aus diesem Grunde sei der Rückbau verfügt worden. Mildere Maßnahmen, um das Ziel zu erreichen, seien nicht ersichtlich. Die Maßnahmen seien auch angemessen. Wenn mit der Umsetzung der Maßnahmen finanzielle Nachteile verbunden seien, so sei festzuhalten, dass dies in den Risikobereich der Eigentümer falle. Die Verantwortlichkeit als Zustandsstörer ergebe sich aus § 18 Abs. 1 OBG NRW.
6Der Kläger hat am Montag, den 9. Dezember 2019 Klage gegen die – den Eheleuten am 7. November 2019 zugestellte – Ordnungsverfügung vom 4. November 2019 erhoben.
7Er trägt vor, eine wohnliche Nutzung des Spitzbodens werde nicht fortgeführt. Die Beseitigungsverfügung sei rechtswidrig. Die Beklagte verletze ihn mit ihrer Verfügung in seinen allgemeinen Rechten aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz und zudem in dem Anspruch auf Bestandsschutz, da in der Altsiedlung identisch gelagerte Objekte ebenfalls Dachflächenfenster aufwiesen, die von der Beklagten geduldet würden. In der Siedlung seien in den vergangenen Jahren Dachausbauten mit einer deutlichen Veränderung des traditionellen Erscheinungsbildes der Altsiedlung einhergegangen, so dass keine Einheitlichkeit des Charakters mit dem ursprünglichen Zustand der Siedlung zu bewahren verbleibe. Ferner sei das Entgegenstehen des Brandschutzes nicht belegt. Die Beklagte könne sich in seinem Fall auch deshalb nicht auf die Einhaltung der Gestaltungssatzung berufen, weil sie in derselben Altsiedlung andere gleichgelagerte Fälle mit einem Dachflächenfenster genehmigt habe bzw. dulde. In diesem Zusammenhang beruft sich der Kläger auf eine von ihm erstellte Auflistung mit insgesamt 164 auf verschiedenen Straßen der Umgebung gelegenen Gebäuden. Alle aufgelisteten Objekte – so der Kläger – hätten gleich gelagerte Dachflächenfenster, die dem Bestandsschutz nicht unterliegen würden. Dachgauben seien ebenfalls mit hier identischen Dachflächenfenstern ausgebaut. Die Beklagte praktiziere eine Doppelpraxis. Gegen andere Dachflächenfenster werde nicht vorgegangen. Aufgrund der eigenen Angaben der Beklagten stehe für zumindest vier Fälle fest, dass im direkten Zusammenhang mit der Umnutzung des Spitzbodens in einen Wohnraum Dachflächenfenster genehmigt worden seien. Es dränge sich die Vermutung auf, dass bei der Beklagten ein mit den Nachbarn in Bekanntschaft stehender Verwaltungsbeamter diese bei deren persönlichen Interessenverfolgung unterstütze und sich die Beklagte in einer Nachbarstreitigkeit instrumentalisieren lasse.
8Der Einzelrichter hat am 00. März 2022 bei einem Ortstermin die Örtlichkeiten in Augenschein genommen und die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert. In dem Termin hat die Beklagte die streitgegenständliche Ordnungsverfügung vom 4. November 2019 dahingehend abgeändert, dass in Ziff. 1 des Tenors die Worte „jedwede Nutzung“ gestrichen und durch die Worte „Wohnnutzung“ ersetzt worden sind. Daraufhin haben die Beteiligten das Verfahren mit Schriftsätzen vom 19. April / 21. April 2022 und vom 12. Mai 2022 insoweit für erledigt erklärt, als die Klage auf die Aufhebung von Ziff. 1 der Ordnungsverfügung gerichtet war.
9Ferner hat die Beklagte die Zusicherung zu Protokoll erklärt, dass nach rechtskräftigem Abschluss dieses Verfahrens sämtliche ihr bis dahin bekannten Fälle ungenehmigter Fenster in Dachflächen aufgegriffen werden und dagegen ordnungsbehördlich vorgegangen wird, soweit nicht rechtliche Gründe (z. B. Genehmigungsfähigkeit) einer entsprechenden Beseitigungsverfügung entgegenstehen.
10Im Nachgang zum Ortstermin lässt der Kläger ergänzend vortragen, seine Ehefrau sei Erzieherin und lebe im selben Haushalt. Sie benötige ein Arbeitszimmer, um insgesamt ihre berufliche Tätigkeit weiter auszubauen und zu vertiefen. Hierfür habe sie eine Art Eigenstudium zur Interessenverfolgung und zur Verstärkung der beruflichen Qualifikation, nämlich zu Hause an ihrem Arbeitsplatz, avisiert. Dies stelle eine Verbesserung des Wohnwertes insgesamt dar, weil die anderweitige Einrichtung eines Arbeitsplatzes räumlich nicht möglich sei. Zu diesem Anlass werde die Nutzbarkeit der Räumlichkeit zu Wohnzwecken in Form des Arbeitsplatzes weiterverfolgt.
11Im Ortstermin vom 00. März 2022 haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zu Protokoll erklärt.
12Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
13Ziff. 2. und 4. der Ordnungsverfügung der Beklagten vom 4. November 2019 aufzuheben.
14Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
15die Klage abzuweisen.
16Sie wendet ein: Der Kläger verkenne, dass der Einbau von Dachflächenfenstern laut Satzungstext in bestimmten Fällen zulässig sei. In § 10 Abs. 3 der Gestaltungssatzung Altsiedlung sei explizit geregelt, dass Dachflächenfenster an der Vorder- und Seitenfront baulicher Anlagen nur zulässig seien, wenn dies zur Verbesserung des Wohnwertes unbedingt erforderlich sei. Die Genehmigung solcher Dachflächenfenster stelle somit keinen Verstoß gegen die Gestaltungssatzung dar. Der Kläger habe, nachdem ihm die illegal aufgenommene Wohnnutzung untersagt worden sei, keinen Anspruch auf Genehmigung des Dachflächenfensters nach dieser Vorschrift. Bestandsschutz im Fall des streitgegenständlichen Fensters komme nicht in Betracht. Gemäß der vorliegenden Fotodokumentation, welche vor Inkrafttreten der Satzung angefertigt worden sei, habe das Dachflächenfenster im Objekt des Klägers zuvor nicht bestanden. Ein Eigentümer könne keinen Bestandsschutz aus der Tatsache herleiten, dass der Bauaufsichtsbehörde der ordnungswidrige Zustand erst später bekannt geworden sei. Weder die stillschweigende Duldung eines illegalen Zustandes noch die bloße Untätigkeit der Behörde könne Bestandsschutz verschaffen. Auch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sei nicht gegeben. Das Gleichbehandlungsgebot sei erst dann verletzt, wenn es nach der Art des Einschreitens an jedem System fehle, für diese Art des (zeitlichen) Vorgehens keinerlei einleuchtende Gründe sprächen und die Handhabung deshalb als willkürlich angesehen werden müsse. Im vorliegenden Fall gegen das Dachflächenfenster vorzugehen sei naheliegend, weil hier ohnehin ein sofortiges Einschreiten wegen der ungenehmigten und unzulässigen Wohnnutzung erforderlich gewesen sei. Im Übrigen könne nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Ordnungsverfügung nicht mit dem Argument abgewehrt werden, dass die Behörde gegen Verstöße in vergleichbaren Fällen nicht einschreite, da der Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht gewähre. Es sei ausreichend, wenn „Schwarzbauten“ erst dann überprüft würden, wenn diese aufgrund von Hinweisen bekannt würden. Zudem könnten Dachflächenfenster dem Bestandsschutz unterliegen, wenn sie bereits vor Inkrafttreten der Gestaltungssatzung eingebaut worden seien. Sollten darüber hinaus unzulässige Dachflächenfenster im Geltungsbereich der Satzung bestehen, so würden diese nicht geduldet. Soweit solche Zustände bekannt würden, werde gegen diese Dachflächenfenster ebenso vorgegangen. Die aufgrund des klägerischen Vorbringens eingeleitete Untersuchung habe ausweislich der angefertigten Dokumentation ergeben, dass bei 13 Objekten keine Fenster im Dachbereich zu erkennen seien. Sodann verblieben noch 156 Objekte, in denen Fenster im Dachbereich erkennbar seien. Hiervon stünden bei 92 Objekten Fenster unter Bestandsschutz, weil sie bereits vor Inkrafttreten der Satzung existiert hätten. Darunter befänden sich sieben Fälle, bei denen Fenster nur teilweise unter Bestandsschutz stünden. Weiter habe eine Sichtung sämtlicher Hausakten ergeben, dass in insgesamt acht Fällen Dachflächenfenster genehmigt worden seien. Darunter hätten vier Fälle in direktem Zusammenhang mit der Umnutzung des Spitzbodens in Wohnraum gestanden. Es verblieben mithin insgesamt 63 Objekte, bei denen baurechtliche Verfahren eingeleitet werden müssten. Hierzu sei die Beklagte, nachdem die Fälle nun bekannt seien, bereit. In diesen Verfahren sei festzustellen, ob die Dachflächenfenster nach § 10 Abs. 3 der Satzung zur Verbesserung des Wohnwertes unbedingt erforderlich seien. Sofern sich die Fenster nicht im Spitzboden, sondern im Bereich der ersten Obergeschosse befänden, wäre dies regelmäßig gegeben. In den anderen Fällen solle der Rückbau der nach der Gestaltungssatzung unzulässigen Fenster verfolgt werden. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG komme damit nicht in Betracht. Soweit der Kläger einwende, dass die Satzung dem tatsachlichen Zustand widerspreche und es überhaupt keine Einheitlichkeit der Bebauung mehr gebe, die gewahrt werden müsse, so sei im Vorwort der Gestaltungssatzung ausgeführt worden, dass vor Inkrafttreten kleinere und größere Veränderungen an den Gebäuden in der Siedlung vorgenommen worden seien, die nicht im Einklang mit der beabsichtigten Wirkung des Gebietes stünden. Eben dieser weiteren Entwicklung solle die Satzung entgegensteuern.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe:
19Soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, war das Klageverfahren aus Gründen der Klarstellung in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
20Die Klage im Übrigen, über die das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 VwGO im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, jedoch unbegründet.
21Die noch zur Überprüfung stehenden Regelungen des Bescheides der Beklagten vom 4. November 2019, also die mit Ziff. 2 erfolgte Anordnung, das im Spitzboden des Gebäudes B.-----straße 00 eingebaute Dachflächenfenster zurückzubauen, und die in Ziff. 4 des Bescheides enthaltene Zwangsgeldandrohung, sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
22Die Beseitigungsverfügung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 58 Abs. 2, 82 Abs. 2 Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesbauordnung 2018 – BauO NRW 2018) i.d.F. des Gesetzes zur Modernisierung des Bauordnungsrechts in Nordrhein-Westfalen – Baurechtsmodernisierungsgesetz (BauModG NRW) vom 21. Juli 2018.
23Gemäß § 58 Abs. 2 BauO NRW 2018 haben die Bauaufsichtsbehörden bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und Beseitigung sowie bei der Nutzung und Instandhaltung von Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden, soweit nicht andere Behörden zuständig sind. Sie haben in Wahrnehmung dieser Aufgaben nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Werden Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert, kann die Bauaufsichtsbehörde gemäß § 82 Abs. 2 BauO NRW 2018 die teilweise oder vollständige Beseitigung der Anlagen anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können.
24Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Bestimmungen sind erfüllt. Das streitgegenständliche Fenster verstößt gegen öffentlich-rechtliche Bestimmungen, eine Herstellung rechtmäßiger Zustände ist auf andere Weise als durch den Rückbau nicht möglich, und die Beklagte hat das ihr eingeräumte Ermessen erkannt und ausgeübt. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.
25Das streitgegenständliche Fenster verstößt gegen öffentlich-rechtliche Bestimmungen.
26Für den Einbau des Fensters liegt keine Baugenehmigung vor, nach deren Inhalt das Vorhandensein des Fensters als legalisiert anzusehen wäre. Es mag dahingestellt bleiben, ob der Einbau des Fensters verfahrens- und genehmigungsfrei gestellt war oder ob der Kläger für den Fenstereinbau einer Genehmigung bedurft hätte (vgl. einerseits § 62 Abs. 1 Nr. 11 Buchst. c) BauO NRW 2018 und andererseits § 63 Abs. 2 Nr. 2 BauO NRW 2018). Denn eine etwaige Baugenehmigungsfreiheit entbindet nicht von der Verpflichtung zur Einhaltung der Anforderungen, die durch öffentlich-rechtliche Vorschriften an Anlagen gestellt werden, und lassen die bauaufsichtlichen Eingriffsbefugnisse unberührt, vgl. § 60 Abs. 2 BauO NRW 2018.
27Vorliegend hat die Beklagte, wie aus den Ausführungen im letzten Absatz auf Seite 3 des angefochtenen Bescheides folgt, die angefochtene Beseitigungsverfügung nicht auf das Fehlen einer erforderlichen Baugenehmigung, sondern ausschließlich damit begründet, dass das eingebaute Dachflächenfenster gegen materielles Recht, nämlich gegen die materiellen Bestimmungen der Gestaltungssatzung Altsiedlung verstoße. Es sei auch nicht im Wege der Abweichung mit den öffentlichen Belangen vereinbar und widerspreche den Zielsetzungen der Satzung. Hieran hat sich die Verfügung messen zu lassen.
28Die Beklagte geht zu Recht davon aus, dass der Einbau des Dachflächenfensters in das streitgegenständliche Gebäude einen Verstoß gegen diese Vorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 1 Gestaltungssatzung Altsiedlung darstellt. Hiernach sind Dachflächenfenster an der Vorder- und Seitenfront baulicher Anlagen nur zulässig, wenn dies zur Verbesserung des Wohnwertes unbedingt erforderlich ist. Das streitgegenständliche Dachflächenfenster ist zur Verbesserung des Wohnwertes nicht erforderlich. Die Erforderlichkeit ist nicht im Ansatz dargelegt oder ersichtlich, weil eine Nutzung des Spitzbodens als Aufenthaltsraum, wie die Beklagte schlüssig und nachvollziehbar dargelegt hat, nicht genehmigungsfähig ist und aus diesem Grund dessen Nutzung zu Wohnzwecken (bestandskräftig) untersagt worden ist. Da die besagten Räumlichkeiten auch bei Nutzung als Arbeitszimmer zu beruflichen Studien-/Fortbildungszwecken der Ehefrau einen Aufenthaltsraum darstellen, geht der erstmals nach dem Ortstermin erhobene Einwand des Klägers, seine Ehefrau benötige die Räumlichkeiten zu beruflichen Studien-/Fortbildungszwecken, wodurch der Wohnwert verbessert werde, ins Leere. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Beklagte bei der auf Anregung des Einzelrichters im Ortstermin vorgenommenen Abänderung der Nutzungsuntersagung Aufenthaltsräume nicht ausdrücklich in die Formulierung mit aufgenommen hat. Angesichts dessen, dass bis dahin von Seiten des Klägers lediglich geltend gemacht worden war, eine (Fortsetzung der bereits aufgenommenen) Wohnnutzung zu beabsichtigen, bestand keine Erforderlichkeit, die Nutzungsuntersagung für den Spitzboden ausdrücklich auf die Nutzung als Aufenthaltsraum zu erstrecken. Selbst wenn der Standpunkt vertreten würde, die Nutzung von Räumlichkeiten eines Wohnhauses zu Wohnzwecken sei etwas anderes als deren Nutzung zu Aufenthaltszwecken, weshalb durch Ziff. 1 der Ordnungsverfügung die Nutzung als Aufenthaltsraum nicht untersagt sei, könnte der Kläger hieraus für sich nichts Günstigeres herleiten, weil der Einbau eines Fensters in einen Raum, der kraft gesetzlicher Regelungen der Landesbauordnung und nach den in der Hausakte befindlichen Bauplänen ersichtlich als Aufenthaltsraum nicht geeignet ist, zur Wohnwertverbesserung nichts beitragen kann und das Fenster auch für die Nutzung des Raums zu zulässigen Zwecken, z.B. als Abstellraum, das Fenster nicht erforderlich ist.
29Die Gestaltungsatzung Altsiedlung – mithin auch die darin enthaltene Vorschrift des § 10 Abs. 3, auf die das Einschreiten gestützt wird – ist auch wirksam. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 86 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen - Landesbauordnung - in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. März 2000 (BauO NRW 2000).
30Nach § 86 Abs. 1 BauO NRW 2000 konnten die Gemeinden örtliche Bauvorschriften als Satzung über die äußere Gestaltung baulicher Anlagen zur Durchführung baugestalterischer Absichten in bestimmten, genau abgegrenzten bebauten oder unbebauten Teilen des Gemeindegebiets (Nr. 1) und über besondere Anforderungen an bauliche Anlagen zum Schutz bestimmter Bauten, Straßen, Plätze oder Ortsteile von städtebaulicher, künstlerischer oder geschichtlicher Bedeutung sowie von Denkmälern (Nr. 2) erlassen. Dass diese Voraussetzungen bei Erlass der Gestaltungssatzung der Beklagten vorgelegen haben, wird von dem Kläger nicht in Frage gestellt und ist vom Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen bereits in einem früheren (nicht veröffentlichten) Beschluss vom 26. Januar 2012 - 2 A 54/11 - festgestellt worden. Mit der Gestaltungssatzung Altsiedlung zielt die Beklagte darauf ab, „die charakteristischen Merkmale der Siedlung zu bewahren und alle baulichen und gestalterischen Maßnahmen in das Erscheinungsbild der gesamten Siedlung einzupassen“ (vgl. die „Präambel / Städtebauliche Bedeutung der Altsiedlung“), und verfolgt damit offensichtlich für einen abgegrenzten Teil des Gemeindegebiets baugestalterische Absichten im Sinne von § 86 Abs. 1 Nr. 1 BauO NRW.
31vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. Januar 2002 - 2 A 54/11 - .
32Die Regelung in § 10 Abs. 3 der Gestaltungssatzung Altsiedlung ist nicht funktionslos.
33Wegen Funktionslosigkeit tritt die Regelung einer Gestaltungssatzung erst dann außer Kraft, wenn und soweit die Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung der gestalterischen Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt. Entscheidend ist, ob die jeweilige Festsetzung noch geeignet ist, zur Erreichung der mit der Gestaltungssatzung verfolgten Konzeption einen sinnvollen Beitrag zu leisten. Die Konzeption, die einer gestalterischen Festsetzung zugrunde liegt, wird dabei nicht schon dann sinnlos, wenn sie nicht mehr überall im Geltungsbereich der Satzung umgesetzt werden kann.
34Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. Januar 2002 - 2 A 54/11 - (n.v.), unter Verweis auf BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 2003 - 4 B 79.02 -, BRS 66 Nr. 2 = juris Rn. 7, und auf BVerwG, Urteile vom 12. August 1999 - 4 CN 4.98 -, BVerwGE 109, 246 = BRS 62 Nr. 1 = juris Rn. 41, vom 3. Dezember 1998 - 4 CN 3.97 -, BVerwGE 108, 71 = BRS 60 Nr. 43 = juris Rn. 16, sowie vom 29. April 1977 - IV C 39.75 -, BVerwGE 54, 5 = NJW 1977, 2325 = juris Rn. 32.
35Wie aus der Satzungsbegründung folgt und wovon sich der Einzelrichter anhand öffentlich zugänglicher Bilder aber auch anlässlich des Ortstermins überzeugen konnte, ist die Dachlandschaft ein charakteristisches Merkmal der Altsiedlung und prägt das Straßenbild entscheidend. Dieses Erscheinungsbild zu schützen, ist eines der zentralen Satzungsziele. Dabei wertet der Satzungsgeber Dachflächenfenster wegen der von ihnen als verunstaltend empfundenen Löcher in der Dachhaut und der Schrägstellung als erhebliche Beeinträchtigung des Straßenbildes.
36Die hier zur Beurteilung stehende Gestaltungssatzung erfasst (nahezu vollständig) die Altsiedlung Friedrich-Heinrich. Diese erstreckt sich über ca. 76 ha und stellt die größte (ehemalige) Werkssiedlung des rheinisch-westfälischen Industriegebiets dar (vgl. www.route-industriekultur.de). Davon ausgehend liegen, wie sich ohne Weiteres aus der zeichnerischen Darstellung des Geltungsbereichs sowie aus (öffentlich zugänglichen) Luftbildern und Karten ergibt, bei grober Schätzung mehrere hundert Wohngebäude im Geltungsbereich der Gestaltungssatzung. Im Hinblick darauf führt der Umstand, dass vor Erlass der Gestaltungssatzung an ca. 92 Gebäuden bauliche Veränderungen am Dach durch Einbau von Fenstern vorgenommen worden waren, die nicht den Vorgaben der Gestaltungssatzung entsprechen, nicht bereits dazu, dass deren Zweck, das charakteristische Erscheinungsbild der Siedlung zu erhalten, von vornherein nicht mehr erreicht werden konnte. Vielmehr war der Erlass der Satzung geboten, um eine weitere Zunahme der – zu diesem Zeitpunkt noch überschaubaren – gestalterischen Veränderungen zu verhindern.
37vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. Januar 2002 - 2 A 54/11 - (n.v.).
38Zur Funktionslosigkeit des § 10 Abs. 3 Gestaltungssatzung Altsiedlung führt auch nicht der Umstand, dass nach Erlass der Gestaltungssatzung offenbar an mehr als 60 Gebäuden ohne Genehmigung Dachflächenfenster eingebaut worden sind. Vielmehr ist diese Anzahl ungenehmigter Einbauten Beleg für den fortbestehenden Sinn und die Notwendigkeit der Satzungsbestimmung. Der nachträgliche ungenehmigte Einbau kann regelmäßig durch Schließung der Dachöffnungen wieder rückgängig gemacht werden. Insoweit hat die Beklagte ausgeführt, gegen diese Veränderungen vorgehen zu wollen. Nur wenn ein solches Vorgehen aussichtslos wäre, würde sich die Frage stellen, ob § 10 Abs. 3 der Satzung funktionslos wäre. Weitere Gründe dafür, dass die Gestaltungssatzung unwirksam wäre, sind weder vorgetragen noch im Ansatz ersichtlich.
39Liegen demnach die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass der Rückbau- bzw. Beseitigungsverfügung vor, so ist die geforderte Beseitigung des Dachflächenfensters auch nicht im Sinne von § 114 VwGO ermessensfehlerhaft oder unverhältnismäßig.
40Die Ermessensentscheidung, eine Beseitigungs- oder Rückbauverfügung zu erlassen, kann die Bauaufsichtsbehörde im Regelfall ordnungsgemäß damit begründen, dass die zu beseitigende Anlage formell und materiell illegal ist und dass ein öffentliches Interesse daran besteht, keinen Präzedenzfall- oder Berufungsfall zu schaffen. Eine weitergehende Abwägung des "Für und Wider" einer Beseitigungsanordnung ist nur dann geboten, wenn konkrete Anhaltspunkte ausnahmsweise für die Angemessenheit einer vorübergehenden oder dauerhaften Duldung eines rechtswidrigen oder ordnungswidrigen Zustands sprechen.
41Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 28. August 1980 - 4 B 67.80 -, BRS 36 Nr. 93; OVG NRW, Beschluss vom 13. Mai 2016 - 7 A 1519/14 -, juris Rn. 6 f., Urteil vom 20. April 2016 - 7 A 1367/14 -, juris Rn. 40 ff. und Urteil vom 24. Februar 2016 - 7 A 19/14 -, juris
42Solche Anhaltspunkte sind hier nicht ersichtlich.
43Im Rahmen der Entscheidung über das bauordnungsbehördliche Einschreiten ist allerdings auch der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bei der Ermessensbetätigung zu berücksichtigen, sodass die Behörde wesentlich gleichartige Fälle nicht ungleich behandeln darf.
44Vgl. OVG NRW, Urteil vom 20. April 2016 - 7 A 1367/14 -, juris Rn. 52 f. und Urteil vom 19. Dezember 1974 - VII A 179/74 - , BRS 28 Nr. 166.
45Im Zusammenhang mit bauaufsichtsbehördlichem Einschreiten ist der Gleichbehandlungsgrundsatz aber erst dann verletzt, wenn die Behörde ohne erkennbaren sachlichen Grund - d. h. willkürlich - nur bezüglich einzelner baulicher Anlagen eine Bauordnungsverfügung erlässt und gegen andere vergleichbare Vorhaben nicht einschreitet. Bei einer Mehrzahl illegal genutzter Bauwerke in einem Gebiet ist es notwendig, dass die Behörde planmäßig vorgeht und weder in ihrem Plan noch bei der Ausführung willkürliche Ausnahmen macht.
46Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 23. November 1998 - 4 B 99.98 -, BRS 60 Nr. 163 = juris Rn. 4; OVG NRW, Beschluss vom 20. Februar 2013 - 2 A 239/12 -, juris Rn 56 f., Beschluss vom 23. Dezember 2010 - 10 B 1407/10 -, S. 4 des amtlichen Umdrucks.
47Die Bauaufsichtsbehörde ist hingegen nicht verpflichtet, sämtliche vergleichbaren Nutzungen von sich aus auf ihre Baurechtswidrigkeit hin zu überprüfen und rechtswidrige Zustände, falls sie nicht nur im Einzelfall vorliegen sollten, sondern bei einer Vielzahl von Grundstücken, stets "flächendeckend" zu bekämpfen.
48Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. März 1991 - 4 B 26.91 -, juris Rn. 5; Beschluss vom 19. Juli 1976 - BVerwG 4 B 22.76 - Buchholz 406.17 Bauordnungsrecht Nr. 5). OVG NRW, Beschluss vom 23. Dezember 2010 - 10 B 1407/10 -, S. 4 des amtlichen Umdrucks, Urteil vom 9. Dezember 1994 - 10 A 1753/91 -, BRS 57 Nr. 249 = juris Rn. 23.
49Vielmehr darf die Behörde auch anlassbezogen vorgehen und sich auf die Regelung von Einzelfällen beschränken, sofern sie hierfür sachliche Gründe anzuführen vermag.
50Vgl. BVerwG Beschluss vom 19. Februar 1992 - 7 B 106/91 -, NVwZ-RR 1992, 360 = juris Rn. 2.
51Daran gemessen ist das Handeln der Beklagten unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte den Fall des Klägers willkürlich herausgegriffen und systemwidrig anders behandelt hat als vergleichbare Fälle. Eine regelmäßige flächendeckende Kontrolle des Gemeindegebiets oder auch nur des Satzungsbereichs auf Baurechtsverstöße war weder erforderlich noch von der Behörde zu leisten. Deshalb ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte hier zunächst nur auf konkrete Veranlassung – einer Nachbarbeschwerde – eingeschritten ist, weil sie hierdurch konkrete Anhaltpunkte für Verstöße gegen Bauvorschriften erhielt.
52Wendet allerdings der Betroffene im entsprechenden Verwaltungsverfahren oder – wie hier – im nachfolgenden Gerichtsverfahren ein, es bestünden zahlreiche gleichgelagerte Verstöße, gegen die nicht eingeschritten werde, und benennt er auch konkret vergleichbare Fälle, so ist die Behörde gehalten, dem nachzugehen und in gleichgelagerten Fällen auch gegen die anderen Störer einzuschreiten. Es wäre willkürlich, nur gegen den einen Verstoß vorzugehen, vor den anderen Verstößen hingegen die Augen zu verschließen.
53Hiermit ist die Vorgehensweise der Beklagten vereinbar. Nachdem der Kläger im gerichtlichen Verfahren das Vorhandensein zahlreicher Dachflächenfenster gerügt und konkrete Objekte benannt hat, hat die Beklagte sämtliche vom Kläger aufgeführten Objekte überprüft, eine Dokumentation erstellt und im Einzelnen aufgelistet, in welchen Objekten (vergleichbare) Dachflächenfenster erkennbar sind, welche davon Bestandsschutz genießen und welche nachträglich genehmigt wurden. Hinsichtlich der verbleibenden – über 60 – Objekte hat die Beklagte durch ihre Vertreter im Ortstermin ausdrücklich zu Protokoll versichert, dass nach rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens sämtliche ihr bis dahin bekannten Fälle ungenehmigter Fenster in Dachflächen aufgegriffen werden und dagegen ordnungsbehördlich vorgegangen wird, soweit nicht rechtliche Gründe (z. B. Genehmigungsfähigkeit) einer entsprechenden Beseitigungsverfügung entgegenstehen.
54Diese Vorgehensweise ist nicht zu beanstanden. Sie genügt, um das Vorgehen der Beklagten als mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ansehen zu können.
55Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte zunächst den Ausgang des vorliegenden Verfahren abwartet, bevor sie gegen weitere nicht bestandsgeschützte Verstöße gegen die Gestaltungssatzung vorgeht. Die Behörde darf einen geeigneten Fall als "Musterfall" auswählen, um erst nach einer gerichtlichen Bestätigung ihrer Rechtsauffassung gleichartige Fälle aufzugreifen.
56Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21. Dezember 1990 - 4 B 184.90 -, juris und vom 11. März 1991 - 4 B 26.91 -, juris.
57Anhaltspunkte dafür, dass die von den Beklagtenvertretern im Ortstermin abgegebene entsprechende Zusicherung nur zum Schein erfolgt ist, sind weder vorgetragen noch erkennbar.
58Weitere Gründe, die es der Beklagten nahegelegt hätten, ausnahmsweise von einem Einschreiten abzusehen, sind hier nicht ersichtlich. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (§ 15 OBG NRW) ist gewahrt. Der bei der Ermessensausübung zu beachtende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordert, dass eine Maßnahme zur Erreichung des mit ihr verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich ist, sowie dass die Belastung des Betroffenen in einem angemessenen Verhältnis zu den mit der Regelung verfolgten Interessen steht.
59Ein milderes Mittel ist nicht erkennbar. Die Zulassung einer Abweichung nach § 69 Abs. 1 S. 1 BauO NRW 2018 ist von der Beklagten in Erwägung gezogen, jedoch zu Recht verworfen worden.
60Nach der genannten Vorschrift kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von Anforderungen dieses Gesetzes und aufgrund dieses Gesetzes erlassener Vorschriften zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des § 3 Absatz 1 und 3 vereinbar sind. Eine Abweichung ist mit den öffentlichen Belangen demnach nur vereinbar, wenn das Schutzgut der jeweiligen Norm, von der abgewichen werden soll, nicht bzw. nicht erheblich berührt wird. In Anbetracht des Zwecks des § 10 Abs. 3 der Gestaltungssatzung Altsiedlung, die Dachlandschaft als ein charakteristisches und straßenbildprägendes Merkmal zu erhalten und zu schützen, wäre die Zulassung einer Ausnahme mit diesem öffentlichen Belang nicht vereinbar. Insbesondere durch die negative Vorbildwirkung einer Zulassung im vorliegenden Fall der nicht notwendigen Wohnwertverbesserung würde das Ziel der Gestaltungssatzung gefährdet, da sich hierauf weitere Eigentümer berufen könnten. Bei der Zulassung weiterer Abweichungen könnte die Gestaltungssatzung tatsächlich in die Funktionslosigkeit geraten, wenn die Abweichungen ein Maß erreichen, das die Verwirklichung des mit der Regelung verfolgten Schutzziels auf unabsehbare Zeit ausschließen würde.
61Ziff. 4 der Ordnungsverfügung, durch die für den Fall, dass der Kläger die Nutzungsuntersagung und die Beseitigungsverfügung nicht befolgt oder nicht fristgerecht erfüllt, jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 € angedroht wird, ist ebenfalls rechtmäßig. Sie steht mit §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60, 63 VwVG NRW im Einklang.
62Die Androhung ist nicht etwa deshalb rechtswidrig, weil die dem Kläger für den Rückbau gesetzte Frist („sechs Wochen nach Unanfechtbarkeit“) nicht hinreichend bestimmt wäre oder in unauflösbarem Widerspruch zu einer anderen Fristbestimmung stünde. Der an die vorgehend zitierte Formulierung anschließende, als (überflüssige) Erläuterung zu verstehende Zusatz „das sind ein Monat und sechs Wochen nach Zustellung“ ist zwar insofern irreführend, als er sich nur auf den Fall beziehen konnte, dass vom Kläger gegen die Rückbauverfügung kein Rechtsmittel mit aufschiebender Wirkung eingelegt worden wäre. Indessen kann bei verständiger Würdigung auch aus Sicht eines objektiven Dritten kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass der Rückbau innerhalb von sechs Wochen nach Unanfechtbarkeit der Verfügung zu erfolgen hat. Auch der Kläger hat keine Zweifel oder Bedenken gegen die Fristbestimmung angemeldet, was dafür spricht, dass für ihn der Zeitpunkt, ab dem er mit der Festsetzung des Zwangsgeldes zu rechnen hat, hinreichend klar erkennbar ist.
63Ausgehend von dem vorgegebenen Rahmen, der von 10 € bis 100.000 € reicht, steht das Zwangsmittel in einem angemessenen Verhältnis zu seinem Zweck und nicht außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg, vgl. § 58 VwVG NRW.
64Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2, 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
65Soweit der Kläger mit seiner Klage unterlegen ist, waren ihm die Kosten gemäß § 154 Abs. 1 VwGO aufzuerlegen. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, nämlich hinsichtlich Ziff. 1 der Ordnungsverfügung, entsprach es unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes bis zum Zeitpunkt der Erledigung billigem Ermessen (§ 161 Abs. 2 VwGO) die auf diesen Teil des Streitgegenstandes entfallenden Kosten der Beklagten aufzuerlegen, denn der Kläger hätte mit seiner Klage gegen die Nutzungsuntersagung, wenn die Beklagte Ziff. 1 des Bescheides nicht im Ortstermin vom 00. März 2022 abgeändert hätte, aller Voraussicht nach Erfolg gehabt. Mit der Verfügung in ihrer Ursprungsfassung wurde dem Kläger nicht nur die Wohnnutzung, sondern „jedwede“ Nutzung untersagt. Hiernach durfte der Kläger den Spitzboden in keiner Art und Weise mehr nutzen. In den Gründen des Bescheides wurde zwar allein auf die Unzulässigkeit der Wohnnutzung abgestellt. Angesichts des eindeutigen Wortlauts im Tenor ist aber eine einschränkende Auslegung dahingehend, dass der Kläger lediglich die Wohnnutzung zu unterlassen hatte, dem Gericht verwehrt. Die Untersagung „jedweder“ Nutzung war unverhältnismäßig und ermessensfehlerhaft, weil damit eine andere Nutzung als zu Wohnzwecken, z.B. als Lagerraum, untersagt wurde, obwohl eine derartige Nutzung – was von der Beklagten nicht in Abrede gestellt wird – keiner (weiteren) Baugenehmigung bedurfte und auch materiell zulässig ist.
66Rechtsmittelbelehrung:
67Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
68Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
69Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
70Die Berufung ist nur zuzulassen,
711. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
722. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
733. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
744. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
755. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
76Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen.
77Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen.
78Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
79Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
80Beschluss:
81Der Streitwert wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.
82Gründe:
83Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 2 GKG erfolgt, weil der Sach- und Streitstand weder in Bezug auf die Nutzungsuntersagung (Wohnwert des Spitzbodens für die Eigennutzung) noch für die Rückbauanordnung (Zweitwert des Fensters und Kosten des Rückbaus) genügend Anhaltspunkte für die Bestimmung des Streitwerts bietet.
84Rechtsmittelbelehrung:
85Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
86Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
87Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
88Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
89Die Beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
90War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.