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Der Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Beihilfebescheides des LBV NRW vom 9. Juli 2018 (Antragsnummer 100) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2018, soweit dieser in Abänderung des Beihilfebescheides vom 16. Dezember 2017 die gewährte Beihilfe zum Pflegezuschlag um den Betrag von 593,32 € mindert, und unter teilweiser Aufhebung des Beihilfebescheides des LBV NRW vom 9. Juli 2018 (Antragsnummer 99) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2018, soweit dieser in Abänderung des Beihilfebescheides vom 27. Juni 2018 die gewährte Beihilfe zum Pflegezuschlag um den Betrag von 201,04 € mindert, verpflichtet, dem Kläger eine weitere Beihilfe zum Pflegezuschlag in Höhe von 794,36 € zu gewähren.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Kürzung der Beihilfe zum Pflegezuschlag bei Pflegebedürftigen des Pflegegrades 5 wegen Inanspruchnahme von stundenweiser Verhinderungspflege im Zeitraum von Januar bis Dezember 2017.
3Der am 0.0.0000 geborene Kläger ist Versorgungsbeamter des beklagten Landes und mit einem Bemessungssatz von 70 % beihilfeberechtigt. Er ist pflegebedürftig und seit 2017 in Pflegegrad 5 eingestuft. Einen Teil der Pflege und Betreuung des Klägers erbrachte im streitgegenständlichen Zeitraum der Bevollmächtigte des Klägers, den der Kläger mit notarieller Urkunde vom 31. März 1998 unter anderem bevollmächtigt hatte, ihn in allen persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten, soweit dies gesetzlich zulässig ist, gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten.
4Mit Beihilfeantrag vom 20. November 2017 beantragte der Bevollmächtigte des Klägers Beihilfe unter anderem zu Aufwendungen für häusliche Pflege für die Monate Januar 2017 bis September 2017. Das beklagte Land gewährte dem Kläger mit Bescheid des Landesamtes für Besoldung und Versorgung (LBV) vom 6. Dezember 2017 Beihilfe in Höhe von insgesamt 9.160,97 €. Darin war unter anderem Beihilfe zum Pflegezuschlag gemäß § 5a Abs. 3 S. 2 BVO jeweils für einen vollen Monat in Höhe von insgesamt 1.050,25 € enthalten.
5Mit Beihilfeantrag vom 19. Mai 2018 beantragte der Bevollmächtigte des Klägers Beihilfe unter anderem zu Aufwendungen für häusliche Pflege für die Monate Oktober 2017 bis April 2018. Das beklagte Land gewährte dem Kläger mit Bescheid des LBV vom 27. Juni 2018 Beihilfe in Höhe von insgesamt 7.272,39 €. Darin war unter anderem Beihilfe zum Pflegezuschlag gemäß § 5a Abs. 3 S. 2 BVO jeweils für einen vollen Monat in Höhe von insgesamt 843,61 € enthalten. Bezüglich der mit dem Beihilfeantrag ebenfalls eingereichten Belege über Aufwendungen für die Verhinderungspflege im Jahr 2017 bat das LBV um Vorlage der Erstattungsnachweise der Pflegeversicherung des Klägers, die dieser mit Schreiben vom 2. Juli 2018 an das LBV übersandte. Das LBV führte daraufhin eine Nachberechnung der Beihilfe für häusliche Pflege unter Berücksichtigung der Aufwendungen für Verhinderungspflege im Jahr 2017 durch.
6Mit Beihilfebescheid vom 9. Juli 2018 (Antragsnummer 100) änderte das LBV den Bescheid vom 6. Dezember 2017 und berechnete eine Rückforderung i.H.v. 593,32 €. Die zunächst gewährte Beihilfe zum Pflegezuschlag für die Monate Januar bis September 2017 wurde entsprechend der Anzahl der Tage der Inanspruchnahme von Verhinderungspflege in diesem Zeitraum gekürzt.
7Mit einem weiteren Beihilfebescheid vom 9. Juli 2018 (Antragsnummer 99) änderte das LBV den Bescheid vom 27. Juni 2018 und gewährte eine weitere Beihilfe i.H.v. 898,24 €. Der Betrag ergab sich aus der Verrechnung von gewährter Beihilfe zu den Aufwendungen für die Verhinderungspflege mit dem Betrag, um den die Beihilfe zum Pflegezuschlag für die Monate Oktober bis Dezember 2017 wegen der Inanspruchnahme von Verhinderungspflege gekürzt wurde (201,04 €).
8Der Kläger erhob am 30. Juli 2018 Widerspruch gegen die Beihilfebescheide vom 9. Juli 2018. Die Kürzung der Beihilfe zum Pflegezuschlag sei rechtswidrig. Die beihilferechtlich geltend gemachte zusätzliche Verhinderungspflege 2017 sei nur eine stundenweise zusätzliche Betreuung gewesen, die keine „tageweise Kürzungen“ bei den Pflegepauschalen rechtfertige. Es handele sich nicht um eine tageweise Verhinderungspflege, sondern um die Fahrtkostenerstattung für seine zusätzliche Betreuung durch Freunde jeweils nur für einzelne Stunden, damit sein Bevollmächtigter, der die Hauptlast der Pflege und Betreuung leiste, sich in einzelnen Stunden an den in den übermittelten Listen aufgeführten Tagen um die Betreuung seiner betagten Mutter habe kümmern können. Eine Minderung sei aber nur gerechtfertigt, wenn ganztägige Verhinderung oder Kurzzeitpflege vorgelegen hätte.
9Mit Widerspruchsbescheid vom 13. September 2018, dem Kläger zugestellt am 26. Oktober 2018, wies das LBV den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus: Im Falle des Klägers sei neben dem Pflegegeld aus Fürsorgegründen bei Pflegebedürftigen des Pflegegrades 5 ein Pflegezuschlag von 240 € monatlich beihilfefähig (§ 5a Abs. 3 BVO). Das Pflegegeld und der Pflegezuschlag seien gemäß § 5a Abs. 4 S. 1 BVO um ein Dreißigstel für jeden in Anspruch genommenen Tag zu mindern, sofern der Anspruch auf Pflegegeld und Pflegezuschlag nach Abs. 3 nicht für einen vollen Kalendermonat bestehe. Pflegegeld und Pflegezuschlag seien grundsätzlich gleich zu behandeln. Allerdings enthalte § 5a Abs. 4 S. 2 BVO Ausnahmen von der Kürzung nach S. 1, die lediglich für das Pflegegeld, jedoch nicht für den Pflegezuschlag gelten würden. Die Kürzung des Pflegezuschlags erfolge dagegen ausnahmslos. Grund hierfür sei, dass der Pflegezuschlag eine Fürsorgeleistung sei, die über den Leistungsinhalt des SGB XI hinausgehe. Deshalb dürfe der Verordnungsgeber die Zahlung des Zuschlags strenger einschränken. Auch aus Nr. 5a.3.6 der hier geltenden Verwaltungsvorschriften zur BVO ergebe sich, dass bei stundenweiser Verhinderungspflege zwar die Kürzung des Pflegegeldes, jedoch nicht die des Pflegezuschlags entfalle. Den Anspruch auf einen Pflegezuschlag gebe es erst seit 1. Januar 2017, weshalb bisher keine Kürzung vorgenommen worden sei.
10Der Kläger hat am 23. November 2018 Klage erhoben.
11Zur Begründung führt er aus: Die vorgenommenen Kürzungen des Pflegezuschlags seien auf der Basis einer willkürlichen und falschen Interpretation des § 5a Abs. 4 BVO zu seinem Nachteil erfolgt. § 5a Abs. 4 S. 1 BVO verpflichte das beklagte Land nicht, den Anspruch auf Pflegegeld und Pflegezuschlag einzuschränken oder zu mindern, wenn zugleich ein Erstattungsantrag für Fahrtkosten geltend gemacht werde, die für Verhinderungspflege für einzelne Stunden und nicht für ganze Tage entstünden. Die Minderungspflicht bestehe nur für eine ganztägige Verhinderungspflege, da eine stundenweise Verhinderungspflege die erforderliche Pflege und Betreuung eines Schwerstbehinderten der Pflegestufe 5 während der weiteren 22 bis 23 Stunden des Tages nicht ersetze, wofür der Gesetzgeber aber das Pflegegeld und den Pflegezuschlag geregelt habe. Die Minderung sei nur bei einer ganztägigen Pflege durch eine andere als die bisherige Pflegeperson zulässig. Etwas anderes könne sich auch nicht aus den Verwaltungsvorschriften ergeben.
12Der Kläger beantragt,
13die Beihilfebescheide vom 9. Juli 2018 (Antragsnummern 100 und 99) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2018 teilweise aufzuheben, insoweit diese unter Abänderung der Beihilfebescheide vom 6. Dezember 2017 und vom 27. Juni 2018 den Anspruch auf Beihilfe zum Pflegezuschlag gemäß § 5a Abs. 4 S. 1 BVO für das Jahr 2017 mindern, und ihm eine weitere Beihilfe zum Pflegezuschlag zu gewähren.
14Das beklagte Land beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Zur Begründung beruft sich der Beklagte auf die Ausführungen seines Widerspruchsbescheides und ergänzt, die Ausnahmen von der Minderungspflicht in § 5a Abs. 4 BVO bezögen sich ausdrücklich nur auf das Pflegegeld, nicht jedoch auf den Pflegezuschlag. Das berücksichtigten auch die Verwaltungsvorschriften, in denen unter anderem geregelt sei, dass bei einer stundenweisen Verhinderungspflege das Pflegegeld nicht gekürzt werde. Der Pflegezuschlag sei hier aber nicht genannt. Deshalb müsse die Kürzung des Pflegezuschlages erfolgen.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorganges LBV ergänzend Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe:
19Die zulässige Klage ist begründet.
20Die angefochtenen Beihilfebescheide des Beklagten vom 9. Juli 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2018 sind in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang teilweise rechtswidrig und verletzen den Kläger insoweit in seinen Rechten. Der Kläger hat für das Jahr 2017 einen Anspruch auf weitere Beihilfe zum Pflegezuschlag in Höhe von 794,36 € (vgl. § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).
21Der Beklagte hat seine Beihilfebescheide vom 6. Dezember 2017 und vom 27. Juni 2018 zu Unrecht mit den streitgegenständlichen Bescheiden abgeändert, indem er die Beihilfe zum Pflegezuschlag gekürzt hat. Der Kläger hat jedoch für den Zeitraum von Januar bis Dezember 2017 einen Anspruch auf die Gewährung von Beihilfe zum Pflegezuschlag jeweils für einen vollen Kalendermonat ohne die Minderung um ein Dreißigstel für jeden Tag, an dem er stundenweise Verhinderungspflege in Anspruch genommen und zu deren Aufwendungen er Beihilfe erhalten hat.
22Der Anspruch auf Beihilfe zum Pflegezuschlag ergibt sich aus § 5a Abs. 3 S. 2 Verordnung über Beihilfen in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (BVO) vom 5. November 2009 in der für den streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung vom 16. Dezember 2016 (GV.NRW.S.1196). Danach ist neben dem Pflegegeld aus Fürsorgegründen bei Pflegebedürftigen des Pflegegrades 4 ein Pflegezuschlag von 150 € und bei Pflegegrad 5 von 240 € monatlich beihilfefähig. Die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Beihilfe zum Pflegezuschlag sind vorliegend unstreitig gegeben, insbesondere war der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum in Pflegegrad 5 eingestuft.
23Der Beklagte durfte den für einen vollen Kalendermonat gewährten Pflegezuschlag nicht kürzen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Minderung gemäß § 5a Abs. 4 S. 1 BVO nicht vorlagen. Nach dieser Vorschrift ist das Pflegegeld und der Pflegezuschlag um ein Dreißigstel für jeden nicht in Anspruch genommenen Tag zu mindern, wenn der Anspruch auf Pflegegeld und Pflegezuschlag nach § 5a Abs. 3 BVO nicht für einen vollen Kalendermonat besteht.
24Im Falle des Klägers besteht der Anspruch auf den Pflegezuschlag jeweils für den vollen Kalendermonat. Die Minderungsregel des § 5a Abs. 4 S. 1 BVO ist nicht anzuwenden.
25Der Anspruch auf Pflegegeld und Pflegezuschlag nach § 5a Abs. 3 BVO besteht unter anderem dann nicht für einen vollen Kalendermonat, wenn die erforderliche Grundpflege und häusliche Versorgung des Beihilfeberechtigten zeitweise nicht in der durch ihn selbst sichergestellten Art und Weise, sondern durch eine Ersatzpflege sichergestellt wird, zu deren Aufwendungen Beihilfe geleistet wird. Dadurch soll eine Kumulation von Leistungsansprüchen – nämlich des Anspruchs auf Pflegegeld zur Sicherstellung der erforderlichen Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung durch eine Pflegeperson sowie des Anspruchs auf den Pflegezuschlag wegen des höheren Pflegebedarfs bei Pflegegrad 4 und 5 einerseits und des Anspruchs auf Beihilfe zu den Aufwendungen der Ersatzpflege andererseits – vermieden werden. Dementsprechend schließt auch grundsätzlich ein Anspruch auf Beihilfe zu Aufwendungen einer notwendigen Ersatzpflege gemäß § 5a Abs. 8 BVO i.V.m. § 39 SGB XI einen Anspruch auf Beihilfe zum Pflegegeld und Pflegezuschlag für denselben Zeitraum aus. Hintergrund dieser Regel ist, dass die Ersatzpflege, für die vom Versicherungsträger bzw. Beihilfeträger Leistungen erbracht werden, an die Stelle der Pflegeleistungen tritt, die der Pflegebedürftige grundsätzlich mithilfe des Pflegegeldes in geeigneter Weise selbst sicherstellt.
26Dieses Kumulationsverbot bezieht sich auf Zeiträume, die mindestens ganze (Pflege-) Tage umfassen. In dem Ausnahmefall der stundenweisen, weniger als acht Stunden dauernden Ersatzpflege besteht der Anspruch auf Pflegegeld und Pflegezuschlag gem. § 5a Abs. 3 BVO aber weiter.
27Das Gericht schließt sich insofern den Ausführungen des Bundessozialgerichts,
28BSG, Urteil vom 20. April 2016 - B 3 P 4/14 R -, juris Rn. 23,
29in seinem den Wegfall des Anspruchs auf Pflegegeld bei Gewährung von Verhinderungspflegegeld betreffenden Urteil an, in dem es heißt: „An Tagen, an denen allerdings die Pflege ganz überwiegend noch von der regelmäßig tätigen Pflegeperson und nur für wenige Stunden von der Ersatzpflegeperson erbracht wird, wird die Pflege durch das Zusammenspiel der üblichen Pflege und der Ersatzpflege sichergestellt, sodass in diesem Ausnahmefall auch eine Kumulation der Leistungen gerechtfertigt ist. Trotz des an diesen Tagen geringen Anteils an Ersatzpflege können auch für deren Organisation zusätzliche Aufwendungen entstehen, und die gedeckten Leistungen der Verhinderungspflege lassen einen übermäßigen Leistungsbezug nicht zu. Die von den Pflegekassen insoweit in Bezug genommene 8-Stunden-Grenze ist dabei sachgerecht.“
30Die nur stundenweise Verhinderungspflege lässt den grundsätzlich dauerhaft bzw. für einen vollen Kalendermonat entstehenden Anspruch auf Pflegegeld und Pflegezuschlag nicht entfallen, weil sie die durchgehend erforderliche häusliche Pflege nicht vollständig ersetzt, sondern nur neben diese tritt und diese lediglich für einen Teil eines Tages – hier zwei bis drei, jedenfalls weniger als acht Stunden pro Tag – ersetzt. Der Ausgleich des Pflegeaufwands, der mit dem Pflegegeld und dem Pflegezuschlag ausgeglichen werden soll, ist gesetzlich verankert und wird durch eine stundenweise Verhinderungspflege nur in einem so geringen Umfang unterbrochen, dass die Kumulation von Leistungen der Pflegeversicherung bzw. des Beihilfeträgers wegen der Grundpflege und der Verhinderungspflege nicht zu beanstanden ist, zumal Aufwendungen für Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI begrenzt, nämlich für längstens sechs Wochen im Kalenderjahr beihilfefähig sind (vgl. § 5a Abs. 8 S. 1 BVO).
31So liegt der Fall auch hier. Der Kläger nahm im Jahr 2017 Verhinderungspflege in Anspruch und erhielt zu den dadurch in der Form von Fahrtkosten entstandenen Aufwendungen Beihilfe. Diese Verhinderungspflege erfolgte nur für die Dauer von weniger als acht Stunden täglich. Nach den von dem Beklagten nicht in Zweifel gezogenen Angaben des Klägers vertraten verschiedene Personen an einzelnen Tagen für weniger als acht Stunden den durchgehend mit der häuslichen Pflege des Klägers betrauten, (wegen der Betreuung seiner Mutter) aber stundenweise verhinderten Bevollmächtigten des Klägers. In solchen Fällen besteht der Anspruch auf Pflegegeld und Pflegezuschlag weiterhin für den vollen Kalendermonat.
32Der Auffassung des Beklagten, Pflegegeld und Pflegezuschlag seien unterschiedlich zu behandeln, weil es sich beim Pflegegeld um eine Leistung handele, die mit den Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung (§§ 36 ff. SGB XI) korrespondiere, während der Pflegezuschlag nur aus Fürsorgegründen für Beihilfeberechtigte des Landes NRW gewährt werde, folgt das Gericht nicht. Unter Berücksichtigung des Ziels des Verordnungsgebers, aus Fürsorgegründen unter bestimmten Voraussetzungen Beihilfe zum Pflegezuschlag zu gewähren und damit besondere Unterstützung in den Fällen der Pflegegrade 4 und 5 zu erbringen, kann nicht angenommen werden, dass der Anspruch auf Beihilfe zum Pflegezuschlag bereits bei einer weniger als acht Stunden dauernden Verhinderungspflege und entsprechender Beihilfegewährung zu den dadurch entstehenden (zusätzlichen) Aufwendungen entfällt, während der Anspruch auf Beihilfe zum Pflegegeld weiterbesteht. Denn gerade in den Fällen, in denen aufgrund des höheren Pflegegrades (4 oder 5) ein Pflegezuschlag beihilfefähig ist, gelten wegen des damit bestehenden höheren bzw. intensiveren Pflegebedarfs die bereits zitierten Ausführungen des Bundessozialgerichts.
33Im Übrigen kann dem Wortlaut der Vorschrift nicht entnommen werden, dass der Anspruch auf Pflegegeld und Pflegezuschlag bei stundenweiser Verhinderungspflege nicht besteht. Denn in der Regelung des § 5a Abs. 4 S. 1 BVO heißt es, dass „für jeden nicht in Anspruch genommenen Tag“ das Pflegegeld und der Pflegezuschlag um ein Dreißigstel zu mindern ist, wenn der Anspruch auf Pflegegeld und Pflegezuschlag nicht für einen vollen Kalendermonat besteht. Der Fall, dass innerhalb eines Monats jeweils nur für wenige Stunden, nicht aber für ganze Tage die Voraussetzungen für den Anspruch auf Pflegegeld und Pflegezuschlag nicht erfüllt sind, wird schon vom reinen Wortlaut der Vorschrift nicht erfasst. Die Auffassung des Beklagten, auch die einen Teil eines Tages, nämlich nur einige Stunden umfassende Verhinderungspflege habe eine Minderung zur Folge, findet bereits im Wortlaut der Vorschrift keine Stütze.
34Dem Wortlaut der Regelungen in der BVO ist auch nicht zu entnehmen, dass im Falle einer nur stundenweisen Verhinderungspflege das Pflegegeld weiter gezahlt wird, aber der Anspruch auf den Pflegzuschlag entfällt, denn sowohl die anspruchsbegründende Regelung in § 5a Abs. 3 BVO („Neben dem Pflegegeld ist….ein Pflegezuschlag…beihilfefähig.“) als auch die Regelung zur Minderung des Beihilfeanspruchs in § 5a Abs. 4 S. 1 BVO („Besteht ein Anspruch auf Pflegegeld und Pflegezuschlag…., ist das Pflegegeld und der Pflegezuschlag….zu mindern.“) nennen das Pflegegeld und den Pflegezuschlag ohne Abstufung gleichwertig nebeneinander. Sofern die Beihilfefähigkeit des Pflegegeldes und die des Pflegezuschlags sich unter bestimmten Voraussetzungen unterscheiden und voneinander abweichen, sind diese Fälle – beispielsweise in § 5a Abs. 4 S. 2 und 3 und Abs. 7 S. 2 BVO – ausdrücklich geregelt. Hätte der Verordnungsgeber für den Fall der stundenweisen Verhinderungspflege den Anspruch auf den Pflegezuschlag ebenfalls anders als den auf das Pflegegeld behandeln wollen, hätte er dies entsprechend regeln können. Da dies nicht erfolgt ist, gibt es keine verordnungsrechtliche Grundlage für eine Beschränkung des Beihilfeanspruchs auf den Pflegezuschlag im Fall der stundenweisen Verhinderungspflege.
35Da bei stundenweiser Verhinderungspflege der Anspruch auch auf den Pflegezuschlag somit für den vollen Kalendermonat besteht, gibt es in diesen Fällen keinen Raum für eine Minderung des Pflegezuschlags gem. § 5a Abs. 4 S. 1 BVO. Wenn der Beklagte in Fällen der stundenweisen Verhinderungspflege dennoch den Beihilfeanspruch auf den Pflegezuschlag nach § 5a Abs. 3 S. 2 BVO um jeweils ein Dreißigstel des monatlichen Anspruchs für jeden Tag, an dem stundenweise Verhinderungspflege in Anspruch genommen wurde, mindert, findet dies in der BVO keine Stütze.
36Der Beklagte kann auch nicht mit dem Vorbringen durchdringen, aus § 5a Abs. 4 S. 2 BVO ergebe sich nur für das Pflegegeld, nicht aber für den Pflegezuschlag eine „Ausnahme“ von der in S. 1 geregelten Minderungspflicht, weil die BVO eine solche Ausnahme für den Pflegezuschlag nicht regele, sei dieser zu mindern. § 5a Abs. 4 S. 2 BVO regelt aber keine „Ausnahme“ von der Minderungspflicht für das Pflegegeld, sondern einen zusätzlichen Beihilfeanspruch auf Pflegegeld für den Fall einer nach S. 1 der Vorschrift durchgeführten Minderung. Da eine solche Minderung aber – wie ausgeführt – im Falle der stundenweisen Verhinderungspflege gar nicht erst vorzunehmen war, kam es hier auf die Regelung des § 5a Abs. 4 S. 2 BVO nicht an.
37Ungeachtet der Frage, ob die Verwaltungsvorschriften, die sich für den streitgegenständlichen Zeitraum aus dem Runderlass des Ministers der Finanzen vom 15. September 2016 (MBl.NRW.S.524) ergeben, überhaupt Außenwirkung entfalten, kann sich der Beklagte zur Minderung des Beihilfeanspruchs auf Pflegezuschlag hierauf nicht stützen. Darin heißt es zwar unter Nummer 5a.3.6 zur Anrechnung der stundenweisen Verhinderungspflege auf den Anspruch auf Kurzzeitpflege: „Das Pflegegeld wird für die Zeit nicht gekürzt“, woraus der Beklagte wegen der Nichterwähnung des Pflegezuschlags den Umkehrschluss zieht, der Pflegezuschlag sei bei stundenweiser Verhinderungspflege zu kürzen. Dem steht aber bereits entgegen, dass diese Verwaltungsvorschriften sich zum Pflegezuschlag gar nicht verhalten konnten und aus der fehlenden Nennung daher Schlüsse nicht zu ziehen sind, weil die gesetzliche Regelung der Gewährung von Beihilfe zum Pflegezuschlag erst durch die Verordnung zur Änderung der BVO vom 16. Dezember 2016 mit Wirkung zum 1. Januar 2017 in die BVO, also nach Erlass der Verwaltungsvorschriften, aufgenommen wurde. Zum Pflegezuschlag konnten die hier anzuwendenden Verwaltungsvorschriften noch gar keine Regelung enthalten.
38Auch der Hinweis des Beklagten auf die Verwaltungsvorschriften zur Ausführung der BVO in der Fassung vom 29. August 2018 (MBL.NRW. Seite 485), wonach gemäß Nummer 5a.4.4 bei „einer stundenweisen Verhinderung der Pflegeperson von weniger als 8 Stunden am Tag ein Anspruch auf das volle Pflegegeld (ohne Pflegezuschlag)“ besteht, mithin der Anspruch auf den Pflegezuschlag nicht bestehe, geht ins Leere. Da diese Verwaltungsvorschriften für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht gelten, war vorliegend nicht zu entscheiden, ob sie mit den Regelungen der BVO übereinstimmen.
39Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
40Rechtsmittelbelehrung:
41Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
42Auf die seit dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
43Die Berufung ist nur zuzulassen,
441. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
452. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
463. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
474. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
485. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
49Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen.
50Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen.
51Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
52Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
53B e s c h l u s s :
54Der Streitwert wird auf 794,36 € festgesetzt.
55G r ü n d e :
56Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 3 S. 1 GKG erfolgt.
57Rechtsmittelbelehrung:
58Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
59Auf die seit dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
60Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
61Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
62Die Beschwerdeschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
63War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.