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Die aufschiebende Wirkung der Klage 24 K 6000/22 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 00. Juli 2022 (Ziffer 1. und 2.) wird angeordnet.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
2A. Die Einzelrichterin ist zuständig, nachdem ihr die Kammer den Rechtsstreit zur Entscheidung übertragen hat, § 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
3B. Der am 00. August 2022 sinngemäß gestellte und mit Schriftsatz vom 00. September 2022 konkretisierte Antrag,
4die aufschiebende Wirkung der Klage 24 K 6000/22 gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 00. Juli 2022 (Ziffer 1. und 2.) anzuordnen,
5hat Erfolg.
6Der Antrag ist zulässig und begründet.
7Der Antrag ist zulässig. Er ist insbesondere als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der am selben Tag erhobenen Klage (24 K 6000/22) gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO statthaft. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung einer Klage anordnen, wenn die aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes entfällt. Dies ist hier der Fall, da die Klage der Antragstellerin hinsichtlich Ziffer 1 des Bescheides vom 00. Juli 2022 gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 20a Abs. 5 Satz 4 Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung in Ziffer 2 des Bescheides entfällt die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 112 Gesetz über die Justiz im Land Nordrhein-Westfalen (Justizgesetz Nordrhein-Westfalen – JustG NRW).
8Der Antrag ist auch begründet. Das Gericht macht von der ihm durch § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO eingeräumten Befugnis, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen einen sofort vollziehbaren Verwaltungsakt anzuordnen, Gebrauch, wenn eine Interessenabwägung ergibt, dass das private Interesse des Betroffenen, von Vollziehungsmaßnahmen (vorerst) verschont zu bleiben, gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Durchsetzung der getroffenen Maßnahme überwiegt. Bei der Interessenabwägung spielt neben der gesetzgeberischen Grundentscheidung die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des zu vollziehenden Verwaltungsakts eine wesentliche Rolle. Ergibt diese – im Rahmen des Eilrechtsschutzes allein mögliche und gebotene summarische – Prüfung, dass der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, überwiegt regelmäßig das Aussetzungsinteresse des Antragstellers, da an der Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts grundsätzlich kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich der Verwaltungsakt hingegen als offensichtlich rechtmäßig, überwiegt nach der gesetzgeberischen Wertung das behördliche Vollzugsinteresse. Erscheinen die Erfolgsaussichten in der Hauptsache als offen, ist die Entscheidung auf der Grundlage einer umfassenden Folgenabwägung vorzunehmen.
9Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe fällt die Interessenabwägung vorliegend zu Gunsten der Antragstellerin aus. Die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 00. Juli 2022 ist nach summarischer Prüfung rechtswidrig.
10I. Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage hinsichtlich des angeordneten Tätigkeitsverbots ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Denn es handelt sich um einen Dauerverwaltungsakt.
11Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 30. August 2022 – 29 L 1703/22 – juris, Rn. 8; VG Neustadt a.d.W., Beschluss vom 20. Juli 2022 – 5 L 585/22.NW –, juris, Rn. 20; Gerhardt, Infektionsschutzgesetz, 6. Aufl. 2022, IfSG § 20a Rn. 118.
12Rechtsgrundlage des in Ziffer 1 des Bescheides angeordneten Tätigkeitsverbotes ist § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG. Nach dieser Vorschrift kann das Gesundheitsamt unter anderem einer Person, die trotz einer Anforderung nach § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG keinen Nachweis innerhalb einer angemessenen Frist vorlegt, untersagen, dass sie die dem Betrieb einer in § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG genannten Einrichtung oder eines dort genannten Unternehmens dienenden Räume betritt oder in einer solchen Einrichtung oder einem solchen Unternehmen tätig wird. § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG sieht wiederum vor, dass die in § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG genannten Personen dem Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung oder das jeweilige Unternehmen befindet, auf Anforderung einen Nachweis nach § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG vorzulegen haben. Gemäß § 20a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 IfSG müssen Personen, die in den in § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 IfSG im Einzelnen genannten Einrichtungen oder Unternehmen des Pflege- und Gesundheitssektors tätig sind, ab dem 15. März 2022 über einen Impf- und Genesenennachweis im Sinne des § 22a Abs. 1 oder Abs. 2 IfSG verfügen, es sei denn sie können aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden (vgl. § 20a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 4 IfSG).
13Die Einzelrichterin hat keine erheblichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Rechtsgrundlage. Eine Verfassungswidrigkeit der dargestellten Vorschriften, insbesondere des § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG, ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht festzustellen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich im April mit der Verfassungsmäßigkeit der in Rede stehenden Regelungen befasst und diese bejaht.
14Vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 – 1 BvR 2649/21 –, juris.
15Die Vorschrift des § 20a IfSG ist auch bis zum Zeitpunkt dieser gerichtlichen Entscheidung nicht durch die weitere Entwicklung des Pandemiegeschehens offenkundig in die Verfassungswidrigkeit hineingewachsen.
16Vgl. jüngst OVG NRW, Beschluss vom 19. September 2022 – 13 B 859/22 –, juris, Rn. 5 ff.; ausführlich bereits VG Düsseldorf, Beschluss vom 30. August 2022 – 29 L 1703/22 – juris, Rn. 25 ff.; VG Neustadt a.d.W., Beschluss vom 20. Juli 2022 – 5 L 585/22.NW –, juris Rn. 23 ff.
17Dabei verkennt das Gericht nicht, dass die Datenlage nach wie vor lückenhaft ist und jedenfalls die Impfstoffe, welche bislang zur Verfügung standen, eine Infektion mit dem Virus – insbesondere in den Omikron-Varianten – sowie auch dessen Weitergabe nicht ausschließen. Nach den Ausführungen des Robert Koch-Instituts, der nationalen Behörde zur Vorbeugung übertragbarer Krankheiten sowie zur frühzeitigen Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 IfSG), auf seiner Internetseite stellt sich die Erkenntnislage – zusammengefasst – so dar, dass die Transmission, das heißt die Virusübertragung, unter Omikron bei Geimpften weiterhin reduziert zu sein scheint, wobei das Ausmaß der Reduktion nicht vollständig geklärt sei. Haushaltsstudien aus Norwegen und Dänemark zeigten, dass eine Impfung auch unter vorherrschender Zirkulation der Omikron-Variante die Übertragbarkeit um ca. 6 bis 21 % nach Grundimmunisierung und nach Auffrischimpfung um weitere 5 bis 20 % reduziere.
18Vgl. RKI, Wie wirksam sind die Covid-19-Impfstoffe?, Stand: 18. August 2022, abrufbar unter https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/FAQ_Liste_Wirksamkeit.html, zuletzt abgerufen am 22. September 2022; vgl. auch BzgA, Informationen zur Corona-Schutzimpfung, abrufbar unter https://www.infektionsschutz.de/download/5798-1657894061-BZgA_Merkblatt_Pflege.pdf/, zuletzt abgerufen am 22. September 2022; RKI, Epidemiologisches Bulletin, STIKO: 20. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung, S. 5 und 39, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2022/Ausgaben/21_22.pdf?__blob=publicationFile.
19Bestehen danach weiterhin Anhaltspunkte für eine nicht nur unwesentliche Reduzierung des Transmissionsrisikos, werden die bisherigen Annahmen des Gesetzgebers zu einer relevanten Schutzwirkung der Impfung gegenüber vulnerablen Personen nicht durchgreifend erschüttert.
20Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. September 2022 – 13 B 859/22 –, juris, Rn. 22.
21Auch das Bundesverwaltungsgericht hat sich in zwei Beschlüssen vom 7. Juli 2022 (Az. 1 WB 2.22 und 1 WB 5.22), die Beschwerden von zwei Luftwaffenoffizieren gegen die Verpflichtung, die Covid-19-Impfung zu dulden, betrafen, nach einer von ihm durchgeführten umfangreichen Sachverständigenanhörung der Bewertung des Bundesverfassungsgerichts angeschlossen, dass die Impfung gegenüber der nunmehr vorherrschenden Omikron-Variante nach wie vor eine noch relevante Schutzwirkung im Sinne einer Verringerung der Infektion und Transmission habe.
22Das von der Antragsgegnerin angeordnete Verbot „für die T. tätig zu werden“ lässt sich indessen aus mehreren – selbstständig tragenden – Gründen nicht auf § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG stützen. Die angeordnete Rechtsfolge überschreitet die im Rahmen der in der Ermächtigungsgrundlage vorgesehenen Möglichkeiten (1.). Die Antragsgegnerin überschreitet zudem das ihr zustehende Ermessen, wenn sie ein Tätigkeitsverbot für die T. als Einrichtung gemäß § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG aufrecht erhält, aber die Tatbestandsvoraussetzungen in Bezug auf diese Einrichtung nicht mehr für gegeben hält (2.).
231. Das angeordnete Verbot geht in seinen Rechtsfolgen über die von der Ermächtigungsgrundlage vorgesehenen Möglichkeiten hinaus. Diese beinhaltet als mögliche Folgen, zu untersagen, dass die betroffene Person die dem Betrieb einer in § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG genannten Einrichtung oder eines dort genannten Unternehmens dienenden Räume betritt oder „in“ einer solchen Einrichtung oder einem solchen Unternehmen tätig wird. Diese Beschränkung eines Tätigkeitsverbots auf die in Rede stehende Einrichtung wird dem Schutzzweck, die in der Einrichtung aufhältigen vulnerablen Personen zu schützen,
24vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 – 1 BvR 2649/21 –, juris, Rn 154,
25vollständig gerecht. Den von einem Betretens- oder Tätigkeitsverbot betroffenen Personen wird indessen die Möglichkeit belassen, in anderen Räumlichkeiten, insbesondere im Homeoffice tätig zu werden, wo keine Gefahr der Transmission des Virus an vulnerable Personen im Falle einer Infektion besteht. Sie sind dann nicht „in“ der Einrichtung im Sinne des § 20a IfSG tätig.
26vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 – 1 BvR 2649/21 –, juris, Rn 214 im Zusammenhang mit § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG, OVG NRW, Beschluss vom 19. September 2022 – 13 B 859/22 –, juris, Rn. 75.
27Wird allerdings angeordnet, „für“ ein bestimmtes Unternehmen oder eine bestimmte Einrichtung tätig zu werden, so umfasst ein solches Verbot jegliche Tätigkeiten im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses bei dem Unternehmen und damit insbesondere auch Tätigkeiten außerhalb der betroffenen Einrichtung, etwa im Homeoffice.
282. Das Tätigkeitsverbot für die T. ist zudem ermessensfehlerhaft ergangen. Nach der Rechtsprechung des BVerfG legt der § 20a IfSG zugrundeliegende Regelungszweck, vulnerable Personen zu schützen, sowohl die Anforderung des Nachweises als auch – bei dessen nicht rechtzeitiger Vorlage – den Erlass einer Anordnung nach § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG in der Regel nahe. Vorbehaltlich besonders gelagerter Einzelfälle dürfe daher für das Gesundheitsamt letztlich kein relevanter Spielraum bestehen.
29Vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 – 1 BvR 2649/21 –, juris, Rn. 85; in diesem Sinne auch Kießling, Infektionsschutzgesetz, 3. Aufl. 2022, IfSG § 20a Rn. 83.
30In den Blick zu nehmen ist aber auch, dass der Gesetzgeber für bereits zum 15. März 2022 in einer von § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG erfassten Einrichtung tätige Personen – wie die Antragstellerin – kein sich unmittelbar kraft Gesetzes ergebendes Betretungs- oder Tätigkeitsverbot geregelt, sondern dessen Anordnung nach § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG gerade von einer ermessensgeleiteten Einzelfallentscheidung des Gesundheitsamts abhängig gemacht hat. Die zuständige Behörde muss das ihr eingeräumte Ermessen (rechtmäßig) ausüben und darf dessen Grenzen nicht über- oder unterschreiten. Darüber hinaus muss sich das Gesundheitsamt des Eingriffs seiner Maßnahmen in die Grundrechte der betroffenen Person aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 12 Abs. 1 GG bewusst sein.
31Vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 – 1 BvR 2649/21 –, juris Rn. 147, 215.
32Ermessenserwägungen können auch während des Verfahrens nachgeschoben werden (vgl. § 114 Satz 2 VwGO). Handelt es sich – wie hier – um einen Dauerverwaltungsakt, kann selbst der Austausch wesentlicher Ermessenserwägungen zulässig sein, soweit die Begründung des Verbots (nur) für die Zukunft geändert wird. Könnte die Behörde den gegenständlichen Verwaltungsakt mit neuer Begründung neu erlassen, kann sie ihn auch mit geänderter Begründung für die Zukunft aufrechterhalten. Da für die rechtliche Beurteilung von Dauerverwaltungsakten grundsätzlich die jeweils aktuelle Sach- und Rechtslage maßgeblich ist, muss das Prozessverhalten des Betroffenen sich auf zukunftsbezogene Veränderungen einstellen.
33Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 8 C 46.12 –, juris, Rn. 33; BayVGH, Beschluss vom 25. August 2016 – 9 ZB 13.1993 –, juris, Rn. 14.
34Die behördliche Entscheidung wird den dargestellten Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ermessensausübung zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht gerecht. Insoweit ist zwar nicht schon als solches zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin, die ursprünglich den Bescheid im Wesentlichen mit der Begründung erließ, die Antragstellerin komme als medizinisch-technische Assistentin in der Klinik mit vulnerablen Patienten in Kontakt, von diesem Sachverhalt nicht mehr ausgeht und ihre Erwägungen ausgetauscht hat.
35Die Antragsgegnerin hat jedoch auch unter Berücksichtigung der nachgeschobenen Erwägungen die Grenzen des ihr zustehenden Ermessens überschritten. Denn nach ihrer Auffassung fällt die Antragstellerin nicht mehr unter den Tatbestand des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a IfSG (Tätigkeit in einem Krankenhaus). Ist das der Fall, darf sie keine darauf bezogene Rechtsfolge anordnen bzw. aufrecht erhalten. Dies gilt auch, soweit sie annimmt, die Antragstellerin übe eine Tätigkeit gemäß § 20a Abs. 1 Nr. 1h IfSG (Tätigkeit in Arztpraxen, Zahnarztpraxen) aus. Denn die Erfüllung des Tatbestands der Nr. 1h würde sie lediglich dazu ermächtigen, für jene Einrichtung (also die betroffene Arztpraxis oder Zahnarztpraxis) ein Verbot gemäß § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG anzuordnen, nicht für jegliche andere Einrichtung, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen diesbezüglich nicht erfüllt sind.
36Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob die Tätigkeit der Antragstellerin als eine solche gemäß § 20a Abs. 1 Nr. 1a IfSG (Tätigkeit in einem Krankenhaus) einzuordnen ist. Insoweit wird indessen auf folgendes hingewiesen:
37Die Vorschrift des § 20a IfSG bezieht sich nicht lediglich auf ärztliches und pflegerisches Personal, sondern auch auf sonstige Betreuungskräfte sowie andere dort tätige Personen, wie zum Beispiel Hausmeister oder Transport-, Küchen- oder Reinigungspersonal.
38Vgl. BT-Drs. 20/188, S. 38; OVG NRW, Beschluss vom 19. September 2022 – 13 B 859/22 –, juris, Rn. 98.
39Die Erstreckung des Anwendungsbereichs auch auf solche Personen ist nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts gerechtfertigt, da eine Transmission indirekt durch in der Luft befindliche akkumulierte infektiöse Partikel (Infektionen über Aerosole) erfolgen kann, ohne dass ein direkter Kontakt mit einer infizierten Person besteht. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf zeitlich aufeinanderfolgende Aufenthalte in einem Raum, sondern auch im Hinblick auf gemeinsam nutzbare Ein- und Ausgänge oder Flurbereiche und nicht zuletzt für den Fall des zufälligen direkten Kontakts innerhalb eines Gebäudes. Ungeachtet dessen besteht auch das Risiko von Übertragungsketten, wenn etwa Personen ohne Immunschutz, die keinen direkten Kontakt mit Vulnerablen haben, mit anderen in der Einrichtung tätigen Personen einen solchen Kontakt haben, diese infizieren und diese ihrerseits das Virus an Vulnerable weitergeben.
40Vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 – 1 BvR 2649/21 –, juris, Rn. 179 ff.
41Nach den aktuellen Erkenntnissen der Antragsgegnerin gibt es in Bezug auf die Patienten der Klinik keine zeitlich aufeinanderfolgenden Aufenthalte in einem Raum, gemeinsam genutzte Ein- und Ausgänge oder Flurbereiche oder zufälligen direkten Kontakt innerhalb des Gebäudes. Unklar und derzeit nicht ausgeschlossen erscheint nach dem Stand der Sach- und Rechtslage indessen das Risiko von Übertragungsketten, wenn die Antragstellerin Kontakt mit betreuendem Personal hat (insbesondere, wenn dieses die betriebsärztlichen Räumlichkeiten aufsucht).
42Soweit der Kontakt zu betreuendem Personal nach Ermittlung des Sachverhalts angenommen und entsprechend der Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts für die Bejahung des Tatbestands als ausreichend erachtet wird, wäre im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen, wie groß der Nutzen eines Tätigkeitsverbots im Hinblick auf den verfolgten Zweck, vulnerable Personen vor einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu schützen, in Relation zu dem in Rede stehenden Eingriff ist, wenn kein direkter Kontakt zu Vulnerablen stattfindet, das betreuende Personal weit überwiegend selbst geimpft ist und die Verpflichtung zum Tragen eines Mund- und Nasenschutzes besteht. Zudem wäre unter Gleichheitsaspekten zu bedenken, dass ein Teil der ungeimpften Belegschaft mit direktem Kontakt zu den vulnerablen Patienten nicht mit einem Tätigkeitsverbot belegt wurde – insoweit wird indessen darauf hingewiesen, dass die Funktionsfähigkeit der Klinik grundsätzlich ein geeignetes Differenzierungskriterium darstellt. Im Übrigen wäre zu berücksichtigen, inwieweit ein Verbot, welches sich allein darauf bezieht, bestimmte Räumlichkeiten zu betreten, ein milderes Mittel im Verhältnis zu einem umfassenden Tätigkeitsverbot darstellt und den Zweck des Schutzes der vulnerablen Gruppen in gleicher Weise gewährleistet. Insoweit wäre auch zu bedenken, dass der Antragstellerin bei einer reinen örtlichen Beschränkung Optionen bleiben, mit ihrem Arbeitgeber eine Lösung für die Fortführung der Tätigkeit zu verhandeln, selbst wenn diese bislang anders (insbesondere nicht im Homeoffice) ausgeübt wurde.
43Im Übrigen kann dahinstehen, ob die Räumlichkeiten des betriebsärztlichen Dienstes als Arztpraxis i.S.d. § 20a Abs. 1 Nr. 1h IfSG einzuordnen sind. Denn insoweit hat die Antragsgegnerin kein Betretens- oder Tätigkeitsverbot erlassen.
44II. Da mit Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids kein vollziehbarer Grundverwaltungsakt mehr vorliegt, war auch die aufschiebende Wirkung hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung anzuordnen.
45C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Die Einzelrichterin legt mangels anderweitiger Anhaltspunkte den Auffangstreitwert des § 52 Abs. 2 GKG zugrunde. Von einer Reduzierung des Streitwertes auf die Hälfte des in der Hauptsache maßgeblichen Streitwertes entsprechend Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (2013) wird abgesehen, da die angegriffene Ordnungsverfügung nur bis zum 31. Dezember 2022 gilt und der Antrag des Antragstellers damit inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache abzielt.
46Rechtsmittelbelehrung:
47(1) Gegen die Entscheidung über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet.
48Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingelegt werden.
49Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) eingeht.
50Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
51Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sind durch einen Prozessbevollmächtigten einzureichen. Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
52Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
53(2) Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird.
54Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
55Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
56Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
57Die Beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
58War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.