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Die durch Bescheid des N. vom 11. September 2020 angeordnete vorläufige Dienstenthebung wird ausgesetzt.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
2I.
3Der im Jahr 1989 geborene Antragsteller steht als Polizeibeamter im Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen. Das Amtsgericht F. erließ am 00.00.2020 einen Durchsuchungsbeschluss (00 Xx 0000/00), der am 00.00.2020 vollstreckt wurde. Die Durchsuchung hatte insbesondere den Zweck, folgende Beweismittel aufzufinden:
4Mobilfunkgeräte oder sonstige Datenträger mit Dateien mit Bezug zu nationalsozialistischem bzw. volksverhetzendem Gedankengut,
Schriftstücke und Gegenstände mit Bezug zu nationalsozialistischem bzw. volksverhetzendem Gedankengut.
Das N. (N1. NRW) leitete am 11. September 2020 ein Disziplinarverfahren gegen den Antragsteller ein. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Die Staatsanwaltschaft F. ermittele gegen den Beamten wegen des Verdachts des Verstoßes gegen § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 StGB sowie § 130 StGB. Der Beamte sei Mitglied der WhatsApp-Chat-Gruppe „C. “, die aus 16 Mitgliedern, die bis auf eine unbekannte Rufnummer sämtlich als Polizeibeamte beim Polizeipräsidium G. und dort in O. beschäftigt seien oder waren, bestehe. Der Beamte solle zwischen dem 1. Juni 2015 und dem 7. März 2020 vier von insgesamt 126 strafrechtlich relevanten Bilddateien in die WhatsApp-Chat-Gruppe „C. " gepostet und 124 dieser Exemplare erhalten haben. In der WhatsApp-Chat-Gruppe „E.“ solle er ein Bild dieser Art erhalten haben. Es bestehe der Verdacht eines Dienstvergehens durch Verletzung der politischen Treuepflicht, der Pflicht zur politischen Mäßigung sowie der Wohlverhaltenspflicht (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG, § 33 Abs. 2 BeamtStG und § 34 Satz 3 BeamtStG). Das N1. NRW setzte das Disziplinarverfahren gleichzeitig wegen der laufenden strafrechtlichen Ermittlungen gemäß § 22 Abs. 1 LDG NRW aus.
8Der Antragsteller wurde mit Verfügung vom selben Tag vorläufig des Dienstes enthoben. Ihm wurde das Tragen der Dienstkleidung und Dienstausrüstung sowie das Führen dienstlicher Ausweise und Waffen untersagt.
9Das Landgericht F. wies die Beschwerde gegen die Durchsuchungsanordnung mit Beschluss vom 8. Dezember 2020 zurück (00 Xx-000 Xx 000/00-00/00). Der Erklärungsinhalt zweier Bilder, die der Antragsteller in die WhatsApp-Chatgruppe „C. “ eingestellt habe, beinhalte einen Angriff auf die Menschenwürde von Personen mit schwarzer Hautfarbe durch böswilliges Verächtlichmachen. Kernaussage der Bilder sei der Vergleich von Menschen mit schwarzer Hautfarbe mit Affen, wodurch sie als minderwertig gegenüber Menschen mit weißer Hautfarbe dargestellt würden. Der Angriff auf die Menschenwürde sei bei einem solchen Vergleich offensichtlich.
10Das Amtsgericht O. setzte mit Strafbefehl vom 6. Juli 2021, rechtskräftig seit dem 24. Juli 2021, wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bildaufnahmen gemäß § 201a Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F., § 205 StGB eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 65,- Euro gegen den Beamten fest. Er habe am 16. Januar 2019 in die WhatsApp-Gruppe „C. " ein Video eingestellt, in dem aus nächster Nähe ein Mann in einem verunfallten Fahrzeug sitzend gezeigt werde, der schwerste Verletzungen am Kopf und am Oberkörper aufweise. Hinsichtlich der weiteren Vorwürfe (Verstoß gegen § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 StGB sowie § 130 StGB) wurde das Strafverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
11Die Disziplinarkammer ordnete auf Antrag des Antragsgegners mit Beschluss vom 5. Juli 2021 die Beschlagnahme der aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts F. vom 9. September 2020 (00 Xx 0000/00) sichergestellten Gegenstände (ein Handy, eine Festplatte, ein Laptop und ein USB-Stick) für die Zwecke des Disziplinarverfahrens an (35 K 590/21). Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies das OVG NRW mit Beschluss vom 16. September 2021 zurück (3d E 643/21.O).
12Das N1. NRW setzte mit Verfügung vom 7. September 2021 das Disziplinarverfahren fort und konkretisierte die Vorwürfe wie folgt: Der Beamte stehe im Verdacht, in die Chatgruppe „C. “ folgende Mediendateien eingestellt zu haben:
1301.06.2015 |
Bild (Meme) mit Aufschrift „Der Affe mit seinem Neger" |
05.07.2017 |
Zwei Videodateien mit bislang nicht näher beschreibbarem Inhalt. Ausweislich der Strafakte könnte ein rechtsradikaler Bezug bestehen. Mutmaßlich handelt es sich hierbei um zwei Videos, in denen jeweils ein Landwirt augenscheinlich rechtsradikale Beleidigungen gegenüber vermeintlichen Asylsuchenden ausspricht. In einem Video beschimpfe dieser Kinder und verjage diese mit einem Mähdrescher. In einem anderen Video wecke der Bauer augenscheinlich früh morgens Asylsuchende in einem Wohnheim und bezeichne diese als „Kanacken". |
21.06.2018 |
Video eines Straßenzuges mit zahlreichen Deutschlandfahnen |
12.12.2018 |
Bild (Meme) mit Aufschrift „Gemeinsam gegen Rassismus" (eine hellhäutige menschliche Hand greift eine dunkelhäutige Hand eines Primaten) |
15.03.2019 |
Videomitschnitt des Terroranschlags in Christchurch (Neuseeland) |
09.10.2019 |
Videomitschnitt des Terroranschlags in Halle |
07.03.2020 |
Screenshot eines Russia Today-Artikels „Turnschuhe mit vermeintlichem Hitler-Konterfei: Vorwürfe gegen Sportmarke R. " |
Der genaue Kontext der eingestellten Medien sei bislang unbekannt, da der jeweilige Zusammenhang / Chatverlauf, in dem die Medien eingestellt worden seien, in der Strafakte nicht im Einzelnen dokumentiert sei.
15Zudem stehe der Antragsteller im Verdacht, bis zu 300 möglicherweise entsprechend dem Tatvorwurf inkriminierte Mediendateien in der Chatgruppe „C. ", 12 Mediendateien in der Chatgruppe „C1. ", 6 Mediendateien in der Chatgruppe „C2. " sowie 6 Mediendateien in der Chatgruppe „D. " empfangen zu haben, ohne sich hiervon in angemessener Weise distanziert zu haben.
16Nicht zuletzt bestehe der Verdacht, dass der Antragsteller sich durch Textnachrichten aktiv am Chatgeschehen beteiligt habe. Unter anderem solle er in zwei Fällen „jemand als Neger bezeichnet" haben. Ausweislich weiterer vorliegender Fragmente des Chatverlaufs „C. " soll er u.a. am 26. August 2017 eine eingestellte Datei mit den Worten „Schön deportiert die Schweine" kommentiert haben. Am 28. September 2017 solle er in bislang nicht bekanntem Kontext „Gerade an uns vorbei marschiert" geschrieben haben. Auf die Nachfrage eines anderen Chatteilnehmers „Mit arm oben?" solle er hierauf „[3x Smiley] Haben uns vernünftig gegrüsst, ist doch klar“ geschrieben haben.
17Die Auswertung erstrecke sich auf die folgenden Zeiträume, in denen der Antragsteller Mitglied in den fraglichen Chatgruppen gewesen sein solle:
18C. |
27.05.2015 — 02.09.2020 |
C1. |
07.10.2014 — 06.07.2015 |
C2. |
04.09.2014 — 02.09.2020 |
D. |
ab 28.11.2014 |
Das Disziplinarverfahren werde darüber hinaus ausgedehnt. Aus dem Strafbefehl vom 6. Juli 2021 ergebe sich der Verdacht, dass der Antragsteller am 16. Januar 2019 in die Chatgruppe „C. " eine Datei eingestellt habe, die als strafbar eingestuft wurde.
20Der Antragsteller hat am 13. September 2021 den vorliegenden Antrag auf Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung gestellt. Er trägt im Wesentlichen vor: Der disziplinarrechtliche Vorwurf, er habe sich wegen der Verwendung von Symbolen verfassungsfeindlicher Organisationen und wegen Volksverhetzung strafbar gemacht, sei durch den zwischenzeitlichen Abschluss des Strafverfahrens nicht mehr haltbar. Eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis sei – auch nach Ausdehnung des Disziplinarverfahrens auf die strafrechtlich geahndete Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bildaufnahmen – nicht wahrscheinlich.
21Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
22die durch Bescheid des N. vom 11. September 2020 angeordnete vorläufige Dienstenthebung auszusetzen.
23Der Antragsgegner beantragt,
24den Antrag abzulehnen.
25Er führt im Wesentlichen aus: Zwar sei das Strafverfahren wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen durch die Staatsanwaltschat F. eingestellt worden, da für die in die (geschlossene) Chatgruppe eingestellten Inhalte das Tatbestandsmerkmal des Verbreitens i.S.d. § 86a StGB nicht vorlag. Der disziplinarrechtlich relevante Sachverhalt des Einstellens von Beiträgen mit rassistischem oder menschenverachtendem Inhalt habe sich aber bestätigt. Dem Beamten werde vorgeworfen, mehrere rassistische oder menschenverachtende Inhalte in besagte WhatsApp-Chatgruppe aktiv eingestellt zu haben und dort über Jahre hinweg rassistische, nationalsozialistische oder menschenverachtende Inhalte empfangen und zur Kenntnis genommen zu haben, ohne sich hiervon - trotz aktiver Teilnahme am Chatverlauf - in angemessener Weise zu distanzieren.
26Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gerichtsakte 35 K 590/21 und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
27II.
28Der Antrag auf Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung hat Erfolg.
29Der Antrag ist gemäß § 63 Abs. 1 Halbsatz 1 LDG NRW statthaft. Nach dieser Vorschrift kann der Beamte die Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung beim Gericht der Hauptsache beantragen.
30Der Antrag ist auch begründet. Die durch Bescheid des N1. NRW vom 11. September 2020 angeordnete vorläufige Dienstenthebung des Antragstellers ist auszusetzen, weil zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen (vgl. § 63 Abs. 2 LDG NRW).
31Rechtsgrundlage für die vorläufige Dienstenthebung ist § 38 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW. Danach kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde einen Beamten gleichzeitig mit oder nach Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird.
32Die materielle Rechtmäßigkeit einer vorläufigen Dienstenthebung nach § 38 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW hängt folglich von der Prognose ab, ob das Disziplinarverfahren voraussichtlich zur Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis führt. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Dienstenthebung im Sinne von § 63 Abs. 2 LDG NRW sind zu bejahen, wenn nicht überwiegend wahrscheinlich ist, dass das gegen den Beamten geführte Disziplinarverfahren zu seiner Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führen wird.
33Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. Oktober 2016 – 3d B 1064/16.O -, juris, Rn. 9 (zu §§ 38, 63 LDG NRW); Bayerischer VGH, Beschluss vom 20. April 2011 - 16b DS 10.1120 -, juris, Rn. 34; OVG Bremen, Beschluss vom 16. Mai 2012 - DB B 2/12 -, juris, Rn. 19 m.w.N. (jeweils zu §§ 38, 63 BDG).
34Maßgeblich für die Prognose der voraussichtlichen Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme ist der Erkenntnisstand im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
35Vgl. VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 12. Dezember 2018 – 31 L 2400/18.O - und vom 15. August 2018 – 31 L 1469/18.O -; VG Berlin, Beschluss vom 1. März 2018 – 80 K 21/17 OL –, juris, Rn. 5.
36Da es sich bei dem Verfahren nach § 63 LDG NRW um ein disziplinarrechtliches Sonderverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes handelt, ist für eingehende Beweiserhebungen kein Raum. Das Gericht entscheidet vielmehr anhand einer ihrer Natur nach nur summarisch möglichen Beurteilung des Sachverhalts auf der Grundlage des aktuellen Sach- und Streitstandes, ob die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis wahrscheinlicher ist, als eine unterhalb der Höchstmaßnahme liegende Disziplinierung.
37Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 26. Oktober 2016 – 3d B 1064/16.O -, juris, Rn. 11 m.w.N., und vom 14. November 2007 – 21d B 1024/07.BDG, juris, Rn. 4;
38Hiervon ausgehend ist die Entfernung des Antragstellers aus dem Beamtenverhältnis derzeit nicht wahrscheinlicher als eine unterhalb der Höchstmaßnahme liegende Disziplinierung. Nach aktuellem Erkenntnisstand besteht zwar der hinreichend begründete Verdacht, dass der Antragsteller Dienstpflichtverletzungen begangen hat, die ein – einheitliches – Dienstvergehen im Sinne von § 47 Abs. 1 BeamtStG darstellen. Eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erscheint hiernach jedoch nicht überwiegend wahrscheinlich.
39Im Einzelnen:
401. Der Antragsteller ist aufgrund des Inhalts der vorliegenden Akten hinreichend verdächtig, zwei Dateien (laufende Nummern 1, 187 des sog. Medienkatalogs) in die Chatgruppe „C.“ eingestellt zu haben, die einen eindeutig menschenverachtenden und rassistischen Inhalt haben. Es handelt sich zum einen um ein Bild mit der Aufschrift „Der Affe mit seinem Neger" und zum anderen um ein Bild mit der Aufschrift „Gemeinsam gegen Rassismus" (eine hellhäutige menschliche Hand greift eine dunkelhäutige Hand eines Primaten). Hierzu heißt es in dem Beschluss des Landgerichts F. vom 8. Dezember 2020 (00 Xx- 000 Xx 000/00-00-00), mit dem die Beschwerde des Antragstellers gegen den im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ergangenen Durchsuchungsbeschluss verworfen wurde:
41„Diese beiden Bilddateien stellen […] ein der Schrift im Sinne des § 130 Abs. 2 Nr. 1 lit c. StGB entsprechendes Erzeugnis dar, das die Menschenwürde von Personen oder Personenmehrheiten als Teil der Bevölkerung im Sinne des § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB dadurch angreift, dass diese böswillig verächtlich gemacht werden. […] Schwarze Menschen stellen unstreitig eine Personenmehrheit im Sinne des § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB dar. […] Der Erklärungsinhalt der Bilder beinhaltet einen Angriff auf die Menschenwürde dieser Bevölkerungsgruppe durch böswilliges Verächtlichmachen. Verächtlich gemacht wird, wer durch Werturteil als Achtung der Bürger unwert oder unwürdig dargestellt wird; böswillig ist eine solche Äußerung, wenn sie aus feindseliger Gesinnung, in der Absicht zu kränken, hervorgebracht wird. […] Kernaussage der Bilder ist der Vergleich von Menschen mit schwarzer Hautfarbe mit Affen, wodurch sie als minderwertig gegenüber Menschen mit weißer Hautfarbe dargestellt werden. Der Angriff auf die Menschenwürde ist bei einem solchen Vergleich offensichtlich.“
42Dieser Bewertung schließt sich die Disziplinarkammer ausdrücklich an, ebenso wie zuvor schon der Disziplinarsenat des OVG NRW.
43Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. September 2021 – 3d E 643/21.O -, Seite 3 des Beschlussabdrucks.
44Der Antragsteller ist dadurch, dass er die beiden Bilddateien in den WhatsApp-Chat „C.“ eingestellt hat, zwar nicht hinreichend verdächtig, gegen die politische Treuepflicht (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) verstoßen zu haben. Er ist jedoch hinreichend verdächtig, hierdurch gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) verstoßen zu haben.
45§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG fordert, dass Beamtinnen und Beamte sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten.
46Die politische Treuepflicht gebietet, dass der Beamte den Staat und seine geltende Verfassungsordnung bejaht und dies nicht bloß verbal, sondern insbesondere in der beruflichen Tätigkeit dadurch, dass der Beamte die bestehenden verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorschriften beachtet und erfüllt und sein Amt aus dem Geist dieser Vorschriften heraus führt. Die politische Treuepflicht fordert mehr als nur eine formal korrekte, im Übrigen uninteressierte, kühle, innerlich distanzierte Haltung gegenüber Staat und Verfassung; sie fordert vom Beamten insbesondere, dass er sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren. Vom Beamten wird erwartet, dass er diesen Staat und seine Verfassung als einen hohen positiven Wert erkennt und anerkennt, für den einzutreten sich lohnt.
47Vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 – 2 BvL 13/73 –, juris; BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 – 2 C 25/17 –, juris.
48Das bloße Haben einer Überzeugung und die bloße Mitteilung, dass man diese habe, reichen für die Annahme einer Verletzung der dem Beamten auferlegten Treuepflicht aber grundsätzlich nicht aus. Ein Dienstvergehen liegt erst dann vor, wenn der Beamte aus seiner politischen Überzeugung Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten im Sinne seiner politischen Überzeugung zieht.
49Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 – 2 C 25/17 –, juris, Rn. 21; BVerfG, Beschlüsse vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 -, juris, und vom 6. Mai 2008 - 2 BvR 337/08 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 20. Mai 2015 – 3d A 756/13.O -, Seite 29 f. des Urteilsabdrucks.
50Das in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung geforderte „Mehr" als das bloße Haben und Mitteilen ist nicht erst bei einem offensiven Werben erreicht. Zwischen dem „bloßen" Haben und Mitteilen einer Überzeugung und dem planmäßigen werbenden Agieren oder gar Agitieren liegen differenzierungsfähige und erhebliche Abstufungen.
51Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 – 2 C 25/17 –, juris, Rn. 23.
52Nach diesen Maßgaben liegt in dem Versenden der zwei Dateien – obgleich mit eindeutig menschenverachtendem und rassistischem Inhalt – in die Chatgruppe „C. “ noch kein Verstoß gegen die politische Treuepflicht. Es ist derzeit nicht ersichtlich, dass der Antragsteller über das Versenden hinaus im oben dargestellten Sinne Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten im Sinne seiner politischen Überzeugung gezogen hätte.
53Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die (langjährige) Mitgliedschaft des Antragstellers in den verschiedenen Chatgruppen, in denen er mehr als 300 „inkriminierte Dateien“ empfangen haben soll, ohne sich hiervon „in angemessener Weise distanziert“ zu haben. Hierin kann allenfalls das Haben einer Überzeugung bzw. die konkludente Mitteilung an die übrigen Teilnehmer des Chats, dass man diese habe, gesehen werden. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass die hier in Rede stehenden Chatgruppen nicht ausschließlich Chats mit nationalsozialistischem, volksverhetzendem, menschenverachtendem oder rassistischem Inhalt enthielten.
54Der Antragsteller ist jedoch hinreichend verdächtig, durch das Einstellen der beiden Bilddateien in den WhatsApp-Chat „C. “ gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) verstoßen zu haben.
55Ein Beamter ist im Interesse der Akzeptanz und der Legitimation staatlichen Handelns verpflichtet, bereits den Schein der Identifikation mit einem dem freiheitlichen Rechtsstaat diametral entgegengesetzten Gedankengut und mit Vereinigungen zu vermeiden, die sich zu einem solchen Gedankengut bekennen. Schon das zurechenbare Setzen eines solchen Scheins stellt eine disziplinarrechtlich bedeutsame Dienstpflichtverletzung dar. Dies ist ohne Verstoß gegen die verfassungsrechtlich verbürgte Unschuldsvermutung anzunehmen, wenn das den „bösen Schein“ begründende (außerdienstliche) Verhalten (in besonderer Weise) geeignet ist, die Akzeptanz oder Legitimation staatlichen Handelns (in bedeutsamer Weise) zu beeinträchtigen. Pflichtwidrig handelt also auch der Beamte, der zwar kein Gegner der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist, durch konkretes Handeln aber diesen Rechtsschein hervorruft.
56Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17. Mai 2001 - 1 DB 15/01 -, juris, und vom 16. Juli 2012 - 2 B 16/12 -, juris, Rn. 10 ff.; OVG NRW, Urteil vom 20. Mai 2015 – 3d A 756/13.O -, Seite 20 des Urteilsabdrucks; Bayerischer VGH, Beschluss vom 28. April 2014 - 16b DC 12.2380 -, juris, Rn. 16; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 1. April 2014 - OVG 81 D 2/12 -, juris, Rn. 33; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4. August 1995 - 3 A 11324/95 -, juris, Rn. 44.
57Ein Verstoß gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten liegt mithin vor, wenn der Beamte den Eindruck erweckt, sich mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung entgegenstehendem Gedankengut zu identifizieren.
58Einen solchen Rechtsschein hat der Antragsteller gesetzt, indem er über mehrere Jahre Mitglied in verschiedenen WhatsApp-Chat-Gruppen war, in denen Bilder und Videos mit nationalsozialistischem, volksverhetzendem, menschenverachtendem und rassistischem Gedankengut verschickt wurden, wobei der Antragsteller auch selbst zwei Dateien mit offensichtlich menschenverachtendem und rassistischem Inhalt in den Chat eingestellt hat.
59Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 16. September 2021 – 3d E 643/21.O -, Seite 3 des Beschlussabdrucks, vom 25. März 2021 – 6 B 2055/20 -, juris, Rn, 29, und vom 5. Juni 2015 – 6 B 326/15 –, juris, Rn. 17 ff.
60Der Antragsteller hat damit jedenfalls innerhalb der Gruppe aktiv den Anschein gesetzt, sich mit menschenverachtendem und rassistischem Gedankengut zu identifizieren oder auch „nur“ mit ihm zu sympathisieren.
61Vor diesem Hintergrund kann offenbleiben, ob es für die Annahme eines Verstoßes gegen die Wohlverhaltenspflicht bereits ausreicht, dass der Antragsteller hinreichend verdächtig ist, in den in der Konkretisierungsverfügung vom 7. September 2021 genannten Zeiträumen von 2014/15 bis 2020 Mitglied in insgesamt vier Chatgruppen gewesen zu sein und insgesamt über 300 „inkriminierte Dateien“ empfangen zu haben, ohne sich hiervon „in angemessener Weise distanziert“ zu haben. Der Disziplinarsenat des OVG NRW hat in seinem Beschluss vom 16. September 2021 jedenfalls nicht auf die schlichte Mitgliedschaft des Antragstellers in dem Chat abgestellt, sondern darauf, dass er – und zwar mit „einschlägigen“ Dateien – selbst aktiv an dem Chat teilgenommen hat.
62Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. September 2021 – 3d E 643/21.O -, Seite 5 des Beschlussabdrucks.
632. Der Antragsteller ist außerdem hinreichend verdächtig, in die WhatsApp-Gruppe „C. " ein Video eingestellt zu haben, in dem aus nächster Nähe ein Mann in einem verunfallten Fahrzeug sitzend gezeigt wird, der schwerste Verletzungen am Kopf und am Oberkörper aufweist. Der hinreichende Tatverdacht ergibt sich aus den tatsächlichen Feststellungen des rechtskräftigen Strafbefehls des Amtsgerichts O. vom 6. Juli 2021, denen der Antragsteller nicht entgegengetreten ist.
64Durch das Einstellen des Videos in die WhatsApp-Gruppe „C. “ hat der Antragsteller sich nicht nur wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs einer anderen Person durch Bildaufnahmen strafbar gemacht, sondern gleichzeitig gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) verstoßen.
653. Soweit dem Antragsteller darüber hinaus vorgeworfen wird, weitere fünf Mediendateien sowie Textnachnachrichten in die Chatgruppe „Alphateam“ eingestellt zu haben, ist der Antragsteller nach derzeitigem Sach- und Streitstand nicht hinreichend verdächtig, gegen seine Dienstpflichten verstoßen zu haben. Nach dem Inhalt der vorliegenden Akten handelt es sich um zwei Videodateien mit „bislang nicht näher beschreibbarem Inhalt“, ein Video eines Straßenzuges mit zahlreichen schwarz-rot-goldenen Fahnen, Videomitschnitte der Terroranschläge in Christchurch (Neuseeland) und in Halle sowie um einen Screenshot eines Russia Today-Artikels „Turnschuhe mit vermeintlichem Hitler-Konterfei: Vorwürfe gegen Sportmarke R. “. Der Antragsteller soll des Weiteren in Textnachrichten jemanden „als Neger bezeichnet“, eine Datei mit „schön deportiert die Schweine“ kommentiert und schließlich in einem Chat „gerade an uns vorbei marschiert“ auf die Nachfrage „mit arm oben“ geschrieben haben „[3xSmiley] Haben uns vernünftig gegrüsst, ist doch klar“.
66Nach der im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen Beurteilung des Sachverhalts auf der Grundlage des aktuellen Sach- und Streitstandes ist eine Dienstpflichtverletzung – derzeit – nicht erkennbar. Der genaue Kontext der eingestellten fünf Mediendateien sowie der Textnachnachrichten ist bislang unbekannt. Wie die Dateien und Textnachrichten mit „möglicherweise inkriminierten Inhalten“ zu bewerten sind, bedarf – auch aus Sicht des Antragsgegners – zunächst der weiteren Aufklärung und Bewertung im behördlichen Disziplinarverfahren (vgl. Disziplinarakte, Bl. 333).
67Die Pflichtenverstöße, derer der Antragsteller hinreichend verdächtig ist, stellen ein einheitliches außerdienstliches Dienstvergehen im Sinne von § 47 Abs. 1 BeamtStG dar. Nach dieser Vorschrift begehen Beamtinnen und Beamte ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.
68Für die rechtliche Einordnung eines Verhaltens als inner- oder außerdienstliche Pflichtverletzung kommt es dabei in erster Linie auf die materielle Dienstbezogenheit an. Entscheidend für die rechtliche Einordnung eines Verhaltens als innerdienstliche Pflichtverletzung ist dessen kausale und logische Einbindung in ein Amt und die damit verbundene dienstliche Tätigkeit.
69Vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Juni 2015 – 2 C 9/14 –, juris, Rn. 10, vom 19. August 2010 – 2 C 5/10 –, juris, Rn. 9, und vom 20. Februar 2001 – 1 D 55/99 –, juris, Rn. 57.
70Nach diesen Maßgaben stellen sich die Verstöße gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten jeweils als außerdienstlich dar. Denn die WhatsApp-Gruppen waren nicht in das Amt des Antragstellers und die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden. Der Antragsteller und seine Kollegen haben vielmehr als Privatpersonen an den Chatgruppen teilgenommen. Vor diesem Hintergrund kommt es nicht entscheidend darauf an, dass sämtliche Mitglieder der privaten WhatsApp-Gruppen Polizeibeamte waren.
71Vgl. hierzu auch VG Düsseldorf, Urteil vom 22. März 2018 – 35 K 9371/16.O –, juris, Rn. 109.
72Auch das Versenden des strafrechtlich geahndeten Videos stellt sich als das (Fehl-) Verhalten einer Privatperson dar, denn es ist nicht ersichtlich, dass das Versenden des Videos in das Amt des Antragstellers und seine damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden gewesen war.
73Die Verstöße gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten im außerdienstlichen Bereich erfüllen die besonderen qualifizierenden Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, denn sie sind in besonderem Maße geeignet, Achtung und Vertrauen in einer für das Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.
74Ob und in welchem Umfang durch das außerdienstliche Verhalten eines Beamten das für sein Amt erforderliche Vertrauen beeinträchtigt wird, hängt in maßgeblicher Weise von Art und Intensität der jeweiligen Verfehlung ab. Dabei kommt vorsätzlichen Straftaten eine besondere Bedeutung zu (vgl. § 24 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG). Maßgeblich ist auch, ob der Pflichtenverstoß des Beamten einen Bezug zu seinem Amt im statusrechtlichen Sinne aufweist.
75Vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Juni 2015 - 2 C 19/14 -, juris, Rn. 15 f., und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9/14 -, juris, Rn. 15 f. m.w.N.
76Nach diesen Maßgaben erfüllt das außerdienstliche Fehlverhalten des Antragstellers den Tatbestand eines Dienstvergehens i.S.d § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG. Es ist nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet, das Vertrauen in einer für sein Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Sowohl das Einstellen der beiden Dateien mit menschenverachtendem und rassistischem Inhalt, als auch die strafrechtlich geahndete Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs einer anderen Person durch Bildaufnahmen weisen den erforderlichen Bezug zum Amt des Antragstellers auf und werden durch den sachlichen Bezug des Dienstvergehens zu dessen konkretem Aufgabenbereich untermauert. Von einem Polizeibeamten wird erwartet, dass er sich rechtstreu verhält und keine Straftaten begeht. Darüber hinaus wird erwartet, dass er bereits den Schein der Identifikation mit einem dem freiheitlich demokratischen Rechtsstaat diametral entgegenstehenden Gedankengut vermeidet.
77Die disziplinarrechtlichen Verstöße bilden ein einheitliches Dienstvergehen. Das Disziplinarrecht wird durch den Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens geprägt. Soweit die Vorwürfe Gegenstand des Disziplinarverfahrens sind, ist das durch mehrere Pflichtenverstöße zutage getretene Fehlverhalten eines Beamten danach einheitlich zu würdigen.
78Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2014 - 2 B 37/12 -, juris, Rn. 17.
79Nach einer Gesamtwürdigung sämtlicher nach derzeitiger Erkenntnislage zu berücksichtigenden Umstände erscheint eine sog. statusberührende Maßnahme zwar nicht ausgeschlossen. Es ist jedoch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragsteller aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden wird.
80Eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis setzt nach § 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NRW voraus, dass der Beamte durch ein Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Dies ist anzunehmen, wenn der Beamte ein schweres Dienstvergehen begangen hat und die prognostische Gesamtwürdigung ergibt, er werde auch künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen oder die von ihm zu verantwortende Ansehensschädigung sei bei einem Verbleib im Beamtenverhältnis nicht wiedergutzumachen. Je schwerer das Dienstvergehen wiegt, desto näher liegt eine derartige Prognose.
81Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 – 2 C 16/10 –, juris, Rn. 31; OVG NRW, Urteil vom 15. November 2016 – 3d A 1826/12.O -, juris, Rn. 43.
82Die Entscheidung über die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 13 Abs. 1 LDG NRW). Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall zu verhängen ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 bis 3 LDG NRW nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Über die erforderliche Disziplinarmaßnahme ist insofern auf Grund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall be- und entlastenden Gesichtspunkte zu entscheiden. Dies entspricht dem Zweck der Disziplinarbefugnis als einem Mittel der Funktionssicherung des öffentlichen Dienstes. Danach ist Gegenstand der disziplinarrechtlichen Wertung die Frage, welche Disziplinarmaßnahme geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrechtzuerhalten.
83Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2012 – 2 C 38/10 -, juris, Rn. 11 m.w.N.
84Als maßgebendes Bemessungskriterium ist gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 LDG NRW zunächst die Schwere des Dienstvergehens richtungweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Die Schwere beurteilt sich nach objektiven Kriterien wie Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzungen, den besonderen Umständen der Tatbegehung sowie Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens, nach subjektiven Merkmalen wie Form und Gewicht des Verschuldens des Beamten, den Beweggründen für sein Verhalten sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte, insbesondere der Höhe eines eingetretenen Schadens. Das Dienstvergehen ist nach der festgestellten Schwere einer der im Katalog des § 5 LDG NRW aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen. Hiervon ausgehend kommt es für die endgültige Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme geboten ist.
85Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 – 2 C 16/10 -, juris, Rdn. 29; OVG NRW, Urteile vom 15. November 2016 – 3d A 1826/12.O -, Seite 18 des Urteilsabdrucks, und vom 31. August 2016 – 3d A 910/14.O -, S. 19 des Urteilsabdrucks.
86Setzt sich – wie hier – das Dienstvergehen aus mehreren Dienstpflichtverletzungen zusammen, so bestimmt sich die zu verhängende Disziplinarmaßnahme in erster Linie nach der schwersten Verfehlung.
87Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2005 - 1 D 1/04 -, juris, Rn. 113.
88Dies ist hier die aktive Teilnahme an der Chatgruppe „C. “ durch das Versenden zweier Dateien mit menschenverachtendem und rassistischem Inhalt.
89Hierbei mag es sich zwar nicht um ein strafbares Verhalten handeln. Von Polizeibeamten als Trägern des staatlichen Gewaltmonopols mit der Ermächtigung zur Vornahme von Grundrechtseingriffen gegenüber Bürgern wird indes ein Verhalten erwartet, das sich in rechtsstaatlicher Weise der Bedeutung der Menschenwürde und der Grundrechte bewusst ist. Das insoweit bestehende Vertrauen wird erheblich beeinträchtigt, wenn Polizeibeamte – wie der Antragsteller – aktiv an Chatgruppen teilnehmen, in denen nationalsozialistisches, volksverhetzendes, menschenverachtendes oder rassistisches Gedankengut geteilt wird.
90Das dem Antragsteller zur Last zu legende Dienstvergehen ist nach derzeitigem Sach- und Streitstand indes nicht von einem solchen Gewicht, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis überwiegend wahrscheinlich wäre. Hierfür spricht insbesondere, dass der Antragsteller nach derzeitigem Kenntnisstand „nur“ zwei Dateien in die Chatgruppe gesendet hat, die einen eindeutig menschenverachtenden und rassistischen Inhalt haben.
91Erschwerend ist zwar zu berücksichtigen, dass der Antragsteller hinreichend verdächtig ist, einen weiteren Pflichtenverstoß begangen zu haben: Die strafrechtlich geahndete Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs einer anderen Person durch Bildaufnahmen. Dieser Pflichtenverstoß hat ebenfalls erhebliches Gewicht. Polizeibeamte haben Straftaten zu verhindern, aufzuklären und zu verfolgen. Sie genießen in der Bevölkerung eine herausgehobene Vertrauens- und Garantenstellung. Dieses für die Ausübung ihres Berufs unabdingbare Vertrauen wird beeinträchtigt, wenn Polizeibeamte selbst Straftaten begehen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Polizeibeamte auf seinem konkreten Dienstposten mit der Verfolgung gerade solcher Delikte betraut ist. Insoweit nehmen Polizeibeamte wegen ihres Statusamtes eine besondere Stellung ein.
92Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. Dezember 2015 – 3d A 1179/13.O -, juris, Rn. 86.
93Der Antragsteller hat außerdienstlich eine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs einer anderen Person durch Bildaufnahmen begangen. Dabei handelt es sich um eine Straftat, die das Gesetz in § 201a Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bedroht. Für die disziplinarrechtliche Ahndung von außerdienstlichen Straftaten mit einem Strafrahmen von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei der Maßnahmebemessung grundsätzlich auf einen Orientierungsrahmen bis zur Zurückstufung abzustellen.
94BVerwG, Urteile vom 10. Dezember 2015 – 2 C 50/13 -, juris, Rn. 16, und vom 18. Juni 2015 ‑ 2 C 9/14 -, juris, Rn. 32 m.w.N.
95Die Schwere dieser Pflichtverletzung lässt folglich weder bei isolierter Betrachtung, noch in der Zusammenschau mit der weiteren Pflichtverletzung, dem Einstellen der beiden Dateien in den WhatsApp-Chat „C. “, die Entfernung des Antragstellers aus dem Beamtenverhältnis derzeit als überwiegend wahrscheinlich erscheinen.
96Nur der Vollständigkeit halber weist die Disziplinarkammer darauf hin, dass die vorläufige Dienstenthebung des Antragstellers nicht auf § 38 Abs. 1 Satz 2 LDG NRW gestützt wurde.
97Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 Abs. 1 LDG NRW i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
98Rechtsmittelbelehrung:
99Gegen diese Entscheidung kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe bei der Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Beschwerde eingelegt werden, über die der Disziplinarsenat des Oberverwaltungsgerichts in Münster entscheidet.
100Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist beim Disziplinarsenat des Oberverwaltungsgerichts eingeht.
101Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
102Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Disziplinarsenat des Oberverwaltungsgerichts schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Der Disziplinarsenat des Oberverwaltungsgerichts prüft nur die dargelegten Gründe.
103Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sind durch einen Prozessbevollmächtigten einzureichen. Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
104Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.