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Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
2Der am 8. Juni 2021 gestellte Antrag,
31. festzustellen, dass sich die Antragsteller nicht bis zum Ablauf des 20. Juni 2021 gemäß § 4 Abs. 2 Satz 5 CoronaEinreiseV absondern müssen,
42. hilfsweise festzustellen, dass sich die Antragsteller lediglich entsprechend der Regelungen bei Einreise aus einem Hochinzidenzgebiet (§ 4 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1-4 CoronaEinreiseV) absondern müssen,
53. es den Antragstellern zu gestatten, bis zur endgültigen Entscheidung des Gerichts über den Eilantrag sich nicht mehr absondern zu müssen,
6hat keinen Erfolg.
7Die Anträge zu 1. und 2. sind zulässig, aber unbegründet.
8Der auf die Feststellung des Nichtbestehens bzw. verkürzten Bestehens der Absonderungspflicht nach § 4 Abs. 2 Satz 5 der Verordnung zum Schutz von einreisebedingten Infektionsgefahren in Bezug auf das Coronavirus SARS-CoV-2 nach Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch den Deutschen Bundestag (Coronavirus-Einreiseverordnung – CoronaEinreiseV) vom 12. Mai 2021 in der Fassung der Ersten Verordnung zur Änderung der Corona-Einreiseverordnung vom 9. Juni 2021 (BAnz AT 10.06.2021 V2) gerichtete Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist als Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft.
9Eine Regelungsanordnung ist auf die vorläufige Veränderung des status quo – hier: gesetzliche Pflicht zur Absonderung – durch eine dem Antragsteller günstige Interimsentscheidung gerichtet und bewirkt die vorläufige Begründung oder Erweiterung einer bis dahin nicht innegehabten Rechtsposition.
10Vgl. Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 22. Juni 2017 – 13 B 238/17 –, juris, Rn. 22, m.w.N.
11Dem steht nicht entgegen, dass der vorliegende Antrag in der Sache auf eine vorläufige Feststellung des Gerichts zum Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses gerichtet ist. Mit einer einstweiligen Anordnung kann grundsätzlich auch die vorläufige Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 VwGO begehrt werden. Insbesondere kann die durch § 123 VwGO gebotene Vorläufigkeit der vom Gericht angeordneten Maßnahme auch bei einem Feststellungsbegehren gewahrt werden.
12Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Juni 2017 – 13 B 238/17 –, juris, Rn. 13, m.w.N.
13Zwischen den Antragstellern und der Antragsgegnerin besteht ein feststellungsfähiges konkretes streitiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO.
14Als feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO werden die rechtlichen Beziehungen angesehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesen Sachverhalt betreffenden öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben. Zwischen den Beteiligten des Rechtsverhältnisses muss zudem ein Meinungsstreit bestehen, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können.
15Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2010 - 8 C 19.09 -, juris, Rn. 24.
16Es müssen sich also aus dieser Rechtsbeziehung heraus bestimmte Rechtsfolgen ergeben können, was wiederum die Anwendung von bestimmten Normen auf den konkreten Sachverhalt voraussetzt. Daran fehlt es, wenn nur abstrakte Rechtsfragen wie die Gültigkeit einer Norm zur Entscheidung gestellt werden. Auch bloße Vorfragen oder unselbständige Elemente eines Rechtsverhältnisses können nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein.
17BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2010 - 8 C 19.09 -, juris, Rn. 24.
18Darauf beschränkt sich das vorliegende Antragsbegehren jedoch nicht. Den Antragstellern, die von einer Reise aus Brasilien zurückgekehrt sind, geht es nicht um die abstrakte Klärung der Rechtmäßigkeit von § 4 Abs. 2 Satz 5 CoronaEinreiseV. Streitgegenstand ist vielmehr die Anwendung der Vorschrift in ihrem konkreten Fall.
19Da sich der Antrag nicht auf die Feststellung der Ungültigkeit von § 4 Abs. 2 Satz 5 CoronaEinreiseV richtet, entfaltet § 47 VwGO gegenüber dem Rechtsschutzbegehren der Antragsteller keine Sperrwirkung. Dem System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes kann nicht entnommen werden, dass außerhalb des § 47 VwGO die Überprüfung von Rechtsetzungsakten ausgeschlossen sein soll. Es gehört seit jeher zur richterlichen Prüfungskompetenz, auch die Gültigkeit einer Rechtsnorm, insbesondere ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht zu überprüfen, sofern es für den Ausgang des Rechtsstreits hierauf ankommt. Im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) ist eine solche Klagemöglichkeit insbesondere dann unerlässlich, wenn die Norm der Umsetzung durch einen Vollzugsakt nicht bedarf. Von einer „Umgehung" des § 47 VwGO kann deswegen nur dann die Rede sein, wenn mit einem auf eine andere Klageart gestützten Rechtsschutzbegehren lediglich die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage aufgrund eines nur erdachten oder eines solchen Sachverhalts erreicht werden soll, dessen Eintritt noch ungewiss ist; in einem solchen Fall würde der Rechtsstreit nicht der Durchsetzung von konkreten Rechten der Beteiligten, sondern dazu dienen, Rechtsfragen gleichsam um ihrer selbst willen rechtstheoretisch zu lösen.
20BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2010 - 8 C 19.09 -, juris, Rn 25.
21Anders liegt es dagegen, wenn – wie hier – die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten, in der Wirklichkeit gegebenen Sachverhalt streitig ist, so dass die Rechtmäßigkeit der Norm lediglich als – wenn auch streitentscheidende – Vorfrage aufgeworfen wird.
22Steht mit der Frage nach dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses in diesem Sinne auch die Frage nach der Gültigkeit einer Rechtsnorm im Raum, aus der die streitigen Rechte oder Pflichten unmittelbar folgen, eröffnet sich ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis grundsätzlich zwischen dem Normadressaten und dem Rechtsträger der Vollzugsbehörde, die als Normanwender die im Streit stehende Rechtsnorm durchzusetzen oder ihre Befolgung zu überwachen hat. Hierfür ist ungeachtet des Umstandes, dass eine Norm „self-executing" ist, d.h. dass sich aus ihr unmittelbar Rechte und Pflichten ergeben, hinreichend, dass für eine Vollzugsbehörde die Möglichkeit besteht, die Rechtsnorm gegenüber dem Normadressaten zu konkretisieren oder zu individualisieren und Anordnungen für den Einzelfall aufgrund gesetzlicher Befugnisse zu treffen.
23OVG NRW, Beschluss vom 22. Juni 2017 – 13 B 238/17 –, juris, Rn. 19 f., m.w.N
24Hiernach ist ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zwischen den Antragstellern und der Antragsgegnerin gegeben. Die Antragsteller sind Normadressaten des § 4 Abs. 2 Satz 5 CoronaEinreiseV. Die Antragsgegnerin ist entgegen ihrer Auffassung als örtliche Ordnungsbehörde gemäß § 6 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung besonderer Handlungsbefugnisse im Rahmen einer epidemischen Lage von nationaler oder landesweiter Tragweite und zur Festlegung der Zuständigkeit nach dem Infektionsschutzgesetz (Infektionsschutz- und Befugnisgesetz – IfSBG NRW) Normanwenderin. Sie ist für die Konkretisierung der Absonderungspflicht im Einzelfall zum Zwecke ihrer Durchsetzung im Wege des Verwaltungszwangs und darüber hinaus auch für die Verfolgung und Ahndung der Ordnungswidrigkeit im Falle der Zuwiderhandlung gegen die Absonderungspflicht zuständig.
25Bei der hier maßgeblichen Vorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 5 CoronaEinreiseV handelt es sich um eine Norm, die einer Umsetzung durch (angreifbaren) hoheitlichen Vollzugsakt nicht bedarf. Die Absonderungspflicht von Personen, die sich zu einem beliebigen Zeitpunkt in den letzten zehn Tagen vor der Einreise in einem zum Zeitpunkt der Einreise als Virusvariantengebiet eingestuften Gebiet aufgehalten haben, ergibt sich unmittelbar aus der Verordnung, ohne dass eine Konkretisierung oder Individualisierung der rechtlichen Beziehungen zwischen Normgeber und Normadressat durch eine behördliche Anordnung der Absonderung erforderlich wäre.
26Welche Behörde für die Überwachung der Befolgung der sich aus § 4 CoronaEinreiseV ergebenden Absonderungspflicht zuständig ist und insbesondere die Absonderungspflicht zwangsweise durchsetzen kann, ist nicht gesondert geregelt. Weder die CoronaEinreiseV selbst noch die Verordnungsermächtigung in § 36 Abs. 8 IfSG noch das IfSBG NRW enthalten spezielle Zuständigkeitsbestimmungen für die Durchsetzung der Pflichten von Einreisenden.
27Zur Bestimmung der zuständigen Vollzugsbehörde ist daher auf die allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften im IfSG und dem IfSBG NRW für ordnungsbehördliche Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten zurückzugreifen. Aus der Zuständigkeit für den Erlass eines Verwaltungsakts folgt die Zuständigkeit für dessen Vollzug (§ 56 Abs. 1 VwVG NRW).
28Die in § 4 CoronaEinreiseV normierte Absonderungspflicht von Einreisenden dient der Verhinderung der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 (vgl. § 1 CoronaEinreiseV, § 36 Abs. 8 Satz 1 IfSG). Der Sache nach handelt es sich dabei um eine Schutzmaßnahme zur Bekämpfung einer übertragbaren Krankheit im Sinne des § 28 IfSG.
29Zuständige Behörden im Sinne der §§ 28, 30 und 31 des Infektionsschutzgesetzes für solche Maßnahmen sind nach § 6 Abs. 1 IfSBG die Städte und Gemeinden (örtliche Ordnungsbehörden). Dies ist vorliegend die Antragsgegnerin.
30Zwar ist bei Reiserückkehrern der Erlass einer gesonderten Absonderungsanordnung wegen der sich unmittelbar aus der CoronaEinreiseV ergebenden Absonderungspflicht nicht erforderlich. Jedoch setzt die zwangsweise Durchsetzung der Absonderungspflicht grundsätzlich zunächst einen vollstreckungsfähigen Verwaltungsakt voraus. Der öffentlich-rechtliche Anspruch auf die Vornahme einer Handlung, Duldung oder Unterlassung wird erst durch den Verwaltungsakt vollstreckbar.
31Engelhardt/App/Schlatmann, VwZG, VwVG, 12. Aufl. 2021, Vorbem. zu §§ 6-18 VwVG, Rn. 3.
32In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob die zuständige Behörde im Falle der Nichtbefolgung der Absonderungspflicht aus § 4 CoronaEinreiseV direkt nach § 30 Abs. 2 Satz 1 IfSG vorgehen und die absonderungspflichtige Person zwangsweise in einem abgeschlossenen Krankenhaus unterbringen kann oder ob auch im Falle der sich unmittelbar aus der CoronaEinreiseV ergebenden Absonderungspflicht zunächst eine diese konkretisierende Anordnung zu treffen ist. Denn auch für unmittelbaren Zwang ist die Vollzugsbehörde zuständig.
33Dass daneben bei besonderer Eilbedürftigkeit nach § 6 Abs. 3 Nr. 1 IfSBG NRW auch die untere Gesundheitsbehörde – hier: der Kreis O. – tätig werden und etwa Quarantäneanordnungen nach § 30 Abs. 1 IfSG erlassen kann,
34vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 4. Mai 2021 - 29 L 932/21 -, juris, Rn. 10,
35ändert nichts an der grundsätzlichen Zuständigkeit der örtlichen Ordnungsbehörden für Absonderungsmaßnahmen nach § 30 IfSG und dem daraus folgenden Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten.
36Eine (ausschließliche) Zuständigkeit der unteren Gesundheitsbehörde für die Durchsetzung der Absonderungspflicht ergibt sich ferner nicht aus § 4 Abs. 1 Satz 5 CoronaEinreiseV. Nach dieser Vorschrift unterliegen Personen nach Satz 1 für die Zeit der Absonderung der Beobachtung durch die zuständige Behörde. Mit „Beobachtung“ ist, wie sich aus der Verordnungsermächtigung in § 36 Abs. 8 Satz 2 IfSG ergibt, die Beobachtung nach § 29 IfSG gemeint. Wer einer Beobachtung unterworfen ist, hat die erforderlichen Untersuchungen durch die Beauftragten des Gesundheitsamtes zu dulden und den Anordnungen des Gesundheitsamtes Folge zu leisten (§ 29 Abs. 2 Satz 1 IfSG). Gesundheitsamt ist gemäß § 2 Nr. 14 IfSG die nach Landesrecht für die Durchführung dieses Gesetzes bestimmte und mit einem Amtsarzt besetzte Behörde. Dies sind in Nordrhein-Westfalen gemäß § 4 Abs. 1 IfSBG NRW die Kreise und kreisfreien Städte als untere Gesundheitsbehörde.
37Die Beobachtung dient jedoch nicht der Überwachung und Durchsetzung der Absonderungspflicht. Vielmehr handelt es sich bei der Beobachtung um eine der in § 28 Abs. 1 IfSG genannten Schutzmaßnahmen, zu denen auch die Absonderung nach § 30 IfSG und die anderen Schutzmaßnahmen nach §§ 28a Abs. 1, 31 IfSG gehören.
38An dem unterschiedlichen Charakter der beiden Maßnahmen ändert sich nichts dadurch, dass bei Reiserückkehrern weder die Absonderung noch die Beobachtung angeordnet werden muss, sondern sich beide Schutzmaßnahmen unmittelbar aus der CoronaEinreiseV ergeben.
39Darüber hinaus ergibt sich ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO zwischen den Beteiligten auch daraus, dass die Antragsgegnerin bei einem Verstoß der Antragsteller gegen ihre Absonderungspflicht für die Einleitung eines Bußgeldverfahrens zuständig wäre.
40Vgl. Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., § 43 Rn. 58b.
41Gemäß § 73 Abs. 1a Nr. 24, Abs. 2 IfSG handelt ordnungswidrig, wer einer Rechtsverordnung nach § 36 Abs. 8 S. 1 zuwiderhandelt, indem er sich vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 4 Abs. 1 S. 1 nicht oder nicht rechtzeitig absondert (§ 13 Nr. 2 CoronaEinreiseV). Die Zuständigkeit für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten im Sinne des § 73 IfSG ist auf die gemäß nach §§ 4-10 IfSBG NRW jeweils zuständigen Behörden übertragen (§ 12 IfSBG NRW).
42Für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung haben die Antragsteller auch ein berechtigtes Interesse, da sie sich unmittelbar nach ihrer Einreise in häusliche Quarantäne begeben haben und ihnen bei Zuwiderhandlung die Auferlegung eines Bußgeldes droht, solange nicht geklärt ist, ob und wie lange sie der Absonderungspflicht unterliegen.
43Für den Antrag, festzustellen, dass sich die Antragsteller nicht bzw. nicht bis zum 20. Juni 2021 absondern müssen, fehlt ihnen auch nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Das Feststellungsbegehren ist nicht subsidiär (§ 43 Abs. 2 VwGO). Es ist nicht ersichtlich, dass für die Rechtsverfolgung durch die Antragsteller unmittelbarere und wirksamere Verfahren zur Verfügung stehen. Insbesondere können sie wegen des fehlenden Verwaltungsvollzugs keinen Rechtsschutz durch eine verwaltungsgerichtliche Gestaltungsklage im Wege der Anfechtung erlangen.
44Den Antragstellern dürfte das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis auch nicht deshalb fehlen, weil sie vor Erhebung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung keinen entsprechenden Antrag bei der Antragsgegnerin gestellt haben. Dass ein entsprechender Antrag der Antragsteller auf vorzeitige Beendigung der Absonderung rechtzeitig positiv beschieden wird, dürfte von vornherein auszuschließen gewesen sein. Die Absonderungspflicht ergibt sich unmittelbar und zwingend aus der Rechtsverordnung, ohne dass es einer Umsetzung durch die Behörde bedarf. Für ein Abweichen von der Rechtsverordnung dürfte für die Antragsgegnerin, die als Teil der vollziehenden Gewalt an Recht und Gesetz gebunden ist (Art. 20. Abs. 3 GG) kein Raum bestehen. Letztlich kann diese Frage aber offen bleiben, weil der Antrag ohnehin unbegründet ist.
45An der Antragsbefugnis der Antragsteller entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO bestehen keine Zweifel, weil sie als Normadressaten unmittelbar der Absonderungspflicht unterliegen und dadurch in ihrer Freiheit eingeschränkt sind.
46Der Antrag richtet sich in zulässiger Weise gegen die Antragsgegnerin als zuständige örtliche Ordnungsbehörde.
47Der Feststellungsantrag ist bei summarischer Prüfung jedoch unbegründet. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht bereits vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung insbesondere zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden.
48Da der Sache nach die Gültigkeit einer Rechtsvorschrift – hier: § 4 Abs. 2 Satz 5 CoronaEinreiseV – im Einzelfall vorübergehend suspendiert werden soll, können für eine darauf ausgerichtete Entscheidung nach § 123 VwGO keine anderen Maßstäbe gelten als für eine normspezifische einstweilige Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO. Für diese ist allgemein anerkannt, dass eine Interessenabwägung unter Anlegung eines besonders strengen Maßstabs vorzunehmen ist. Die für die einstweilige Anordnung sprechenden Gründe müssen danach grundsätzlich so schwer wiegen, dass deren Erlass unabweisbar erscheint.
49Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. Juni 2016 - 4 B 504/16 -, juris, Rn. 24; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24. Oktober 2002 - 8 S 2210/02 – juris, Rn. 33.
50Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten des in der Sache anhängigen Normenkontrollantrages, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, das Hauptsacheverfahren aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, das Normenkontrollverfahren aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der einstweiligen Anordnung – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist.
51BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 2015 - 4 VR 5/14 -, juris, Rn. 12.
52Gemessen an diesem besonders strengen Maßstab ist der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, sich nicht oder nur verkürzt absondern zu müssen, nicht unerlässlich. Die Regelung in § 4 Abs. 2 Satz 5 CoronaEinreiseV, die die in Frage gestellte Absonderungspflicht der Antragsteller begründet, ist nicht offensichtlich rechtswidrig. Die deswegen anzustellende Folgenabwägung fällt zu Lasten der Antragsteller aus.
53Die tatbestandlichen Voraussetzungen der vierzehntägigen Absonderungspflicht nach § 4 Abs. 2 Satz 5, Abs. 1 Satz 1 CoronaEinreiseV liegen vor. Personen, die in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind und sich zu einem beliebigen Zeitraum in den letzten zehn Tagen vor der Einreise in einem zum Zeitpunkt der Einreise als Risikogebiet eingestuften Gebiet aufgehalten haben, sind verpflichtet, sich unverzüglich nach der Einreise für einen Zeitraum nach Absatz 2 abzusondern. Bei Einreise aus einem als Virusvariantengebiet eingestuften Gebiet beträgt der Zeitraum nach § 4 Abs. 2 Satz 5 CoronaEinreiseV 14 Tage. Die Antragsteller sind am 6. Juni 2021 nach Deutschland eingereist und befanden sich vor ihrer Einreise für rund zwei Wochen in Brasilien. Dieses Land wird vom Robert-Koch-Institut als Virusvariantengebiet im Sinne des § 2 Nr. 3b CoronaEinreiseV eingestuft.
54https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogebiete_neu.html.
55Der Umstand, dass es sich bei den Antragstellern um geimpfte Personen im Sinne des § 2 Nr. 9 CoronaEinreiseV handelt, führt auch bei Übermittlung des Impfnachweises nicht zu einer Verkürzung des Zeitraums von 14 Tagen. Denn nach § 4 Abs. 2 Satz 5, Halbsatz 2 CoronaEinreiseV findet § 4 Abs. 2 Satz 2 CoronaEinreiseV keine Anwendung.
56Ferner liegt keine der in § 6 CoronaEinreiseV genannten Ausnahmen vor. Insbesondere greift nicht der Ausnahmetatbestand des § 6 Abs. 2 Nr. 1b, aa CoronaEinreiseV, der Einreisen nach Deutschland zum Zwecke des Besuchs von bestimmten Verwandten privilegiert. Die Reise der Antragsteller diente dem Besuch der Eltern der Antragstellerin zu 1. in Brasilien.
57Die angegriffene gesetzliche Absonderungspflicht von 14 Tagen verstößt aller Voraussicht nach nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit oder den allgemeinen Gleichheitssatz.
58Zur Erreichung des durch den Verordnungsgeber verfolgten Ziels, weiterhin das Infektionsrisiko durch eingetragene Infektionen zu verringern und insbesondere die Bevölkerung in Deutschland vor dem unkontrollierten Eintrag neuer Virusvarianten mit ernst zu nehmenden Veränderungen in den Viruseigenschaften zu schützen,
59vgl. Einreiseverordnung mit Begründung, S. 22, abrufbar unter https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/C/Coronavirus/Verordnungen/CoronaEinreiseV_120521.pdf,
60ist die 14-tägige Absonderungspflicht ohne Freitestungsmöglichkeit und unabhängig von einem Impfnachweis bei summarischer Bewertung geeignet, erforderlich und angemessen. Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit einer Maßnahme kommt dem Verordnungsgeber ein Beurteilungs- und Prognosespielraum zu.
61Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. September 2010 - 1 BvR 1789/10 -, juris, Rn. 21; BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 -, juris, Rn. 49.
62Ziel der CoronaEinreiseV ist es, weiterhin das Infektionsrisiko durch eingetragene Infektionen zu verringern. Zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland und um eine zusätzliche Belastung des hiesigen Gesundheitssystems durch den unkontrollierten Eintrag neuer Virusvarianten mit ernst zu nehmenden Veränderungen in den Viruseigenschaften zu verhindern, ist der Eintrag neuer Infektionen weiterhin zu limitieren. Über Reisebewegungen können zusätzliche Infektionen, darunter auch mit besorgniserregenden Virusvarianten, eingetragen werden.
63Vgl. Einreiseverordnung mit Begründung, S. 21, 22, 26, abrufbar unter https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/C/Coronavirus/Verordnungen/CoronaEinreiseV_120521.pdf.
64Diese Erwägungen sind nicht zu beanstanden. Insbesondere ist die Einschätzung des Verordnungsgebers plausibel, dass grenzüberschreitender Reiseverkehr zu zusätzlichen Infektionen, insbesondere auch mit besorgniserregenden Virusvarianten, führen kann.
65Auch die Einschätzung, dass insbesondere Virusvarianten das Infektionsgeschehen negativ beeinflussen können und besonders gefährlich sind, ist schlüssig.
66Laut der aktuellen Risikobewertung des Robert-Koch-Instituts ist die Dynamik der Verbreitung einiger Varianten von SARS-CoV-2 (aktuell B.1.1.7 (alpha), B.1.351 (beta), P1 (gamma) und B.1.617 (delta)) besorgniserregend. Diese besorgniserregenden Varianten (variants of concern, VOC) werden in unterschiedlichem Ausmaß auch in Deutschland nachgewiesen. Die VOC, die zuerst im Vereinigten Königreich (alpha), in Südafrika (beta), in Brasilien (gamma) und in Indien (delta) nachgewiesen wurden, sind nach Untersuchungen aus dem Vereinigten Königreich und Südafrika und gemäß Einschätzung des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) noch leichter von Mensch zu Mensch übertragbar. Es liegen Daten vor, die auf eine erhöhte Übertragbarkeit der Varianten und potenziell schwerere Krankheitsverläufe hinweisen. Demzufolge kann die Verbreitung neuer Varianten zu einer schnellen Zunahme der Fallzahlen und der Verschlechterung der Lage beitragen.
67https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html.
68Zu den einzelnen Virusvarianten führt das Robert-Koch-Institut aus:
69„B.1.351 (Beta): Über diese Virusvariante, die zuerst in Südafrika nachgewiesen wurde, wurde ebenfalls erstmals im Dezember 2020 berichtet. Mehrere Studien weisen auch darauf hin, dass Menschen, die mit der ursprünglichen Variante infiziert waren oder einen auf dieser beruhenden Impfstoff erhalten haben, weniger gut vor einer Infektion mit B.1.351 geschützt sind, da die neutralisierenden Antikörper, die das Immunsystem gebildet hat, gegen das veränderte Virus weniger wirksam sind. Auch für diese Variante wird eine höhere Übertragbarkeit diskutiert.
70P.1 (Gamma): Diese von der Linie B.1.1.28 abstammende SARS-CoV-2-Variante wurde erstmals im brasilianischen Staat Amazonas nachgewiesen und ähnelt in ihren Veränderungen der südafrikanischen Variante. Sie weist bestimmte Mutationen wie E484K auf, die u.a. auch in B.1.351 präsent sind. Experimentelle Daten deuten auch für diese Variante auf eine reduzierte Wirksamkeit neutralisierender Antikörper bei Genesenen bzw. Geimpften hin. Eine erhöhte Übertragbarkeit wird auch für diese Virusvariante angenommen.
71B.1.617.2 (Delta): Diese Variante wurde zuerst im indischen Bundesstaat Maharashtra nachgewiesen. Sie verbreitet sich zur Zeit stark in Großbritannien.B.1.617.2 und zeichnet sich durch Mutationen aus, die mit einer reduzierten Wirksamkeit der Immunantwort in Verbindung gebracht werden, und durch Mutationen, die die Übertragbarkeit des Virus erhöhen könnten. Erste Laborexperimente und Daten von Beobachtungsstudien aus Großbritannien deuten darauf hin, dass die Impfstoffwirksamkeit nach vollständiger Impfung geringfügig unterhalb der Wirksamkeit gegenüber B.1.1.7 liegt. Vorläufige Ergebnisse aus Großbritannien weisen auf eine höhere Übertragbarkeit der Variante B.1.617.2 im Vergleich zur Variante B.1.1.7 (Alpha) hin. Desweiteren könnten Infektionen mit der Variante B.1.617.2 zu schwereren Krankheitsverläufen führen.“
72https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Virusvariante.html;jsessionid=79A04E5BBC180AB126D858A64AD99939.internet072?nn=13490888.
73Der damit einhergehende Fallzahlanstieg in den betroffenen Ländern führte regelmäßig zu eine Verstärkung der Belastung der medizinischen Einrichtungen.
74Vgl. Einreiseverordnung mit Begründung, S. 20, abrufbar unter https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/C/Coronavirus/Verordnungen/CoronaEinreiseV_120521.pdf.
75Auch wenn eine höhere Übertragbarkeit der Virusvariante bislang lediglich angenommen wird, darf der Verordnungsgeber dies zum Anlass nehmen, präventiv Maßnahmen zur Verhinderung eines Eintrags dieser Variante zu ergreifen. Insoweit ist er nicht gehalten, einen solchen Eintrag solange hinzunehmen, bis eine höhere Übertragbarkeit nach wissenschaftlichen Erkenntnissen feststeht. Denn zu diesem Zeitpunkt könnte es bereits zu einem unumkehrbaren Eintrag und einer sich daran anschließenden Verbreitung dieser Virusvariante in der Bevölkerung gekommen sein mit der Folge, dass eine etwaige daraus resultierende zunehmende Infektionsdynamik nicht mehr oder nur mit weiteren eingriffsintensiven Infektionsschutzmaßnahmen eingefangen werden kann.
76Vgl. zur inzwischen außer Kraft gesetzten Coronaeinreiseverordnung NRW: OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2021 – 13 B 531/21.NE -, juris, Rn. 36.
77Soweit die Antragsteller vortragen, die Bundesrepublik Deutschland sei bereits selbst Virusvariantengebiet, stellt dies die Einschätzung des Verordnungsgebers nicht in Frage. Zwar hat sich die Virusvariante B.1.1.7 (alpha) in Deutschland ausgebreitet und ist inzwischen der vorherrschende Erreger von COVID-19.
78https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html.
79Es zirkulieren jedoch die weiteren Virusvarianten beta, gamma und delta, die nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft besorgniserregende Viruseigenschaften besitzen. Sie wurden in Deutschland bislang nur in wenigen Fällen nachgewiesen,
80https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Virusvariante.html;jsessionid=79A04E5BBC180AB126D858A64AD99939.internet072?nn=13490888.
81Die weitere Verbreitung dieser Variante kann mit Hilfe der in der Verordnung vorgesehenen Maßnahmen begrenzt werden. Die in Deutschland vorherrschende Variante alpha gilt im Übrigen nicht als Virusvariante.
82https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Virusvariante.html;jsessionid=BE5E28ECB3FEEF8AA421FB5C6A2574D5.internet121?nn=13490888.
83An der Geeignetheit der Absonderung bestehen keine Zweifel. Um die weitere Verbreitung der Virusvarianten zu verlangsamen, bedarf es einer Absonderung der in die Bundesrepublik Deutschland Einreisenden nach Voraufenthalt in einem Virusvariantengebiet, da dort ein Kontakt mit dem Krankheitserreger möglich ist. Die Absonderung als Schutzmaßnahme zur Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 ist insbesondere vor dem Hintergrund geboten, dass ein Testergebnis nur eine Momentaufnahme darstellt und Personen asymptomatisch infiziert sein können.
84Vgl Einreiseverordnung mit Begründung, S. 22, abrufbar unter https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/C/Coronavirus/Verordnungen/CoronaEinreiseV_120521.pdf.
85Die 14-tägige Absonderungspflicht ohne Möglichkeit, die Absonderung mittels Test oder Impfnachweis vorzeitig zu beenden, ist auch erforderlich. Mildere, gleich geeignete Mittel sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist das von den Antragstellern vorgeschlagene Selbstmonitoring 14 Tage nach Einreise nicht gleich geeignet, da die eigene Gesundheitsüberwachung gerade bei asymptomatisch infizierten Personen nicht die Schaffung neuer Infektionsherde vermeidet. Das Selbstmonitoring wird vom Robert-Koch-Institut daher auch während der Quarantäne empfohlen, nicht an ihrer Stelle.
86Die Übermittlung des Impfnachweises stellt ebenfalls kein gleich geeignetes Mittel zur Verhinderung bzw. Begrenzung einer Verbreitung von besorgniserregenden Virusvarianten dar. Die in § 4 Abs. 2 Satz 2 CoronaEinreiseV geregelte Ausnahme von der Einreisequarantäne gilt bei Voraufenthalt in einem Virusvariantengebiet gerade nicht. Denn bei den Virusvarianten wird eine möglicherweise verringerte Schutzwirkung von Impfstoffen vermutet. Insoweit wird auf die oben wiedergegebene Beschreibung der verschiedenen Virusvarianten durch das Robert-Koch-Institut verwiesen, in der auf eine reduzierte Wirksamkeit neutralisierender Antikörper bei Genesenen bzw. Geimpften hingewiesen wird. Alle Impfstoffe, die aktuell in Deutschland zur Verfügung stehen, schützen nach derzeitigen Erkenntnissen vor einer Erkrankung durch die in Deutschland hauptsächlich zirkulierende Variante B.1.1.7.
87https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html;jsessionid=6A4D5F55305033B4F392E2D8C5036CA3.internet101?nn=13490888.
88Schließlich ist auch die Einräumung einer Freitestungsmöglichkeit unmittelbar mit Einreise oder nach fünf Tagen wie bei einer Einreise aus einem Hochinzidenzgebiet zur Verhinderung einer Verbreitung der Virusvarianten nicht gleich geeignet.
89Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen führt in seinem Beschluss vom 16. April 2021 hierzu aus:
90„Die Dauer einer Quarantäne richtet sich grundsätzlich nach der Inkubationszeit, d. h. der Zeitspanne zwischen der Aufnahme des Erregers und dem Zeitpunkt des Auftretens von ersten Krankheitssymptomen. Im Falle einer Infektion mit SARS-CoV-2 liegt nach den zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Erkenntnissen der Zeitpunkt, zu dem 95 % der Infizierten Symptome entwickelt haben, allgemein bei zehn bis 14 Tagen. Bei einem kleinen Teil der Infizierten setzen die Symptome sogar noch später ein. (…)
91Eine 14-tägige Quarantäne schützt damit effizienter als eine lediglich zehntägige Quarantäne vor einer präsymptomatischen Übertragung einer SARS-CoV-2-Infektion unabhängig davon, ob es sich um eine solche mit dem Wildtyp oder einer der Virusvarianten handelt. Auch bei einer Freitestungsmöglichkeit mittels PCR-Diagnose (erst) nach fünf Tagen wird das Risiko einer Übertragung als im Mittel mindestens dreimal höher eingeschätzt als bei einer 14-tägigen Quarantäne ohne abschließende PCR-Untersuchung. Denn die Testsensitivität steigt erst mit zunehmender Quarantänedauer. (…).“
92OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2021 – 13 B 531/21.NE -, juris, Rn. 46-51.
93Dem schließt sich die Kammer an.
94Die 14-tägige Einreisequarantäne ohne Möglichkeit der Verkürzung durch Impfnachweis oder Testung dürfte voraussichtlich auch angemessen sein. Angemessen, d. h. verhältnismäßig im engeren Sinne, ist eine freiheitseinschränkende Regelung, wenn das Maß der Belastung des Einzelnen noch in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen steht. Hierbei ist eine Abwägung zwischen den Gemeinwohlbelangen, deren Wahrnehmung der Eingriff in Grundrechte dient, und den Auswirkungen auf die Rechtsgüter der davon Betroffenen notwendig. Die Interessen des Gemeinwohls müssen umso gewichtiger sein, je empfindlicher der Einzelne in seiner Freiheit beeinträchtigt wird. Zugleich wird der Gemeinschaftsschutz umso dringlicher, je größer die Nachteile und Gefahren sind, die aus gänzlich freier Grundrechtsausübung erwachsen können.
95St. Rspr., vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 26. Februar 2020 - 2 BvR 2347/15 -, juris, Rn. 265, m. w. N.
96Danach steht die Schwere der mit der Quarantäne für die Antragsteller verbundenen Grundrechtseingriffe voraussichtlich nicht außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Verordnungszweck. Die Absonderungspflicht stellt einen erheblichen Eingriff jedenfalls in die durch Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG geschützte körperliche Bewegungsfreiheit dar. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Absonderungspflicht die Betroffenen in ihrem Alltag stark beeinträchtigt. Diese dürfen ihr Haus nicht mehr verlassen, soziale Kontakte werden unterbunden und die Betroffenen sind für alltägliche Besorgungen von externer Hilfe abhängig. Offen bleiben kann, ob die Absonderungspflicht von Einreisenden aus Virusvariantengebieten, die faktisch auch die Berufsausübung beeinträchtigt, zugleich einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit darstellt. Dies ist zweifelhaft, weil die Absonderungspflicht für sich genommen keine objektiv berufsregelnde Tendenz aufweist.
97Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2021 – 13 B 531/21.NE -, juris, Rn. 54, m.w.N.
98Im vorliegenden Fall dürfte sich die Beeinträchtigung der Berufsausübung der Antragsteller ohnedies in Grenzen halten. Als Rechtsanwälte werden sie den ganz überwiegenden Teil der Arbeit auch von zu Hause mit Hilfe moderner Kommunikationsmittel erledigen können.
99Unabhängig davon wäre der Eingriff aber in jedem Fall gerechtfertigt. Die Rechte der Antragsteller müssen hinter dem Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung zurücktreten. Aufgrund der besorgniserregenden Eigenschaften der brasilianischen Virusvariante gamma, die potentiell eine insgesamt stärkere Virusverbreitung zur Folge haben können, besteht grundsätzlich ein hohes öffentliches Interesse daran, die weitere Eintragung und Verbreitung in der Bundesrepublik Deutschland zu verhindern.
100Vgl. zur südafrikanischen Virusvariante OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2021 – 13 B 531/21.NE -, juris, Rn. 54 ff.
101Aus dem Umstand, dass die Impfquote im Bundesstaat Minas Gerais, dem Ziel der Reise der Antragsteller, besonders hoch ist, können die Antragsteller in diesem Zusammenhang schon deshalb nichts für sich herleiten, weil das dortige Infektionsrisiko wegen der möglicherweise verringerten Schutzwirkung von Impfstoffen bei Virusvarianten nicht zwingend niedriger ist.
102Es erweist sich voraussichtlich auch nicht als unverhältnismäßig, dass der Verordnungsgeber bei einer Einreise aus einem Virusvariantengebiet weder Geimpfte privilegiert noch eine Freitestungsmöglichkeit (unmittelbar oder nach fünf Tagen) vorsieht, noch eine Absonderungsdauer von nur zehn Tagen wie bei den sonstigen Risikogebieten. Denn diese sind – wie oben ausgeführt – zur Verhinderung einer Verbreitung der Virusvarianten nicht gleichermaßen effektiv. Die Anordnung einer 14-tätigen Absonderungsdauer bei Einreise aus einem Virusvariantengebiet dürfte deswegen voraussichtlich auch unabhängig davon gerechtfertigt sein, ob bei den Virusvarianten die Inkubationszeit nochmals länger ist als beim erstmalig in Wuhan/China nachgewiesenen Coronavirus („Wildtyp“).
103Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2021 – 13 B 531/21.NE -, juris, Rn. 69; a.A. hinsichtlich der längeren Absonderungsdauer: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18. März 2021 - 1 S 872/21 -, juris, Rn. 108 ff.
104Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber in § 6 CoronaEinreiseV in besonderen Fällen Ausnahmen von der Absonderungspflicht vorsieht. Darüber hinaus kann die zuständige Behörde in begründeten Fällen auf Antrag weitere Ausnahmen bei Vorliegen eines triftigen Grundes erteilen. Einen entsprechenden Antrag hätten die Antragsteller aufgrund ihrer besonderen Situation stellen können. Hierzu haben sie nichts vorgetragen.
105Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht ersichtlich. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln.
106Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 2012 - 1 BvL 14/07 -, juris, Rn. 40.
107Eine Ungleichbehandlung gegenüber Personen, die in Deutschland Kontakt mit Infizierten hatten, liegt nicht vor. Entgegen der Auffassung der Antragsteller müssen sich diese ebenfalls absondern. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass die Absonderungspflicht in diesen Fällen nicht unmittelbar aus einer Norm folgt, sondern von der zuständigen Behörde nach §§ 28 Abs. 1 S. 1, 30 IfSG angeordnet werden muss. In Nordrhein-Westfalen entscheidet über die Quarantäne von Kontaktpersonen die örtliche Ordnungsbehörde in Abstimmung mit dem zuständigen Gesundheitsamt (§ 17 Abs. 1 der Verordnung zur Testung in Bezug an direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 und zur Regelung von Absonderungen nach § 30 des Infektionsschutzgesetzes - Corona-Test-und-Quarantäneverordnung – CoronaTestQuarantäneVO – vom 8. April 2021 in der ab dem 12. Juni 2021 geltenden Fassung).
108Im Übrigen liegt eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG voraussichtlich nicht darin, dass für Einreisende aus sonstigen Risikogebieten im Unterschied zur Reiserückkehrern aus Virusvariantengebieten nur eine 10-tägige Absonderungspflicht sowie eine Freitestungsmöglichkeit besteht. Die vom Verordnungsgeber hierfür angegebene Begründung, es bestünden Indizien dafür, dass Virusmutationen über eine erheblich stärkere und zeitlich ausgedehntere Ansteckungsgefahr verfügen, stellt einen hinreichenden sachlichen Grund dafür dar, im Fall einer Reiserückkehr aus einem Virusvarianten-Gebiet besonders strenge Schutzmaßnahmen zu ergreifen und verbleibende Restrisiken durch den Verzicht auf eine Freitestungsmöglichkeit und eine nur zehntägige Quarantäne noch stärker zu reduzieren, als dies bei sonstigen Reiserückkehrern der Fall ist.
109OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2021 – 13 B 531/21.NE -, juris, Rn. 82
110Die ergänzend anzustellende Folgenabwägung ergibt, dass die von den Antragstellern dargelegten Einschränkungen hinter den Schutz von Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen zurücktreten müssen. Zwar sind die Einschränkungen durch die Absonderungsverpflichtung nicht von der Hand zu weisen, wobei allerdings die Berufsausübung der Antragsteller, wie oben ausgeführt, nicht stark beeinträchtigt sein dürfte. Die Folgen einer Eintragung von Virusvarianten sind aber unumkehrbar und bergen die große Gefahr, die Infektionsentwicklung kurz- und langfristig insgesamt negativ zu beeinflussen. Dies zeigt sich aktuell bei der Verbreitung der indischen Variante in Großbritannien. Deswegen wären auch die Folgen einer Außervollzugsetzung der Vorschrift im Verhältnis zu den Antragstellern schwerwiegend. Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass die Antragsteller das Risiko einer 14-tägigen Quarantäne in Kauf genommen haben. Denn bereits beim Abflug nach Brasilien am 21. Mai 2021 galt die Absonderungspflicht in der derzeitigen Form.
111Der Erlass eines Hängebeschlusses, wie mit Antrag zu 3. begehrt, kommt nicht mehr in Betracht, nachdem über den Haupt- und Hilfsantrag entschieden ist.
112Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG. Da der Antrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache zielt, ist eine Reduzierung des Auffangstreitwerts für das Eilverfahren nicht veranlasst.
113Rechtsmittelbelehrung:
114(1) Gegen die Entscheidung über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet.
115Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingelegt werden.
116Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) eingeht.
117Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
118Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sind durch einen Prozessbevollmächtigten einzureichen. Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
119Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
120(2) Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird.
121Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
122Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
123Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
124Die Beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
125War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.