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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
2Mit E-Mail vom 00.0.2018 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Informationszugang zu diversen Unterlagen der von der Beklagten errichteten Ethik-Kommission in Bezug auf in den Jahren 2008 bis 2010 und 2014 bis 2016 eingegangene Anträge zu prospektiven Datenerhebungen und nicht-interventionellen Studien. Diese E-Mail unterzeichnete die Klägerin mit ihrem Namen und dem Zusatz „Leiterin der Arbeitsgruppe Gesundheitswesen“ sowie dem Logo des U. J. e.V. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 4. Juni 2018 ab. Zur Begründung der ablehnenden Entscheidung führte die Beklagte unter anderem aus, dass der Auskunftsantrag bereits aus formalen Gründen abzulehnen sei. Denn die Klägerin habe den Antrag entgegen § 4 Abs. 1 Informationsfreiheitsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (IFG NRW) nicht als natürliche Person, sondern als Leiterin der Arbeitsgruppe Gesundheitswesen für den Verein U. J. e.V. gestellt. Gegen diesen Bescheid wurden keine Rechtsmittel eingelegt.
3Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 15. Juni 2018 stellte die Klägerin im eigenen Namen einen weiteren Antrag auf Informationszugang zu diversen Unterlagen der Ethik-Kommission der Beklagten in Bezug auf in den Jahren 2008 bis 2010 und 2014 bis 2016 eingegangene Anträge zu prospektiven Datenerhebungen und nicht-interventionellen Studien. Sie erklärte, auf die Nennung von Daten privater Dritter und von Unternehmensnamen zu verzichten.
4Über diesen Antrag entschied die Beklagte nicht.
5Am 19. September 2018 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung ihrer Klage trägt sie vor, dass diese zulässig sei. Ihr nunmehriger Antrag sei insbesondere nicht identisch mit dem Antrag, den sie für den U. J. e.V. gestellt und den die Beklagte mit Bescheid vom 4. Juni 2018 abgelehnt habe.
6Die Klage sei auch begründet. Ihr stehe ein Anspruch auf den begehrten Informationszugang aus § 4 Abs. 1 IFG NRW zu. Ihr Antrag sei nicht rechtsmissbräuchlich, da es im Rahmen eines Anspruchs nach dem IFG NRW nicht auf die Motive des Antragstellers ankomme. Die Bereichsausnahme des § 2 Abs. 3 IFG NRW sei nicht einschlägig. Weder der sachliche noch der persönliche Anwendungsbereich dieser als Ausnahmevorschrift eng auszulegenden Vorschrift seien eröffnet. Der sachliche Anwendungsbereich sei nicht betroffen, da die streitgegenständlichen nicht-interventionellen Wirksamkeitsprüfungen und Anwendungsbeobachtungen nicht dem Zweck der Forschung dienten. Anwendungsbeobachtungen hätten keinerlei wissenschaftliche Methodik bzw. Systematik. Sie dienten allein der Beeinflussung des Verschreibungsverhaltens von Ärzten und damit dem Umsatz des industriellen Vertragspartners. Zudem sei auch der persönliche Anwendungsbereich der Bereichsausnahme nicht eröffnet. Die Ethik-Kommission der Beklagten sei keine Forschungseinrichtung im Sinne des § 2 Abs. 3 IFG NRW, da sie im Hinblick auf nicht-interventionelle Studien lediglich beratend tätig werde und damit selbst keine Forschung betreibe. Sie könne auch nicht als Hochschule bzw. Prüfungseinrichtung angesehen werden. Auch der Ausschlussgrund des § 8 IFG NRW stehe dem Informationszugang nicht entgegen. Es seien keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse betroffen. Ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung liege nicht vor. Die begehrten Informationen seien aufgrund der bei Studienbeginn bereits erfolgten Zulassung der betroffenen Arzneimittel nicht nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich. Durch die Offenbarung der Informationen könne kein wirtschaftlicher Schaden entstehen. Informationen, die älter als fünf Jahre bzw. wirtschaftlich wertlos seien, könne keine Wettbewerbsrelevanz zukommen. Im Übrigen bestehe jedenfalls ein überwiegendes Interesse der Allgemeinheit an der Offenlegung der Informationen. Die Beklagte habe schließlich nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass die Informationsgewährung, auch bei einer Schwärzung personenbezogener Daten, einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten würde. Es sei zudem die Deklaration von Helsinki des Weltärztebundes zu berücksichtigen, die eine Transparenzpflicht der Beklagten vorsehe.
7Darüber hinaus ergebe sich ihr Anspruch auf Informationsgewährung auch aus § 2 Abs. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Verbesserung der gesundheitsbezogenen Verbraucherinformation (Verbraucherinformationsgesetz - VIG). Bei der Ethik-Kommission der Beklagten handele es sich um eine verpflichtete Stelle im Sinne des VIG. Arzneimittel seien zudem Verbraucherprodukte im Sinne des VIG. Die Regelungen des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz – AMG) sperrten den Informationszugang nach dem VIG nicht, da das AMG keine Vorschriften über entsprechende Auskunftsansprüche enthalte.
8Ein Anspruch auf den begehrten Informationszugang folge außerdem aus § 2 Satz 1 Umweltinformationsgesetz Nordrhein-Westfalen (UIG NRW). Der Begriff der Umweltinformation sei weit auszulegen. Bei den von ihr begehrten Informationen liege der erforderliche Umweltbezug vor.
9Ihr Informationszugangsanspruch könne zudem auf Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) gestützt werden. Dieser vermittele auch einen Leistungsanspruch. Es liege zudem eine allgemein zugängliche Informationsquelle vor.
10Schließlich stützt die Klägerin den geltend gemachten Auskunftsanspruch auf Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verstehe diese Vorschrift auch als eine Anspruchsgrundlage auf Informationszugang.
11Die Klägerin beantragt,
12die Beklagte zu verpflichten, ihr Informationszugang durch Akteneinsicht in Form einer Datenkopie ohne Nennung von Daten privater Dritter oder von Namen von Unternehmen zu
13den bei der Ethik-Kommission der Beklagten in den Jahren 2008 bis 2010 und 2014 bis 2016 eingegangenen und beratenen Unterlagen (z.B. Anträge, Studien- oder Beobachtungsprotokolle, Probanden/Patienteninformationen sowie Einwilligungserklärungen) zu prospektiven Datenerhebungen und nicht-interventionellen Studien, darunter nicht-interventionelle Unbedenklichkeitsprüfungen gemäß § 63f, § 63g oder § 67 Abs. 6 AMG (sog. Post-Authorisation Safety Study), nicht-interventionelle Wirksamkeitsprüfungen (sog. Post-Authorisation Efficacy Study) oder Anwendungsbeobachtungen nach § 67 Abs. 6 AMG,
den für die Antragsteller erstellten Dokumenten über Beratungen und Bewertungen der Ethik-Kommission der Beklagten, darunter Stellungnahmen, Hinweise und Beschlüsse, zu den unter 1. aufgeführten prospektiven Datenerhebungen eingegangenen Anträgen der Jahre 2008 bis 2010 und 2014 bis 2016,
allen den unter 1. aufgeführten prospektiven Datenerhebungen aus den Jahren 2008 bis 2010 und 2014 bis 2016 zugeordneten Ergebnissen, wissenschaftlichen Veröffentlichungen, Mitteilungen zum Beispiel über Nebenwirkungen oder sonstiger für die Arzneimittelsicherheit und Pharmakovigilanz relevanter Informationen, die der Ethik-Kommission der Beklagten zur Kenntnis gegeben wurden,
zu gewähren.
18Die Beklagte beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Zur Begründung trägt sie vor, dass die Klage bereits unzulässig sei. Der ablehnende Bescheid vom 4. Juni 2018, der einen identischen Auskunftsantrag der Klägerin betreffe, sei bereits bestandskräftig.
21Die Klage sei zudem auch unbegründet. Der Klägerin stehe kein Anspruch auf den begehrten Informationszugang aus § 4 Abs. 1 IFG NRW zu. Der Antrag der Klägerin sei rechtsmissbräuchlich, da davon auszugehen sei, dass diese als „Strohmann“ für den U. J. e.V., eine juristische Person, handele. Das IFG NRW sei zudem nach der Bereichsausnahme des § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht anwendbar. Der sachliche Anwendungsbereich der Bereichsausnahme sei eröffnet, da die streitgegenständlichen Informationen den Bereich der Forschung beträfen. Forschung liege auch bei nicht-interventionellen Studien vor. Dies gelte nach dem Willen des Gesetzgebers insbesondere auch für Anwendungsbeobachtungen. Für diese Einordnung spreche zudem, dass die zuständigen Bundesoberbehörden auf ihrer jeweiligen Homepage ausführliche Empfehlungen zur Planung und Durchführung von Anwendungsbeobachtungen veröffentlichten. Auch der persönliche Anwendungsbereich der Bereichsausnahme sei eröffnet. Die Ethik-Kommission der Beklagten sei eine Forschungseinrichtung im Sinne des § 2 Abs. 3 IFG NRW, da sie sich inhaltlich fundiert und wissenschaftlich mit den Forschungsvorhaben auseinandersetze. Der Schutz der Bereichsausnahme erstrecke sich auch auf die vorbereitende bzw. unterstützende Tätigkeit der Ethik-Kommission. Im Übrigen könne sie sich selbst dann auf die Bereichsausnahme berufen, wenn sie nicht als Forschungseinrichtung angesehen würde. Der Sinn und Zweck des § 2 Abs. 3 IFG NRW, einen umfassenden Schutz von Forschung und Lehre zu gewährleisten, gebiete eine funktionsbezogene Auslegung. Darüber hinaus finde die Bereichsausnahme auch deshalb Anwendung, weil die Tätigkeit der bei der Beklagten eingerichteten Ethik-Kommission mit der Tätigkeit von Ethik-Kommissionen in der Trägerschaft von Hochschulen vergleichbar sei. Schließlich handele es sich bei der Ethik-Kommission um eine Prüfungseinrichtung. Im Übrigen stehe einem Auskunftsanspruch der Klägerin der Ausschlussgrund des § 8 Abs. 1 IFG NRW entgegen. Die bei der Ethik-Kommission vorliegenden Unterlagen enthielten Informationen betreffend in der Planungsphase befindlicher Forschungsprojekte und damit Betriebsgeheimnisse des Vorhabenträgers. Die in den Unterlagen enthaltenen Informationen hätten Wettbewerbsrelevanz. Es bestehe ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse des Vorhabenträgers. Darüber hinaus sei eine Zusammenstellung der von dem Informationsbegehren der Klägerin erfassten Unterlagen unter Schwärzung der Daten privater Dritter und von Unternehmensnamen unter Berücksichtigung der personellen Ausstattung der Ethik-Kommission nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich. Es sei schließlich auch nicht ersichtlich, inwiefern sich aus der Deklaration von Helsinki eine Veröffentlichungspflicht der Beklagten bezüglich der von der Klägerin begehrten Informationen ergeben sollte.
22Ein Anspruch der Klägerin aus § 2 Abs. 1 VIG bestehe ebenfalls nicht. Der Anwendungsbereich des VIG sei bereits nicht eröffnet, da die Regelungen des AMG insoweit vorrangig seien. Die Tätigkeit der Ethik-Kommission stelle zudem keine Überwachungsmaßnahme im Zusammenhang mit dem Verbraucherschutz im Sinne des VIG dar. Die Beklagte sei keine informationspflichtige Stelle im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 VIG.
23Ein Informationszugangsanspruch der Klägerin folge auch nicht aus § 2 Satz 1 UIG NRW. Das Auskunftsbegehren der Klägerin betreffe keine Umweltinformationen, da kein hinreichender Umweltbezug vorliege.
24Durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG könne angesichts der einfachgesetzlich normierten Informationsansprüche von vorneherein kein Anspruch der Klägerin auf Informationszugang vermittelt werden. Im Übrigen sei bereits der Schutzbereich des Grundrechts nicht eröffnet, da das Auskunftsersuchen der Klägerin keine allgemein zugänglichen Informationsquellen betreffe. Schließlich bestünde ein etwaiger Anspruch aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG jedenfalls nicht unbeschränkt, sodass eine Beschränkung jedenfalls aufgrund der kollidierenden Wissenschafts- und Forschungsfreiheit gerechtfertigt sei.
25Art. 10 EMRK vermittele der Klägerin ebenfalls keinen Anspruch auf Informationszugang. Seine Wertungen seien allenfalls im Rahmen der Auslegung der maßgeblichen nationalen Gesetze zu berücksichtigen.
26Die Beteiligten haben sich im Rahmen des Erörterungstermins am 8. März 2021 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch die Berichterstatterin einverstanden erklärt.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
28Entscheidungsgründe:
29Die Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch die Berichterstatterin (§ 87a Abs. 2 und Abs. 3, § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)).
30Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.
31Die Klage ist als Verpflichtungsklage im Sinne des § 42 Abs. 1 Var. 2 VwGO statthaft. Denn die Klägerin begehrt den Erlass eines begünstigenden Verwaltungsakts in Form einer – der eigentlichen Informationsübermittlung vorgelagerten – behördlichen Entscheidung über ihr Auskunftsbegehren.
32Der Zulässigkeit der Verpflichtungsklage steht nicht entgegen, dass die Beklagte den Auskunftsantrag der Klägerin vom 15. Juni 2018 nicht ausdrücklich durch Bescheid abgelehnt hat. Zwar ist die Verpflichtungsklage aus Gründen der Gewaltenteilung und des Rechtsschutzbedürfnisses grundsätzlich nur zulässig, wenn der Kläger zuvor bei der Behörde einen Antrag gestellt und dieser – abgesehen von den Fällen der Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO – abgelehnt worden ist.
33Vgl. Schoch/Schneider, VwGO, Werkstand 39. EL Juli 2020, § 42 Rn. 96.
34Von diesem Grundsatz ist hier jedoch aufgrund der Umstände des Einzelfalls eine Ausnahme zu machen. Das Erfordernis eines vorherigen ablehnenden Bescheides soll aus Gründen der Gewaltenteilung verhindern, dass die Behörde mit einer Verpflichtungsklage konfrontiert wird, bevor sie selbst eine Entscheidung über den Erlass des begehrten Verwaltungsaktes treffen konnte. Vor diesem Hintergrund würde es hier eine bloße Förmelei darstellen, wenn die Beklagte zunächst noch einen ablehnenden Bescheid bezüglich des Antrags der Klägerin vom 15. Juni 2018 erlassen müsste. Die Beklagte hat bereits hinreichend deutlich gemacht, dass der Klägerin der geltend gemachte Auskunftsanspruch ihrer Ansicht nach nicht zusteht.
35Die Beklagte hatte den Antrag der Klägerin vom 15. Juni 2018 zunächst nicht beschieden, da sie die Ansicht vertrat, dass dieser Antrag mit dem Antrag der Klägerin vom 20. Februar 2018 identisch sei, den sie bereits mit Bescheid vom 4. Juni 2018 (bestandskräftig) abgelehnt hatte. Daraufhin hat die Klägerin am 19. September 2018 die streitgegenständliche Klage erhoben, mit der sie die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung des begehrten Informationszugangs beantragt und unter anderem geltend macht, ihr Antrag vom 15. Juni 2018 sei nicht mit dem bereits abgelehnten Antrag identisch. In der Folge kam es im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu einem regen schriftsätzlichen Austausch zwischen der Klägerin und der Beklagten. In diesem Rahmen trug die Beklagte ausführlich dazu vor, warum der geltend gemachte Auskunftsanspruch auch in der Sache nicht bestehe. Nachdem das Gericht mit gerichtlicher Verfügung vom 26. Februar 2019 darauf hingewiesen hatte, dass der hier streitgegenständliche Auskunftsantrag vom 15. Juni 2018 nicht mit dem bereits abgelehnten Antrag identisch sein dürfte, erklärte die Beklagte entsprechend mit Schriftsatz vom 27. März 2019, sie gehe davon aus, dass der Erlass eines ablehnenden Bescheides betreffend den Informationsantrag nicht (mehr) notwendig sei.
36Die Klage ist aber unbegründet. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Zugang zu den begehrten Informationen, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
37Ein solcher Anspruch der Klägerin ergibt sich zunächst nicht aus § 4 Abs. 1 IFG NRW. Nach dieser Vorschrift hat jede natürliche Person nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den in § 2 IFG NRW genannten Stellen Anspruch auf Zugang zu den bei der Stelle vorhandenen amtlichen Informationen.
38Danach ist die Klägerin zwar grundsätzlich anspruchsberechtigt. Sie hat den hier streitgegenständlichen Antrag auf Informationszugang vom 15. Juni 2018 im eigenen Namen, das heißt als natürliche Person im Sinne des § 4 Abs. 1 IFG NRW, gestellt und nicht als Vertreterin des U. J. e.V.
39Vgl. in diesem Zusammenhang auch OVG NRW, Urteil vom 18. August 2015 – 15 A 97/13 –, juris Rn. 36 f.
40Es bestehen – anders als die Beklagte meint – auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass das Vorgehen der Klägerin rechtsmissbräuchlich sein könnte, da sie mit E-Mail vom 00.0.2018 zunächst einen inhaltlich gleichlautenden Auskunftsantrag in ihrer Eigenschaft als Leiterin der Arbeitsgruppe Gesundheitswesen des U. J. e.V. gestellt hatte, den die Beklagte mit Bescheid vom 4. Juni 2018 bestandskräftig abgelehnt hat. Unabhängig davon, ob es von vorneherein als unerheblich anzusehen ist, wenn ein Antragsteller nach dem IFG NRW im Sinne eines „Strohmannes“ von einer juristischen Person vorgeschoben wird,
41so OVG NRW, Beschluss vom 21. August 2008 – 8 B 913/08 –, juris Rn. 25 ff.; Franßen/Seidel, Das Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen, 2007, § 4 Rn. 415 ff.,
42ist hier jedenfalls nicht erkennbar, dass die Klägerin von dem Verein lediglich vorgeschoben wird und an den begehrten Informationen keinerlei persönliches Interesse hat.
43Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. August 2015 – 15 A 97/13 –, juris Rn. 38 f.
44Die Beklagte ist auch grundsätzlich eine auskunftsverpflichtete Stelle im Sinne des IFG NRW. Gemäß § 2 Abs. 1 IFG NRW gilt das Gesetz für die Verwaltungstätigkeit der Behörden, Einrichtungen und sonstigen öffentlichen Stellen des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts und deren Vereinigungen (öffentliche Stellen). Nach Satz 2 der Vorschrift ist Behörde im Sinne dieses Gesetzes jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.
45Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf die Beklagte erfüllt. Bei den von der Klägerin begehrten Auskünften handelt es sich um Informationen, die die Verwaltungstätigkeit einer sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Person des öffentlichen Rechts betreffen. Die Beklagte, die nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Heilberufsgesetz (HeilBerG) eine Ethikkomission errichtet hat, ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 HeilBerG). Nach § 28 HeilBerG übt das jeweils zuständige Fachministerium des Landes Nordrhein-Westfalen die allgemeine Körperschaftsaufsicht im Sinne des § 20 Abs. 1 des Gesetzes über die Organisation der Landesverwaltung (Landesorganisationsgesetz - LOG NRW) über die Beklagte aus.
46Vgl. auch Franßen/Seidel, Das Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen, § 2 Rn. 149, 159.
47Darüber hinaus betreffen die begehrten Unterlagen eine Verwaltungstätigkeit der Beklagten im Sinne des § 2 Abs. 1 IFG NRW.
48Vgl. zur weiten Auslegung des Begriffs der Verwaltungstätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 IFG NRW: BeckOK Informations- und Medienrecht, Stand: 1. Februar 2021, IFG NRW § 2 Rn. 15.
49Bei den begehrten Unterlagen zu sog. nicht-interventionellen Studien handelt es sich auch um bei der Beklagten vorhandene amtliche Informationen im Sinne der §§ 3, 4 Abs. 1 IFG NRW. Eine Information ist vorhanden, wenn die informationspflichtige Stelle die tatsächliche Verfügungsgewalt über diese hat. Die öffentlichen Stellen sind demnach nicht verpflichtet, die begehrten Informationen erst noch zu beschaffen oder etwa durch statistische Auswertungen neu zu generieren.
50Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. August 2017 – 15 A 930/16 –, juris Rn. 10 f. m.w.N.; Franßen/Seidel, Das Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen, § 4 Rn. 396.
51Diese Voraussetzungen sind insbesondere auch im Hinblick auf die vom Klageantrag zu 3. erfassten Informationen erfüllt. Mit diesem begehrt die Klägerin Informationszugang zu allen der Ethik-Kommission im Nachgang zugegangenen Unterlagen bezüglich der in den Jahren 2008 bis 2010 sowie 2014 bis 2016 eingegangenen Anträge zu nicht-interventionellen Studien. Diesbezüglich geht das Gericht auf Grundlage der Angaben von Herrn Prof. Dr. S. , Vorsitzender der Ethik-Kommission, und Frau T. , Sachbearbeiterin bei der Ethik-Kommission, im Rahmen des Erörterungstermins am 8. März 2021 davon aus, dass der Ethik-Kommission zwar grundsätzlich im Nachgang – entsprechend ihrer in § 15 Abs. 1 Satz 1 der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte vorgesehenen beratenen Rolle vor Forschungsbeginn – keine Unterlagen zu den Studien mehr übermittelt werden, solche aber jedenfalls in Einzelfällen vorliegen. So hat Herr Prof. Dr. S. hierzu auf Nachfrage der Berichterstatterin angegeben, dass sie in Einzelfällen Veröffentlichungen bzw. Informationen über Publikationen erhalten würden. In der Regel würden sie aber keinen Abschlussbericht bekommen. Dies wurde durch Frau T. bestätigt.
52Vorsorglich weist das Gericht an dieser Stelle darauf hin, dass eine gesetzliche Regelung, die zu der Annahme führen würde, der Ethik-Kommission seien in dem hier maßgeblichen Zeitraum regelmäßig auch Unterlagen zu den Ergebnissen usw. der von ihr beratenen nicht-interventionellen Studien zur Kenntnis gelangt, nicht ersichtlich ist. Insbesondere ergibt sich dies nicht aus der von der Klägerin angeführten Deklaration von Helsinki des Weltärztebundes. Die Deklaration hat bereits keine unmittelbare rechtliche Bedeutung. Sie fasst vielmehr die international konsensfähigen Überzeugungen der Ärzteschaften zur Beurteilung von medizinischer Forschung am Menschen und die dafür maßgeblichen Voraussetzungen für ärztliches Handeln überhaupt zusammen.
53Vgl. Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, 4. Aufl. 2018, § 67 Rn. 13.
54Im Übrigen ist nicht ansatzweise ersichtlich, inwiefern sich aus der in der Deklaration vorgesehenen Transparenzpflicht der Ethik-Kommission (vgl. Nr. 23 der Deklaration) eine Verpflichtung zur Gewährung von Informationszugang zu Unterlagen ergeben sollte, die der Ethik-Kommission nicht vorliegen.
55Der Anwendbarkeit des IFG NRW steht auch nicht die Bereichsausnahme des § 2 Abs. 3 IFG NRW entgegen. Nach dieser Vorschrift gilt das IFG NRW für Forschungseinrichtungen, Hochschulen und Prüfungseinrichtungen nur, soweit sie nicht im Bereich von Forschung, Lehre, Leistungsbeurteilungen und Prüfungen tätig werden.
56Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Zwar betreffen die von der Klägerin begehrten Informationen den Bereich der Forschung, die Ethik-Kommission der Beklagten ist aber keine Forschungseinrichtung im Sinne des § 2 Abs. 3 IFG NRW und kann sich auch sonst nicht auf die Bereichsausnahme berufen.
57Der Begriff der Forschung ist im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG zu verstehen und entsprechend als jede geistige Tätigkeit mit dem Ziel, in methodischer, systematischer und nachprüfbarer Weise neue Erkenntnisse zu gewinnen, definiert.
58Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. August 2015 – 15 A 97/13 –, juris Rn. 47 f. m.w.N.
59Das von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit regelt als wertentscheidende Grundsatznorm das Verhältnis der Wissenschaft zum Staat und schützt als Abwehrrecht die freie wissenschaftliche Betätigung gegen staatliche Eingriffe. Wissenschaft ist ein grundsätzlich von Fremdbestimmung freier Bereich autonomer Verantwortung. Diesem Freiheitsrecht liegt der Gedanke zugrunde, dass eine von gesellschaftlichen Nützlichkeits- und politischen Zweckmäßigkeitsvorstellungen freie Wissenschaft Staat und Gesellschaft im Ergebnis am besten dient. Den Kernbereich wissenschaftlicher Betätigung stellen die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen bei der Suche nach Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe dar. Zur Sicherung dieses Bereichs gewährleistet Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nicht nur die Freiheit von staatlichen Geboten und Verboten, sondern verpflichtet den Staat auch zu Schutz und Förderung und gewährt den in der Wissenschaft Tätigen Teilhabe an öffentlichen Ressourcen und an der Organisation des Wissenschaftsbetriebs.
60Vgl. BVerfG, Urteil vom 24. November 2010 – 1 BvF 2/05 –, juris Rn. 143, Beschluss vom 28. Oktober 2008 – 1 BvR 462/06 –, juris Rn. 40 und Urteil vom 29. Mai 1973 – 1 BvR 424/71, 1 BvR 325/72 –, juris Rn. 92 und 98.
61Grundrechtlich geschützte Forschung ist auch die Zweck-, Auftrags- oder Ressortforschung, wenn die Tätigkeit nach den Kriterien der Wissenschaftlichkeit und mit wissenschaftlichen Methoden ausgeführt wird. Für den Grundrechtsschutz ist gleichgültig, wer die Vertragspartner einer Auftragsforschung sind, also wer den Auftrag erteilt (Staat, Private) und wo geforscht wird (Universität, außeruniversitäre staatliche Einrichtung, private Einrichtung).
62Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. August 2015 – 15 A 97/13 –, juris Rn. 47 f. m.w.N.
63Die Forschungsfreiheit umfasst die Fragestellung und die Grundsätze der Methodik sowie die Bewertung des Forschungsergebnisses und seine Verbreitung.
64Vgl. BVerfG, Urteil vom 29. Mai 1973 – 1 BvR 424/71, 1 BvR 325/72 –, juris Rn. 92, 94, 97 f. und 110.
65Dies zugrunde gelegt, betreffen die von der Klägerin begehrten Informationen – anders als diese meint – Forschung im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Die Klägerin begehrt Zugang zu den bei der Ethik-Kommission der Beklagten in den Jahren 2008 bis 2010 und 2014 bis 2016 eingegangenen und beratenen Unterlagen zu prospektiven Datenerhebungen und nicht-interventionellen Studien, den diesbezüglich von der Ethik-Kommission für die Antragsteller erstellten Unterlagen und den der Ethik-Kommission im Nachgang durch die Antragsteller zur Kenntnis gegebenen Unterlagen.
66Die von dem Informationsbegehren der Klägerin betroffenen prospektiven Datenerhebungen und nicht-interventionellen Studien stellen Forschung dar.
67Bei prospektiven Datenerhebungen handelte es sich um eine vorausschauend zum Zwecke der Auswertung im Rahmen der jeweiligen Studie angelegte Datenerhebung. Die gesammelten Daten werden explizit zum Zweck der Durchführung der Studie erhoben (Primärdatenerhebung) erhoben und wurden nicht bereits aus einem anderen Grund dokumentiert.
68Vgl. Gemeinsame Empfehlungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und des Paul-Ehrlich-Instituts zu Anwendungsbeobachtungen nach § 67 Absatz 6 Arzneimittelgesetz und zur Anzeige von nichtinterventionellen Unbedenklichkeitsprüfungen nach § 63f Arzneimittelgesetz vom 20. Dezember 2019, S. 6, abrufbar unter https://www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Arzneimittel/Zulassung/klin-pr/nichtInterventPruef/Gemeinsame%20Empfehlungen%20zu%20AWB%20und%20PASS.pdf;jsessionid=7C1BF5B163EAA7ADA75501D69062C91E.2_cid507?__blob=publicationFile&v=1.
69Eine nicht-interventionelle Prüfung ist gemäß § 4 Abs. 23 Satz 3 AMG eine Untersuchung, in deren Rahmen Erkenntnisse aus der Behandlung von Personen mit Arzneimitteln anhand epidemiologischer Methoden analysiert werden; dabei folgt die Behandlung einschließlich der Diagnose und Überwachung nicht einem vorab festgelegten Prüfplan, sondern ausschließlich der ärztlichen Praxis; soweit es sich um ein zulassungspflichtiges oder nach § 21a Abs. 1 AMG genehmigungspflichtiges Arzneimittel handelt, erfolgt dies ferner gemäß den in der Zulassung oder der Genehmigung festgelegten Angaben für seine Anwendung.
70Ein Unterfall der nicht-interventionellen Studie ist die Anwendungsbeobachtung im Sinne des § 67 Abs. 6 AMG. Hierbei handelt es sich um eine systematische Erkenntnissammlung hinsichtlich eines bereits auf dem Markt befindlichen Arzneimittels (vgl. § 67 Abs. 6 Satz 1 AMG).
71Siehe auch Broch, Compliance-Gespenst „Anwendungsbeobachtungen?, in: PharmR 2016, 314 (315).
72Zudem gibt es insbesondere nicht-interventionelle Unbedenklichkeitsstudien im Sinne der §§ 63f, 63 g AMG (sog. Post-Authorisation Safety Study) und nicht-interventionelle Wirksamkeitsstudien (sog. Post-Authorisation Efficacy Study) (vgl. dazu auch die Aufzählung im Klageantrag zu 1.).
73Vgl. Gemeinsame Empfehlungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und des Paul-Ehrlich-Instituts zu Anwendungsbeobachtungen nach § 67 Absatz 6 Arzneimittelgesetz und zur Anzeige von nichtinterventionellen Unbedenklichkeitsprüfungen nach § 63f Arzneimittelgesetz vom 20. Dezember 2019, S. 1 ff.; Taupitz/Schneider, Zulässige Maßnahmen im Rahmen von nicht-interventionellen Studien, in: PharmR 2015, 573 (573); Sträter/Wachenhausen, Post-Autorisation Safety Studies (PASS) – Neue Anforderungen an Anwendungsbeobachtungen?, in: PharmR 2008, 177.
74Bei sämtlichen dieser Studien liegt eine geistige Tätigkeit mit dem Ziel vor, in methodischer, systematischer und nachprüfbarer Weise neue Erkenntnisse zu bereits zugelassenen Arzneimitteln zu gewinnen. Nicht-interventionelle Studien dienen – neben davon zu unterscheidenden klinischen Studien im Sinne des § 4 Abs. 23 Satz 1 AMG – dazu, Arzneimittel nach ihrer Zulassung einer wissenschaftlichen Untersuchung zu unterziehen, um ihre Wirkungen und Nebenwirkungen zu erkennen und zu bewerten, um etwa das mit der Anwendung verbundene Nutzen-Risiko-Verhältnis zu erfassen und abzuwägen, die Dosierung zu optimieren, Fragen zur Applikationsform zu beantworten und Vergleiche zu anderen Arzneiprodukten zu ziehen.
75Siehe auch Broch, Compliance-Gespenst „Anwendungsbeobachtungen?, in: PharmR 2016, 314 (314).
76Nicht-interventionelle Unbedenklichkeitsstudien zielen dabei konkret darauf ab, nach Zulassung eines Arzneimittels ein Sicherheitsrisiko zu ermitteln, zu beschreiben oder zu quantifizieren, das Sicherheitsprofil eines Arzneimittels zu bestätigen oder die Effizienz von Risikomanagement-Maßnahmen zu messen (vgl. § 4 Abs. 34 AMG). Bei nicht-interventionellen Wirksamkeitsstudien handelt es sich hingegen um Studien zur Ergänzung der Wirksamkeitsdaten, die zum Zeitpunkt der ersten Zulassung des Arzneimittels verfügbar waren, und zur Erhebung von Langzeitdaten dazu, wie gut das Arzneimittel wirkt, während es bereits weitläufig angewendet wird (vgl. dazu den von der Klägerin vorgelegten Artikel aus dem Deutschen Ärzteblatt vom 6. Juli 2020, S. 2 (Bl. 294 ff. der Gerichtsakte)).
77Ob die Klägerin selbst das Vorliegen von Forschung auch für diese Studien in Frage stellt, geht aus ihrem Vortrag nicht eindeutig hervor, wenn im Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 28. März 2021 ausgeführt wird: „Die streitgegenständlichen nicht-interventionellen Wirksamkeitsprüfungen gem. § 63f und g AMG oder Anwendungsbeobachtungen gem. § 67 AMG (nachfolgend gemeinsam „AWBs“ genannt) dienen nicht dem Zweck der Forschung“. Jedenfalls in dem von ihr vorgelegten Artikel aus dem Deutschen Ärzteblatt vom 6. Juli 2020 (Bl. 294 ff. der Gerichtsakte) heißt es hierzu: „Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) empfiehlt Kolleginnen und Kollegen, bei Studien nach der Zulassung oder Registrierung eines Arzneimittels nur an PASS (= Post-Authorisation Safety Study, Anm. des Gerichts) oder PAES (= Post-Authorisation Efficacy Study, Anm. des Gerichts) teilzunehmen. Sie rät von einer Teilnahme an AWB (= Anwendungsbeobachtungen, Anm. des Gerichts) ab“.
78Soweit die Klägerin demgegenüber jedenfalls im Hinblick auf Anwendungsbeobachtungen vorträgt, diese unterfielen mangels eines systematischen und methodischen Vorgehens nicht dem Forschungsbegriff, teilt das Gericht diese Ansicht nicht. Die Anwendungsbeobachtung ist eine systematische Sammlung von Kenntnissen und Erfahrungen, die bei der Anwendung eines bestimmten Arzneimittels gemacht werden. Hierdurch können insbesondere Erkenntnisse über Risiken und Nebenwirkungen und die Wirksamkeit des Präparates gewonnen werden.
79Vgl. Rehmann, Arzneimittelgesetz, 5. Aufl. 2020, AMG § 67 Rn. 5.
80So folgt die Anwendungsbeobachtung etwa einem Beobachtungsplan, der vor Beginn einer Anwendungsbeobachtung zu erstellen ist und dem aktuellen Stand der medizinischen, epidemiologischen und biometrischen Wissenschaft entspricht. Der Beobachtungsplan sollte sich am routinemäßigen Vorgehen ausrichten und eine strukturierte, systematische Beobachtung ermöglichen.
81Vgl. Empfehlungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte und des Paul-Ehrlich-Instituts zur Planung, Durchführung und Auswertung von Anwendungsbeobachtungen (AWB) vom 7. Juli 2010, S. 2 f., abrufbar unter https://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/DE/regulation/klinische-pruefung/awb-empfehlung-bfarm-pei-7-7-2010.pdf?__blob=publicationFile&v=2.
82Anwendungsbeobachtungen weisen sowohl Schnittstellen als auch Unterschiede zu nicht-interventionellen Unbedenklichkeitsstudien auf. Eine Anwendungsbeobachtung kann vielfältige Sicherheitsaspekte bei der Anwendung von zugelassenen Arzneimitteln untersuchen. Es sind jedoch auch weitere Zielsetzungen denkbar, wie etwa das Gewinnen von Erkenntnissen über Verordnungsverhalten und Verschreibungsgewohnheiten, Beachtung der Fach- und Gebrauchsinformationen, Akzeptanz und Compliance, Praktikabilität, Beachtung von Zulassungsauflagen, etc. Schließlich können Anwendungsbeobachtungen auch darauf abzielen, Erkenntnisse über die Anwendung in zugelassenen Indikationen unter den Bedingungen der routinemäßigen Anwendung zu erweitern, ohne den Blick spezifisch auf Sicherheitsaspekte zu richten. Damit sind neben Sicherheitsaspekten bei Anwendungsbeobachtungen auch Fragestellungen zur Wirksamkeit, der Pharmakoökonomie sowie zum Therapieverhalten des Arztes und der Akzeptanz des Patienten möglich und zulässig.
83Vgl. Sträter/Wachenhausen, Post-Autorisation Safety Studies (PASS) – Neue Anforderungen an Anwendungsbeobachtungen?, PharmR 2008, 177 (180).
84Soweit in Einzelfällen bei Anwendungsbeobachtungen – wie die Klägerin insbesondere unter Vorlage eines Artikels aus dem Deutschen Ärzteblatt vom 6. Juli 2020 (vgl. Bl. 294 ff. der Gerichtsakte) und einer unter anderem von ihr selbst verfassten Veröffentlichung in der Fachzeitschrift „ C. “ (Bl. 286 ff. der Gerichtsakte) geltend macht – ein geringer Erkenntnisgewinn vorliegen sollte, ändert dies nichts daran, dass auch diese Art der nicht-interventionellen Studien grundsätzlich vom Forschungsbegriff erfasst wird. Der Umfang des Erkenntnisgewinns ist bei Forschungsvorhaben naturgemäß unterschiedlich. Vor dem Hintergrund der obigen Darlegungen ist für das Gericht jedenfalls nicht erkennbar, dass – wie die Klägerin behauptet – Anwendungsbeobachtungen allein „der Beeinflussung des Verschreibungsverhaltens der Ärzte und damit dem Umsatz des industriellen Vertragspartners“ dienten bzw. „keinerlei wissenschaftliche Methodik“ aufwiesen oder „das Gegenteil von Forschung“ seien (vgl. Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 28. März 2021).
85Soweit im Bereich von Anwendungsbeobachtungen in Einzelfällen ein missbräuchliches oder sogar rechtswidriges Verhalten vorliegen sollte, ist solchen Fällen mit wettbewerbsrechtlichen bzw. strafrechtlichen Maßnahmen zu begegnen. Im Übrigen ist es gerade auch Aufgabe der Ethik-Kommission der Beklagten, im Rahmen ihrer Beratung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte über die Einhaltung gewisser berufsrechtlicher und berufsethischer Standards zu wachen. Hierzu hat Herr Prof. Dr. S. im Rahmen des Erörterungstermins erklärt, in der Regel bestünden im Hinblick auf die beratenen Studien bei der ersten Beratung durch die Ethik-Kommission zunächst Monita, die dem jeweiligen Antragsteller in einem Mängelschreiben mitgeteilt würden. Je nachdem, wie schwerwiegend die Beanstandungen seien, erfolge die anschließende Bewertung, ob diese beseitigt worden seien, durch den Vorsitzenden allein oder es finde im Umlaufverfahren eine erneute Beratung aller Mitglieder des Gremiums statt, bevor schließlich in der Regel ein positives Votum ergehe.
86Der dargelegte Forschungsbereich wird auch durch die hier begehrten Informationen betroffen. Die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen bei der Suche nach Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe stellen den Kernbereich wissenschaftlicher Betätigung dar.
87Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. August 2015 – 15 A 97/13 –, juris Rn. 45 f. m.w.N.
88Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Denn die streitgegenständlichen Unterlagen enthalten zur Überzeugung des Gerichts in ihrer Gesamtheit Angaben zu Inhalt, Durchführung und ggf. Ergebnissen der nicht-interventionellen Studien.
89So betrifft zunächst der Klageantrag zu 1. die von den jeweiligen Antragstellern bei der Ethik-Kommission eingereichten Unterlagen. Diese enthalten im Einzelnen Angaben zu Ausgestaltung, Inhalt und Ziel der jeweiligen Studie und betreffen damit – zumal sie aus der besonders sensiblen Phase der Studienplanung stammen – den Kernbereich der Forschungsfreiheit. Nach den nachvollziehbaren Angaben von Herrn Prof. Dr. S. im Rahmen des Erörterungstermins handelt es sich dabei um Unterlagen, die im Stadium der Vorbereitung der jeweiligen Studie erstellt werden. Konkret würden der Ethik-Kommission in der Regel ein Beobachtungsplan oder ein Registerprotokoll, das Patienteninformationsblatt und die Einwilligungserklärung für die Patienten sowie die Angabe der beteiligten Ärzte im Zuständigkeitsbereich der Beklagten vorgelegt. Die Unterlagen gäben unter anderem an, welche Daten erhoben werden sollen und wie die Auswertung geplant sei.
90Informationen aus diesem Bereich sind auch den vom Klageantrag zu 2. erfassten Unterlagen zu entnehmen, die von der Ethik-Kommission selbst erstellt werden. Denn das Gericht geht davon aus, dass sich aus den Angaben in diesen Unterlagen ohne Weiteres Rückschlüsse auf den Inhalt der nicht-interventionellen Studien ziehen lassen. Hierzu hat Herr Prof Dr. S. im Erörterungstermin ausgeführt, dass es sich bei den für die Antragsteller erstellten Unterlagen insbesondere um die Reaktion der Ethik-Kommission auf das jeweilige Vorhaben nach ihrer erstmaligen Beratung des Vorhabens handele. Dies sei in seltenen Fällen ein unmittelbares positives Votum und in der Regel ein Mängelschreiben, mit dem der jeweilige Antragsteller zur Beseitigung einzelner Monita aufgefordert werde. Schließlich erhalte der jeweilige Antragsteller in der Regel nach erneuter Prüfung der Studie unter berufsrechtlichen und berufsethischen Aspekten ein finales positives Votum.
91Vom Forschungsbegriff erfasst sind schließlich auch die der Ethik-Kommission in Einzelfällen im Nachgang zugegangenen Unterlagen (Klageantrag zu 3.). Vom Schutzbereich der Forschungsfreiheit ist insbesondere auch die Freiheit des Forschenden umfasst, über die Verbreitung der Forschungsergebnisse in autonomer Selbstbestimmung zu entscheiden.
92Vgl. BVerfG, Urteil vom 29. Mai 1973 – 1 BvR 424/71 u.a. –, juris Rn. 94, 185 und Beschluss vom 1. März 1978 – 1 BvR 333/75 –, juris Rn. 191; BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 1996 – 6 C 5.95 –, juris Rn 36.
93Der einzelne Wissenschaftler kann grundsätzlich frei darüber entscheiden, ob und wann er seine Forschungsergebnisse verbreitet.
94Vgl. VG Köln, Urteil vom 6. Dezember 2012 – 13 K 2679/11 –, juris Rn. 71; VG Hamburg, Beschluss vom 20. März 2020 – 17 K 1312/19 –, juris Rn. 30.
95Soweit sich die Klägerin in diesem Zusammenhang auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Köln vom 24. Juli 2014 (Az. 13 K 3784/12, veröffentlicht u.a. bei juris) und eine Entscheidung des VG Berlin vom 1. Juni 2012 (Az. 2 K 177.11, veröffentlicht u.a. bei juris) beruft, mit denen Klagen auf Zugang zu Informationen im Zusammenhang mit Anwendungsbeobachtungen stattgegeben wurde, kann sie daraus für dieses Verfahrens im Hinblick auf den sachlichen Anwendungsbereich der Bereichsausnahme des § 2 Abs. 3 IFG NRW nichts herleiten. Zum einen betrafen die Verfahren des VG Köln und des VG Berlin jeweils einen Anspruch auf Informationszugang nach dem Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz – IFG Bund), das insofern nicht mit dem IFG NRW vergleichbar ist, als es – anders als das IFG NRW – keine Bereichsausnahme für Forschung enthält. Zum anderen wurde dem Kläger in den Verfahren des VG Köln und VG Berlin in erster Linie Zugang zu statistischen Informationen im Zusammenhang mit Anwendungsbeobachtungen gewährt, etwa dazu, wie viele Anwendungsbeobachtungen den dortigen Beklagten für welche Arzneimittel von welchen pharmazeutischen Unternehmen angezeigt worden waren. Insoweit reicht der hier streitgegenständliche Auskunftsantrag deutlich weiter, da er auf den Zugang zu Unterlagen mit inhaltlichen Angaben zu den einzelnen Studien, insbesondere zur Studienplanung, gerichtet ist.
96Die Bereichsausnahme des § 2 Abs. 3 IFG NRW ist jedoch deshalb nicht anwendbar, weil ihr persönlicher Anwendungsbereich nicht erfüllt ist. Die Vorschrift setzt nämlich nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen ausgehend von ihrem Wortlaut („Für Forschungseinrichtungen […] gilt dieses Gesetz nur“) weiter voraus, dass die Forschungstätigkeit im organisatorischen Rahmen einer „Einrichtung“ stattfindet.
97Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. September 2020 – 15 B 1357/20 –, juris Rn. 25.
98Dabei sprechen die Gesetzesmaterialien zum Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen für ein weites Verständnis des Begriffs der Forschungseinrichtungen.
99Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. September 2020 – 15 B 1357/20 –, juris Rn. 14 f.; siehe allgemein zu einer grundsätzlich extensiven Auslegung des § 2 Abs. 3 IFG NRW OVG NRW, Urteil vom 18. August 2015 – 15 A 97/13 –, juris Rn. 57 ff. m.w.N.
100Nach der Begründung des Gesetzentwurfs sollte mit § 2 Abs. 3 IFG NRW klargestellt werden, „dass das Informationsrecht nicht gegenüber Forschung und Lehre … greift.“ Durch den Zugang zu amtlichen Informationen sollte es „insbesondere nicht dazu kommen, dass die Grundrechtspositionen von Wissenschaft und Forschung gefährdet werden“.
101Vgl. Entwurf eines Gesetzes über die Freiheit des Zuganges zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen, LT-Drucks. 13/1311 vom 12. Juni 2011, S. 10.
102Diese allgemeine und nicht durch institutionelle Anforderungen eingeschränkte Bezugnahme der Gesetzesbegründung auf die „Forschung“ lässt darauf schließen, dass es dem Gesetzgeber in erster Linie darum ging, durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützte Forschungstätigkeiten vor einer möglichen Gefährdung durch Informationszugangsansprüche zu bewahren und es auf eine Institutionalisierung der Forschung nur insoweit ankommt, als sie im Rahmen einer „Einrichtung“ stattfinden muss, damit die Bereichsausnahme eingreift. Dementsprechend dürfte der Begriff der Forschungseinrichtung in § 2 Abs. 3 Hs. 1 IFG NRW nicht davon abhängen, dass ihre Tätigkeit hauptsächlich darauf ausgerichtet ist, Forschung zu betreiben.
103Vielmehr dürfte es ausreichen, dass eine Einrichtung – neben anderen Aufgaben – bestimmungsgemäß auch Forschung betreibt. Die mögliche Wortbedeutung des Begriffs der „Forschungseinrichtung“ kann auch in einem weiter gefassten Sinne dahingehend verstanden werden, dass es sich um eine Einrichtung handelt, zu deren Aufgaben auch, aber nicht notwendigerweise hauptsächlich die wissenschaftliche Forschung gehört.
104Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. September 2020 – 15 B 1357/20 –, juris Rn. 18 ff.; anders Franßen/Seidel, Das Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen, § 2 Rn. 277.
105Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf die Beklagte bzw. die von ihr eingerichtete Ethik-Kommission nicht erfüllt. Die Beklagte ist die berufliche Vertretung der Ärztinnen und Ärzte im Landesteil Nordrhein (vgl. § 1 Satz 1 Nr. 1 HeilBerG). Als solche gehört zu ihren Aufgaben im Sinne des § 6 Abs. 1 HeilBerG nicht die Forschung im oben dargelegten Sinne. Aufgabe der Ethik-Kommission ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 HeilBerG die Beratung von Kammerangehörigen der Beklagten in berufsrechtlichen und berufsethischen Fragen (vgl. auch § 2 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Ethik-Kommission der Ärztekammer Nordrhein vom 18. November 2018). Entsprechend sieht § 15 Abs. 1 Satz 1 der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte vor, dass sich Ärzte vor der Durchführung biomedizinischer Forschung am Menschen – ausgenommen bei hier nicht vorliegenden ausschließlich retrospektiven epidemiologischen Forschungsvorhaben – durch eine bei der Ärztekammer oder bei einer medizinischen Fakultät gebildeten Ethikkommission über die mit ihrem Vorhaben verbundenen berufsethischen und berufsrechtlichen Fragen beraten lassen müssen. Forschung im dargelegten Sinne wird also nicht von der Beklagten bzw. ihrer Ethik-Kommission betrieben, sondern allein von den von ihr beratenen Ärzten.
106Die Ethik-Kommission der Beklagten kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass der Schutzbereich von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG alle unmittelbar wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten erfasst, als Forschungseinrichtung im Sinne des § 2 Abs. 3 IFG NRW angesehen werden. Zwar ist die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit auch im Bereich derjenigen Angelegenheiten, die als „wissenschaftsrelevant“ angesehen werden müssen, das heißt die Forschung und Lehre unmittelbar berühren, durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG begrenzt. Gleichermaßen geschützt sind mit anderen Worten alle Aktivitäten der Forschung mit allen vorbereitenden und unterstützenden Tätigkeiten. Dazu zählen insbesondere die Planung wissenschaftlicher Vorhaben, das heißt die Forschungsplanung, das Aufstellen von Lehrprogrammen und die Planung des Lehrangebotes, die Koordinierung der wissenschaftlichen Arbeit, also das Abstimmen der Forschungsvorhaben und der Lehrangebote aufeinander, die Harmonisierung der Lehraufgaben mit den Forschungsvorhaben, ferner die organisatorische Betreuung und Sicherung der Durchführung von Forschungsvorhaben und Lehrveranstaltungen, insbesondere ihre haushaltsmäßige Betreuung einschließlich der Mittelvergabe, die Errichtung und der Einsatz von wissenschaftlichen Einrichtungen und Arbeitsgruppen, die Festsetzung der Beteiligungsverhältnisse bei wissenschaftlichen Gemeinschaftsaufgaben, die Festlegung und Durchführung von Studien- und Prüfungsordnungen. Schließlich sind hierher auch die Personalentscheidungen in Angelegenheiten der Hochschullehrer und ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiter zu rechnen.
107Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. August 2015 – 15 A 97/13 –, juris Rn. 51 f. unter Hinweis auf insbesondere BVerfG, Urteil vom 24. November 2010 – 1 BvF 2/05 –, juris Rn. 240 und Urteil vom 29. Mai 1973 – 1 BvR 424/71, 1 BvR 325/72 –, juris Rn. 115.
108Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Ethik-Kommission der Beklagten selbst nicht zumindest auch Forschung betreibt, sondern lediglich im Hinblick auf die Forschung anderer beratend tätig wird. Der Begriff der „unmittelbar wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten“ knüpft insofern im Ausgangspunkt an das Betreiben von Forschung an und beschreibt hiervon ausgehend umfassend alle hiervon erfassten Aktivitäten, zu denen eben auch vorbereitende und unterstützende Tätigkeiten zählen.
109Die von der Ethik-Kommission beratenen Ärzte stellen wiederum mangels eines organisatorischen Rahmens keine von § 2 Abs. 3 IFG NRW erfasste Forschungseinrichtung dar. Insoweit unterscheidet sich die vorliegende Konstellation von dem der Entscheidung des VG Düsseldorf vom 20. Oktober 2017 (Az. 26 K 1413/16, veröffentlicht unter anderem bei juris) zugrunde liegenden Sachverhalt. In diesem Verfahren ist das VG Düsseldorf davon ausgegangen, dass die Bereichsausnahme des § 2 Abs. 3 IFG NRW auch für eine grundsätzlich auskunftsverpflichtete Behörde gilt, wenn ihr im Rahmen ihrer Tätigkeit wissenschaftliche Unterlagen einer Hochschule aus dem Bereich der Forschung vorgelegt werden. Das dortige Verfahren betraf den Informationszugang zu Unterlagen einer Hochschule zu Tierversuchen, die diese der zuständigen Genehmigungsbehörde vorgelegt hatte. Damit war – anders als hier – der von dem Informationszugangsanspruch betroffene Dritte grundsätzlich selbst nach dem IFG NRW informationspflichtig, aber für den betroffenen Bereich ausnahmsweise durch § 2 Abs. 3 IFG NRW von der Informationspflicht befreit. Sich in der hier maßgeblichen Konstellation ergebende Konflikte mit Rechtspositionen privater Dritter sind hingegen über die Versagungsgründe der §§ 6 ff. IFG NRW zu lösen (dazu sogleich).
110Die Bereichsausnahme des § 2 Abs. 3 IFG NRW findet schließlich auch im Hinblick auf ihre beiden weiteren Tatbestandsvarianten (Hochschulen und Prüfungseinrichtungen) keine Anwendung.
111Eine analoge Anwendung der Vorschrift im Hinblick darauf, dass die Tätigkeit der Ethik-Kommission der Beklagten mit der Tätigkeit einer Ethik-Kommission an einer Hochschule vergleichbar wäre, kommt nicht in Betracht. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass hier eine planwidrige Regelungslücke vorläge, zumal informationsfreiheitsrechtliche Ausnahmetatbestände grundsätzlich eng zu verstehen sind.
112Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 15. November 2012 – 7 C 1.12 –, juris Rn. 39 und Beschluss vom 9. November 2010 – 7 B 43.10 –, juris Rn. 12; OVG NRW, Urteil vom 2. Juni 2015 – 15 A 1997/12 –, juris Rn. 85 und Urteil vom 19. März 2013 – 8 A 1172/11 –, juris Rn. 52.
113Die Ethik-Kommission der Beklagten ist auch keine Prüfungseinrichtung im Sinne des § 2 Abs. 3 IFG NRW. Prüfungseinrichtungen sind Einrichtungen, an denen Prüfungen durchgeführt werden. Eine Prüfung ist ein Leistungsermittlungsverfahren, also eine Feststellung von persönlichen Fähigkeiten, insbesondere von Kenntnissen, in einem bestimmten Verfahren.
114Vgl. Franßen/Seidel, Das Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen, § 2 Rn. 283.
115Diese Voraussetzungen sind im hier maßgeblichen Zusammenhang nicht erfüllt. Die Ethik-Kommission nimmt keine Prüfungen zur Leistungsfeststellung ab, sondern berät – wie dargelegt – Ärzte vor der Durchführung biomedizinischer Forschung am Menschen in berufsrechtlichen und berufsethischen Fragen.
116Dem Anspruch der Klägerin nach § 4 Abs. 1 IFG NRW steht jedoch entgegen, dass dessen Erfüllung für die Ethik-Kommission der Beklagten mit einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand verbunden wäre.
117Ein Informationszugangsanspruch ist wegen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwands ausgeschlossen, wenn die Erfüllung des Anspruchs einen im Verhältnis zum Erkenntnisgewinn des Anspruchstellers und der Allgemeinheit unvertretbaren Aufwand an Kosten oder Personal erfordern würde oder bei zumutbarer Personal- und Sachmittelausstattung sowie unter Ausschöpfung aller organisatorischen Möglichkeiten die Wahrnehmung der vorrangigen Sachaufgaben der Behörde erheblich behindern würde.
118Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Mai 2018 – 15 A 25/17 –, juris Rn. 45 f. in Bezug auf BArchG und IFG Bund (unter Anknüpfung an § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG Bund).
119Zwar enthält das IFG NRW keine § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG Bund entsprechende Regelung. § 10 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 IFG NRW lässt sich jedoch entnehmen, dass auch ein Informationsanspruch nach dem IFG NRW bei einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand jedenfalls in Extremfällen nicht besteht, insbesondere wenn die Informationsgewährung eine vorherige Durchsicht bzw. Aufbereitung der Unterlagen und die Schwärzung personenbezogener Daten Dritter erfordert. Auch insofern ist die informationspflichtige Stelle bei Auskunftsanträgen in Ausnahmefällen vor institutioneller Überforderung und einer Beeinträchtigung ihrer Funktionsfähigkeit zu schützen.
120In diesem Sinne auch VG Köln, Urteil vom 23. Januar 2014 – 13 K 3710/12 –, juris Rn. 32; VG Münster, Urteil vom 13. September 2013 – 1 K 3312/12 –, juris Rn. 41 ff.; wohl auch VG Minden, Urteil vom 5. August 2015 – 7 K 2267/13 –, juris Rn. 48 ff.; siehe auch Franßen/Seidel, Das Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen, § 5 Rn. 624, § 10 Rn. 1029 ff.; das Bestehen eines ungeschriebenen Ablehnungsgrundes im Falle eines unzumutbar großen Verwaltungsaufwand bei der Bearbeitung der Informationen im Zusammenhang mit dem Umweltinformationsgesetz (UIG) offen lassend: OVG NRW, Urteil vom 1. März 2011 – 8 A 3358/08 –, juris Rn. 140 ff.
121Die Frage, ob der Behörde durch einen Zugangsantrag ein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand entsteht, kann nicht anhand allgemeiner, für sämtliche Fallgestaltungen gültiger Maßstäbe beantwortet werden. Was unverhältnismäßiger Aufwand ist, lässt sich vielmehr nur im Einzelfall beurteilen. Auf den Umfang der Akten, in die Einsicht genommen werden soll, kommt es nicht allein an, sondern auch auf die Leistungsfähigkeit der Behörde und ein mögliches Missverhältnis des Aufwands im Verhältnis zum erwarteten Erkenntnisgewinn. Zu beachten ist, dass die Berufung auf die Unverhältnismäßigkeit nach dem Sinn und Zweck des Informationsfreiheitsgesetzes, nämlich einer grundsätzlichen Informationszugangsfreiheit (vgl. § 1 IFG NRW), nur eine Ausnahme sein kann und dementsprechend strenge Anforderungen an die Unverhältnismäßigkeit zu stellen sind. Dabei ist unter anderem zu beachten, dass allein der Kostenaufwand und damit verbunden auch die aufgewendeten Personalkosten allein kein Grund für die Annahme der Unverhältnismäßigkeit sein können. Denn diese Kosten werden gemäß § 11 IFG NRW durch entsprechend gestaffelte Gebühren abgegolten. Die Verwaltungsgebührenordnung zum Informationsfreiheitsgesetz NRW (VerwGebO IFG NRW) unterscheidet zwischen einfachem, umfangreichem und außergewöhnlichem Verwaltungsaufwand. Nach Tarifstelle 1.3.3 zur VerwGebO IFG NRW liegt ein außergewöhnlicher Verwaltungsaufwand insbesondere dann vor, wenn Daten zum Schutz privater Interessen abgetrennt oder geschwärzt werden müssen. Dann ist ein Gebührenrahmen von 10 bis 1000 Euro vorgesehen.
122Vgl. VG Münster, Urteil vom 13. September 2013 – 1 K 3312/12 –, juris Rn. 40 ff.; siehe auch Franßen/Seidel, Das Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen, § 10 Rn. 1032.
123Dabei ist der mit der Aufbereitung der Akten verbundene Verwaltungsaufwand, der sich in erster Linie im Personalaufwand niederschlägt, nicht nach den faktischen Verhältnissen, sondern normativ zu bestimmen. Die informationspflichtigen Behörden müssen Vorsorge dafür treffen, dass durch die Aufbereitung und Sichtung der Akten sowie Zusammenstellung der Unterlagen aus Anlass von Informationszugangsbegehren die ordnungsgemäße Wahrnehmung ihrer sonstigen Aufgaben nicht erheblich beeinträchtigt wird. Sie sind daher grundsätzlich gehalten, sich in ihrer Arbeitsorganisation und Aktenführung auf die mit der Erfüllung von IFG-Anträgen verbundenen (Zusatz-)Aufgaben einzustellen.
124Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 – 7 C 2.15 –, juris Rn. 24 zu § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG.
125Nur ein durch das Zugangsbegehren verursachter Verwaltungsaufwand, der so aus dem Rahmen des Üblichen fällt, dass er auch mit einer zumutbaren Ausstattung mit Personal und Sachmitteln und unter Ausschöpfung der zu Gebote stehenden organisatorischen und rechtlichen Möglichkeiten nicht oder nur unter unvertretbaren Kosten und/oder außergewöhnlich großem Personaleinsatz zu bewältigen wäre und die eigentliche Aufgabenerfüllung der Behörde erheblich behindern würde, kann im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 2 IFG NRW als unverhältnismäßig eingestuft werden. Die Grenze zur Unverhältnismäßigkeit des Verwaltungsaufwands ist erst dann überschritten, wenn durch die Art des Informationszugangsbegehrens oder seinen Umfang ein Verwaltungsaufwand notwendig ist, der den bei üblichen Gesuchen an die Behörde verursachten Aufwand in solch deutlichem Maße übersteigt, dass die Behörde das Gesuch letztlich nur durch außergewöhnliche Maßnahmen, insbesondere durch eine nicht nur vorübergehende Zurückstellung ihrer Kernaufgaben, bewältigen könnte. Für das Vorliegen eines unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwands sind dabei die Belastungen für die Behörde maßgeblich, die durch das in Frage stehende Zugangsbegehren nach der Art des Zugangsgesuchs, der Größe des hiervon bei der Behörde betroffenen Aktenbestandes und nach dem voraussichtlichen Umfang der Arbeiten zur Separierung evtl. der Geheimhaltung unterliegender Informationen ausgelöst werden.
126Vgl. VG Münster, Urteil vom 13. September 2013 – 1 K 3312/12 –, juris Rn. 40 ff.; Hess. VGH, Beschluss vom 2. März 2010 – 6 A 1684/08 –, juris Rn. 32 ff. zu § 7 Abs. 1 Satz 3 Hess. IFG; ferner zum Anspruch auf Akteneinsicht im europäischen Recht: EuGH, Urteil vom 13. April 2005 - T-2/03 [W. für Konsumenteninformation/Kommission u.a.], EuZW 2005, 566 (572).
127Bei Zugrundelegung dieser hohen Anforderungen ist in diesem Einzelfall unter Berücksichtigung der wechselseitigen Interessen ausnahmsweise von einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand auszugehen, der dem Informationsbegehren der Klägerin entgegensteht. Das Vorliegen eines Extremfalles im oben dargelegten Sinne ergibt sich daraus, dass einerseits ein besonders umfangreiches Informationsbegehren vorliegt, dem andererseits eine vergleichsweise kleine Verwaltungseinheit gegenübersteht.
128Der Umfang des Informationsbegehrens ergibt sich zum einen aus seiner inhaltlichen Fülle. Der Auskunftsantrag der Klägerin betrifft sämtliche nicht-interventionelle Studien, zu denen in einem Zeitraum von insgesamt sechs Jahren eine Beratung der Ethik-Kommission der Beklagten stattgefunden hat. Diese Vorgänge liegen zudem schon längere Zeit zurück. Darüber hinaus begehrt die Klägerin hinsichtlich jeder einzelnen Studie Zugang zu einer Vielzahl von Unterlagen, namentlich den von den Antragstellern jeweils eingereichten Unterlagen, den für diese von der Ethik-Kommission erstellten Unterlagen und weiteren, gegebenenfalls im Nachgang bei der Ethik-Kommission eingegangenen Unterlagen.
129Auf der anderen Seite handelt es sich bei der Ethik-Kommission der Beklagten um eine vergleichsweise kleine Verwaltungseinheit. Nach dem Vortrag der Beklagten sind in der Geschäftsstelle der Ethik-Kommission insgesamt sechs Vollzeitkräfte und vier Teilzeitkräfte tätig (davon eine Kraft mit 35 Wochenarbeitsstunden, zwei Kräfte mit jeweils 30 Stunden und eine Kraft mit knapp 20 Stunden).
130Vgl. zur Berücksichtigung der Gesamtzahl der Mitarbeiter einer Behörde in diesem Zusammenhang VG Berlin, Urteil vom 1. Juni 2012 – 2 K 177.11 –, juris Rn. 36 (benötigte Arbeitszeit von vier Monaten zumutbar bei einer Behörde von 300 Mitarbeitern); siehe auch Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, 2. Aufl. 2016, IFG § 7 Rn. 109.
131Das Gericht geht insoweit davon aus, dass die Bearbeitung des Auskunftsantrages der Klägerin aufgrund der für die einzelnen Arbeitsschritte (dazu sogleich) erforderlichen (Grund-)Kenntnisse über die Tätigkeit der Ethik-Kommission allein durch deren Mitarbeiter und nicht auch durch Mitarbeiter aus sonstigen Bereichen der Beklagten erbracht werden kann. Auf die personelle Ausstattung der Beklagten insgesamt kommt es daher in diesem Zusammenhang nicht an.
132Hinzu kommt, dass die Beklagte bzw. deren Ethik-Kommission zwar grundsätzlich – wie alle nach § 2 Abs. 1 IFG NRW informationspflichtigen Stellen – mit Auskunftsanträgen auf der Grundlage des IFG NRW rechnen muss, aber nicht typischerweise Informationsbegehren mit dem hier streitgegenständlichen Umfang ausgesetzt sein wird.
133Im Einzelnen geht das Gericht hinsichtlich des Umfangs des durch das Informationsbegehren der Klägerin ausgelösten Verwaltungsaufwandes bei der Ethik-Kommission der Beklagten von Folgendem aus:
134Vgl. zu den insoweit einzubeziehenden Tätigkeiten der auskunftspflichtigen Stelle: Brink/Polenz/Blatt, Informationsfreiheitsgesetz, 1. Aufl. 2017, IFG § 7 Rn. 96.
135Bei der Ethik-Kommission der Beklagten sind in den betroffenen Zeiträumen 2008 bis 2010 und 2014 bis 2016 282 bzw. 615, das heißt insgesamt 897 Studienanträge zu Studien nach § 15 der Berufsordnung der nordrheinischen Ärzte und Ärztinnen eingegangen. Aus diesen sog. § 15-BO-Studien sind zunächst die von dem Informationsbegehren der Klägerin erfassten nicht-interventionellen Studien herauszusuchen, was eine Sichtung sämtlicher Studien voraussetzt.
136Das Gericht geht dabei – entgegen dem Vortrag der Beklagten – davon aus, dass die Einordnung der einzelnen Studien als von dem Informationsbegehren erfasst grundsätzlich durch Mitarbeiter der Geschäftsstelle der Ethik-Kommission, insbesondere anhand des jeweiligen Studientitels, erfolgen kann und keine Einstufung durch das für die jeweilige Studie zuständige Gremium erforderlich ist. Hierzu hat Herr Prof. Dr. S. im Erörterungstermin auf Nachfrage angegeben, dass sicherlich eine Voreinschätzung durch die Geschäftsstelle vorgenommen werde könne. Seine weitere Angabe, seiner Ansicht nach sei es die Entscheidung der jeweiligen Kommission, „was unter dem entsprechenden Label dann tatsächlich herausgeht“, ist demgegenüber nicht geeignet, die Notwendigkeit einer Einstufung durch das gesamte Gremium zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Es erschließt sich dem Gericht nicht, warum eine Zusammenkunft des gesamten Gremiums, das über die jeweilige Studie beraten hat, erforderlich sein sollte. Denn es geht vorliegend nicht um eine Veröffentlichung von Unterlagen durch die Ethik-Kommission unter einer bestimmten Kennzeichnung, sondern allein um die Frage, ob die jeweilige Studie vom Informationsantrag der Klägerin erfasst wird. Sofern sich in Einzelfällen Schwierigkeiten bei der Einordnung von Studien ergeben sollten, geht das Gericht davon aus, dass diese auf Rückfrage der Geschäftsstelle durch Herrn Prof. Dr. S. als Vorsitzenden der Ethik-Kommission beantwortet werden könnten.
137Vor diesem Hintergrund geht das Gericht für die Studien der Jahre 2008 bis 2010, für die bei der Ethik-Kommission allein Papierakten vorliegen, von einer durchschnittlichen Bearbeitungszeit von 15 Minuten pro Studie für die Identifizierung der von dem Informationsbegehren erfassten Studien aus (282 Studien x 15 Minuten/60 = 70,5 Stunden). Für die Studien der Jahre 2014 bis 2016 legt das Gericht aufgrund der für diesen Zeitraum bestehenden besseren Dokumentation durch die Ethik-Kommission durchschnittlich 10 Minuten pro Studie zugrunde (615 Studien x 10 Minuten/60 = 102,5 Stunden). Hinzu kommt für geschätzte 45 Studien, das heißt etwa 5 % der insgesamt 897 § 15 BO-Studien, ein zusätzlicher Aufwand für eine ergänzende Einordnung durch den Vorsitzenden der Ethik-Kommission von jeweils 10 Minuten pro Studie (45 Studien x 10 Minuten/60 = 7,5 Stunden).
138Sodann sind die sich nach Schätzung der Beklagten ergebenden etwa 270 Studien, die vom Informationsbegehren der Klägerin erfasst sind, durch Mitarbeiter der Geschäftsstelle dahingehend durchzusehen, welche Unterlagen der jeweiligen Studie dem Auskunftsantrag unterfallen. Insbesondere beschränkt sich der Klageantrag zu 2. ausdrücklich auf Zugang zu den von der Ethik-Kommission „für die Antragsteller erstellten“ Unterlagen. Dies erfasst etwa nicht das Protokoll zu den nach § 11 Abs. 4 der Satzung der Ethik-Kommission nicht-öffentlichen Sitzungen der Ethik-Kommission. Hierzu hat Herr Prof. Dr. S. im Erörterungstermin angegeben, dass die Protokolle der Sitzungen den jeweiligen Antragstellern nicht zur Kenntnis gegeben würden. Für diese Durchsicht der Studien legt das Gericht weitere 10 Minuten Bearbeitungszeit pro Studie zugrunde (270 x 10 Minuten/60 = 45 Stunden).
139Im Anschluss sind sodann die verbliebenden Seiten der Studien im Hinblick darauf aufzubereiten, dass entsprechend des Klageantrags der Klägerin Daten privater Dritter und Namen von Unternehmen geschwärzt werden. Das Gericht geht insoweit von einem durchschnittlichen Aufwand von fünf Minuten pro Seite – einschließlich anzufertigender Kopien – aus, da sich die betroffenen personenbezogenen Daten nach den Angaben von Herrn Prof. Dr. S. im Erörterungstermin im Wesentlichen auf die Daten der beteiligten Prüfärzte beschränken dürften. Hinzu kommen gegebenenfalls noch Unternehmensnamen. Hinsichtlich der Seitenzahl der einzelnen Studien geht das Gericht zugunsten der Klägerin von einer erheblich unter der schriftsätzlich seitens der Beklagten angegebenen Zahl von 300 aus. Die Klägerin hatte hierzu im Erörterungstermin erklärt, ihrer Erfahrung nach hätten die Studien weniger Seiten als von der Beklagten schriftsätzlich vorgetragen. Daraufhin gab Frau T. an, der Umfang der Studien sei ihrer Erfahrung nach sehr unterschiedlich. Herr Prof. Dr. S. erklärte, nur etwa 30 Seiten halte er für eine Ausnahme. In der Regel seien es mehr Seiten. Das Gericht legt vor diesem Hintergrund – auch unter Berücksichtigung der weiteren Angaben von Herrn Prof. Dr. S. zu den der Ethik-Kommission im Hinblick auf die Klageanträge im Einzelnen vorliegenden Unterlagen – einen durchschnittlichen Umfang von 80 Seiten zugrunde, wovon 65 Seiten nach Aussonderung der nicht vom Informationsbegehren erfassten Seiten auf eine Schwärzung durchzusehen sind. Dies zugrunde gelegt, ergibt sich für die Schwärzung der Unterlagen ein weiterer Arbeitsaufwand der Geschäftsstelle von 1.462 Stunden (= 65 Seiten x 270 Studien x 5 Minuten/60).
140Schließlich sind die Studien noch dahingehend durchzusehen, ob und welchen Dritten wegen der Betroffenheit von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im Sinne des § 8 Satz 4 IFG NRW zunächst Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist. Das Gericht geht insofern davon aus, dass dem Auskunftsanspruch der Klägerin möglicherweise der Ausschlussgrund des § 8 Satz 1 IFG NRW entgegensteht. Nach dieser Vorschrift ist der Antrag auf Informationszugang abzulehnen, soweit durch die Übermittlung der Information ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart wird und dadurch ein wirtschaftlicher Schaden entstehen würde.
141Der Begriff des Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses ist im IFG NRW selbst nicht legaldefiniert, sondern wird von diesem so vorausgesetzt, wie er in der Rechtsprechung entwickelt ist.
142Vgl. Entwurf eines Gesetzes über die Freiheit des Zuganges zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen, LT-Drucks. 13/1311 vom 12. Juni 2011, S. 13.
143Daher ist auf Rechtsprechung und Schrifttum zu anderen Vorschriften, die diesen Rechtsbegriff verwenden – insbesondere auf § 2 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen – zurückzugreifen. Danach sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse (sinngemäß) alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse hat.
144Vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 22. Juni 2005 – 4 LB 30/04 –, juris Rn. 50; Fluck/Fischer/Martini, Informationsfreiheitsrecht, § 6 IFG Bund Rn. 37; Franßen/Seidel, Das Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen, § 8 Rn. 873, m.w.N.
145Geschäftsgeheimnisse betreffen dabei den kaufmännischen Teil eines Gewerbebetriebes. Hierzu zählen Preiskalkulationen, Bezugsquellen, Ertragslage, Kreditwürdigkeit, Geschäftsverbindungen, Marktstrategien sowie Kundenlisten.
146Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. August 2015 – 15 A 97/13 –, juris Rn. 99 f.
147Betriebsgeheimnisse betreffen hingegen die technische Seite eines Betriebes, so beispielsweise Produktionsverfahren und Fertigungsmethoden, Forschungsprojekte und eingesetzte Software.
148Vgl. VG Minden, Urteil vom 21. November 2018 – 7 K 3873/13 –, juris Rn. 83 f.; Franßen/Seidel, Das Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen, § 8 Rn. 874.
149Das schutzwürdige Interesse bemisst sich danach, ob ein verständiger Unternehmer Informationen der betreffenden Art geheim halten würde. Davon ist insbesondere bei solchen Informationen auszugehen, die den Kernbereich der betrieblichen Informationssphäre betreffen.
150Vgl. Franßen/Seidel, Das Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen, § 8 Rn. 878 ff.
151Der Ausschlusstatbestand des § 8 Satz 1 IFG NRW setzt zusätzlich voraus, dass durch die Offenbarung der in Rede stehenden Informationen ein wirtschaftlicher Schaden droht. Ein Schaden ist jede Einbuße an einem Recht oder Rechtsgut. Wirtschaftlich ist der Schaden, wenn letztlich das Vermögen eine Einbuße erleidet. Im Falle der Offenbarung eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses wird die Einbuße oftmals in der Schwächung der Wettbewerbssituation bestehen, die sich nur mittelbar auswirkt. Liegt ein schutzwürdiges Interesse an der Geheimhaltung vor, folgt daraus in der Regel auch, dass durch die Offenbarung ein Schaden eintreten würde. Die in Anspruch genommene öffentliche Stelle bzw. der betroffene Dritte muss konkret und substantiiert deutlich machen, inwiefern sich dessen Wettbewerbssituation durch die Offenbarung des Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses nachhaltig verschlechtern würde.
152Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. August 2015 – 15 A 97/13 –, juris Rn. 101 und Urteil vom 2. Juni 2015 – 15 A 1997/12 –, juris Rn. 119.
153Vor diesem Hintergrund erscheint das Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 Satz 1 IFG NRW jedenfalls im Hinblick auf die von den Studien betroffenen bzw. an diesen beteiligten Pharmaunternehmen möglich. Forschungsprojekte werden – wie dargelegt – grundsätzlich vom Begriff des Betriebsgeheimnisses erfasst. Zudem dürfte im Hinblick auf Pharmaunternehmen auch Einiges für das Vorliegen eines schutzwürdigen Interesses an der Geheimhaltung sowie eines wirtschaftlichen Schadens im Falle der Offenlegung der streitgegenständlichen Unterlagen sprechen. Insoweit ist nicht auszuschließen, dass ein Bekanntwerden des Inhalts von Forschungsprojekten zu bereits auf dem Markt befindlichen Arzneimitteln zu einer Verschlechterung der Wettbewerbsposition führt. Dies gilt etwa für in den Unterlagen enthaltene Angaben dazu, inwiefern zu Nebenwirkungen oder der Wirksamkeit einzelner Arzneimittel nach deren Zulassung geforscht wird. Hinzu kommt, dass es sich bei den streitgegenständlichen Forschungsprojekten im Zeitpunkt der Antragstellung um Vorhaben in der Planungsphase handelt, die teilweise gar nicht in die Tat umgesetzt werden, also bewusst nicht Dritten zugänglich gemacht werden. Für solche Forschungsvorhaben ist von einem besonderen Geheimhaltungsbedürfnis auszugehen. Zudem könnten sich aus den Unterlagen unter dem Gesichtspunkt des Geschäftsgeheimnisses Rückschlüsse auf Marktstrategien im Hinblick auf einzelne Arzneimittel ergeben.
154Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin Informationszugang unter Schwärzung der Daten privater Dritter und von Unternehmensnamen begehrt. Denn über die Angabe des jeweiligen Arzneimittels ist ein Rückschluss auf die betroffenen Pharmaunternehmen ohne Weiteres möglich. Im Hinblick auf die beteiligten Prüfärzte ist nach einer Schwärzung ihrer Daten hingegen nicht von einer Betroffenheit von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen auszugehen.
155Eine abschließende Beurteilung – auch im Hinblick auf die Gewichtung etwaiger Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Rahmen einer nach § 8 Satz 3 IFG NRW vorzunehmenden Abwägung – ist mangels Beteiligung der betroffenen Pharmaunternehmen an diesem Verfahren nicht möglich. Insoweit wäre durch die Beklagte zunächst noch eine nähere Prüfung der einzelnen Studien vorzunehmen und gegebenenfalls eine Anhörung der betroffenen Pharmaunternehmen durchzuführen.
156Vgl. zum Anhörungserfordernis in vergleichbaren Konstellationen OVG NRW, Urteil vom 9. Februar 2012 – 5 A 166/10 –, juris Rn. 109 ff.; VG Düsseldorf, Urteil vom 23. September 2019 – 29 K 13562/16 –, juris Rn. 73 ff.
157Vorsorglich weist das Gericht an dieser Stelle darauf hin, dass – wie von der Klägerin vorgetragen – im Hinblick auf die Schutzwürdigkeit der Informationen auch der zwischenzeitliche Zeitablauf unter Berücksichtigung des Vortrags der betroffenen Dritten zu berücksichtigen sein wird.
158Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2020 – 10 C 18.19 –, juris Rn. 16 unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 19. Juni 2018 – C-15/16 –, juris Rn. 54; OVG NRW, Urteil vom 21. November 2018 – 15 A 861/17 –, juris Rn. 123 ff. unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 14. März 2017 – C-162/15 P –, juris Rn. 64.
159Für den gesamten in diesem Zusammenhang entstehenden Verwaltungsaufwand (Identifizierung der betroffenen Dritten, Anfertigung von entsprechenden Anhörungsschreiben, Abwicklung der weiteren Korrespondenz) legt das Gericht einen durchschnittlichen Arbeitsaufwand der Geschäftsstelle von weiteren 45 Minuten pro Studie zugrunde (270 Studien x 45 Minuten/60 = 202,5 Stunden). Weiterer Aufwand ergibt sich in diesem Zusammenhang zudem im Hinblick darauf, dass die vorzunehmende rechtliche Prüfung der Voraussetzungen des § 8 IFG NRW durch einen Juristen vorzunehmen wäre. Das Gericht geht insoweit von durchschnittlich 30 Minuten Arbeitszeit pro Studie aus, da die sich ergebenden rechtlichen Fragestellungen in den meisten Fällen ähnlich sein dürften (270 x 30 Minuten/60 = 135 Stunden).
160Damit ergibt sich für die Bearbeitung des Informationsbegehrens der Klägerin für die Geschäftsstelle der Ethik-Kommission der Beklagten ein Aufwand von insgesamt 1.882 Stunden. Insofern wäre eine Vollzeitkraft mit einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden allein 47 Wochen nur mit dem Auskunftsersuchen der Klägerin beschäftigt. Alle Mitarbeiter der Geschäftsstelle der Ethik-Kommission zusammen müssten sich bei Aufwendung ihrer gesamten Arbeitszeit (= 355 Wochenarbeitsstunden), das heißt unter Zurückstellung all ihrer übrigen Aufgaben, mehr als fünf Wochen nur mit dem Informationsbegehren der Klägerin beschäftigen. Hinzu kommt ein Aufwand von 7,5 Stunden für den Vorsitzenden der Ethik-Kommission, Herrn Prof. Dr. S. sowie die Beteiligung eines Juristen mit 135 Stunden, das heißt fast 3,5 Wochen bei einer 40-Stunden-Woche.
161Ein solcher Aufwand ist auch unter Berücksichtigung des von der Klägerin geltend gemachten Interesses an der Offenlegung der streitgegenständlichen Informationen als unverhältnismäßig anzusehen. Denn der dargelegte Aufwand würde bei einer kleinen Arbeitseinheit wie der Geschäftsstelle der Ethik-Kommission zu einer erheblichen Behinderung der Wahrnehmung ihrer vorrangigen Sachaufgaben führen. Anders als bei größeren Bundes- oder Landesbehörden, die zudem typischerweise häufiger Informationsbegehren von größerem Umfang ausgesetzt sein werden, kann ein solcher Aufwand in einer kleinen Arbeitseinheit kaum kompensiert werden. Die in der Deklaration von Helsinki niedergelegte Transparenzpflicht der Ethik-Kommission führt aus den dargelegten Gründen auch in diesem Zusammenhang zu keinem anderen Ergebnis.
162Ein Informationszugangsanspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus § 2 Satz 1 UIG NRW. Nach dieser Vorschrift hat jede Person nach Maßgabe des UIG NRW Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen, ohne ein rechtliches Interesse darlegen zu müssen. Gemäß § 2 Satz 3 UIG NRW richtet sich der freie Zugang zu Umweltinformationen in Nordrhein-Westfalen nach den Vorschriften des Umweltinformationsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Oktober 2014 (BGBl. I S. 1643) (UIG) mit Ausnahme von §§ 1, 2 Abs. 1 und 2, § 3 Abs. 2 Satz 2 und 3, § 6 Abs. 2 und 5 sowie der §§ 11 bis 14 UIG.
163Vorliegend liegen die Voraussetzungen des § 2 Satz 1 UIG NRW jedenfalls deshalb nicht vor, weil es sich bei den von der Klägerin begehrten Informationen nicht um Umweltinformationen im Sinne des UIG NRW handelt. Umweltinformationen sind unabhängig von der Art ihrer Speicherung (unter anderem) alle Daten über den Zustand von Umweltbestandteilen wie Luft und Atmosphäre, Wasser, Boden, Landschaft und natürliche Lebensräume (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG) sowie über Faktoren wie Stoffe, Energie, Lärm und Strahlung, Abfälle aller Art sowie Emissionen, Ableitungen und sonstige Freisetzungen von Stoffen in die Umwelt, die sich auf die Umweltbestandteile im Sinne der Nummer 1 auswirken oder wahrscheinlich auswirken (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 UIG). Umweltinformationen sind nach § 2 Abs. 3 Nr. 6 UIG zudem auch Daten über den Zustand der menschlichen Gesundheit und Sicherheit sowie die Lebensbedingungen des Menschen, soweit sie jeweils vom Zustand der Umweltbestandteile im Sinne der Nummer 1 oder von Faktoren, Maßnahmen oder Tätigkeiten im Sinne der Nummern 2 und 3 betroffen sind oder sein können; hierzu gehört auch die Kontamination der Lebensmittelkette.
164Der Begriff der Umweltinformation ist grundsätzlich weit auszulegen. Ausreichend ist ein gewisser Umweltbezug der Information. Erfasst ist jede Tätigkeit einer Behörde, die dem Schutz der Umwelt dient.
165Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Februar 2008 – 4 C 13.07 –, juris Rn. 11 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 13. März 2019 – 15 A 769/18 –, juris Rn. 18 f.
166Allerdings will das Umweltinformationsgesetz kein allgemeines und unbegrenztes Zugangsrecht zu allen bei den Behörden verfügbaren Informationen gewähren, die auch nur den geringsten Bezug zu einem Umweltgut aufweisen. Vielmehr fallen Informationen nur dann unter das Zugangsrecht, wenn sie zu einer oder mehreren der in § 2 Abs. 3 UIG angegebenen Kategorien gehören.
167Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. März 2019 – 15 A 769/18 –, juris Rn. 20 f. m.w.N.
168Dies ist hier nicht der Fall. Gegenstand des Informationsbegehrens der Klägerin sind Unterlagen zu sog. nicht-interventionellen Studien, und zwar Antragsunterlagen, von der Ethik-Kommission selbst erstellte Unterlagen und ihr im Nachgang zur Kenntnis gelangte Unterlagen. Diesbezüglich besteht kein hinreichender Umweltbezug. Gegenstand der begehrten Unterlagen sind Studien, die den Bereich der Forschung mit Arzneimitteln am Menschen betreffen. Die Aufgabe der Ethik-Kommission besteht insoweit – wie bereits wiederholt dargelegt – in der Beratung ihrer Kammerangehörigen zu berufsrechtlichen und berufsethischen Fragen und weist keinen Bezug zum Schutz der Umwelt auf. Für den erforderlichen Umweltbezug reicht es auch unter Berücksichtigung eines weiten Verständnisses des Begriffs der Umweltinformationen im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 UIG nicht aus, dass Gegenstand der von der Ethik-Kommission beratenen Studien der Umgang mit Arzneimittel ist und Arzneimittelreste nach Verarbeitung durch den Menschen gegebenenfalls in die Umwelt gelangen.
169Es liegen auch keine Umweltinformationen im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 6 UIG in Form von Daten über den Zustand der menschlichen Gesundheit vor. Die von den Klageanträgen zu 1. und 2. betroffenen Unterlagen (eingereichte Unterlagen der Antragsteller, von der Ethik-Kommission für die Antragsteller erstellte Unterlagen) enthalten keine diesbezüglichen Angaben, da sich die Studien zu diesem Zeitpunkt noch in der Planungsphase befinden. Auch soweit der Ethik-Kommission in Einzelfällen im Nachgang Unterlagen vorgelegt wurden (Klageantrag zu 3.), ist nicht vom Vorliegen von Daten über den Zustand der menschlichen Gesundheit im Sinne des UIG auszugehen, da es an dem erforderlichen hinreichenden Umweltbezug fehlt. Ziel der streitgegenständlichen nicht-interventionellen Studien ist die Gewinnung von Erkenntnissen zu bereits zugelassenen Arzneimitteln in unterschiedlichen Bereichen. Insoweit können neben Wirkungen und Nebenwirkungen von Arzneimitteln – wie dargelegt – auch eine Vielzahl weiterer Aspekte in den Blick genommen werden, wie etwa das Gewinnen von Erkenntnissen über Verordnungsverhalten und Verschreibungsgewohnheiten, Beachtung der Fach- und Gebrauchsinformationen, Akzeptanz und Compliance, Praktikabilität, Beachtung von Zulassungsauflagen, etc.
170Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Zugang zu den begehrten Informationen aus § 2 Abs. 1 VIG.
171Zum einen ist bereits der Anwendungsbereich des VIG nicht eröffnet. Dies gilt selbst dann, wenn – entsprechend der Rechtsansicht der Klägerin – angenommen wird, dass ihr Auskunftsbegehren im Hinblick darauf vom VIG erfasst sein könnte, dass die streitgegenständlichen Unterlagen Informationen zu Arzneimitteln enthalten, die wiederum als Verbraucherprodukte anzusehen sind. Denn Arzneimittel werden aufgrund der bestehenden Spezialregelungen im AMG nicht vom VIG erfasst.
172Vgl. Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, 177. EL 2020, VIG § 1 Rn. 21; BeckOK, Informations- und Medienrecht, Stand: 1. August 2020, VIG § 2 Rn. 50.
173Auch das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG), auf dessen § 2 Nr. 26 der § 1 Nr. 2 VIG hinsichtlich des Begriffs der Verbraucherprodukte verweist, gilt nicht für Arzneimittel.
174Vgl. Klindt, Produktsicherheitsgesetz, 3. Aufl. 2021, ProdSG § 1 Rn. 92.
175Zum anderen ist die Beklagte bzw. ihre Ethik-Kommission auch keine nach dem VIG informationspflichtige Stelle. Dies setzt nach § 2 Abs. 2 Satz 1 VIG voraus, dass die Stelle öffentlich-rechtliche Aufgaben oder Tätigkeiten wahrnimmt, die der Erfüllung der in § 1 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches genannten Zwecke oder bei Verbraucherprodukten der Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheit nach den Vorschriften des Produktsicherheitsgesetzes sowie der auf Grund des Produktsicherheitsgesetzes erlassenen Rechtsverordnungen dienen. Dies ist bei der Ethik-Kommission der Beklagten nicht der Fall. Ihre Tätigkeit dient nicht dem Verbraucherschutz, sondern besteht – wie dargelegt – in der Beratung von Ärzten in berufsethischen und berufsrechtlichen Fragen (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 HeilBerG, § 15 Abs. 1 Satz 1 der Berufsordnung der nordrheinischen Ärzte und Ärztinnen).
176Ein Anspruch der Klägerin aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG scheidet ebenfalls aus. Aus dieser Vorschrift ergibt sich kein verfassungsunmittelbares Recht auf Eröffnung einer Informationsquelle. Erst nach Herstellung der allgemeinen Zugänglichkeit und nur in ihrem Umfang kann der grundrechtliche Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG betroffen sein. Hoheitliche Beeinträchtigungen dieses Zugangs sind Grundrechtseingriffe. Allgemein zugänglich ist eine Informationsquelle, wenn sie geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit, also einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen. Geeignet als Informationsquellen sind alle Träger von Informationen, darunter auch Ereignisse und Vorgänge. Geschützt ist daher nicht nur die Unterrichtung aus der Informationsquelle, sondern auch die Informationsaufnahme an einer Quelle. Das Grundrecht gewährleistet aber nur das Recht, sich ungehindert aus einer schon für die allgemeine Zugänglichkeit bestimmten Quelle zu unterrichten. Fehlt es an dieser Bestimmung, ist die Informationsbeschaffung nicht vom Grundrecht der Informationsfreiheit geschützt. Das Grundrecht umfasst allerdings ein gegen den Staat gerichtetes Recht auf Zugang in Fällen, in denen eine im staatlichen Verantwortungsbereich liegende Informationsquelle aufgrund (einfach-)rechtlicher Vorgaben zur öffentlichen Zugänglichkeit bestimmt ist, der Staat den Zugang aber verweigert.
177Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. August 2015 – 15 A 97/13 –, juris Rn. 76 f. m.w.N.
178Dies zugrunde gelegt, ergibt sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 IFG NRW kein Informationsanspruch der Klägerin. Denn ein Anspruch der Klägerin auf Informationszugang aus den einschlägigen gesetzlichen Vorgaben besteht – wie dargelegt – nicht. Einen Anspruch, den Informationszugang auch auf diesen Typ von Informationen auszudehnen, verschafft Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG nicht.
179Schließlich kann die Klägerin auch aus Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK keinen Informationsanspruch ableiten. Insoweit kann offen bleiben, ob vorliegend die durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte dargelegten Rechtsgrundsätze, unter denen sich aus Art. 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 EMRK ein Recht auf Informationszugang ergeben kann,
180vgl. EGMR, Urteil der Großen Kammer Nr. 18030/11 vom 8. November 2016 im Verfahren Magyar Helsinki Bizottság ./. Ungarn; auszugsweise in dt. Übersetzung in AfP 2017, 301, (Rn. 155 f., 158 ff.),
181erfüllt sind.
182Denn Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK vermittelt der Klägerin jedenfalls deshalb keinen Informationsanspruch, weil im Hinblick auf Art. 10 Abs. 2 EMRK, wonach der Informationsanspruch durch innerstaatliche Regelungen zum Schutz öffentlicher und privater Interessen eingeschränkt werden kann, von einem Gleichlauf zu den nach nationalem Recht zu prüfenden Informationsfreiheitsansprüchen auszugehen ist.
183Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2020 – 10 C 18.19 –, juris Rn. 38 zu dem nach nationalem Recht zu prüfenden presserechtlichen Auskunftsanspruch.
184Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 Zivilprozessordnung.
185Rechtsmittelbelehrung:
186Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
187Der Antrag kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingereicht werden.
188Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
189Die Berufung ist nur zuzulassen,
1901. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
1912. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
1923. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
1934. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
1945. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
195Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen.
196Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen.
197Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
198Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst 3-fach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
199Beschluss:
200Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
201Gründe:
202Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz.
203Rechtsmittelbelehrung:
204Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird.
205Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
206Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
207Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
208Die Beschwerdeschrift soll möglichst 3-fach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
209War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht.
210Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.