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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
2Die Klägerinnen wenden sich gegen Ordnungsverfügungen der Beklagten betreffend die Nutzungsuntersagungen und Räumungen/Versiegelungen der auf den Grundstücken I.--------straße X und X in E. (G 1) befindlichen 11-geschossigen Hochhäuser sowie gegen Nutzungsuntersagungsverfügungen der Beklagten betreffend die Tiefgarage vor dem Gebäude I1.-------straße X und die Untersagung der Nutzung der vor dem Haus I1.-------straße X über das Dach der Tiefgarage verlaufenden Zufahrt als Feuerwehrzufahrt.
3Bei den Hochhäusern handelt es sich um zwei baugleiche Wohnhäuser aus den 60er Jahren. Sie umfassen je zwei Untergeschosse sowie 11 Vollgeschosse mit 80 Wohneinheiten. Zum Objekt I1.-------straße X gehört zudem eine Tiefgarage. Die Fußbodenoberkante des höchstgelegenen Geschosses, in dem ein Aufenthaltsraum möglich ist, liegt mehr als 22m über der Geländeoberfläche. Die Baugenehmigung für die streitbefangenen Gebäude wurde mit Bauschein 000/68 am 28. März 1968 erteilt. Bestandteil der Baugenehmigung waren auch brandschutzrechtliche Auflagen des damals zuständigen Regierungspräsidenten Düsseldorf. Die Tiefgarage, deren Einstellplätze sich in zwei separaten Garagenbereichen befinden und die eine gemeinsame Zu- und Abfahrt von der I1.-------straße aus haben, wurde mit Bauschein 000/69 am 23. Juni 1969 genehmigt.
4Die Klägerinnen erwarben das Anwesen im Jahr 2013. Seit dem 10. Mai 2019 ist die Klägerin zu 1. alleinige Eigentümerin.
51. Sachverhalt Tiefgarage
6Nach einem anonymen Hinweis führten Mitarbeiter des Bauaufsichtsamtes der Beklagten am 13. Dezember 2018 eine Ortsbesichtigung in der zu den vorgenannten Grundstücken zugehörigen Tiefgarage durch. Dabei stellten sie zum einen fest, dass durch die Betondecke Feuchtigkeit eindrang und zum anderen, dass die in der Tiefgarage verbaute Unterkonstruktion aus Stahlträgern im vorderen Teil der Tiefgarage (sc.: dem Garagenbereich vor dem Gebäude I1.-------straße X) erhebliche Korrosionen aufwies. Da die Tragfähigkeit der einzelnen Bauteile der Tiefgarage nicht abschließend geprüft werden konnte, hörte die Beklagte die Klägerinnen unter dem 18. Januar 2019 zu dem aufgedeckten Sachverhalt unter Einräumung einer Stellungnahmefrist bis zum 11. Februar 2019 an, forderte diese ferner auf, die Standsicherheit der Tiefgarage zu überprüfen und eine Bescheinigung eines oder einer staatlich anerkannten Sachverständigen über die ausreichende Standsicherheit der baulichen Anlage oder ihrer einzelnen Bauteile einzureichen und kündigte für den Fall des Nichtbefolgens den Erlass einer Nutzungsuntersagung unter Androhung eines Zwangsgeldes an.
7Seitens der zuständigen Hausverwaltung (Q. mbH) erhielt die Beklagte unter dem 23. Januar 2019 davon Kenntnis, dass nach den Informationen des Architekten Dipl. Ing. I2. - mit dem man nach den Angaben der Hausverwaltung in Bezug auf die Liegenschaft eng zusammenarbeite und der die Tiefgarage kenne - auf den korrodierten Trägern keinerlei Promat-Beschichtung (Brandschutz) und auch kein Anprallschutz für PKWs angebracht worden sei. Es bestünden nach den Angaben des vorgenannten Architekten Bedenken wegen der Standsicherheit des Bauwerks vor dem Hintergrund einer in der Nachbarschaft im März (sc: 2019) beabsichtigten Hochhaussprengung.
8Unter dem 24. Januar 2019 wurde seitens der Hausverwaltung eine Stellungnahme des Sachverständigenbüros L. - abstellend auf eine Begehung und Überprüfung der Tiefgarage durch einen Mitarbeiter des Unternehmens im August 2018 vorgelegt. Darin kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass die Standsicherheit des Gebäudes zwar noch nicht beeinträchtigt sei, die Schäden aber mittelfristig beseitigt werden müssten, um einer Ausbreitung und Verstärkung der Schäden vorzubeugen. Weiter heißt es in der Stellungnahme:
9„Gravierende Schäden an der Bewehrung von Stützen und Wänden im Sockelbereich der Tiefgarage werden in den kommenden Jahren durch die hohe Chloridbelastung (durch Schleppwasser werden Chloride = Tausalze in die Tiefgarage transportiert) entstehen. Diese wird zu einer fortschreitenden starken punktuellen Bewehrungskorrosion führen. Eine Schadensfreiheit über die nächsten Jahre ist hier nicht zu erwarten. Mit fortschreitender Korrosion werden auch die sichtbaren Schäden an der Betondeckung zunehmen. Größere Fehl- und Bruchstellen können die Standsicherheit und ggfls. die Verkehrssicherheit beeinträchtigen….“
10Am 29. Januar 2019 wies die Beklagte die von der Hausverwaltung bevollmächtigte Hausmeisterin Frau G. darauf hin, dass zeitnah eine Ersteinschätzung eines staatlich anerkannten Sachverständigen für Standsicherheit vorzulegen sei. Welche Sanierungsmaßnahmen durchzuführen seien, sei in einem zweiten Schritt zu klären. Ein Telefonat mit gleichlautendem Inhalt führte die Beklagte mit dem Architekten Dipl. Ing. I2. .
11Am 6. Februar 2019 fand zusammen mit Mitarbeitern des Bauaufsichtsamtes der Beklagten sowie der Berufsfeuerwehr und diversen von den Klägerinnen beauftragten bzw. handelnden Personen einschließlich ihres Architekten Dipl. Ing. I2. sowie eines Prüfstatikers (I3. ) des Büros Dr. Ing. N. (staatlich anerkannter Prüfingenieur für Baustatik) ein weiterer Ortstermin statt. Hierbei wurde festgestellt, dass die zur Sicherstellung der Tragfähigkeit in der Tiefgarage eingebaute Zusatzkonstruktion aus Stahlstützen und Stahlträgern weder einen Korrosionsschutz noch den erforderlichen Brandschutz aufwies, noch ein Anprallschutz für die Stützen vorhanden war. Die festgestellten Korrosionsschäden wurden hauptsächlich im vorderen Bereich der Tiefgarage (sc.: vor dem Haus I1.-------straße X) festgestellt. Für die Stahlkonstruktion war ferner weder ein statischer Nachweis noch eine Baugenehmigung vorhanden. Der vor Ort anwesende Prüfstatiker bestätigte mündlich, dass zwar keine unmittelbare Gefahr für die Nutzung der Tiefgarage bestehe, jedoch die Standsicherheit der Tragkonstruktion bei einer Belastung der Dachdecke abstellend auf eine Nutzung als Feuerwehrüberfahrt mit Feuerwehrfahrzeugen mit ca. 16 t Gesamtgewicht nicht bescheinigt werden könne. Daraufhin untersagte die Beklagte mündlich mit sofortiger Wirkung sowohl die Nutzung der Tiefgarage als auch die Nutzung der oberhalb der Tiefgarage – über deren Dach – verlaufenden Zufahrt als Feuerwehrzufahrt. Ferner wurde ebenfalls mündlich die unverzügliche Absperrung der vorgenannten Zufahrt verfügt.
12Mit Datum vom 15. Februar 2019 wurde seitens des für die Klägerinnen tätigen Architekten Dipl. Ing. K. I2. die im Nachgang zum Ortstermin gefertigte schriftliche Stellungnahme des Prüfingenieurs für Baustatik Dr. Ing. N. vorgelegt, die sich zur Standsicherheit der Tiefgarage inklusive des statisch-konstruktiven Brandschutzes verhielt. Darin wird festgestellt, dass in der Tiefgarage in beiden – durch die Zufahrt getrennten – Garagenbereichen Hilfskonstruktionen aus Stahl nachträglich eingebaut worden seien, wobei der Grund für den nachträglichen Einbau nicht bekannt sei. Die Stahlkonstruktion weise keinen Anprallschutz auf. Ein Korrosionsschutz sei ebenfalls nicht aufgebracht worden. Auch ein Brandschutzanstrich oder eine Brandschutzverkleidung sei nicht vorhanden. Die Deckenabdichtung der Tiefgarage sei offensichtlich beschädigt: an verschiedenen Stellen seien feuchte Flecken erkennbar, in Teilbereichen dringe Wasser durch die Decke. Die nachträglich eingebaute Stahlkonstruktion, sowie deren Stützen und Riegel, seien in Teilbereichen stark korrodiert. An der Stahlbetondecke würden sich einige Risse zeigen. Wörtlich fasst das Prüfstatikbüro den festgestellten Befund wie folgt zusammen:
13„Den Stützenkonstruktionen und den Deckenkonstruktionen der Tiefgarage kann zum jetzigen Zeitpunkt keine abschließende Standsicherheit inklusive des statisch-konstruktiven Brandschutzes bescheinigt werden. Inwieweit die Bewehrung der Decken und Unterzüge durch eindringende Feuchtigkeit korrodiert ist, kann ebenfalls hier nicht abschließend geklärt werden.“
14An anderer Stelle heißt es in Bezug auf die Feuerwehrüberfahrt:
15„…Nach Angaben der Feuerwehr muss die Decke des Garagenbereichs … im Notfall von einem Leiterwagen befahren werden können. Ob die Deckenkonstruktion für diese Belastung planmäßig ausgelegt ist, konnte bei dem Ortstermin nicht geklärt werden. Eine statische Berechnung ist deshalb zu diesem Zeitpunkt nicht möglich.
16Die ursprüngliche Standsicherheit der Stahlkonstruktion ist in den korrodierten Bereichen grundsätzlich nicht mehr gegeben bzw. stark herabgesetzt….“
17Unter dem 21. Februar 2019 übersandte ein weiterer Architekt der Klägerinnen, Herr T. , eine Stellungnahme des Büros V. - verfasst durch Dipl. Ing. T1. (qualifizierter Tragwerksplaner) - zur Standsicherheit der Tiefgarage, worin abstellend allein auf eine Begehung des Objekts durch den Verfasser festgestellt wird, „… dass die Tiefgarage keine schwerwiegenden Standsicherheitsmängel aufweise und auch der Aufstellung von Feuerwehrfahrzeugen zum gegenwärtigen Zeitpunkt und nach gegenwärtigem Erkenntnisstand nichts entgegen spricht….“
18Mit Bescheiden vom 22. Februar 2019 bestätigte die Beklagte gegenüber den Klägerinnen jeweils die am 06. Februar 2019 ausgesprochenen mündlichen Nutzungsuntersagungen in Bezug auf die Nutzung der Tiefgargage (Ziffer 1) und der über das Dach der Tiefgarage führenden Zufahrt als Feuerwehrzufahrt (Ziffer 2) und die im Rahmen des Sofortvollzugs angeordneten Absperrungen des betroffenen vorderen Bereichs der Tiefgarage (sc.: der Garagenbereich vor dem Gebäude I1.-------straße X) - was durch eine Markierung auf einer beigefügten Grundrisszeichnung kenntlich gemacht wurde - sowie der Absperrung der vorgenannten Zufahrt über das Dach, um deren Befahren und Überfahren auch durch PKWs und LKWs zu verhindern. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es bestünden erhebliche Bedenken an der Standsicherheit der Dachdecke der Tiefgarage im vorderen Bereich (vor Haus Nr. X). Wegen der Schäden an der Stahlbetonkonstruktion und der nicht einschätzbaren Auswirkungen auf das gesamte aus der Decken- und Stützenkonstruktion bestehende Tragsystem über den eingebauten Stahlträgern, müsse von einer konkreten Gefahr ausgegangen werden. Die getroffenen Maßnahmen seien erforderlich, weil „bis heute bei der Unteren Bauaufsicht“ kein geprüfter Standsicherheitsnachweis vorgelegt worden sei. Zu der unter dem 21. Februar 2019 vorgelegten Stellungnahme des Dipl. Ing. T1. wird ausgeführt, dass es sich hierbei lediglich um eine Einschätzung, aber nicht um einen geprüften Standsicherheitsnachweis handele. Wegen der weiteren Begründung wird auf den Inhalt der Ordnungsverfügungen Bezug genommen.
19Nach Erlass der Ordnungsverfügung stellt sich der Sachverhalt in Bezug auf die Tiefgarage wie folgt dar: Unter dem 11. März 2019 übersandte der Architekt T. der Beklagten einen als „Standsicherheitsnachweis“ betitelten „Nachweis eines Tiefgaragentragwerks“ bezogen auf das streitgegenständliche Objekt, angefertigt durch den Tragwerksplaner Dipl. Ing. T1. von V. . In den Ausführungen des Tragwerksplaners wird an verschiedenen Stellen darauf hingewiesen, dass, da keine Bestandsunterlagen für das Tragwerk vorlägen, für die Stahlbetonbauteile des Tiefgaragentragwerkes die Ermittlung der erforderlichen Bewehrung auf der Grundlage von Annahmen erfolge. Die so ermittelten Werte seien durch Bewehrungsdetektionen vor Ort zu belegen. Die Beklagte lehnte die Stellungnahme aus formalen und inhaltlichen Gründen als Standsicherheitsnachweis ab. Sie wies darauf hin, dass es sich bei dem Tragwerksplaner nicht um einen staatlich anerkannten Prüfingenieur für Statik im Sinne der Bauordnung des Landes NRW handele. Darüber hinaus enthielten die Berechnungen keinen abschließenden Nachweis, da von Annahmen ausgegangen werde, die erst noch nachzuweisen seien bzw. voraussetzten, dass bestimmte Maßnahmen, wie die Stahlstützen gegen Fahrzeuganprall zu schützen oder gar zu ersetzen, erst noch durchgeführt werden müssen.
20In der Nacht vom 24. April 2020 auf den 25. April 2020 kam es in der Tiefgarage zu einem Brand. Ausweislich des Einsatzberichtes der Feuerwehr befand sich das Feuer direkt hinter den beiden Tiefgaragentoren und brannten ein dort abgestelltes Fahrzeug und Baustellengerümpel in voller Ausdehnung.
21Auf Hinweis der Beklagten unter dem 09. November 2020, dass ein Standsicherheitsnachweis immer noch nicht vorgelegt worden sei, übersandte der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen mit Mail vom 10. November 2020 einen Prüfbericht des Büros Dipl. Ing. M. (= u.a. staatlich anerkannten Sachverständiger für die Prüfung der Standsicherheit, Fachrichtung Metallbau) vom 15. Oktober 2019 gezeichnet durch den Mitarbeiter Dipl. Ing. F. . Nach der Stellungnahme des Sachverständigen sei die Tiefgarage zwar grundsätzlich standsicher und ergebe auch eine Vergleichsberechnung der Statik ohne die nachträglich eingebaute Stützen-Träger-Konstruktion kein anderes Ergebnis. Allerdings könne die Konstruktion (sc.: Stahlstützenkonstruktion) wegen fehlender geprüfter bautechnischer Unterlagen und fehlender Bestandsunterlagen nicht abschließend beurteilt werden. Weiter heißt es dann:
22„…Es werden deshalb die beiden im Folgenden beschriebenen Nachweisschritte durchgeführt, bei deren Erfüllung und Erhalt der Stahlkonstruktion von einer ausreichenden Standsicherheit der Tiefgaragenkonstruktion für die vorhandene Belastung ausgegangen werden kann. 1.) Örtlicher Nachweis der bestehenden Stahlbetonkonstruktion für Vertikallastbeanspruchung ohne Berücksichtigung der Stahlkonstruktion sowie Überprüfung der wesentlichen Bewehrungsgehalte. 2.) Örtlicher Nachweis der vorhandenen Stahlkonstruktion für eine 75prozentige Beanspruchung aus Ausbau- und Verkehrslasten… Es ist sicherzustellen, dass die vorhandenen Stahlbauanschlüsse in der Lage sind, die in der statischen Berechnung angegebenen Berechnungen zu übertragen…Bei der Prüfung wurden deswegen die angenommenen Systeme, Baustoffgüten, Abmessungen und Lasten der vorhandenen Bauteile in der vorliegenden Berechnung als richtig unterstellt. Diese Annahmen sind örtlich, z.B. durch den Entwurfsverfasser, zu überprüfen. Insbesondere gilt dies für die Gründungselemente der Stahlstützen. Bei evtl. Abweichungen hierzu sind ergänzende Nachweise zur Prüfung vorzulegen. Bei der Prüfung wurde vorausgesetzt, dass die angegebenen vorh. Profile und Konstruktionen inklusive der Anschlüsse und Lager etc. in statischer Hinsicht noch in einwandfreiem Zustand sind. Dies ist durch den Bauherrn sicherzustellen….“
23Auf telefonische Nachfrage der Beklagten teilte der Mitarbeiter des Büros, Dipl. Ing. F. mit, dass er im Jahr 2019 vor Ort gewesen sei und stichprobenhaft die vorhandene Tiefgarage, und zwar ausschließlich den linken und den rechten Teil (ohne den Zufahrtsbereich) vor Ort begutachtet habe. Sein Prüfbericht sei nicht abschließend. Die zugrunde gelegten Nachweise seien durch den Eigentümer bis heute nicht erbracht. Von dem Brand sei er informiert worden. Die diesbezügliche Ergänzung seiner Prüfung durch einen „Zweizeiler“ habe er abgelehnt, da eine erneute Prüfung der Garage und der statischen Berechnungen erforderlich sei.
24Abstellend hierauf teilte die Beklagte dem Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen unter dem 18. November 2020 mit, dass ein Nachweis zur Standsicherheit weiterhin nicht erbracht worden sei, was im Einzelnen ausgeführt wird. Der vorgelegte Prüfbericht des Büros M. sei nicht abschließend, da an verschiedenen Stellen Leistungen und Nachweise beschrieben würden, die durch den Bauherrn erst noch zu erbringen seien und bis zum heutigen Tage nicht erbracht worden seien. Der Bericht bewerte überdies nur die Standsicherheit des linken und rechten Tiefgaragenbereichs, nicht aber den Einfahrtsbereich. Ebenso bleibe unklar, ob die einzelnen Bereiche der Tiefgarage statisch überhaupt getrennt betrachtet werden können oder ob es sich nicht doch um ein zusammenhängendes System handele. Andernfalls müsse eine Gesamtbetrachtung des statischen Systems durchgeführt werden; eine getrennte Betrachtung in einzelne Bauabschnitte zusammen mit der Einstufung in „vor- und- nach-dem Brand“ sei dann nicht möglich.
25Eine bereits im Juni 2020 veranlasste statische Bewertung des qualifizierten Tragwerksplaners Dipl. Ing. N1. B. , der den Gebäudeschaden infolge des Tiefgaragenbrandes begutachtet hatte, legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen erst am 10. November 2020 vor. Nach dessen Feststellungen sei an der Betondecke unmittelbar über dem abgebrannten Fahrzeug eine ca. 1 m² große Fläche der Überdeckung abgeplatzt, wobei jedoch nur ein einzelnes Bewehrungseisen von weniger als 10cm unterseitig freigelegt worden sei. Weitere Abplatzungen seien nicht erkennbar, ebenso wenig seien temperaturbedingte Risse in Decken oder Wänden erkennbar. Nach seiner Einschätzung sei eine Einschränkung der Tragfähigkeit der Decke über dem Brandherd nicht eingetreten. Ob statische Mängel im weiteren Bereich der Tiefgarage vorliegen, könne nicht geklärt werden.
26Unter dem 18. November 2020 kündigte die Beklagte daraufhin den Erlass einer Ordnungsverfügung zwecks Vorlage eines Standsicherheitsnachweises für die Tiefgarage (nebst Androhung eines Zwangsgeldes) an und gab der Klägerin zu 1. - als zwischenzeitlicher Alleineigentümerin - bis zum 27. November 2020 Gelegenheit zur Stellungnahme. Wegen der unter dem 10. November 2020 vorgelegten Stellungnahme des Tragwerksplaners B. führte sie aus, dass hiermit schon deswegen kein Nachweis über die Standsicherheit erbracht worden sei, weil es sich bei Herrn B. nicht um einen staatlich anerkannten Sachverständigen für Standsicherheit im Sinne der in NRW einschlägigen gesetzlichen Regelungen handele. Im Übrigen sei die Stellungnahme auch inhaltlich nicht zum Nachweis geeignet, weil schon nicht nachvollzogen werden könne, auf welcher Grundlage der Gutachter seine Beurteilung getätigt habe, und sich die Stellungnahme ausdrücklich auch nicht dazu verhalte, ob die Tiefgarage neben der für tragfähig befundenen Decke über dem Brandherd auch im Übrigen keine Standsicherheitsmängel aufweise.
27Unter dem 27. November 2020 nahm der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen Stellung und bat um Fristverlängerung bis zum 27. Januar 2021. Mit weiterem Schreiben vom 03. Dezember 2020 wies er darauf hin, dass soweit bislang davon ausgegangen worden sei, dass die Decke über der Tiefgarage im Brandfall mit Feuerwehrfahrzeugen befahren werde, dieser Bereich tatsächlich nicht als Feuerwehraufstellfläche benötigt werde. Lege man dies zugrunde, hätte dies Auswirkungen in Bezug auf die Frage der Standsicherheit.
28Laut Bauschein 000/69 vom 23.06.1969 wurde die genehmigte Feuerwehrzufahrt für das Gebäude I1.-------straße X tatsächlich rückwärtig zum Gebäude genehmigt. Eine weitere Feuerwehrzufahrt befindet sich vor dem Gebäude I1.-------straße X. Im Rahmen einer Ortsbesichtigung am 07. Dezember 2020 stellte die Beklagte allerdings fest, dass die genehmigte Feuerwehrzufahrt an der Gebäuderückseite des Gebäudes I4. - straße X weder als solche gekennzeichnet, noch im Übrigen in einem für eine Feuerwehrzufahrt brauchbaren Zustand war und die über das Dach der Tiefgarage führende Zufahrt auch durch andere schwere Fahrzeuge, z.B. durch Umzugsunternehmen, Krankenwagen usw. genutzt wird. Mit Schreiben vom 11. Dezember 2020 teilte die Beklagte der Klägerin zu 1. mit, dass, sollte eine diesbezügliche Nutzung nicht mehr vorgesehen sein, die vorhandene Zufahrt dauerhaft abgesperrt werden müsse. Dann würde der statische Nachweis für einen Zugangsweg (ohne die Nutzung für Fahrzeuge) ausreichen. Daraufhin legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen unter dem 11. März 2021 nochmals den Prüfbericht des Sachverständigen M. vom 15. Oktober 2019 vor und wies im Übrigen darauf hin, dass die genehmigte rückwärtige Feuerwehrzufahrt durch Austausch der veralteten Schilder ertüchtigt worden sei.
29Eine Freigabe der Tiefgarage ist bislang nicht erfolgt.
302. Sachverhalt Hochhäuser
31Ebenfalls am 06. Februar 2019 wurde anlässlich der wegen der Tiefgarage durchgeführten Ortsbesichtigung das Gebäude I1.-------straße X in Augenschein genommen. Im Keller dieses Gebäudes entdeckte ein Mitarbeiter der Berufsfeuerwehr einen offenen Schacht, der in höher gelegene Geschosse führte und in dem offenkundig keine Brandschutzschotten eingebaut waren mit der Folge, dass sich im Falle eines Brandes über den Schacht im Gebäude Feuer und Rauch im Gebäude hätten unkontrolliert verbreiten können. Am 11. Februar 2019 und am 12. Februar 2019 erhielt die Beklagte weitere Informationen zum Ausmaß der betroffenen Schächte nebst Lichtbildern. Am 12. Februar 2019 leitete der für die Klägerinnen tätige Architekt Dipl. Ing. I2. diverse Mails weiter, woraus zu entnehmen war, dass seitens der für die Eigentümerinnen handelnden Vertreter (Q1. G1. , N2. W. , sowie N3. W. , der Geschäftsführer der Klägerin zu 1.) trotz entsprechender Bedenken des von ihnen beauftragten Sachverständigen Dr. S. (Mail vom 7. Februar 2019) keine baulichen Abhilfemaßnahmen beabsichtigt waren, sondern lediglich geplant war, an verschiedenen Stellen im Bereich der Schächte Rauchmelder zu installieren. Unter Berücksichtigung dieser Informationen fasste die Beklagte den Entschluss, die Gebäude am 14. Februar 2019 nochmals intensiv zu überprüfen und ggfls. zu räumen. An dem Termin nahmen Mitarbeiter des Bauaufsichtsamtes der Beklagten, Vertreter der Berufsfeuerwehr und des TÜV Nord teil, sowie die beiden Hausmeister (Frau Q2. G. und Herrn L1. -I5. G. ) in ihrer Funktion als Unterbevollmächtigte der beauftragten Hausverwaltung (Q. ). Anlässlich der Überprüfung am 14. Februar 2019 wurden seitens der Beklagten für die baugleichen Häuser I1.-------straße X und X folgende übereinstimmende Feststellungen getroffen:
32- Der Haupttreppenraum (nachfolgend: TRH 1) ist in jeder Etage gegenüber dem notwendigen Flur großflächig mit Glasbausteinen abgetrennt; die Glasbausteine weisen nicht die erforderliche aktuelle Bauteilqualität von raumabschließend feuerbeständig (F90) auf mit der Folge, dass sich ein mögliches Brandereignis aus den Etagen heraus auf den notwendigen Treppenraum zeitbegünstigt ausbreiten und damit zum Ausfall des 1. Rettungsweges wie auch zum Ausfall des Angriffsweges der Feuerwehr führen kann.
33- An der obersten Stelle des TRH 1 befinden sich elektronische Umverteilungen für die auf dem Dach befindlichen Antennen in einem brandschutztechnisch nicht qualifizierten Kasten, ferner werden die Kabel ohne qualifizierte Schottung durch das Dach in den Treppenraum geführt. Im Falle eines Brandes in der Elektrik kann sich Feuer und Rauch ungehindert im notwendigen Treppenraum ausbreiten und somit zum Ausfall des 1. Rettungsweges als auch gleichzeitig zum Ausfall des Angriffsweges der Feuerwehr führen.
34- Im TRH 1 gibt es an der obersten Stelle eine Öffnung, die zur Entrauchung des Treppenhauses dient, die weder die nach aktueller Rechtsgrundlage erforderliche Größe aufweist, noch wegen der ausschließlichen Kippstellung die Anforderungen einer ausreichenden Entrauchung im Falle eines Raucheintritts in das Treppenhaus gewährleistet.
35- Die Türen vom Hauttreppenraum (Brandschutztüren) in die notwendigen Flure sind ohne Dichtung und schließen nicht ordnungsgemäß und erfüllen damit ihre Funktion als Brandschutztür nicht.
36- Die Wohnungseingangstüren (Brandschutztüren) haben defekte Obentürschließer und erfüllen damit ihre Funktion als Brandschutztür nicht.
37- Im Zugangsbereich des TRH 1 befindet sich unterhalb des 1. Treppenlaufs eine Öffnung in das Kellergeschoss in den Übergaberaum der Fernwärme; die vorhandenen Metallklappen verfügen über keine Brandschutzqualität mit der Folge, dass sich im Falle eines Brandes durch die Öffnung in der Geschossdecke Feuer und Rauch ungehindert auf den notwendigen Treppenraum zeitbegünstigt ausbreiten kann und damit zum Ausfall des 1. Rettungsweges als auch gleichzeitig zum Ausfall des Angriffsweges der Feuerwehr führen kann.
38- Im Nebentreppenraum (nachfolgend: TRH 2) gibt es auf Höhe des letzten Zwischenpodestes 2 Öffnungen, die zur Belüftung und Entrauchung des Treppenhauses dienen. Die Öffnungen entsprechen weder der nach aktuellem Recht erforderlichen Größe, noch berücksichtigen sie den vorgesehenen Standort (der an oberster Stelle liegen sollte). Da bei Bedienung zudem nur ein Kippmechanismus vorgesehen ist, ist eine Entrauchung des Treppenhauses insgesamt nicht gewährleistet.
39- Die Ausgangstür des TRH 2 im Gebäude I1.-------straße X lässt sich nicht vollständig, d.h. in voller Breite öffnen, so dass eine sichere und zügige Entfluchtung und damit eine Selbstrettung nicht sichergestellt ist. Zudem ist auch ein zügiger Zutritt des Treppenraums für die Rettungskräfte nicht möglich.
40- Die Rettungswege sind nicht ausreichend gekennzeichnet.
41- Die Aufzüge sind unmittelbar an den notwendigen Flur angeschlossen. Im Falle eines Brandes kann sich Feuer und Rauch über den Aufzugsschacht oder die Aufzüge über die Etagen hinweg ausbreiten und den notwendigen Flur als Teil des Rettungswegesystems verrauchen und unbenutzbar machen mit der Folge, dass der 1. und auch der 2. Rettungsweg für die Bewohner der Gebäude ausfallen würden.
42- Im Bereich der notwendigen Flure befinden sich unmittelbar neben dem Zugang zum TRH1 direkt gegenüber den beiden Aufzügen die Kästen für die elektrische Unterverteilung und die Sicherungen der einzelnen Wohnungen, wobei beide Kästen über keinen ausreichenden Feuerwiderstand verfügen. Des Weiteren stehen die Kästen über die Etagen hinweg in offener Verbindung untereinander und werden die abgehenden elektronischen Leitungen ohne qualifizierte Schottung in die Etagen geführt. Bei einem Brand in der Elektrik können sich Rauch und Feuer über die Etagen hinweg ungehindert ausbreiten und den notwendigen Flur als Teil des Rettungswegesystems verrauchen und damit für die Bewohner unpassierbar machen.
43- Im Bereich des Kellergeschosses werden ausgehend von den Anschlussräumen Leitungen sämtlicher Medien (Strom, Wasser, Telekommunikation usw.) ohne brandschutztechnisch qualifizierte Schottungen durch den Keller über die Schächte oder tlw. direkt in die Etagen geführt. Den brandschutztechnischen Anforderungen an die Eindämmung von Brand- und Rauchüberschlag in andere Geschosse, Nutzungseinheiten und Rettungswege wird die bauliche Ausführung nicht gerecht.
44- Die Gebäude verfügen über keine Blitzschutzanlage.
45- In den Gebäuden sind mehrere Installationsschächte vorhanden, die vom Kellergeschoss ausgehend bis in die 11. Etage führen. Die Schächte in den Tiefkellern verfügen über ca. 1m² große Öffnungen, die lediglich mit einem Lochblech gesichert sind und im weiteren Verlauf nur mit unqualifizierten Wandkonstruktionen sowie Revisionsöffnungen gegenüber den angrenzenden Wohnräumen (Badezimmern) abgetrennt sind. Die übrigen Schächte verfügen über augenscheinlich unqualifizierte Öffnungen zu den angrenzenden Wohnräumen und sind allenfalls mit brennbarem PU-Schaum verschlossen. Die Installationsschächte im TRH 2 stehen mit den angrenzenden Wohnungen in Form von brandschutztechnisch unqualifizierten Leitungsöffnungen augenscheinlich in offener Verbindung. Diese Schächte sind zusätzlich nicht in einer brandschutztechnisch nennenswerten Qualität ausgebildet. Durch die offene Verbindung über diese Schächte kann sich bei einem Brandereignis ungehindert Feuer und Rauch über jeweils das gesamte Gebäude erstrecken und in die an diesen Strängen liegenden Wohnungen über die Etagen eindringen, womit eine schnelle und vor allem gezielte Brandlokalisierung und damit die Evakuierung der Bewohner und die Brandbekämpfung behindert bis unmöglich gemacht wird.
46- Es fehlen Prüfberichte über die Prüfung der Sicherheitsbeleuchtungs- und Sicherheitsstromversorgungsanlagen, der elektrischen Anlagen, der natürlichen Rauchabzugsanlage, der ortsfesten (nicht selbsttätigen) Feuerlöschanlagen
47Der bei der Ortsbegehung anwesende Vertreter der Berufsfeuerwehr forderte in Bezug auf alle aufgedeckten Mängel eine entsprechende Ertüchtigung. Die im Bereich der Installationsschächte vorhandenen Öffnungen (fehlenden Abschottungen) vom Kellergeschoss bis in die Nutzungseinheiten und deren offene Verbindung über die Elektroinstallationsschächte in den notwendigen Flur wurden zudem als wesentlicher Mängel bewertet. In dem im Nachgang zur Ortsbegehung am 21. Februar 2019 gefertigten Abschlussbericht heißt es:
48„… Auf Grund der oben aufgeführten brandschutztechnischen Mängel, besteht im Brandfall die konkrete Gefahr, dass sich der Brandrauch in kürzester Zeit im gesamten Gebäude ausbreitet und alle Bewohner bedroht. Somit ist eine zeitnahe Lokalisierung des Brandherdes, sowie eine Fremdrettung der zum Teil eingeschränkten Personen, durch die Einsatzkräfte der Feuerwehr, in angemessener Zeit nicht umsetzbar. Diese Mängel stellen eine konkrete Gefahr für die Bewohner dar.“
49Seitens des TÜV Nord wurden etliche Mängel, unter anderem die fehlenden Abschottungen der Messeinrichtungen und Verteiler sowie die fehlenden Abschottungen bei den Wand- und Deckendurchführungen für Elektro- und Medienleitungen sowie im Bereich der Installations- und Versorgungsschächte als gravierend eingestuft, und wegen weiterer Mängel deren kurzfristige Beseitigung gefordert. Als Fazit kommt der TÜV Nord ausweislich seiner im Nachgang zur Ortsbegehung gefertigten schriftlichen Begutachtung zu dem Ergebnis, dass aufgrund der durch den vorbeugenden Brandschutz festgestellten Mängel „die Immobilien als unbewohnbar eingestuft werden und eine zeitnahe Räumung veranlasst ist“.
50Auch die Vertreter der Beklagten bewerteten die Lage dahin, dass aufgrund der Vielzahl der vorgefundenen Mängel eine akute Gefahr für Leib und Leben der Bewohner bestehe, weil im Brandfall eine schnelle Rauchausbreitung jeweils über das gesamte Gebäude zu erwarten sei, wodurch eine schnelle und gezielte Brandlokalisierung und damit die Evakuierung der Bewohner und die Brandbekämpfung behindert, erschwert oder gar unmöglich gemacht werde. Noch vor Ort wurde nachfolgend zunächst die sofortige und vollständige Räumung der beiden Gebäude I1.-------straße X und X veranlasst und sodann die sofortige Nutzungsuntersagung der Gebäude mündlich verfügt, wovon auf Seiten der Klägerinnen die vor Ort anwesenden Hausmeister - und später der Geschäftsführer der Klägerin zu 1. (Herr N3. W. ) telefonisch - informiert wurden. Zum damaligen Zeitpunkt waren im Gebäude I1.-------straße X insgesamt 108 Personen und im Gebäude I1.-------straße X insgesamt 99 Personen gemeldet. Im Nachgang zur Räumung und als begleitende Maßnahme zur Sicherstellung der verfügten Nutzungsuntersagung nebst Absicherung wurde nach abschließender Nachschau aller Wohnungen die anschließende Versiegelung der Gebäude durchgeführt und wurden sämtliche Eingänge mit Blechen verschlossen sowie an den Hauseingangstüren die Schlösser ausgetauscht. Außerdem wurde ein Sicherheitsdienst beauftragt, der die Gebäude rund um die Uhr bewachte und den Zugang der Bewohner regelte, die noch persönliche Gegenstände aus ihren Wohnungen holen wollten.
51Mit Bescheiden vom 25. Februar 2019 wurden die Nutzungsuntersagungen und die durchgeführten Räumungen nebst Versiegelungen den Klägerinnen gegenüber schriftlich bestätigt; den Mietern gegenüber erfolgte eine schriftliche Bestätigung mit Bescheid vom 27. Februar 2019 und im Übrigen mit Bescheiden vom 26. März 2019, letztere im Wege der Allgemeinverfügung. Zur Begründung wurde in dem die Klägerinnen betreffenden Bescheid unter im einzelnen erfolgter Auflistung der – wie zuvor dargelegten –bauordnungsrechtlichen (Brandschutz-)Mängel ausgeführt, dass aufgrund der sicherheits- und brandschutzrechtlichen Mängel in den Gebäuden I1.-------straße X und X die Nutzung der Gebäude zu Wohn- und Aufenthaltszwecken bzw. die Vermietung bzw. das zur Verfügung stellen der Räumlichkeiten an Dritte wegen der konkreten Gefahr für Leib und Leben der Personen unzulässig sei und durch eine sofortige Räumung zu begleiten gewesen sei. Die festgestellten brandschutz- und sicherheitstechnischen Mängel bedeuteten eine konkrete Gefahr, weil mit der Entstehung eines Brandes jederzeit gerechnet werden müsse und bei einer Rauchentwicklung die Nutzung sämtlicher Rettungswege für die Bewohner nicht sichergestellt sei. Die durchgeführten Maßnahmen seien auch geeignet und verhältnismäßig gewesen. Dem in der Bauordnung NRW verankerten Brandschutz werde höchste Priorität eingeräumt. Es gelte hier, die festgestellte gegenwärtige Gefahr bei einem möglichen Brand für die Rechtsgüter Leben und Gesundheit der Bewohner und Besucher zu beseitigen. Da mit einem Brand jederzeit gerechnet werden müsse und sämtliche Rettungswege jeweils in den Gebäuden innerhalb kürzester Zeit verrauchen könnten, sei die Räumung das geeignete Mittel, da andere Zwangsmittel hier nicht in Betracht gekommen seien. Die Beseitigung der festgestellten Mängel, würde mehrere Monate dauern, so dass diese Maßnahme nicht in Betracht gekommen sei. Ebenfalls würde eine Brandwache vor Ort nicht verhindern können, dass sich der Rauch im Falle eines Brandes über sämtliche Etagen in jeweils beide Treppenräume und im notwendigen Flur ungehindert rasend schnell ausbreiten könne. Eine Rettung von jeweils mindestens 100 Personen aus einem Hochhaus könne daher nicht kurzfristig durch andere Maßnahmen sichergestellt werden. Die im Rahmen der Räumung und Versiegelung veranlassten Kosten würden mit gesondertem Bescheid in Rechnung gestellt (vgl. dazu 25 K 1897/20). Wegen der weiteren Begründung wird ergänzend auf den Inhalt der Bescheide vom 25. Februar 2019 Bezug genommen.
52Am 27. Februar 2019 wurde das weitere Vorgehen abstellend auf die in den Nutzungsuntersagungsverfügungen aufgeführten Mängel seitens der Beklagten und den die Klägerinnen vertretenen Architekten sowie den Vertretern des von diesen beauftragten Brandschutzsachverständigen (Büro D. Ing. GmbH) besprochen. Durch die Brandschutzsachverständigen wurde ein Sanierungskonzept (nebst Ablaufplan) in Aussicht gestellt, das die Grundlage für die weiteren Entscheidungen sein sollte. Seitens der Beklagten wurden die Architekten gebeten zu prüfen, ob die weitere Sicherung der Gebäude durch die Eigentümer selbst veranlasst werden könne. In einem Vermerk der Brandschutzsachverständigen der Klägerinnen vom 01. März 2019 wurden die Brandschutzmängel nochmals aufgelistet und im Wesentlichen bestätigt sowie erste Lösungsvorschläge unterbreitet. Im Weiteren heißt es dann auf S. 14 dieses Vermerks:
53„… Seitens der D. Ingenieure wurde angemerkt, dass die Fassadenelemente einer Prüfung unterzogen werden müssen, da die zu den Bauprodukten und Bauteilen vorgelegten Dokumente keine belastbaren Angaben zu der Brennbarkeit und dem Brandverhalten liefern. Hier wird sich D. mit den entsprechenden Projektbeteiligten und Prüfstellen kurzschließen, um eine finale Aussage über die Außenfassade beider Gebäude zu treffen. Die Ergebnisse werden Teil des brandschutzrechtlichen Sanierungskonzepts sein. Dies bezieht sich sowohl auf die Sandwichelemente als auch auf die Elastomer-Fugenelemente an beiden Gebäuden.“
54Am 12. März 2019 trafen sich Mitarbeiter des Bauaufsichtsamtes der Beklagten mit einem Vertreter des von den Klägerinnen beauftragten Architekten und den Brandschutzsachverständigen zu einem erneuten Abstimmungsgespräch wegen der einzuleitenden Sofortmaßnahmen betreffend die Öffnungen in den Versorgungsschächten, der Instandsetzung der Obertürschließer und der Ertüchtigung weiterer Ausgangstüren, sowie wegen weiterer Abschottungsmaßnahmen. Hierzu verhält sich das 1. brandschutzrechtliche Sanierungskonzept der Brandschutzsachverständigen (Büro D. ) vom 14. März 2019. Mit einem 2. brandschutzrechtlichen Sanierungskonzept vom 02. April 2019 wurden der Bearbeitungsstand hinsichtlich der Sofortmaßnahmen erläutert und weitere Maßnahmen angekündigt. In einem begleitenden Telefonat teilte der Brandschutzsachverständige Herr T2. (Büro D. ) der Beklagten mit, dass im Zuge der Sanierung noch weitere Schächte entdeckt und abgeschottet worden seien.
55Unter dem 05. April 2019 informierte der Brandschutzsachverständige Herr T2. (Büro D. ) die Beklagte über das Ergebnis eines Brandversuchs der Fassadenplatten durch ein Prüfinstitut (Prüfinstitut I6. ). Danach seien die Platten entgegen der ersten Annahme hochbrennbar und würden weder den Vorgaben der Bauordnung aus dem Jahr 1962 noch den Vorgaben des § 94 SBauVO in der z.Zt. gültigen Fassung entsprechen. Die Klägerinnen seien hiervon umgehend informiert worden. Er wies ferner darauf hin, dass aus den genehmigten Bauvorlagen erkennbar sei, dass die Fassadenplatten nicht als Bekleidung auf massive Brüstungen montiert worden seien, sondern als eigenständige Fensterbrüstungen Teil der Außenwand seien. Den zugehörigen Bericht übersandte ein Mitarbeiter des Büro D. unter dem 12. April 2019 an die Beklagte. In dem Begleitschreiben heißt es:
56„…Wie bereits durch Herrn T2. telefonisch mitgeteilt, kann auch von unserer Seite ein Wiederbezug der Gebäude nicht erfolgen, ehe das Gefahrenpotenzial der Fassade nicht in dem erforderlichen Maße beseitigt wurde….“
57Aus einem mit dieser Mail übersandten Bericht des Prüfinstituts I6. geht hervor, dass bei der Brandprüfung nach 2:08 Minuten Flammenhöhen von über 100 cm auftraten, die über 3 ½ Minuten anhielten; der Brennwert der Einzelkomponenten habe die geltenden Grenzwerte der jeweiligen Einbauklasse bei weitem überschritten. Weiter heißt es in dem Bericht, dass die Die Brandprüfung dann wegen des extremen Brandverlaufs und vor allem wegen der Rauchentwicklung vorzeitig nach 6:08 min habe abgebrochen werden müssen. Das Ergebnis sei zum Zeitpunkt des Abbruchs allerdings bereits eindeutig negativ gewesen. In einer Mail vom 15. April 2019 führte der Brandsachverständige T2. (Büro D. ) gegenüber der Beklagten sodann aus:
58„… Ich hatte gestern ein sehr langes Telefonat mit Herrn L2. , der sich direkt im Prüfinstitut noch mal eingehend, zusammen mit Herrn I6. , mit den Proben beschäftigt hat. Wir sind uns einig, dass die Fassadenbekleidungen zurückgebaut werden müssen. Dieses Schicksal erteilte schon diverse Außenwände in Deutschland, da insbesondere nach dem Brand des Grenfell-Towers diverse Bestandsfassaden auf den Prüfstand gestellt wurden….“
59Im Rahmen eines weiteren Gesprächs am 17. April 2019, an dem Vertreter des Bauaufsichtsamtes der Beklagten sowie diverse Vertreter für die Klägerinnen sowie der Brandschutzsachverständige T2. teilnahmen und bei dem die umgesetzten Maßnahmen des 1. Sanierungskonzepts sowie die mit Datum vom 02. April 2019 vorgeschlagenen Maßnahmen des 2. Sanierungskonzepts besprochen und das weitere Vorgehen abgestimmt wurden, wurde von Herrn T3. (weiterer Architekt der Klägerinnen) wegen der brandschutzrechtlich bedenklichen Fassade vorgeschlagen, Außengerüste aufzustellen, um die brennbaren Fassadenteile sofort zu entfernen, damit ein Wiedereinzug der Mieter kurzfristig stattfinden könne. Hierzu sei jedoch eine weitere Planung für die Neuanbringung einer Fassade als Brüstung unterhalb der Fensterelemente, die auch die Brandübertragung von einer Etage zur nächsten Etage verhindere, erforderlich. An den Balkonen seien entsprechende Umwehrungen als Absturzsicherung anzubringen.
60Im Rahmen einer weiteren Besprechung am 15. Mai 2019 beschloss die Beklagte, dass wegen der von der Fassade ausgehenden Gefahr eine Wiederaufnahme der Wohnnutzung noch nicht in Betracht kommt.
61In der Folgezeit wurden die entsprechenden Sanierungsarbeiten an der Fassade durchgeführt.
62Nach abschließender Sanierung aller zwischen den Beteiligten als relevant eingestuften brandschutzrechtlichen Mängel (einschließlich der Fassade) wurde unter dem 03. September 2019 die Nutzung der Wohnungen des Gebäudes I1.-------straße X (ohne Nutzung der Eckbalkone und der Tiefgarage), am 17. September 2019 sodann die Nutzung der Wohnungen des Gebäudes I1.-------straße X und unter dem 1. Oktober 2019 (I1.-------straße X) und am 15. Oktober 2019 (I1.-------straße X) die Nutzung der Balkone freigegeben.
63Bereits am 19. März 2019 haben die Klägerinnen Klage erhoben mit der sie sich gegen die Ordnungsverfügungen betreffend die Nutzungsuntersagung der Tiefgarage nebst Absperrung der über das Dach verlaufenden Zufahrt und – nach Klarstellung in der mündlichen Verhandlung – gegen die Bescheide betreffend die Nutzungsuntersagung der beiden Gebäude I1.-------straße X und X in E. einschließlich deren Räumung bzw. Versiegelung wenden und die Aufhebung der ergangenen Ordnungsverfügungen begehrt haben. Nach der Freigabe der Wohnnutzung haben die Klägerinnen ihre schriftsätzlich angekündigten Anträge mit Schriftsatz vom 3. April 2020 tlw., in Bezug auf die zur Nutzung der beiden Hochhäuser ergangenen Verfügungen auf ein Fortsetzungsfeststellungsbegehren umgestellt und ihre Klage erstmals begründet. Sie machen geltend:
64Soweit sich die Klage gegen die Nutzungsuntersagungsverfügungen hinsichtlich der in den beiden Hochhäusern befindlichen Wohnungen richte, sei zwischenzeitlich Erledigung eingetreten. Die Umstellung auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage sei zulässig, da jedenfalls ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse wegen der Präjudizialität der Entscheidung für einen etwaigen Schadensersatzanspruch und ein darauf beruhendes Verfahren gegen die Beklagte vor dem Zivilgericht bestehe.
65In der Sache sei die Klage sowohl hinsichtlich der Nutzungsuntersagung betreffend die Tiefgarage (nebst Zufahrt) als auch hinsichtlich der beiden Hochhäuser begründet.
66Die von den Klägerinnen vorgelegten Gutachten belegten, dass keine Gefährdung der Standsicherheit der Tiefgarage bestehe. Darüber hinaus gehe die Beklagte von falschen Tatsachen aus, weil das Dach der Tiefgarage überhaupt nicht als Überfahrt bzw. Aufstellfläche für die Feuerwehr benötigt werde.
67Hinsichtlich der Nutzungsuntersagung für die beiden Wohngebäude fehle es schon an einer vorherigen Anhörung und liege damit ein formaler Rechtmäßigkeitsmangel vor. Im Übrigen könnten die festgestellten Brandschutzmängel unter Berücksichtigung des bestehenden Bestandsschutzes die Nutzungsuntersagungen nicht begründen. Jedenfalls seien die Nutzungsuntersagungen nicht verhältnismäßig. Zwar sei die fehlende Abschottung der durch das Haus führenden Versorgungsschächte und die jedenfalls teilweise fehlende feuerhemmende Qualität der Versorgungsleitungen im Keller geeignet gewesen, das Ermessen der Beklagten auf null zu reduzieren und tätig zu werden. Allerdings müsse sich die Beklagte Versäumnisse in Bezug auf die ihr obliegende Brandschutzüberwachung vorhalten lassen; insbesondere die fehlende Abschottung der Schächte sei spätestens nach einem Kellerbrand im Gebäude I1.-------straße X im Mai 2016 bekannt gewesen, bei dem sich der im Keller entstandene Qualm über die Lüftungsschächte des Gebäudes auf alle elf Etagen verbreitet habe und weswegen alle im Haus befindlichen Bewohner hätten evakuiert werden müssen. Darüber hinaus sei eine Nutzungsuntersagung nebst Räumung im Februar 2019 nicht erforderlich gewesen, da der Gefahr im Falle einer Brandentstehung durch ein mobiles, zertifiziertes Brandmeldesystem mit einer Aufschaltmöglichkeit auf die Leitstelle der Feuerwehr hätte Rechnung getragen werden können. Auf die späteren Erkenntnisse zur Fassade komme es nicht an, weil maßgeblich allein der Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide sei.
68Die Klägerinnen beantragen durch ihren Prozessbevollmächtigten im Rahmen der mündlichen Verhandlung - unter Einräumung einer Stellungnahmefrist -,
691. die Bescheide der Beklagten vom 22. Februar 2019 (schriftliche Bestätigung der mündlichen Nutzungsuntersagung der Tiefgarage - teilweise - vom 06. Februar 2019 nebst Sperrung der Zufahrt über das Dach der Tiefgarage und Untersagung der diesbezüglichen Nutzung) aufzuheben, sowie
702. festzustellen, dass die am 14. Februar 2021 mündlich ausgesprochene, sofortige Nutzungsuntersagung der Beklagten bezüglich der Gebäude I1.-------straße X und X in E. zu Wohn- und Aufenthaltszwecken und die entsprechende schriftliche Bestätigung der Beklagten vom 25. Februar 2019 einschließlich der Räumung und Versiegelung rechtswidrig waren.
71Die Beklagte beantragt,
72die Klage abzuweisen.
73Die Einräumung einer Stellungnahmefrist im Nachgang zur mündlichen Verhandlung lehnt sie ab. Im Übrigen tritt sie dem Vorbringen unter Vertiefung und Ergänzung der Ausführungen aus dem Verwaltungsverfahren entgegen.
74Zu der die Tiefgarage betreffenden Nutzungsuntersagung führt sie ergänzend aus, dass der erforderliche Standsicherheitsnachweis weiterhin nicht vorliege. Auch stelle die über das Dach der Tiefgarage führende Zufahrt nicht den Kern, sondern eine Verschärfung des Problems dar. Eine entsprechende Standsicherheit sei seitens eines staatlich anerkannten Sachverständigen für Standsicherheit unter keinem Ansatz bestätigt worden. Im Übrigen sei das Dach der Tiefgarage in der Vergangenheit faktisch als Feuerwehrzufahrt genutzt worden und die ursprünglich genehmigte Feuerwehrzufahrt (hinter dem Gebäude I1.-------straße X) erst im laufenden Verfahren ertüchtigt worden. Auch könne über die Zufahrt ein Einspeisungspunkt am Gebäude I1.-------straße X erreicht werden, so dass immer die Möglichkeit bestehe, dass schwere Fahrzeuge diese Zufahrt nutzen, ohne sich im Einsatzfall Gedanken über die Standsicherheit des Tiefgaragendaches machen zu müssen. Ungeachtet dessen würde die Zufahrt aber auch durch sonstige, auch schwere Fahrzeuge genutzt, so dass die Frage der Standsicherheit in Bezug auf das Dach der Tiefgarage in jedem Fall unter Einbeziehung einer entsprechenden Nutzung zu bewerten sei.
75Der von den Klägerinnen monierten fehlenden Anhörung in Bezug auf die sofortige Nutzungsuntersagung der beiden Hochhäuser tritt die Beklagte unter Hinweis darauf entgegen, dass Gefahr im Verzug gewesen und damit eine Anhörung entbehrlich gewesen sei. Ungeachtet dessen seien Vertreter der Klägerinnen am 14. Februar 2019 zugegen gewesen und hätten sich insbesondere die von diesen beauftragten Architekten auch schon im Vorfeld mit etwaigen Konsequenzen brandschutzrechtlicher Mängel befasst, wobei Sanierungsmaßnahmen abgelehnt worden seien und allein die Installation von Rauchmeldern als ausreichend erachtet worden sei; schließlich sei ein Anhörungsmangel geheilt bzw. jedenfalls unbeachtlich.
76Wegen der behaupteten Unverhältnismäßigkeit der sofortigen Nutzungsuntersagung (nebst Räumung) wird darauf verwiesen, dass seitens der Klägerinnen selbst ausgeführt worden sei, dass das Entschließungsermessen der Beklagten allein schon wegen der fehlenden Abschottungen auf null reduziert gewesen sei. Diesem Ansatz sei nichts hinzuzufügen. Ungeachtet dessen könnten weder ein automatisches Brandmeldesystem noch eingesetzte Brandwachen verhindern, dass sich der Rauch im Falle eines Brandes über sämtliche Etagen in jeweils beide Treppenräume und im notwendigen Flur ungehindert rasend schnell ausbreiten könne. Der in diese Richtung zielende Vorschlag der Klägerinnen sei deshalb kein gleich geeignetes Mittel, was auch das Brandereignis im Jahre 2016 eindrucksvoll bestätigt habe. Insoweit müssten sich die Klägerinnen - und nicht die Beklagte - vorhalten lassen, im Nachgang dazu nicht für entsprechende Abhilfe in Bezug auf die schon damals zu Tage getretenen brandschutzrechtlichen Defizite im Bereich der Schächte gesorgt zu haben. Die nachträglich aufgedeckte Fassadenproblematik habe schon deswegen Berücksichtigung finden müssen, weil es sich bei einer Nutzungsuntersagung um einen Dauerverwaltungsakt handele. Dass es sich insoweit um einen erheblichen brandschutzrechtlichen Mangel gehandelt habe, habe auch der eigene Brandschutzsachverständige der Klägerinnen bestätigt. Eine Wiederaufnahme der Nutzung sei damit mit Aufdeckung des Mangels und vor dessen Beseitigung nicht in Betracht kommen.
77Mit Beschluss vom 31. Mai 2021 hat die Kammer den Rechtsstreit auf die Vorsitzende als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.
78Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte, das Protokoll zur mündlichen Verhandlung und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie auf die Verfahrensakte 25 K 1897/20 Bezug genommen.
79Entscheidungsgründe:
80A. Gemäß § 6 Abs. 1 VwGO kann das Gericht durch die Vorsitzende als Einzelrichterin im Anschluss an die mündliche Verhandlung und insoweit ohne Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehörs entscheiden. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) erfordert, dass einer gerichtlichen Entscheidung nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde gelegt werden, zu denen sich die Beteiligten zuvor äußern konnten.
81Vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 30. Juni 2009, 1 ZB 07.3431, juris Rn 17.
82Eine solche Äußerungsmöglichkeit bestand für die Klägerinnen, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten in ausreichendem Maße.
83Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung die Gewährung einer Stellungnahmefrist (sc.: Schriftsatzfrist) beantragt, um sich nach Rücksprache mit den Klägerinnen bzw. mit für sie handelnden Personen zu einzelnen, zu einzelnen in der mündlichen Verhandlung erörterten Aspekten, auf die er selbst nicht (ausreichend) vorbereitet war, äußern zu können, war ihm eine Schriftsatzfrist nicht einzuräumen.
84Gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 283 Satz 1 ZPO kann das Gericht, wenn sich ein Beteiligter in der mündlichen Verhandlung auf ein Vorbringen des Gegners nicht erklären kann, weil es ihm nicht rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt worden ist, auf dessen Antrag eine Frist bestimmen, in der er die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.
85Diese Voraussetzungen liegen hier allerdings nicht vor.
86Sämtliche in der mündlichen Verhandlung erörterten Aspekte waren weder neu noch überraschend. Es wurde ausschließlich solches Vorbringen erörtert, das die Verfahrensbeteiligten bereits im Vorfeld zum Gegenstand ihrer wechselseitigen Schriftsätze gemacht haben bzw. das sich aus den dem Gericht vorliegenden und den jeweiligen Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen zur Akteneinsicht überlassenen Verwaltungsvorgängen der Beklagten ergab. Allein der Umstand, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen von einzelnen Unterlagen keine Kenntnis (mehr) hatte oder nicht in der Lage war, hierauf abstellend Entscheidungen in rechtlicher Hinsicht zu treffen, rechtfertigt ebenso wenig einen Aufschub der gerichtlichen Entscheidung wie eine unzureichende Vorbereitung auf einen mit erheblichem zeitlichem Vorlauf angesetzten Verhandlungstermin, anlässlich dessen Durchführung auch eine erneute Akteneinsicht durch den jetzigen Prozessbevollmächtigten hätte ermöglicht werden können, tatsächlich aber von diesem nicht beantragt worden ist.
87B. Die Klage hat insgesamt keinen Erfolg.
88I. Die mit dem Klageantrag zu 1. erhobene Klage gegen die teilweise Nutzungsuntersagung der Tiefgarage nebst Sperrung und Nutzungsuntersagung des Daches der Tiefgarage als Feuerwehrzufahrt und zum Befahren mit LKWs und PKWs ist zulässig, aber unbegründet.
891. Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO zulässig.
90Insbesondere wurde die Klage am 19. März 2019 fristgerecht erhoben. Denn erst die schriftliche Bestätigung vom 22. Februar 2019 mit der in ihr enthaltenen Rechtsbehelfsbelehrung und den weiteren Konkretisierungen des Inhalts der streitgegenständlichen Ordnungsverfügungen setzte die einmonatige Klagefrist gemäß § 74 Abs. 1 VwGO in Lauf.
91Auch hat sich die Nutzungsuntersagung nebst weiterer Inhalte nicht erledigt. Zum einen ist noch keine Freigabe der Tiefgarage erfolgt, zum anderen sind auch die weiteren Inhalte der streitgegenständlichen Ordnungsverfügungen (Sperrung der Zufahrt über das Dach und Untersagung der diesbezüglichen Nutzung) noch weiter wirksam und treffen damit die Klägerinnen immer noch. Der Eigentumsübergang des Eigentumsanteils der Klägerin zu 2. auf die Klägerin zu 1. ändert daran ebenfalls nichts. Auf das Grundstückseigentum bezogene Ordnungspflichten gehen auf den Erwerber im Wege der Einzelrechtsnachfolge über, so dass allein durch einen Eigentumswechsel keine Erledigung eintritt. Die Eigentumsübertragung hat auch sonst keinen Einfluss auf den Fortgang des Verfahrens (§ 173 VwGO i. V. m. § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
922. Die Klage ist aber unbegründet.
93Die Bescheide der Beklagten vom 22. Februar 2019 mit der die mündlich am 6. Februar 2019 verfügte tlw. Nutzungsuntersagung der Tiefgarage nebst Sperrung der Zufahrt über das Dach der Tiefgarage für Feuerwehrfahrzeuge und Untersagung der Nutzung auch für PKWs und LKWs schriftlich bestätigt wurden, sind rechtmäßig und verletzen die Klägerinnen nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
94Maßgeblicher Zeitpunkt für die rechtliche Überprüfung der angeordneten Nutzungsuntersagung (nebst hierzu erfolgter begleitender Maßnahmen) ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Bei der Nutzungsuntersagung handelt es sich um einen Dauerverwaltungsverwaltungsakt. Sie beinhaltet nicht nur das Gebot, die beanstandete Nutzung (einmalig) einzustellen, sondern auch das Verbot, auf Dauer dieselbe oder eine vergleichbare Nutzung dort wieder aufzunehmen. Somit kommt es in diesen Fällen nicht auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung an, sondern auf den Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung, um die Rechtmäßigkeit der Verfügung bis zu diesem Zeitpunkt kontrollieren zu können.
95Vgl. hierzu: BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 1989, 4 B 132/88; OVG NRW, Urteil vom 19. Dezember 1995, 11 A 2734/93; Bayerischer VGH, Beschluss vom 23. Juli 2018, 15 ZB 17.1092, jeweils juris.
96Rechtsgrundlage für die (jeweils an beide Klägerinnen als Gesamtschuldner gleichlautend ergangenen) - in formeller Hinsicht rechtmäßigen - Ordnungsverfügungen der Beklagten war § 58 Abs. 2 BauO NRW i. V. m. § 82 Satz 2 BauO NRW in der ab dem 1. Januar 2019 geltenden Fassung (nachfolgend: BauO NRW 2019); auf die vorgenannten Vorschriften ist unter Berücksichtigung der – wie dargestellt – andauernden Wirkung der Ordnungsverfügung mit gleichlautendem Inhalt auch in der vom Landtag NRW am 30. Juni 2021 beschlossenen Fassung der BauO NRW (in Bezug auf § 82 Satz 2 BauO NRW a.F. nunmehr gleichlautend in § 82 Abs. 1 S. 2 BauO NRW n.F.) abzustellen. Danach haben die Bauaufsichtsbehörden bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und Beseitigung sowie bei der Nutzung und Instandhaltung von Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden, soweit nicht andere Behörden zuständig sind. Sie haben in Wahrnehmung dieser Aufgaben nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Nach § 82 Satz 2 BauO NRW 2019 und § 82 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW 2021 kann insbesondere die Nutzung baulicher Anlagen untersagt werden, wenn die Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden.
97Die Beklagte ist hier zu Recht davon ausgegangen, dass die Nutzung des hier in Rede stehenden Teils der Tiefgarage gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt, nämlich gegen § 3 Abs. 1 i. V. m. § 12 Abs. 1 BauO NRW 2019 (nach aktueller Fassung gleichlautend). Nach § 3 Abs. 1 BauO NRW 2019/2021 sind Anlagen so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen, nicht gefährdet werden. Ferner müssen Anlagen bei ordnungsgemäßer Instandhaltung die allgemeinen Anforderungen des Satzes 1 ihrem Zweck entsprechend dauerhaft erfüllen und ohne Missstände benutzbar sein. Gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 BauO NRW 2019/2021 muss jede bauliche Anlage im Ganzen und in ihren einzelnen Teilen sowie für sich allein standsicher sein. Gemeint ist mit Standsicherheit die Fähigkeit einer baulichen Anlage, Belastungen auszuhalten, ohne ganz oder teilweise zusammenzustürzen. Die Standsicherheit einer baulichen Anlage folgt aus dessen Tragwerk. Dies entsteht durch die planmäßige Verbindung tragender Bauteile. Ein Tragwerk ist dann standsicher, wenn es der aus seiner Nutzung resultierenden Beanspruchung mit ausreichender Sicherheit standhält. Es geht also um Stabilität und Beanspruchbarkeit. Eine bauliche Anlage muss folglich an sich und in ihren sämtlichen Teilen auch ohne besondere Beeinträchtigung die üblichen Belastungen aushalten können.
98Vgl. Hannel/Bökamp-Gerdemann in Gädtke u.a., BauO NRW, 13. Aufl. 2019, § 12 Rn 2
99Es liegen im vorliegenden Fall sowohl abstellend auf den Erlasszeitpunkt der streitgegenständlichen Ordnungsverfügungen als auch bezogen auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gewichtige Anhaltspunkte dafür vor, dass die geforderte Standsicherheit der Tiefgarage in dem von der Nutzungsuntersagung betroffenen Bereich (vor dem Gebäude I1.-------straße X) nicht mehr gewährleistet ist.
100Das Gericht geht hierbei unter Berücksichtigung der im Verfahren vorgelegten diversen Stellungnahmen zum Zustand der Tiefgarage von folgenden – zwischen den Verfahrensbeteiligten in tatsächlicher Hinsicht nicht streitigen – objektiven Gegebenheiten aus:
101In dem streitgegenständlichen Teil der Tiefgarage wurden nachträglich Hilfskonstruktionen aus Stahl eingebaut. Der Grund für den nachträglichen Einbau ist nicht bekannt, auch liegen insoweit weder Bauunterlagen vor, noch gibt es zu der Stahlkonstruktion eine entsprechende Baugenehmigung (diese ist damit auch formell illegal). Die Stahlkonstruktionen - die weder einen Anprallschutz, noch einen Korrosionsschutz, noch einen Brandschutzanstrich bzw. eine Brandschutzverkleidung aufweisen - sowie deren Stützen und Riegel sind in Teilbereichen stark korrodiert. Auch die Deckenabdichtung der Tiefgarage ist offensichtlich beschädigt. Es sind Betonabplatzungen als auch dadurch entstandene freiliegende Bewehrungen mit Korrosionsschäden hauptsächlich an der Bewehrung in der Dachdecke und im Bereich der Gebäudefugen erkennbar. Ursächlich hierfür ist nach den Feststellungen der mit der Schadenserfassung befassten diversen Sachverständigen nach übereinstimmender Bewertung durch die Decke der Tiefgarage eindringende Feuchtigkeit.
102Die vorbeschriebenen objektiven Gegebenheiten begründen gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass die erforderliche dauerhafte Standsicherheit der Tiefgarage (in dem von der Nutzungsuntersagung betroffenen Bereich) nicht mehr gewährleistet ist.
103Diese Anhaltspunkte ergeben sich bereits aus Äußerungen der im Vorfeld zum Ortstermin am 06. Februar 2019 mit der diesbezüglichen Bewertung seitens der Klägerinnen befassten Sachverständigen (Dipl. Ing. I2. und Sachverständigenbüro L. -) und finden sich schließlich in der dem Ortstermin nachfolgenden Stellungnahme des für die Klägerinnen tätig gewordenen Prüfstatikers für Baustatik Dr. Ing. N. vom 15. Februar 2019 bestätigt.
104So war es die vormals zuständige Hausverwaltung der Klägerinnen (Q. mbH), die der Beklagten eine E-Mail des Architekten der Klägerinnen, Dipl. Ing. I2. , weiterleitete, in der dieser im Hinblick auf eine im März (sc.: 2019) im Umfeld der beiden Hochhäuser beabsichtigten Sprengung Bedenken wegen der Standsicherheit der Tiefgarage unter Berücksichtigung der aufgedeckten Mängel äußerte. Anlass zu Zweifeln im Hinblick auf die Standsicherheit ergab sich zudem aus einem Bericht eines von den Klägerinnen (bzw. von für sie handelnden Personen) beauftragten „Sachverständigenbüros L. -“, dem eine Begehung eines Mitarbeiters des Unternehmens aus August 2018 zugrunde lag. Im Hinblick auf die durch Feuchtigkeitseintritt beeinträchtigten Betonbauteile, auf deren Funktion als tragende Bauteile ausdrücklich hingewiesen wurde, sah der Sachverständige zwar die Standsicherheit des Gebäudes (abstellend auf die Begehung in August 2018) noch nicht beeinträchtigt, forderte aber gleichermaßen die Ursachen mittelfristig zu beseitigen, um einer Ausbreitung und Verstärkung der Schäden vorzubeugen und verwies ferner darauf, dass gravierende Schäden an der Bewehrung von Stützen und Wänden im Sockelbereich der Tiefgarage in den kommenden Jahren durch die hohe Chloridbelastung entstehen werden und dieser Umstand zu einer fortschreitenden starken punktuellen Bewehrungskorrosion führen werde. Die starke Korrosion im Bereich eines Trägers der Stahlträgerkonstruktion beschrieb er im Einzelnen dahin, dass sich Schalen aus korrodiertem Stahl von bis zu 1 cm Stärke abschälen ließen, wodurch die Tragfähigkeit eingeschränkt sei. Eine Schadensfreiheit über die nächsten Jahre sei nicht zu erwarten, vielmehr würden mit fortschreitender Korrosion auch die sichtbaren Schäden an der Betondecke zunehmen und größere Fehl- und Bruchstellen unter anderem die Standsicherheit beeinträchtigen.
105Auch das von den Klägerinnen beauftragte Büro des Prüfstatikers Dr. Ing. N. und der für dieses Büro beim Ortstermin am 06. Februar 2019 anwesende Prüfstatiker I3. äußerten Bedenken in Bezug auf die Standsicherheit der Tragkonstruktion. Soweit sich diese Bedenken anlässlich des Ortstermins noch allein dazu verhielten, dass eine Standsicherheit insbesondere bei einer Belastung der Decke der Tiefgarage mit schweren Fahrzeugen nicht bescheinigt werden könne, bewertete der Prüfstatiker für Baustatik Dr. Ing. N. im seinem schriftlichen Bericht vom 15. Februar 2019 im Nachgang zum Ortstermin die vorgefundene Situation dahin, dass den Stützungskonstruktionen und Deckenkonstruktionen der Tiefgarage zum jetzigen Zeitpunkt keine abschließende Standsicherheit inklusive des statisch-konstruktiven Brandschutzes bescheinigt werden könne. Wegen der zwischen den Beteiligten streitigen Frage einer Befahrbarkeit der Decke des Garagenbereichs im Notfall von einem Leiterwagen der Feuerwehr ließ er offen, ob diese für eine entsprechende Belastung planmäßig ausgelegt sei und verwies ferner darauf, dass eine statische Berechnung deshalb zu diesem Zeitpunkt nicht möglich sei. Ungeachtet dessen kommt er zu dem Ergebnis, dass die ursprüngliche Standsicherheit der Stahlkonstruktion in den korrodierten Bereichen grundsätzlich nicht mehr gegeben bzw. stark herabgesetzt sei.
106Dieser Schlussfolgerung treten die Klägerinnen nicht substantiiert entgegen.
107Das gilt zum einen für das Vorbringen, der Nachweis zur Standsicherheit sei durch weitere, seitens der Klägerinnen bzw. ihrer Vertreter im Verfahren vorgelegter Stellungnahmen erbracht worden.
108Tatsächlich wurde seitens der Klägerinnen kein Standsicherheitsnachweis erbracht.
109Im Baugenehmigungsverfahren wird die sich aus § 12 BauO NRW folgende Anforderung gegenüber der Bauaufsichtsbehörde durch die Vorlage eines Standsicherheitsnachweises nebst dem Nachweis der vorliegend vorgeschriebenen entsprechenden Prüfung durch einen staatlich anerkannten Sachverständigen belegt (§ 68 Abs. 1 Nr. 2 BauO NRW 2019/ § 68 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BauO NRW 2021). Der zu den Bauvorlagen gehörende Standsicherheitsnachweis (§ 1 Abs. 2 Nr. 6 BauPrüfVO) besteht gemäß § 9 Abs. 1 BauPrüfVO aus einer Darstellung des gesamten statischen Systems einschließlich der Gründung, den erforderlichen Konstruktionszeichnungen und den erforderlichen Berechnungen (§ 8 Abs. 1 BauPrüfVO). Bei der Berechnung sind auch die Beschaffenheit des Baugrundes und seine Tragfähigkeit anzugeben. Zusätzlich muss die Feuerwiderstandsfähigkeit der tragenden Bauteile benannt werden.
110Diesen Anforderungen werden die von den Klägerinnen in Bezug genommenen Stellungnahmen bzw. Prüfberichte nicht gerecht.
111Die Stellungnahme (21. Februar 2019) und der Prüfbericht (11. März 2019) des Büros V. entsprechen schon formal nicht den Anforderungen eines Standsicherheitsnachweises, weil es sich bei dem dort mit der Überprüfung befassten Tragwerksplaner Dipl. Ing. T1. nicht um einen staatlich anerkannten Sachverständigen für Standsicherheit im Sinne des § 68 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauO NRW 2019 (bzw. § 68 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BauO NRW 2021) i. V. m. § 87 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 BauO NRW 2019/2021 i. V. m. §§ 8 ff SV-VO NRW handelt. Darauf, dass ein solcher, den gesetzlichen Regelungen der Bauordnung NRW entsprechender Nachweis zu erbringen war, hat die Beklagte mehrfach hingewiesen. Darüber hinaus sind die Stellungnahmen aber auch inhaltlich nicht als Standsicherheitsnachweis geeignet, weil die Ermittlung der erforderlichen Bewehrung mangels vorliegender Bestandsunterlagen für das Tragwerk nur auf der Grundlage von Annahmen erfolgt, ferner vorausgesetzt wird, dass die so ermittelten Werte zunächst durch Bewehrungsdetektionen vor Ort zu belegen sind, kurzum die Berechnungen keine abschließenden Nachweise enthalten, weil sie ausschließlich von Annahmen ausgehen, die erst noch nachzuweisen sind bzw. deren Nachweis die Umsetzung vorheriger Maßnahmen noch voraussetzt.
112Auch der erst unter dem 9. November 2020 vorgelegte Prüfbericht des Büros Dipl. Ing. M. vom 15. Oktober 2019 (erstellt durch den Mitarbeiter Dipl. Ing. F. ) stellt keinen Standsicherheitsnachweis dar. Abgesehen davon, dass der mit der Erstellung des Berichts befasste Mitarbeiter nach eigenen Angaben im Rahmen einer telefonischen Rückfrage der Beklagten angegeben hatte, dass sein Prüfbericht nicht abschließend sei, wirft der Bericht auch inhaltlich mehr Fragen als Antworten auf und entspricht auch im Übrigen nicht den Anforderungen gemäß § 9 Abs. 1 BauPrüfVO. So heißt es in dem Bericht, dass aufgrund fehlender geprüfter bautechnischer Unterlagen (Statische Berechnung, Ausführungszeichnungen) die Konstruktion (sc.: Stahlstützenkonstruktion) hinsichtlich der konstruktiven Durchbildung nicht abschließend beurteilt werden könne, ferner wird an anderer Stelle ausgeführt, dass bei der Prüfung vorausgesetzt werde, dass die vorhandenen Profile und Konstruktionen inklusive der Anschlüsse und Lager etc. in statischer Hinsicht noch in einwandfreiem Zustand sind, was durch den Bauherrn sicherzustellen sei, schließlich werden auch an weiteren Stellen des Berichts Leistungen und Nachweise beschrieben, die durch den Bauherrn erst noch zu erbringen sind. Warum der Bericht zudem nur die Standsicherheit des linken und rechten Tiefgaragenbereichs in den Blick nimmt, nicht aber den Einfahrtsbereich, und damit den Anforderungen eines Nachweises an das gesamte statische System schon nicht gerecht wird, bleibt ebenso unerfindlich. Insgesamt handelt es sich allenfalls um eine Handreichung dazu, welche Maßnahmen durchzuführen sind, um die Standsicherheit der Tiefgarage sicherzustellen, offenkundig aber nicht um einen Standsicherheitsnachweis im Sinne der eingangs genannten Vorschriften.
113Auch die von Juni 2020 datierende Bewertung des qualifizierten Tragwerksplaners Dipl. Ing. N1. B. erfüllt nicht die Anforderungen an einen Standsicherheitsnachweis im Sinne der Bauordnung NRW. Auch hier fehlt es schon an den formalen Voraussetzungen eines Nachweises eines staatlich anerkannten Sachverständigen. Darüber hinaus beschränkt sich die Begutachtung – entsprechend ihres Auftrages – allein auf den Teil der Tiefgarage, der von dem Tiefgaragenbrand betroffen war und geht es in dem Bericht allenfalls um die Auswirkungen auf die Standsicherheit bezogen auf den vom Brand betroffenen Teil der Tiefgaragendecke. Ob statische Mängel im weiteren Bereich der Tiefgarage vorliegen, wird nicht weiter beleuchtet.
114Soweit geltend gemacht wird, die Annahme einer fehlenden Standsicherheit sei deswegen fehlerhaft, weil die Beklagte ihrer Begründung verfehlt zugrunde gelegt habe, dass das Dach der Tiefgarage mit Feuerwehrfahrzeugen überfahren werden müsse, weil dort die Feuerwehrzufahrt verlaufe, gilt Folgendes:
115Richtig ist, dass die Feuerwehrzufahrt laut Bauschein 000/69 vom 23. Juni 1969 für das Gebäude I1.-------straße X rückwärtig zum Gebäude genehmigt wurde und nach ihrer zwischenzeitlichen Ertüchtigung als solche auch genutzt werden kann. Allerdings besteht nach der derzeitigen baulichen Gestaltung der Zufahrt über das Dach der Tiefgarage faktisch zum einen durchaus die Möglichkeit einer Befahrung auch mit schweren Fahrzeugen der Feuerwehr im Einsatzfall, was die Vertreter der Berufsfeuerwehr im Rahmen der mündlichen Verhandlung nachdrücklich bestätigt haben, zum anderen aber auch die Möglichkeit einer Befahrung durch sonstige schwere Fahrzeuge (LKWs), wie z.B. Umzugswagen oder Krankenwagen. Ungeachtet dessen hat der für die Klägerinnen tätige Prüfstatiker für Baustatik Dr. Ing. N. eine Standsicherheit für die Tiefgarage – wie an anderer Stelle bereits ausgeführt – im Hinblick auf die Stützen- und Deckenkonstruktionen auch unabhängig davon, ob das Dach der Tiefgarage als Feuerwehrzufahrt genutzt wird, nicht bescheinigt. Die Zweifel an der Standsicherheit beruhen nach den Ausführungen des Prüfstatikers maßgeblich auf anderen Umständen, nämlich den festgestellten Korrosionen, dem fehlenden Brandschutz der Stahlkonstruktionen, dem fehlenden Anprallschutz und auf Unsicherheiten in Bezug auf die Gründung der Zwischenstützung. Damit stellt die über die Tiefgarage verlaufende Zufahrt - wie die Beklagte im vorgenannten Zusammenhang zu Recht angemerkt hat - nicht den Kern, sondern vielmehr eine Verschärfung des Problems dar.
116Für die Frage der Standsicherheit ist auch nicht etwa allein auf das genehmigte Bauwerk ohne Berücksichtigung der nachträglich eingebauten Stahlträgerkonstruktionen abzustellen. Denn der Umstand, dass hier nachträglich zur Abstützung der Tiefgaragendecke eine Stahlträgerkonstruktion eingebaut wurde, lässt nur den Schluss zu, dass die Tiefgarage in ihrer vormals genehmigten Ausführung nicht mehr ausreichend standsicher war. Es wäre daher auch insoweit Sache der Klägerinnen, den berechtigten Zweifeln an der derzeitigen Standsicherheit der Tiefgarage mit einem entsprechenden, den formalen Anforderungen genügenden Standsicherheitsnachweis (ggfls. auch ohne Berücksichtigung der Stahlkonstruktion) entgegenzutreten, was bislang nicht erfolgt ist.
117Die als begleitende Maßnahme zur Nutzungsuntersagung erfolgte Sperrung der oberirdischen Zufahrt (über das Dach der Tiefgarage) als - jedenfalls faktische bzw. als solche faktisch nutzbare - Feuerwehrzufahrt und ihre Absperrung zwecks Verhinderung einer Nutzung durch darüber fahrende LKWs und PKWS ist angesichts der erheblichen Zweifel an der Standsicherheit des Daches ebenfalls nicht zu beanstanden. Es liegt auf der Hand, dass diesbezügliche Sicherungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der auch seitens der Klägerinnen nicht ernsthaft in Abrede gestellten Gefahr im Falle einer Befahrung des als nicht standsicher eingestuften Dachs der Tiefgarage, alternativlos waren.
118Die Klägerinnen konnten als Eigentümerinnen des (gesamten) Gebäudekomplexes als Zustandsstörerinnen nach § 18 Abs. 1 OBG in Anspruch genommen werden. Der im Klageverfahren eingetretene Wechsel im Eigentum an dem streitgegenständlichen Grundstück (hier der Eigentumsübergang auf die Klägerin zu 1.) berührt insbesondere die Rechtmäßigkeit der gegenüber der Klägerin zu 2. ausgesprochenen Nutzungsuntersagung (nebst begleitender Sicherungsmaßnahmen) nicht. Auf das Grundstückseigentum bezogene Ordnungspflichten gehen auf den Erwerber im Wege der Einzelrechtsnachfolge über.
119Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. Januar 1997, 7 A 2231/96, ferner Urteil vom 9. September 1986, 11 A 1538/86, jeweils juris.
120Auch die Ermessensausübung der Beklagten in ihren Ordnungsverfügungen begegnet keinen Bedenken, § 114 VwGO. Es entsprach vielmehr pflichtgemäßer Ermessensausübung im Sinne von § 40 VwVfG NRW, dass die Beklagte die angefochtenen Anordnungen erlassen hat. Insoweit liegt wegen der besonderen Bedeutung der Sicherheit einer baulichen Anlage insbesondere zum Schutz für Leib und Leben ein intendiertes Ermessen vor, d.h. grundsätzlich hat die zuständige Behörde einzuschreiten.
121Die Klägerinnen können sich auch nicht darauf berufen, die hier zum Schutz für Leib und Leben angeordneten Maßnahmen seien unverhältnismäßig. Die oben dargelegte Verantwortlichkeit beinhaltet, dass der Eigentümer grundsätzlich dafür Sorge zu tragen hat, dass von seiner baulichen Anlage keine Gefahren ausgehen.
122Eine - wie klägerseitig behauptet - Notabstützung der Tiefgarage mag geplant gewesen sein, wurde aber tatsächlich nicht umgesetzt. Die anderslautende Behauptung ist durch nichts belegt. Dass derartige Maßnahmen nachdem seit Erlass der Ordnungsverfügungen nichts weiter veranlasst wurde, kurzfristig durchgeführt werden und sie auch zu der geforderten Standfestigkeit der Tiefgarage führen können, ist nicht ersichtlich. Es wäre Sache der Klägerinnen (bzw. der Klägerin zu 1.) durch entsprechende Planungen die statisch durch die Beklagte überprüfbar sein müssen, darzulegen, dass die Standsicherheit dadurch wieder hergestellt werden kann.
123II. Die mit dem Antrag zu 2. erhobene Klage gegen die Räumung bzw. Versiegelung der beiden Hochhäuser (1.) und deren anschließender Nutzungsuntersagung (2.) hat ebenfalls keinen Erfolg.
1241. Räumung bzw. Versiegelung
125a. Soweit sich die Klage gegen die Räumung bzw. Versiegelung, also gegen Vollstreckungsmaßnahmen richtet, ist allerdings der von den Klägerinnen zuletzt gestellte Fortsetzungsfeststellungsantrag nicht statthaft und damit unzulässig; statthaft wäre in Bezug auf die vorgenannten Vollstreckungsmaßnahmen allein die Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO.
126Eine Fortsetzungsfeststellungsklage ist in der direkten Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft, wenn sich ein Verwaltungsakt in der Situation der Anfechtungsklage nach Klageerhebung und vor Erlass des Urteils erledigt hat und der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist.
127Gegen die Räumung und Versiegelung sind zwar, obwohl es sich bei beiden Maßnahmen um Realakte handelt, in entsprechender Anwendung der bundesrechtlichen Vorschrift des § 18 Abs. 2 VwVG in den Fällen, in denen ein Zwangsmittel – wie hier (in Gestalt der Ersatzvornahme bzw. des unmittelbaren Zwangs) – ohne vorausgehenden Verwaltungsakt im Wege des Sofortvollzugs gemäß § 55 Abs. 2 VwVG NRW angewendet wird, die Rechtsmittel zulässig, die gegen Verwaltungsakte allgemein gegeben sind.
128Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 6. Oktober 2021, 10 10512/17, ferner VG Köln, Urteil vom 08. September 2021, 23 K 7046/18 und VG Düsseldorf, Urteil vom 30. Januar 2020, 28 K 12588/17, jeweils juris,
129Allerdings ist in Bezug auf beide Maßnahmen keine Erledigung eingetreten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
130vgl. Urteil vom 25. September 2009, 7 C 5.08, juris,
131tritt eine Erledigung einer Vollstreckungsmaßnahme nicht ein, solange diese noch Grundlage einer Kostenforderung sein kann.
132So auch VG Gelsenkirchen, Urteil vom 6. Oktober 2021, 10 10512/17, juris.
133Dies ist vorliegend der Fall, weil nach § 77 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW i. V. m. § 20 Abs. 2 Satz 1, 2 Nr. 7 VO VwVG NRW unter anderem die Beträge, die bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs an Beauftragte oder an Hilfspersonen zu zahlen sind, vom Ordnungspflichtigen zu erstatten sind. Ganz konkret bestehen die Folgewirkungen der hier durchgeführten Vollstreckungsmaßnahmen darin, dass die Beklagte die Klägerinnen zu den Kosten der Räumung bzw. Versiegelung herangezogen hat. Die diesbezüglichen Leistungsbescheide vom 11. März 2020 sind Gegenstand des Verfahrens 25 K 1897/20.
134Statthaft ist damit allein eine Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO, auf die der Prozessbevollmächtige der Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung allerdings weder abgestellt hat noch unter Berücksichtigung des ursprünglich schriftsätzlich angekündigten Klageantrages, der sich zur Räumung und Versiegelung gar nicht verhalten hat, zurückgekehrt ist.
135Ungeachtet dessen bliebe aber auch eine gegen die Räumung bzw. Versiegelung gerichtete Anfechtungsklage ohne Erfolg, weil sie zwar zulässig, aber unbegründet ist.
136b. Die Vollstreckungsmaßnahmen der Beklagten in Gestalt der Räumung bzw. Versiegelung der beiden Gebäude I1.-------straße X und X waren rechtmäßig und verletzen die Klägerinnen nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
137aa. Ermächtigungsgrundlage für die im Sofortvollzug durchgeführte Räumung und Versiegelung ist § 55 Abs. 2 VwVG NRW i. V. m. §§ 57 Abs. 1 Nr. 3 sowie § 62 VwVG NRW. Gemäß § 55 Abs. 2 VwVG NRW kann Verwaltungszwang ohne vorausgehenden Verwaltungsakt angewendet werden, wenn das zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig ist und die Vollzugsbehörde hierbei innerhalb ihrer Befugnisse handelt. Bei der Räumung - bzw. in Bezug auf die Klägerinnen richtigerweise bei der Duldung der Räumung – und dem Verschließen bzw. Versiegeln der Gebäude handelt es sich um Verwaltungszwang in Form des unmittelbaren Zwangs i. S. d. § 62 VwVG NRW.
138Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. März 2017, 2 B 1271/16, juris Rn. 8.
139(1.) Die Vollstreckungsmaßnahmen sind formell rechtmäßig. Einer vorherigen Anhörung der Klägerinnen im Sinne des § 28 Abs. 1 VwVfG NRW bedurfte es – ungeachtet der Frage nach dem Vorliegen eines Verwaltungsaktes – jedenfalls gem. § 28 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG NRW nicht, da die Beklagte Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen hat.
140(2.) Die Vollstreckungsmaßnahmen sind auch materiell rechtmäßig. Die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen sind erfüllt und die Beklagte hat das ihr im Rahmen der Vollstreckung zustehende Ermessen ordnungsgemäß ausgefüllt.
141Die Beklagte hat im Sinne des § 55 Abs. 2 VwVfG NRW innerhalb ihrer Befugnisse gehandelt. Dies ist dann der Fall, wenn die Vollzugsbehörde berechtigt wäre, gegenüber dem Betroffenen einen Verwaltungsakt mit dem Inhalt zu erlassen, den sie im Rahmen des Sofortvollzugs vollstreckt (sog. hypothetische Grundverfügung). Hier hätte die Beklagte die Klägerinnen rechtmäßig durch bauaufsichtliche Verfügungen auffordern können, die weitere Nutzung der Gebäude I1.-------straße X und X zu unterlassen.
142Die Rechtsgrundlage solcher Nutzungsuntersagungen hätte sich zum Zeitpunkt ihres hypothetischen Erlasses (14. Februar 2019) aus § § 82 Satz 2 BauO NRW 2019 ergeben. Danach kann die Nutzung baulicher Anlagen untersagt werden, wenn die Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden.
143Dessen Voraussetzungen liegen vor. Die Nutzung der streitgegenständlichen 11-stöckigen Gebäude, die jeweils gemäß §§ 50 Abs. 2 Nr. 1, 2 Abs. 3 Satz 2 BauO NRW 2019 wegen ihrer Höhe von über 22 m als Hochhäuser einzustufen sind, erfolgte im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Dem Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung hätte hier auch ein eventuell vorhandener Bestandsschutz nicht entgegengestanden. Anhaltspunkte für Ermessenfehler sind ebenfalls nicht ersichtlich.
144Die Nutzung des Gebäudes erfolgte nicht im Einklang mit den geltenden bauordnungsrechtlichen Vorschriften. Die Beklagte hätte eine Ordnungsverfügung auf materielle Verstöße gegen Brandschutzvorschriften, konkret der Beschaffenheit der Rettungswege stützen können.
145Die den Bauaufsichtsbehörden obliegenden Aufgaben gelten gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW 2019 als solche der Gefahrenabwehr, das heißt ein bauaufsichtliches Einschreiten setzt allgemein das Vorliegen einer Gefahr im gefahrenabwehrrechtlichen Sinne voraus. Eine solche Gefahr besteht, wenn bei ungehindertem Geschehensablauf in überschaubarer Zukunft mit einem Schaden für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden kann. Die hinreichende Wahrscheinlichkeit verlangt dabei nicht die Gewissheit, dass der Schaden eintreten wird. Vielmehr ist der Eintritt eines Schadens schon bei einer nach der Lebenserfahrung begründeten Befürchtung der Gefahrenverwirklichung hinreichend wahrscheinlich. Je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist, desto geringer sind die Anforderungen, die an die Wahrscheinlichkeit gestellt werden können. Vor diesem Hintergrund ist die Eingriffsschwelle der Bauaufsichtsbehörden bei Brandgefahren tendenziell niedrig. Es reicht schon, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür gegeben ist, dass eine Gefahr für die Schutzziele des § 14 BauO NRW 2019 eintreten könnte, falls bestimmte Brandschutzmaßnahmen nicht ergriffen werden. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass mit der Entstehung eines Brandes praktisch jederzeit gerechnet werden muss.
146Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. Februar 2013, 2 A 239/12, juris Rn. 32 ff; VG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Oktober 2016, 25 L 3430/16, juris Rn. 34.
147Nach § 14 Satz 1 BauO NRW 2019 sind Anlagen so anzuordnen, zu errichten und instand zu halten, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind. Die Anforderungen an die Feuerbeständigkeit von Bauteilen sind sodann in der Bauordnung (und begleitenden Regelwerken) im Einzelnen geregelt. Im Weiteren sind ferner in § 33 Abs. 1 BauO NRW 2019 und § 33 Abs. 2 BauO NRW 2019 Einzelheiten zu den Rettungswegen geregelt. Die Vorschriften regeln die Nutzbarkeit der Rettungswege und deren Sicherstellung. Nach § 33 Abs. 1 BauO NRW 2019 müssen für Nutzungseinheiten mit mindestens einem Aufenthaltsraum wie Wohnungen in jedem Geschoss mindestens zwei voneinander unabhängige Rettungswege ins Freie vorhanden sein, wobei beide Rettungswege innerhalb des Geschosses über denselben notwendigen Flur führen dürfen. Nach § 33 Abs. 2 BauO NRW 2019 muss für Nutzungseinheiten nach Abs. 1, die nicht zu ebener Erde liegen, der zweite Rettungsweg über eine notwendige Treppe führen. Der zweite Rettungsweg kann eine weitere notwendige Treppe oder eine mit Rettungsgeräten der Feuerwehr erreichbare Stelle der Nutzungseinheit sein. Der zweite Rettungsweg über Rettungsgeräte der Feuerwehr ist nur zulässig, wenn keine Bedenken wegen der Personenrettung bestehen. Ein zweiter Rettungsweg ist nicht erforderlich wenn die Rettung über einen sicher erreichbaren Treppenraum möglich ist, in den Feuer und Rauch nicht eindringen können (Sicherheitstreppenraum) – Nr. 1 – oder für zu ebener Erde liegende Räume, die einen unmittelbaren Ausgang ins Freie haben, der von jeder Stelle des Raumes in höchstens 15 m Entfernung erreichbar ist. Für die hier streitgegenständlichen Gebäude, die nach der BauO NRW 2019 gem. §§ 50 Abs. 2 Nr. 1, 2 Abs. 3 Satz 2 – wie an anderer Stelle bereits dargelegt – als Hochhäuser einzustufen sind, handelt es sich zudem um große Sonderbauten, für die sich ergänzende Regelungen in der Sonderbauverordnung NRW finden (§ 50 BauO NRW 2019 i. V. m. § 92 ff, 99 SBauVO NRW).
148Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe hätten die durch die Beklagte festgestellten Mängel, die im Einzelnen in den - im Nachgang zur Räumung bzw. Versiegelung - ergangenen schriftlichen Ordnungsverfügungen vom 25. Februar 2019 dokumentiert und zwischen den Verfahrensbeteiligten nicht streitig sind und auf deren Dokumentation gerichtlicherseits Bezug genommen wird (§ 117 Abs. 5 VwGO), den Erlass von Nutzungsuntersagungen in ihrer Gesamtheit aber auch schon, abstellend auf ihren Schweregrad, allein in Bezug auf die vielfach vorliegenden gravierenden Mängel gerechtfertigt. Bei letzteren handelt es sich insbesondere um folgende (gravierende) Mängel:
149Gemäß § 35 Abs. 4 Nr. 1 BauO NRW 2019 (§ 99 Abs. 5 SBauVO NRW) müssen die Wände notwendiger Treppenräume in Gebäuden – wie hier – der Gebäudeklasse 5 (vgl. dazu § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauO NRW 2019) in der Bauart von Brandwänden errichtet werden. Die im Haupttreppenraum (notwendiger Treppenraum) in jeder Etage vorhandenen Abtrennungen mit Glasbausteinen haben nicht die erforderliche Bauteilqualität von raumabschließend feuerbeständig (F 90) und erfüllen damit nicht die Kriterien einer Brandwand (vgl. dazu § 30 BauO NRW 2019). Ein mögliches Brandereignis kann sich somit aus den Etagen heraus auf den notwendigen Treppenraum zeitbegünstigt ausbreiten und damit zum Ausfall des 1. Rettungsweges führen (§ 33 BauO NRW 2019) und gleichzeitig zum Ausfall des Angriffsweges der Feuerwehr.
150Gemäß § 40 Abs. 2 BauO NRW 2019 sind Leitungsanlagen in notwendigen Treppenräumen nur zulässig, wenn eine Nutzung als Rettungsweg im Brandfall ausreichend lang möglich ist. Mit dieser Regelung soll die Nutzbarkeit der Rettungswege sichergestellt werden. Ergänzende Regelungen finden sich in der Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Leitungsanlagen (in der Fassung vom 10.02.2015, zuletzt geändert durch Beschluss der Fachkommission Bauaufsicht vom 03.09.2020). Nach Ziffer 3.2.2. sind danach Messeinrichtungen und Verteiler abzutrennen gegenüber a) notwendigen Treppenräumen durch mindestens feuerhemmende Bauteile aus nichtbrennbaren Baustoffen; Öffnungen in diesen Bauteilen sind durch mindestens feuerhemmende Abschlüsse aus nichtbrennbaren Baustoffen mit umlaufender Dichtung zu verschließen und b) notwendigen Fluren durch Bauteile aus nichtbrennbaren Baustoffen mit geschlossenen Oberflächen; Öffnungen in diesen Bauteilen sind mit Abschlüssen aus nichtbrennbaren Baustoffen mit geschlossenen Oberflächen zu verschließen. Diese Voraussetzungen waren in Bezug auf die Einbaukästen gegenüber den Aufzügen im Bereich der notwendigen Flure, in denen die elektronischen Unterverteilungen und die Sicherungen und Stromzähler für die einzelnen Wohnungen installiert sind, offenkundig nicht erfüllt. Die aus Stahlblech bestehenden Kästen entsprachen nicht den Anforderungen an die geforderte Feuerwiderstandsfähigkeit, darüber hinaus standen die Kästen über die Etagen hinweg in offener Verbindung zueinander und wurden die ein- und ausgehenden Elektroleitungen brandschutztechnisch nicht abgeschottet. Somit hätte sich bei einem Brand in der Elektrik Rauch und letztendlich Feuer über die Etagen hinweg ungehindert ausbreiten und den notwendigen Flur als Teil des Rettungswegesystems verrauchen und damit für die Bewohner unpassierbar machen können. Damit wären bei einer Verrauchung des notwendigen Flures der 1. und auch der 2. Rettungsweg für die Bewohner des Gebäudes ausgefallen.
151Gemäß § 40 Abs. 1 BauO NRW 2019 dürfen Leitungen durch raumabschließende Bauteile, für die eine Feuerwiderstandsfähigkeit vorgeschrieben ist, nur hindurchgeführt werden, wenn eine Brandausbreitung ausreichend lang nicht zu befürchten ist oder Vorkehrungen hiergegen getroffen sind. Diese Voraussetzungen waren hier in Bezug auf Wand- und Deckendurchführungen von Elektro- und Medienleitungen insbesondere im Kellergeschoss mangels vorhandener brandschutztechnisch qualifizierter Brandabschottungen nicht gegeben (vgl. dazu ergänzend Ziffer 4.1.2. der Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Leitungsanlagen in der Fassung vom 10.02.2015, zuletzt geändert durch Beschluss der Fachkommission Bauaufsicht vom 03.09.2020). Dadurch bestand die Gefahr eines Brand- und Rauchüberschlages vom Keller ausgehend über die Schächte oder tlw. direkt in die Etagen in andere Geschosse und Nutzungseinheiten.
152Einen erheblich gravierenden Mangel stellten insbesondere die in beiden Gebäuden vielfach vorhandenen Installationsschächte dar, die vom Kellergeschoss bis ins oberste Geschoss verlaufen. Diese Schächte versorgen die einzelnen Wohnungen mit den notwendigen Medien (Wasser, Elektro, Abwasser) sowie beinhalten tlw. die einzelnen Lüftungsstränge für die sog. „Kölner Lüftung“. Auch insoweit gilt gemäß § 40 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 BauO NRW 2019, dass Leitungen durch raumabschließende Bauteile, für die eine Feuerwiderstandsfähigkeit vorgeschrieben ist, nur hindurchgeführt werden dürfen, wenn eine Brandausbreitung ausreichend lang nicht zu befürchten ist oder Vorkehrungen hiergegen getroffen. Gemäß § 40 Abs. 3 i. V. m. § 41 Abs. 2 Satz 1 BauO NRW 2019 müssen die Installationsschächte sowie deren Bekleidungen und Dämmstoffe aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen. Auch hierzu regelt Ziffer 4.1.2. der Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Leitungsanlagen in der Fassung vom 10.02.2015, zuletzt geändert durch Beschluss der Fachkommission Bauaufsicht vom 03.09.2020 ergänzend, dass die Notwendigkeit brandschutztechnisch qualifizierter Abschottungen. Mit anderen Worten, die Installationsschächte in den beiden Hochhäusern müssen entweder in den Geschossdecken feuerbeständig (F 90) sein oder durch einen durchgehenden Schacht, der ebenfalls feuerbeständig (F 90) zu den anderen Nutzungseinheiten abgetrennt ist, abgeschottet werden. Diese Voraussetzungen lagen hier, was auch die Klägerinnen nicht bestreiten, offenkundig nicht vor. Der Zustand dieser Schächte war derart desaströs, dass seitens der Bauaufsicht der Beklagten wörtlich von einer „Durchlöcherung“ der Gebäude gesprochen wurde. Den umfangreichen Berichten der Berufsfeuerwehr und des TÜV Nord und den Vermerken der Bauaufsicht der Beklagten nebst der von dort gefertigten Lichtbilder ist zu entnehmen, dass die Installationsschächte etwa in den Tiefkellern über ca. 1m² große Öffnungen verfügten, die lediglich mit einem Lochblech gesichert waren. Im weiteren Verlauf waren diese Installationsschächte nur mit unqualifizierten Wandkonstruktionen sowie Revisionsöffnungen gegenüber den angrenzenden Wohnräumen (=Badezimmer jeweils einer Wohnung) abgetrennt. Die Leitungsdurchführung in das Badezimmer der anderen Wohnung war ebenfalls nicht brandschutztechnisch qualifiziert geschottet. Teilweise wurde hier lediglich brennbares Material zum Verschließen der Öffnungen benutzt (z.B. brennbarer PU-Schaum). Horizontale Schottungen auf Höhe der Geschossdecken waren gar nicht vorhanden. Auch die übrigen Schächte verfügten über augenscheinlich unqualifizierte Öffnungen zu den angrenzenden Wohnräumen. Diese Öffnungen wurden – wenn überhaupt – tlw. mit erheblichen Mengen brennbaren PU-Schaums verschlossen. Im Nebentreppenraum (THR 2) standen die Installationsschächte mit den angrenzenden Wohnungen in Form von brandschutztechnisch unqualifizierten Leitungsöffnungen in offener Verbindung und waren diese Schächte zudem in einer brandschutztechnisch nicht nennenswerten Qualität ausgebildet. Es ist angesichts dieser auch von den Klägerinnen eingestandenen Umständen offenkundig, dass sich bei einem Brandereignis durch die offene Verbindung über diese Schächte Feuer und Rauch blitzschnell über jeweils das gesamte Gebäude erstrecken und in die an diesen Strängen liegenden Wohnungen über die Etagen hinweg eindringen können, wodurch eine schnelle und vor allem gezielte Brandlokalisierung und damit die Evakuierung und Rettung der Bewohner sowie eine Brandbekämpfung behindert bis unmöglich gemacht wird. Dass infolge der fehlenden Abschottungen der Installationsschächte im Falle eines Brandes dessen Beherrschbarkeit tatsächlich nicht sichergestellt ist, hat sich zudem bei dem Brandereignis im Jahre 2016 gezeigt, worauf die Klägerinnen selbst hingewiesen haben. Die vorbeschriebenen Mängel in Bezug auf die Installationsschächte wurden von der Berufsfeuerwehr, dem TÜV Nord und der Beklagten zu Recht als erheblich gravieren eingestuft und hätten schon allein ein bauaufsichtliches Einschreiten gerechtfertigt, worauf der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen im gerichtlichen Verfahren sogar selbst hinweist.
153Der fiktiven Nutzungsuntersagung steht ein formeller Bestandsschutz nicht entgegen; ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Voraussetzungen für ein Anpassungsverlangen gemäß § 59 Abs. 1 BauO NRW 2019 vorliegen.
154Das gilt für die fehlenden Abschottungen der Installations- und Versorgungsschächte schon deswegen, weil diese in der vorgefundenen Ausführung schon nicht im Einklang mit der früheren Baugenehmigung und dem damals geltenden Recht standen. Die vom seinerzeit zuständigen Regierungspräsidenten Düsseldorf angeordneten Bedingungen/Auflagen zur „Feuersicherheit“ mit Schreiben vom 18.10.1967 sahen unter A.6. ausdrücklich vor, dass „unter Hinweis auf den § 44 und den § 57/1 der B.O…..die vorgesehenen Installationsschächte und die Abfallschächte feuerbeständig sein“ müssen (sc.: gemeint ist die BauO NRW 1962).
155Im Ergebnis kommt es aber nicht darauf an, ob die Gebäude I1.-------straße X und X in ihrer heutigen Gestalt und Nutzung bestandsgeschützt sind, d.h. von der im Jahre 1968 erteilten Baugenehmigung erfasst sind. Denn unabhängig davon, ob die betroffenen beiden Gebäude in ihrer aktuellen Nutzung von einer gültigen Baugenehmigung gedeckt waren, steht § 59 Abs. 1 BauO NRW 2019 weder nach seinem Wortlaut noch nach seinem Sinn und Zweck generell Maßnahmen entgegen, die zur Gefahrenabwehr nach § 82 Satz 2 BauO NRW 2019 erforderlich sind, ohne dass sich die maßgeblichen Bauvorschriften geändert hätten. Die Bauordnung NRW ermöglicht es ebenso wenig wie frühere baurechtliche Vorschriften, eine bauliche Anlage in einer Art zu nutzen, die mit Gefahren verbunden ist. Besteht eine Gefahr, ist eine auf Gefahrenbeseitigung gerichtete Ordnungsverfügung gemäß §§ 58 Abs. 1, 82 Satz 2 BauO NRW 2019 grundsätzlich möglich, und zwar insbesondere dann, wenn sie – wie beim Brandschutz – dem Schutz von Leben und Gesundheit dient.
156Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. März 2017, 2 B 1271/16, juris Rn. 12 m.w.N.
157Daran, dass vorliegend eine konkrete Gefahr für Leib und Leben der Bewohner der beiden Gebäude vorlag, bestehen offenkundig keine Zweifel. Insoweit wird auf die bisherigen Ausführungen Bezug genommen.
158Lediglich ergänzend ist ferner anzumerken, dass ein fehlendes Brandereignis nicht aus sich heraus einen Dauerzustand darstellt. Der Umstand, dass in vielen Gebäuden jahrzehntelang kein Brand ausgebrochen ist, beweist nicht, dass insoweit keine Gefahr besteht, sondern stellt für den Betroffenen lediglich einen Glücksfall dar, mit dessen Ende jederzeit gerechnet werden kann. Kommt es zu einem solchen, jederzeit möglichen Brand, ist auch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit einer Gefährdung von Leben und Gesundheit der Personen zu rechnen, die sich in den betroffenen Personen aufhalten. Dies gilt hier umso mehr, als es – wie ausgeführt – im Jahre 2016 im Gebäude I1.-------straße X bereits zu einem erheblichen Brandereignis gekommen ist, bei dem sich der im Keller entstandene Qualm über die nicht abschotteten Lüftungsschächte des Gebäudes auf alle elf Etagen verbreitet hat und weswegen alle im Haus befindlichen Bewohner evakuiert werden mussten, womit die konkrete Gefahr für Leib und Leben der Bewohner der Gebäude mehr als eindrucksvoll bestätigt worden ist.
159Die Klägerinnen sind für die festgestellten Brandschutzmängel auch gefahrenabwehrrechtlich verantwortlich gewesen. Als Eigentümer im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 1 OBG NRW hätte die Beklagte die Klägerinnen als Zustandsstörer in Anspruch nehmen können. Der erst im Klageverfahren eingetretene Wechsel im Eigentum an dem streitgegenständlichen Grundstück hat – ungeachtet dessen, dass er sich ohnehin nicht auswirkt – auf den Erlasszeitpunkt einer fiktiven Nutzungsuntersagung keinen Einfluss.
160Anhaltspunkte dafür, dass eine (hypothetische) Nutzungsuntersagung der Beklagten gegenüber den Klägerinnen ermessensfehlerhaft im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO gewesen wäre, bestehen ebenfalls nicht.
161Der Einwand des Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen, die Beklagte habe sich allein wegen der Vielzahl der Mängel dazu entschlossen einzuschreiten und keine Gewichtung der Mängel vorgenommen, liegt neben der Sache. Denn abgesehen davon, dass, wie dargestellt, die Gesamtheit der festgestellten Mängel sehr wohl den Erlass einer hypothetischen Nutzungsuntersagung gerechtfertigt hätte, ergäbe sich bei einer entsprechenden Überprüfung ex-ante, dass dann, wenn schon wie hier ein (einziger) gravierender Mangel, nämlich derjenige der fehlenden Abschottung im Bereich der Installations- und Versorgungsschächte ein Einschreiten rechtfertigt, erst recht eine Vielzahl von Brandschutzmängeln ein entsprechendes ordnungsbehördliches Einschreiten trägt. Abgesehen davon dürften die Ausführungen der Beklagten im gerichtlichen Verfahren erkennen lassen, dass eine Bewertung der Erheblichkeit der Mängel mit den erst nach dem Ortstermin vorliegenden Stellungnahmen der Berufsfeuerwehr und des TÜV Nord nachträglich sehr wohl erfolgt ist, weswegen in der Klageerwiderung insbesondere auf die fehlenden Abschottungen Bezug genommen wird
162Angesichts der drohenden erheblichen Gefahren hätte auch keine Ermessensüberschreitung in Form eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vorgelegen. Anders als die Klägerinnen meinen, kam abstellend auf die Erkenntnisse im Zeitpunkt des Sofortvollzugs eine mildere, gleich geeignete Maßnahme als die Nutzungsuntersagung nicht in Betracht. Eine Brandwache oder eine bei der Feuerwehr aufschaltbare Brandwarnmeldeanlage bzw. Rauchmelder hätten eine Ausbreitung des Feuers nicht verhindern können, sondern nur den Zeitpunkt der Entdeckung des Feuers nach vorn verlagern können. Nach den überzeugenden Ausführungen der Vertreter der Berufsfeuerwehr in der mündlichen Verhandlung geht es grundsätzlich um die Beherrschbarkeit eines Brandes, was allerdings nur dann möglich ist, wenn der Brand eine bestimmte Größe hat. Wenn das nicht sichergestellt ist, folgt eine Schadensausbreitung, was durch eine Brandmeldeanlage nicht zu verhindern ist. Selbst wenn über die Schächte in erster Linie – aber nicht nur – im Falle eines Brandereignisses Rauch verbreitet wird, kann eine Brandmeldeanlage nicht verhindern, dass durch Rauch die Wohnungen und Rettungswege in Mitleidenschaft gezogen werden, was insbesondere bei Gebäuden in dieser Größenordnung zur Folge hat, dass eine Rettung rechtzeitig nicht mehr möglich ist.
163Dass die Beklagte erst im Jahre 2019 und nicht schon nach dem Brandereignis im Jahre 2016 eingeschritten ist, können die Klägerinnen ebenfalls nicht für sich anführen. Insbesondere hindert die Behörde das – wie hier – schlichte Unterlassen ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht an einem ordnungsbehördlichen Einschreiten zu einem späteren Zeitpunkt.
164Die für ein Vorgehen im Sofortvollzug gemäß § 55 Abs. 2 VwVG NRW erforderliche gegenwärtige Gefahr hat auch vorgelegen. Für die Annahme einer gegenwärtigen Gefahr ist erforderlich, dass mit einem sehr hohen Grad an Wahrscheinlichkeit der Eintritt eines Schadens für ein Rechtsgut unmittelbar bevorsteht. Eine von § 55 Abs. 2 VwVG NRW erfasste Situation ist insbesondere dann gegeben, wenn die mit einem Einschreiten im gestreckten Verfahren gemäß § 55 Abs. 1 VwVG NRW verbundenen Verzögerungen die Wirksamkeit erforderlicher Maßnahmen zur Gefahrenabwehr aufheben oder wesentlich beeinträchtigen würden, wenn also der sofortige Vollzug geboten ist, die Gefahr wirkungsvoll abzuwenden. Dies hängt zwangsläufig nicht nur von der Eintrittswahrscheinlichkeit, sondern auch vom Ausmaß des potentiellen Schadens ab.
165Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 6. März 2017, 2 B 1271/16, juris Rn. 16 und vom 29. Juni 2015, 7 A 457/14, juris Rn 8 ff m. w. N.; ferner VG Düsseldorf, (rechtskräftiges) Urteil vom 30. Januar 2020, 28 K 12588/17, juris Rn. 157 ff.
166Eine solche Situation lag hier vor. Denn im Hinblick auf beide Gebäude war angesichts der Gesamtheit der aufgedeckten brandschutzrechtlichen Mängel, die vielfach sogar als gravierend einzustufen sind, im Falle eines Brandereignisses von schwerwiegenden Gefahren für Leib und Leben der Bewohner auszugehen. Insoweit kann auf die bisherigen Ausführungen Bezug genommen werden. Angesichts dieser Gefahren können die Klägerinnen mit ihrem Einwand, man hätte mit einer sofortigen Räumung nebst Versiegelung zuwarten können und die Mängel bei Aufrechterhaltung der Nutzung der Gebäude beseitigen können, nicht durchdringen. Insofern ist zu berücksichtigen, dass mit der Entstehung eines Brandes praktisch jederzeit gerechnet werden muss, was das Brandereignis aus dem Jahre 2016 eindrucksvoll bestätigt hat. Angesichts dieser Faktenlage musste sofort gehandelt werden und war es für die Betroffenen ein Glücksfall, dass es seit 2016 nicht zu einem erneuten Brandereignis gekommen ist. Eine andere Vorgehensweise wäre der verfassungsrechtlichen Schutzpflicht des Staates aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG erkennbar zuwidergelaufen.
167So auch VG Düsseldorf, (rechtskräftiges) Urteil vom 30. Januar 2020, 28 K 12588/17, juris Rn. 157 ff.
168Das gilt auch mit Blick darauf, dass sich die Gefahrensituation abstellend auf die Erkenntnislage zum Zeitpunkt des im Wege des Sofortvollzugs erfolgten Einschreitens nicht akut verstärkt hat. Vielmehr lag auch schon in der Vergangenheit eine gleichbleibende gegenwärtige Gefahr für Leib und Leben der Bewohner vor. Allerdings hatte die Beklagte die Brisanz der brandschutzrechtlichen Situation nicht gekannt und haben auch die Klägerinnen selbst die bereits im Jahre 2016 zu Tage getretenen gravierenden Mängel im Bereich der Installationsschächte nicht zum Anlass genommen, entsprechende Sanierungsmaßnahmen durchzuführen. In einer solchen Situation ist ein sofortiges Einschreiten alternativlos veranlasst.
169Vgl. zu einer ähnlichen Konstellation auch VG Köln, Urteil vom 14. Januar 2014, 2 K 7003/12, juris Rn.55 ff.
170Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen sind im Übrigen bei der Frage, ob eine gegenwärtige Gefahr vorlag, auch solche gefahrbegründenden Umstände, die der handelnden Behörde im Zeitpunkt ihres Eingreifens („ex ante“) noch nicht bekannt waren, zu berücksichtigen. Hier hätte die später noch aufgedeckte erhebliche Brennbarkeit der Fassade und die damit verbundene akute Verschärfung der Gefahrenlage ein sofortiges Eingreifen der Beklagten im Wege des Sofortvollzugs zusätzlich gerechtfertigt.
171Auch die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen sind erfüllt. Die Beklagte durfte hier im Wege des unmittelbaren Zwangs vorgehen. Unmittelbaren Zwang kann die Vollzugsbehörde gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW anwenden, wenn andere Zwangsmittel nicht in Betracht kommen oder keinen Erfolg versprechen oder unzweckmäßig sind. Nach § 58 Abs. 3 Satz 1 VwVG NRW darf unmittelbarer Zwang nur angewendet werden, wenn andere Zwangsmittel nicht zum Ziel führen oder untunlich sind.
172Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Aufgrund der festgestellten gravierenden Brandschutzmängel musste die Beklagte sicher gewährleisten, dass die Gebäude ab sofort nicht mehr weiter zu Wohn- und Aufenthaltszwecken genutzt werden. Dies konnte sie nur durch die Räumung und das Verschließen bzw. Versiegeln der Hauseingänge einschließlich der weiteren begleitenden Maßnahmen.
173Der Umstand, dass die Beklagte die Vollstreckungsmaßnahme in ihren schriftlichen Bescheiden als Ersatzvornahme bezeichnet hat, ist unschädlich, zumal bezogen auf beide Vollstreckungsmaßnahmen (Ersatzvornahme und unmittelbarer Zwang) in § 77 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW i. V. m. § 20 Abs. 2 Satz 1, 2 Nr. 7 VO VwVG NRW die spätere Kostenerstattung gleich geregelt ist. Ungeachtet dessen hat die Beklagte in dem gerichtlichen Verfahren betreffend die an die Klägerinnen gerichteten Leistungsbescheide vom 11. März 2020 wegen der Kosten der Vollstreckung ausdrücklich auf die richtige Ermächtigungsgrundlage abgestellt.
174Unter den Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 VwVG NRW bedurfte es hier auch weder der Androhung eines Zwangsmittels noch seiner Festsetzung (vgl. §§ 55 Abs. 2, 63 Abs. 1 Satz 5, 64 VwVG NRW).
175Anhaltspunkte für Ermessensfehler bei der Durchführung der Vollstreckungsmaßnahmen sind in Bezug auf die Klägerinnen nicht ersichtlich. Der Annahme der Notwendigkeit sofortigen Handelns steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte die Ortsbegehung am 14. Februar 2019 umfassend vorbereitet und u.a. mit den Vertretern der Berufsfeuerwehr und des TÜV Nord abgestimmt hat. Es liegt auf der Hand, dass für die Durchführung einer Ortsbesichtigung einer Wohnanlage bestehend aus zwei Hochhäusern, an dem unter anderem Mitarbeiter verschiedenster Ämter der Beklagten wie von dritter Seite (TÜV Nord) teilnahmen, eine vorherige terminliche Abstimmung und Organisation unumgänglich ist. Erst durch die Sachkunde der beteiligten Fachleute und deren Bewertung und Einschätzung im Nachgang zur Ortsbesichtigung war es der Beklagten überhaupt möglich, eine Entscheidung zur Räumung und Verschließung der beiden Gebäude I1.-------straße X und X zu treffen, was sie umgehend noch vor Ort veranlasst hat.
1762. Nutzungsuntersagungen in Bezug auf die Gebäude I1.-------straße X und X
177a. Soweit sich die Klägerinnen mit dem Klageantrag zu 2. gegen die mündlich am 14. Februar 2019 verfügte und schriftlich am 25. Februar 2019 bestätigte Nutzungsuntersagung der beiden Hochhäuser I1.-------straße X und X wenden, ist die Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig (vgl. zu den Anforderungen II 1.a), aber unbegründet.
178Die Nutzungsuntersagung hat sich nach Klageerhebung durch den gestatteten Wiedereinzug der Mieter im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in Anlehnung an § 43 Abs. 2 VwVfG NRW ex nunc erledigt, indem die tatsächliche und rechtliche Beschwer der Klägerinnen entfallen ist.
179Auch das erforderliche berechtigte Interesse an der von ihnen begehrten Feststellung haben die Klägerinnen nachgewiesen. Aus dem Wortlaut des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO und dem systematischen Zusammenhang mit § 42 VwGO ergibt sich, dass die Verwaltungsgerichte nur ausnahmsweise für die Überprüfung erledigter Verwaltungsakte in Anspruch genommen werden können. Nach dem Wegfall der mit dem Verwaltungsakt verbundenen Beschwer wird gerichtlicher Rechtsschutz grundsätzlich nur dann zur Verfügung gestellt, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an einer nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der erledigten Maßnahme hat. Es muss – unabhängig von der Intensität des erledigten Eingriffs und vom Rang der betroffenen Rechtspositionen – über das bloße Interesse an der Klärung der Rechtswidrigkeit der Behördenentscheidung hinausgehen und kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein.
180Vgl. hierzu z.B. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013, 8 C 20.12, juris.
181Maßgeblich ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet erscheint, die Position des Klägers in den genannten Bereichen zu verbessern.
182Dies ist hier der Fall. Die begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit kann jedenfalls präjudiziell für die Geltendmachung eines Amtshaftungsanspruchs sein. In dieser Fallkonstellation muss die Erledigung – wie hier – nach Klageerhebung eingetreten sein, der Amtshaftungsprozess mit hinreichender Sicherheit zu erwarten sein und nicht offensichtlich aussichtslos erscheinen.
183Vgl. u.a. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1998, 2 C 4.97, juris.
184Eine offensichtliche Aussichtslosigkeit des Amtshaftungsprozesses ist nur dann anzunehmen, wenn ohne eine ins Einzelne gehende Prüfung erkennbar ist, dass der behauptete Schadensersatz- oder Entschädigungsprozess unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt bestehen kann.
185Vgl. u.a. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1998, 2 C 4.97, a.a.O.
186Vorliegend haben die Klägerinnen zu einem ihnen entstandenen Schaden in Gestalt erheblicher Mietausfälle während der Dauer der Nutzungsuntersagung Angaben gemacht. Wenn gleich diese Angaben erheblich pauschaliert ausgefallen sind und in der Sache wenig nachprüfbare Substanz aufweisen, ist jedenfalls nicht davon auszugehen, dass hinsichtlich kausal verursachter Mietausfälle ein Amtshaftungsanspruch von vornherein ausgeschlossen ist. Eine weitere ins Detail gehende Rechtsprüfung ist an dieser Stelle nicht veranlasst.
187b. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist in Bezug auf die Nutzungsuntersagungen aber unbegründet.
188Die Nutzungsuntersagungen betreffend die Gebäude I1.-------straße X und X, die im Nachgang zur Räumung und Versiegelung der beiden Gebäude durch die Beklagte mündlich am 14. Februar 2021 gegenüber den Klägerinnen verfügt wurden und mit Bescheiden vom 25. Februar 2019 schriftlich bestätigt wurden sind rechtmäßig gewesen und verletzen die Klägerinnen nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).
189Ermächtigungsgrundlage für die (jeweils an beide Klägerinnen als Gesamtschuldner gleichlautend ergangenen Nutzungsuntersagungen der Beklagten war § 58 Abs. 2 BauO NRW i. V. m. § 82 Satz 2 BauO NRW jeweils in der ab 1. Januar 2019 – und bis zur Erledigung – geltenden Fassung. Danach haben die Bauaufsichtsbehörden bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und Beseitigung sowie bei der Nutzung und Instandhaltung von Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden, soweit nicht andere Behörden zuständig sind. Sie haben in Wahrnehmung dieser Aufgaben nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Nach § 82 Abs. 2 BauO NRW 2019 kann insbesondere die Nutzung baulicher Anlagen untersagt werden, wenn die Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden.
190aa. Die Nutzungsuntersagungen waren formell rechtmäßig.
191Ein Anhörungsmangel, wie ihn die Klägerinnen rügen, liegt nicht vor bzw. kann vorliegend einen Verfahrensfehler nicht begründen.
192Gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG NRW ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.
193Dies erfordert, dass die Behörden den Betroffenen darüber in Kenntnis setzen, dass sie beabsichtigt, ihm gegenüber einen bestimmten Verwaltungsakt zu erlassen. Die beabsichtigte behördliche Maßnahme muss konkretisiert werden, denn ohne sie geht der mit der Anhörung verfolgte Zweck ins Leere, sich zu den für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen zu äußern.
194Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 2012, 3 C 16/11 und OVG NRW, Urteil vom 17. Juli 2019, 4 A 1990/17, jeweils juris.
195Sodann muss dem Beteiligten die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben werden, wofür ihm ausreichend Zeit und Gelegenheit zu geben ist.
196Vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2016, § 28 Rn 37; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl. 2021, § 28 Rn 36 ff.
197Die Anhörung ist formfrei; sie kann schriftlich, aber auch mündlich erfolgen.
198Vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 28 Rn 44; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 28 Rn 39 ff.
199Die Klägerinnen sind hier vor Erlass der mündlichen Nutzungsuntersagungen am 14. Februar 2019 zur Frage des Erlasses einer Ordnungsverfügung mit dem hier streitgegenständlichen Regelungsgehalt nicht angehört worden.
200Soweit im Vorfeld des Termins wechselseitig Informationen zwischen der Beklagten und dem für die Klägerinnen tätigen Architekten Dipl. Ing. I2. erfolgt sind, in denen die Problematik der offenen Schächte thematisiert wurde, genügt dies dem Anhörungserfordernis hinsichtlich der erlassenen Nutzungsuntersagungen nicht. Insbesondere diente der Informationsaustausch zu diesem Zeitpunkt lediglich der Aufklärung des aus brandschutzrechtlicher Hinsicht relevanten Sachverhaltes. Dass ausweislich einer Mailkommunikation zwischen Vertretern der Klägerinnen und den von diesen beauftragten Sachverständigen Dr. S. durchaus die Befürchtung geäußert wurde, die Beklagte könne wegen der offenen Schächte bauaufsichtlich einschreiten, weswegen man im Bereich der Schächte Rauchmelder installieren wollte, stellt ebenfalls keine von der Beklagten veranlasste Anhörung dar.
201Hier liegen aber Gründe nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW vor, wonach von einer vorherigen Anhörung abgesehen werden kann, wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr in Verzug veranlasst ist. Gefahr in Verzug ist dann anzunehmen, wenn durch eine vorherige Anhörung auch bei Gewährung kürzester Anhörungsfristen ein Zeitverlust einträte, der mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Folge hätte, dass die behördliche Maßnahme zu spät käme, um ihren Zweck noch zu erreichen. Ob eine sofortige Entscheidung objektiv notwendig war oder die Behörde eine sofortige Entscheidung zumindest für notwendig halten durfte, ist vom Gericht aus ex-ante Sicht zu beurteilen.
202Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 2012, 3 C 16/11, juris.
203Die Voraussetzungen, wonach von einer Anhörung wegen Gefahr in Verzug abgesehen werden konnte, liegen hier vor, insbesondere stehen die Nutzungsuntersagungen in einem denknotwendigen Zusammenhang mit der am gleichen Tag kurz zuvor erfolgten Räumung und Versiegelung der beiden Gebäude. Mit der mündlich verfügten sofortigen Nutzungsuntersagung sollte insbesondere sichergestellt werden, dass im Nachgang zu der im Rahmen des Sofortvollzugs durchgeführten Räumung für die Dauer des Bestehens der gravierenden brandschutzrechtlichen Mängel ein möglicher Wiederbezug verhindert werden sollte. Dass die in diesem Kontext gegenüber den Klägerinnen verfügten Nutzungsuntersagungen auch unter Setzung einer kurzen Anhörungsfrist hätten ergehen können, um ihren Zweck zu erreichen, ist bezogen auf die hier relevanten Abläufe (Räumung und anschließende Nutzungsuntersagung zwecks Verhinderung eines Wiederbezugs) erheblich konstruiert und fernliegend.
204Ungeachtet dessen wäre eine – falls geboten – unterlassene Anhörung zwar nicht nachträglich nach § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG NRW geheilt,
205vgl. dazu VG Düsseldorf, Urteil vom 30. Januar 2020, 28 K 12588/17, juris, Rn. 98 f,
206weil sich der Verwaltungsakt – die Nutzungsuntersagungen – erledigt hat und eine Abänderung nach Erledigung nicht mehr möglich ist.
207Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 2012, 3 C 16/11, juris Rn. 18.
208Allerdings wäre eine unterbliebene Anhörung nach § 46 VwVfG NRW unbeachtlich. Nach dieser Bestimmung kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach § 44 VwVfG NRW nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.
209Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
210Es besteht vorliegend kein Zweifel daran, dass die Beklagte angesichts des erschöpfenden Austauschs der wesentlichen, auf die Ordnungsverfügungen bezogenen Sachargumente genauso entschieden hätte,
211vgl. zu diesem Aspekt auch VG Gelsenkirchen, Urteil vom 28. April 2020, 9 K 5023/15, juris Rn. 42 ff m.w.N.,
212zumal sie in ihren Bescheiden die späteren Angaben der Klägerinnen dazu, eine bei der Feuerwehr aufschaltbare Brand- bzw. Rauchmeldeanlage wäre ausreichend gewesen, gewissermaßen vorweggenommen hat.
213bb. Die Nutzungsuntersagungen waren auch materiell rechtmäßig. Die Beklagte ist hier zu Recht davon ausgegangen, dass die Gebäude I1.-------straße X und X im Sinne von § 82 Abs. 2 BauO NRW 2019 wegen gravierender Verstöße gegen materielle Brandschutzvorschriften im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden. Insoweit wird zwecks Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die Ausführungen unter B II. 1 betreffend die hypothetische Grundverfügung (Nutzungsuntersagung) Bezug genommen.
214Lediglich ergänzend ist Folgendes anzumerken: Anders als die Klägerinnen einwenden, durfte die Beklagte auch solche gefahrbegründenden Umstände berücksichtigen, die der handelnden Behörde im Zeitpunkt ihres Eingreifens („ex ante“) noch nicht bekannt waren. Das gilt insbesondere für die erst im Laufe der weiteren Sanierung und nach Erlass der Nutzungsuntersagungen zu Tage getretene und von den eigenen Brandschutzsachverständigen der Klägerinnen (Büro D. , Sachverständiger T2. ) thematisierte Brennbarkeit der Fassaden beider Gebäude, deren Gefahrenpotential – auch mit Blick auf die Erkenntnisse des Großbrandes des Grenfell Towers in London im Jahre 2017 - als erheblich gravierend eingestuft wurde. Nach dem mit der Überprüfung der Brennbarkeit der Fassade befassten Prüfinstitut I6. , traten bei einer Brandprüfung nach 2:08 Minuten Flammenhöhen von über 100cm auf, die über 3 ½ Minuten anhielten; der Brennwert der Einzelkomponenten hat nach den Angaben des Prüfinstituts die geltenden Grenzwerte der jeweiligen Einbauklasse bei weitem überschritten, weswegen von dort wie auch von dem Brandsachverständigen T2. (Büro D. ) der sofortige Rückbau der Fassade gefordert wurde sowie ferner festgestellt wurde, dass ein Wiederbezug der Gebäude nicht erfolgen könne, ehe das Gefahrenpotenzial der Fassade in dem erforderlichen Maße beseitigt worden sei. Da es sich bei der Nutzungsuntersagung – wie ebenfalls an anderer Stelle bereits ausgeführt – um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt, sind Veränderungen der Sachlage durch die Beklagte fortlaufend zu berücksichtigen. Die Behörde hat die Rechtmäßigkeit der Verfügung ständig verfahrensbegleitend zu kontrollieren und muss ihre Entscheidung gegebenenfalls aktualisieren,
215vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, 10 B 1.18, Urteil 26. August 2021, juris,
216dies insbesondere auch deswegen, um auch – wie hier – die Frage einer möglichen Wiederaufnahme der Nutzung beurteilen zu können.
217Dass es sich bei den aufgedeckten Mängeln der Fassade um gravierende Brandschutzmängel handelt, die im Falle eines Brandes eine Rettung der Bewohner unmöglich machen würde, wird auch seitens der Klägerinnen nicht ernsthaft in Frage gestellt werden. Im Übrigen entsprach die Fassade unter Berücksichtigung ihrer in Teilen aus brennbaren Baustoffen bestehenden Ausführung weder den zum Zeitpunkt ihrer Errichtung geltenden Bestimmungen (§ 15 Abs. 7 der 1. Durchführungsverordnung zur Bauordnung aus dem Jahre 1962 und § 30 Abs. 3 BauO NRW 1962) noch den Bestimmungen der Bauordnung 2019 bzw. den einschlägigen Regelungen der Sonderbauverordnung NRW (§ 28 BauO NRW 2019 sowie § 50 BauO NRW 2019 i. V. m. § 94 Abs. 8 SBauVO), in denen die Anforderungen an Außenwände geregelt sind. Das in § 28 Abs. 1 BauO NRW 2019 enthaltene Schutzziel, wonach die Außenwände so beschaffen sein müssen, dass eine Brandausbreitung auf und in diesen Bauteilen ausreichend lang begrenzt ist und die diesbezüglichen Anforderungen stellen auf die Einschränkungen des aktiven Beitrags der Fassade zum Brand ab.
218Die Kostenentscheidung der insgesamt für die Klägerinnen erfolglosen Klage folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
219Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 709 ZPO.
220Rechtsmittelbelehrung:
221Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
222Der Antrag kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingereicht werden.
223Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
224Die Berufung ist nur zuzulassen,
2251. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2262. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
2273. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2284. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
2295. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
230Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen.
231Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen.
232Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
233Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
234Beschluss:
235Der Streitwert wird auf 1.067.348,86 Euro festgesetzt.
236Gründe:
237Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 1 GKG erfolgt. Bei der Nutzungsuntersagung richtet sich der Streitwert nach dem Jahresnutz- oder Jahresmietwert. Nach den Angaben des Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung beläuft sich der monatliche Mieteinnahmeverlust in Bezug auf die Nutzung der Gebäude I1.-------straße X und X auf 65.000,00 Euro mit der Folge, dass als Jahresmietwert ein Betrag von 780.000,00 Euro anzusetzen ist. Für die Räumung und Versiegelung der Objekte legt das Gericht die der Beklagten entstandenen Kosten, wie sie mit späterem Leistungsbescheid vom 11. März 2020 in Ansatz gebracht wurden, zugrunde, also einen Betrag von 265.028,86 Euro. In Bezug auf die Tiefgarage legt das Gericht einen geschätzten Mietpreis pro Stellplatz in Höhe von 60,00 Euro zugrunde, was bei den hier von der Nutzungsuntersagung betroffenen 31 Stellplätzen einen Jahresmietwert von 22.320,00 Euro ausmacht. Insgesamt ergibt sich damit ein Streitwert von 1.067.348,86 Euro.
238Rechtsmittelbelehrung:
239Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird.
240Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
241Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
242Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
243Die Beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
244War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.