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Keine Aufnahme in die 5. Klasse einer Gesamtschule bei Kapazitätserschöpfung; Kein Anordnungspruch trotz Fehler des Aufnahmeverfahrens bei mangelnder Kausaltät für den Antragsteller
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
Gründe:
2Der Antrag,
3den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragsteller zum Schuljahr 2021/2022 in die 5. Klasse der Städtischen Gesamtschule E. -N. , X. Straße 00-00, 00000 E. aufzunehmen,
4hat keinen Erfolg.
5Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Die Notwendigkeit der einstweiligen Sicherung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte materielle Anspruch (Anordnungsanspruch) sind in diesem Fall vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V. mit §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).
6Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Das gilt sowohl mit Blick auf die ausdrücklich begehrte unbeschränkte Aufnahme (im Wege der Vorwegnahme der Hauptsache) als auch für eine vorläufige Aufnahme sowie für einen – gegebenenfalls hilfsweise geltend zu machenden – Anspruch auf vorläufige Durchführung eines erneuten Aufnahmeverfahrens, der bei etwaigen Fehlern betreffend die Anwendung der herangezogenen Aufnahmekriterien (lediglich) in Betracht kommen dürfte.
7Vgl. dazu VG Köln, Beschluss vom 23. Juni 2021 – 10 L 829/21 –, juris, Rn. 24 ff.
8Denn Fehler des Schulaufnahmeverfahrens, die einen Anordnungsanspruch des Antragstellers begründen könnten, sind insgesamt nicht ersichtlich. Der Schulleiter der Städtischen Gesamtschule E. -N. (nachfolgend nur: Gesamtschule) hat die Aufnahme des Antragstellers vielmehr unter Zugrundelegung des im hiesigen Verfahren relevanten Prüfungsmaßstabes ermessensfehlerfrei abgelehnt.
9Gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 des Schulgesetzes NRW (SchulG NRW) entscheidet die Schulleiterin oder der Schulleiter über die Aufnahme eines Schülers innerhalb des vom Schulträger hierfür festgelegten Rahmens, insbesondere der Zahl der Parallelklassen pro Jahrgang. Dabei kann die Aufnahme in eine Schule abgelehnt werden, wenn ihre Aufnahmekapazität erschöpft ist (§ 46 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz SchulG NRW). Dies ist hier der Fall. Die Aufnahmekapazität der Gesamtschule ist mit der Aufnahme von (6 x 29 =) 174 Schülern erschöpft.
10Die Kapazität einer Schule ergibt sich aus der Anzahl der Eingangsklassen (sog. Zügigkeit), vorliegend sechs, multipliziert mit der Klassengröße (Anzahl der Kinder pro Klasse), vorliegend 29. Nach § 93 Abs. 2 Nr. 3 SchulG NRW werden die Klassengrößen durch Rechtsverordnung bestimmt. Gemäß § 6 Abs. 5 Sätze 1 und 2 der Verordnung zur Ausführung des § 93 Abs. 2 SchulG NRW (VO zu § 93 Abs. 2 SchulG NRW) in der im Zeitpunkt der Durchführung des Auswahlverfahrens (Februar 2021) geltenden Fassung (Verordnung vom 14. Mai 2020, SGV. NRW. 223) beträgt der Klassenfrequenzrichtwert in der Gesamtschule 27 und gilt die Bandbreite 25 bis 29. Der Schulleiter der Gesamtschule hat diese verordnungsrechtlich zulässige Kapazität voll ausgeschöpft. Von der in § 46 Abs. 4 SchulG NRW i.V.m. § 6 Abs. 5 Satz 3 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG NRW eingeräumten Möglichkeit der Herabsetzung der Klassengröße in Schulen des Gemeinsamen Lernens, in denen rechnerisch pro Parallelklasse mindestens 2 Schülerinnen und Schüler mit festgestelltem sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf aufgenommen werden, ist kein Gebrauch gemacht worden. § 6 Abs. 5 Nr. 2 a) VO zu § 93 Abs. 2 SchulG NRW, wonach ab vier Parallelklassen pro Jahrgang die Bandbreite nach Satz 2 an einer Realschule oder einem Gymnasium auch um eine Schülerin oder einen Schüler überschritten werden kann, wenn dies im Einzelfall zur Klassenbildung erforderlich ist, ist hier nicht anwendbar, da es sich um eine Gesamtschule handelt. Eine anderweitige Ausweitung der Kapazität über den Bandbreitenhöchstwert hinaus ist im Falle einer Gesamtschule auch bei Anmeldeüberhang nicht möglich. Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang vorgetragen hat, die Schülerhöchstzahlen seien keine starre Obergrenze und die Aufnahme von mehr Schülern stehe im Organisationsermessen der Schule, bezieht er sich auf die Rechtsprechung des OVG NRW zu einer vor Inkrafttreten des Schulgesetzes geltenden Rechtslage. Überdies war bereits seinerzeit die Organisationsbefugnis des Schulleiters mit Blick auf die sogenannte Zügigkeit begrenzt durch entsprechende Vorgaben des Schulträgers.
11OVG NRW, Beschluss vom 17. August 1992 – 19 B 3241/92 –, juris, Rn. 5-8.
12Nach der derzeitigen Rechtslage ergibt sich bereits aus dem oben zitierten § 46 Abs. 1 SchulG NRW, dass die Schulleiterin oder der Schulleiter betreffend die Aufnahme an einer Schule innerhalb des vom Schulträger hierfür festgelegten Rahmens, insbesondere der Zahl der Parallelklassen pro Jahrgang, entscheidet. Dass diese Organisationsentscheidung des Schulträgers für sich genommen, etwa im Hinblick auf das hier auszuübende Ermessen im Rahmen der Schulentwicklungsplanung, zu beanstanden ist, hat der Antragsteller bereits nicht geltend gemacht. Vor diesem Hintergrund kann auch offen bleiben, ob und inwieweit bei der gerichtlichen Überprüfung der Auswahlentscheidung des Schulleiters einer Gesamtschule - zumal im Eilverfahren - auch die Organisationsentscheidung des Schulträgers über die Zahl der Eingangsklassen als Rahmenfestlegung zu berücksichtigen ist.
13Vgl. VG Köln, Beschluss vom 23. Juni 2021 – 10 L 829/21 – juris, Rn. 13 f. unter Verweis auf OVG NRW, Beschluss vom 30. November 2016 – 19 B 1066/16 – juris, Rn. 22 ff. (zu einer Grundschule).
14Der danach bestehenden Aufnahmekapazität der Klasse 5 der Gesamtschule in Höhe von 174 Schülern standen ausweislich des Protokolls des Aufnahmeverfahrens insgesamt 223 Bewerbungen gegenüber. 16 Plätze wurden gemäß § 1 Abs. 4 der Verordnung über die Ausbildung und die Abschlussprüfungen in der Sekundarstufe I (Ausbildungs- und Prüfungsordnung Sekundarstufe I in der Fassung der Verordnung vom 28. Mai 2020, SGV. NRW. 223 (APO-S I)) in einem selbstständigen Verfahren an Kinder mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf vergeben und standen somit von Anfang an nicht für den Antragsteller zur Verfügung. Soweit der Antragsteller vorträgt, er leide an ADHS, so dass die Voraussetzungen für eine sonderpädagogische Förderung im Sinne des § 19 SchulG NRW als gegeben zu betrachten seien, ist (bisher) weder vorgetragen noch sonst aus den vorliegenden Unterlagen ersichtlich, dass bei dem Antragsteller ein Verfahren zur Feststellung des Bestehens sonderpädagogischen Förderbedarfs nach der Verordnung über die sonderpädagogische Förderung, den Hausunterricht und die Schule für Kranke (Ausbildungsordnung sonderpädagogische Förderung – AO-SF) durchgeführt worden sowie ein entsprechender Förderbedarf festgestellt worden ist.
15Kam mangels einer solchen – durch Verwaltungsakt rechtsförmlich ergehenden – Feststellung eine Einbindung des Antragstellers in das gesonderte Vergabeverfahren nach § 1 Abs. 4 APO-SI nicht in Betracht, hat der Schulleiter für den Antragsteller zurecht das Vergabeverfahren für Kinder ohne sonderpädagogischen Förderbedarf durchgeführt, für die noch 158 Plätze zur Verfügung standen. Bezüglich dieses Verfahrens ist im Hinblick auf den Anmeldeüberhang nach den vorliegenden Unterlagen nach der im hiesigen Verfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung nichts dafür zu entnehmen, dass der Schulleiter bzw. – im Widerspruchsverfahren – die Bezirksregierung E1. das ihnen bei der zu treffenden Aufnahmeentscheidung eingeräumte Auswahlermessen zu Lasten des Antragstellers fehlerhaft ausgeübt haben (vgl. § 114 VwGO).
16Dabei ist maßgebliche Rechtsgrundlage § 1 Abs. 2 APO-S I. Nachdem der Schulträger einen Schuleinzugsbereich nicht gebildet hat, kommt es entgegen der Ausführungen des Antragstellers nicht auf die Vorschriften des § 1 Abs. 3 APO-SI an. Gemäß § 1 Abs. 2 APO-S I gilt für den Fall, dass die Zahl der Anmeldungen die Aufnahmekapazität der Schule übersteigt, dass die Schulleiterin oder der Schulleiter bei der Entscheidung über die Aufnahme in die Schule Härtefälle berücksichtigt (Satz 1) und im Übrigen eines oder mehrere der folgenden Kriterien heranzieht: 1. Geschwisterkinder, 2. ausgewogenes Verhältnis von Mädchen und Jungen, 3. ausgewogenes Verhältnis von Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Muttersprache, 4. Schulwege, 5. Besuch einer Schule in der Nähe der zuletzt besuchten Grundschule, 6. Losverfahren (Satz 2). Nach § 1 Abs. 2 Satz 3 APO-SI gilt in Gesamtschulen und Sekundarschulen Satz 2 mit der Maßgabe, dass stets Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen sind (Leistungsheterogenität). Satz 4 der Vorschrift bestimmt, dass die Schulleitung im Übrigen eines oder mehrere der in Satz 2 genannten Kriterien heranzieht.
17Gemessen daran ist es zunächst nicht zu beanstanden, dass der Schulleiter bzw. die Bezirksregierung E1. den Antragsteller vor dem Hintergrund der von ihm im Aufnahmeverfahren bzw. anschließenden Widerspruchsverfahren geltend gemachten Lese-Rechtschreib-Schwäche, die ausschlaggebend für die Wahl der betreffenden Gesamtschule gewesen sei, nicht als Härtefall i.S.d. § 1 Abs. 2 Satz 1 APO-S I aufgenommen haben.
18Bei der bevorzugten Berücksichtigung derartiger Fälle steht dem Schulleiter insoweit Ermessen zu, als er sowohl abstrakt-generelle Härtefallkriterien festlegen kann, nach denen er das Vorliegen eines vorrangig zu berücksichtigenden Härtefalls definiert, als auch von einer derartigen Definition absehen und über das Vorliegen eines Härtefalls ausschließlich einzelfallbezogen entscheiden kann. Auch bei der Frage, wie hoch er die Schwelle des Härtefalls im Einzelfall jeweils ansetzt, verbleibt ihm ein erheblicher Ermessensspielraum. Im Übrigen ist das Härtefallkriterium ein unbestimmter Rechtsbegriff, der nur im Ausgangspunkt rechtlich zwingend vorgeprägt ist und im Wesentlichen der ermessensgerechten Ausfüllung durch den Schulleiter bedarf. Soweit er vor diesem Hintergrund überhaupt einer näheren Definition zugänglich ist, wird ein Härtefall im allgemeinen durch eine außergewöhnliche Sondersituation eines einzelnen angemeldeten Kindes gekennzeichnet sein, in der es gewichtige, in dessen Person oder in seiner familiären Situation liegende individuelle Gründe unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten rechtfertigen, es auch unter Inkaufnahme einer Reduzierung der Aufnahmechance konkurrierender Schüler und ihrer Eltern bevorzugt aufzunehmen.
19Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. August 2018 – 19 B 1153/18 –, juris, Rn. 21 sowie OVG NRW, Beschluss vom 17. August 2016 – 19 B 861/16 –, juris, Rn. 4.
20Die gerichtliche Überprüfung der derart ausgestalteten Ermessensentscheidung ist auf die in § 114 VwGO genannten Ermessensfehler beschränkt und bezieht auch Ermessensgründe ein, die die Widerspruchsbehörde im Widerspruchsbescheid aufgeführt hat. Auch Erwägungen, die die Widerspruchsbehörde gegebenenfalls erst im gerichtlichen Verfahren äußert und die sich aufgrund entsprechender Vertretungsregelungen bzw. Aufsichtsbefugnisse als Ermessensbetätigung des betreffenden Schulleiters ansehen lassen, sind dabei zu berücksichtigen.
21Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. August 2018 – 19 B 1153/18 –, juris, Rn. 21 sowie OVG NRW, Beschluss vom 13. Dezember 2013 – 19 A 2054/13 –, juris, Rn. 10.
22Gemessen daran erweist sich die Entscheidung, den Antragsteller nicht wegen der von ihm geltend gemachten Lese-Rechtschreib-Schwäche als Härtefall zu berücksichtigen, als rechtsfehlerfrei. Diese Entscheidung ergibt sich zunächst aus der Passage des Aufnahmeprotokolls, dass keine Härtefallgründe angegeben bzw. vermerkt worden sind, die auch zu einer bevorzugten Aufnahme führen konnten. Dies bedeutet gleichzeitig, dass, soweit entsprechende Gründe angegeben worden sind, diese vom Schulleiter nicht als Härtefalle eingestuft worden sind. Dass der Schulleiter die (auch) im Widerspruchsverfahren vorgetragenen Umstände betreffend die Lese-Rechtschreib-Schwäche nicht als Härtefallfall qualifiziert hat, ist ferner inhaltlich unter Zugrundelegung der nur eingeschränkt möglichen gerichtlichen Überprüfbarkeit nicht zu beanstanden. Insoweit wird auf die tragfähigen Erwägungen im Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung E1. vom 15. Juni 2021 Bezug genommen. Aus ihnen geht hervor, dass die beim Antragsteller bestehenden Beeinträchtigungen zur Kenntnis genommen und gewürdigt, jedoch als nicht so gravierend angesehen worden sind, dass sie die bevorzugte Aufnahme als Härtefall rechtfertigen.
23Eine diesbezüglich abweichende Entscheidung ist auch nicht für den Fall geboten, dass der Antragsteller die von ihm – soweit ersichtlich erstmals – im gerichtlichen Verfahren vorgetragene ADHS-Erkrankung als Härtefallgrund geltend machen möchte. Ungeachtet der mangelnden Glaubhaftmachung dieser Erkrankung soll insoweit zunächst offen bleiben, ob eine Berufung auf Härtefallgründe nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens, das das Aufnahmeverfahren als Verwaltungsverfahren abschließt, überhaupt noch möglich ist. Denn in der Auseinandersetzung der Bezirksregierung E1. mit der ADHS-Erkrankung mit Blick auf eine (sonderpädagogische) Förderung in der Antragserwiderung vom 2. August 2021 ist gleichzeitig die – ihrerseits nicht zu beanstandende – Entscheidung zu sehen, einen Härtefall mit Blick auf die genannte Erkrankung nicht anzunehmen.
24Der Schulleiter hat im Übrigen das Kriterium der Leistungsheterogenität herangezogen und danach ein Losverfahren durchgeführt. Die Heranziehung und Anwendung dieser Kriterien durch den Schulleiter lässt im Ergebnis keine Verfahrensfehler erkennen, die zu einem Anordnungsanspruch des Antragstellers führen.
25Zunächst steht es dem Schulleiter nach dem Wortlaut der Regelung in § 1 Abs. 2 Satz 2 APO‑S I („Er oder sie zieht eines oder mehrere der folgenden Kriterien heran ...“) frei, welche der dort genannten Auswahlkriterien er heranzieht, wenn die Zahl der Anmeldungen die Aufnahmekapazität übersteigt. Der Schulleiter ist ferner nicht gehalten, seine Entscheidung über die Heranziehung bzw. Nichtheranziehung bestimmter Kriterien im Aufnahmeprotokoll näher zu begründen. Dass und welche Kriterien er herangezogen hat, ergibt sich aus dem Protokoll über das Aufnahmeverfahren. Es entspricht bei Gesamtschulen verbreiteter Ermessenspraxis in Nordrhein-Westfalen, neben der für Gesamtschulen zwingend vorgeschriebenen Leistungsheterogenität die Kriterien des Losverfahrens (Nr. 6) und gegebenenfalls – hier jedoch nicht auch das Geschlechterverhältnis (Nr. 2) heranzuziehen. Mit dieser Ermessenspraxis verfolgt der Schulleiter offenkundig das Ziel, den Aufnahmebewerbern möglichst gleiche Aufnahmechancen zu geben und das Aufnahmeverfahren übersichtlich und effizient zu gestalten.
26Vgl. zum Ganzen OVG NRW, Beschluss vom 29. Januar 2014 – 19 B 1264/13 –, Seite 5 f. des Entscheidungsabdrucks (nicht veröffentlicht).
27Dies zugrunde gelegt ist betreffend das Kriterium der Leistungsheterogenität die Bildung zweier Leistungsgruppen und die Festlegung der Schwellenwerte auf einen Notendurchschnitt von „bis 2,7“ und „ab 2,8“ durch den Schulleiter der Gesamtschule nicht zu beanstanden. Wie das erforderliche ausgewogene Verhältnis hinsichtlich der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit der Schüler zu bilden ist, obliegt dem Auswahlermessen des Schulleiters. Sowohl die Aufteilung der Schüler in drei als auch in – wie vorliegend geschehen – zwei Leistungsgruppen gewährleistet unter Berücksichtigung von Prognoseunsicherheiten ein ausgewogenes Verhältnis zwischen leistungsstärkeren Schülern, die voraussichtlich die höheren Abschlüsse der Sekundarstufe II erreichen und leistungsschwächeren Schülern, für die die sonstigen Abschlüsse der Gesamtschule erreichbar sind.
28Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. Januar 2019 – 19 A 2303/17 –, juris, Rn. 51; Beschluss vom 12. August 2014 – 19 B 897/14 –, Seite 3 f. des Entscheidungsabdrucks (nicht veröffentlicht).
29Das stärkere Gewichten der Noten aus Kernfächern, wie hier mit der X1. Formel erfolgt, ist ermessensgerecht. Auch die Festlegung des Schwellenwerts zur Bildung der Leistungsgruppen auf einen Notendurchschnitt von 2,7/2,8 ist nicht zu beanstanden.
30Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. Januar 2019 – 19 A 2303/17 –, juris, Rn. 56 zur stärkeren Gewichtung der Kernfächer, Rn. 61; zum Notendurchschnitt von 2,5 als nicht zu beanstandendem Schwellenwert; s. auch VG Aachen, Urteil vom 18. Januar 2019 – 9 K 2380/18 –, juris, Rn. 38.
31Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Zahl der angemeldeten Schüler der Leistungsgruppe 2 deutlich größer war als die Zahl der angemeldeten Schüler der Leistungsgruppe 1. Insoweit ist eine proportionale Abbildung des Leistungsprofils des Kreises der Bewerber nicht erforderlich, weil das Aufnahmekriterium der Leistungsheterogenität der Ausgewogenheit der aufzunehmenden Schülergruppe dient.
32Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. Januar 2019 – 19 A 2303/17 –, juris, Rn. 53; Beschluss vom 12. August 2014 – 19 B 897/14 –, Seite 3 des Entscheidungsabdrucks (nicht veröffentlicht); Beschluss vom 26. August 2010 – 19 B 1009/10 –, Seite 3 des Entscheidungsabdrucks (nicht veröffentlicht).
33Liegt dem Aufnahmeverfahren danach die verfahrensfehlerfreie Bildung von und Zuordnung zu den Leistungsgruppen zugrunde, hat der Schulleiter im Wege des Losverfahrens zwar nicht aus beiden Leistungsgruppen gleich viele Schüler aufgenommen. Dieser Aufnahmefehler in Form der Verletzung des Kriteriums der Leistungsheterogenität hat sich jedoch nicht zu Lasten des Antragstellers ausgewirkt – mit der Folge mangelnder, für die Abwägungsentscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO aber maßgeblicher Erfolgsaussichten der Klage.
34Zur Berücksichtigung der Auswirkungen des jeweiligen Fehlers auf den Antragsteller vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. Juli 2020 – 19 B 938/20 –, juris, Rn. 17; Urteil vom 23. Januar 2019 – 19 A 2303/17 –, juris, Rn. 84.
35Insoweit verlangt die Berücksichtigung von Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Leistungsfähigkeit (Leistungsheterogenität) die Aufnahme gleich vieler Kinder aus den jeweils gebildeten Leistungsgruppen, und zwar einschließlich der Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf.
36Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. Januar 2019 – 19 A 2303/17 –, juris, Rn. 66.
37Diesen Vorgaben genügt das hier durchgeführte Aufnahmeverfahren nicht. Denn inklusive der Kinder, bei denen sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt ist, wurden 79 Kinder aus der Leistungsgruppe 1 aufgenommen und 95 Kinder aus der Leistungsgruppe 2.
38Dieser Fehler wirkt sich indes nicht zu Lasten des Antragstellers aus. Denn er ist der Leistungsgruppe 2 zuzuordnen, aus der mehr Kinder als eigentlich zulässig zum Zuge gekommen sind. Auch der Umstand, dass die Tabelle, die die Situation nach Durchführung des Losverfahrens abbildet, in der Leistungsgruppe 2 nur noch 15 Kinder mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf ausweist (statt vorher 16), lässt sich ungeachtet des Grundes hierfür nicht zu Gunsten des Antragstellers fruchtbar machen. Denn durch den Abzug eines Kindes mit sonderpädagogischem Förderbedarf hat sich der Lospool der Leistungsgruppe 2 für die übrigen Kinder, zu denen der Antragsteller gehört, vergrößert – mit der Folge erhöhter Aufnahmechancen.
39Ist danach die Heranziehung und Anwendung des zwingend vorgeschriebenen Aufnahmekriteriums der Leistungsheterogenität - bezogen auf den Antragsteller - nicht zu beanstanden, sind auch sonstige Fehler des Aufnahmeverfahrens nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere für das weitere herangezogene Kriterium des Losverfahrens. Das Losverfahren ist in einer Weise durchzuführen, die sicherstellt, dass sein Ergebnis unter Ausschaltung jeglichen sonstigen Einflusses nur vom Zufall abhängt und so jeder Aufnahmebewerber die gleiche Aufnahmechance erhält. Liegt die Vorbereitung und Durchführung in der Hand eines in jeder Beziehung neutralen Dritten, wie es bei einem Schulleiter der Fall ist, spricht dies im Allgemeinen dafür, dass das Losverfahren ohne Manipulation durchgeführt worden ist.
40OVG NRW, Beschluss vom 30. November 2016 – 19 B 1142/16 –, juris, Rn. 13.
41Gemessen daran sind Fehler des Losverfahrens hier nicht ersichtlich. Der Schulleiter selbst hat ausweislich seiner Unterschrift unter dem Aufnahmeprotokoll in Ausübung seines Auswahlermessens die Anlegung dieses Kriteriums bestimmt. Die Durchführung, bei der er sich von dem stellvertretenden Abteilungsleiter (Herrn T. ) hat unterstützen lassen – was für sich genommen nicht zu beanstanden ist – ist bedenkenfrei in der Weise erfolgt, dass die zum Zuge kommenden Bewerber ausgelost wurden. Insoweit führt das Aufnahmeprotokoll aus, die Namen der Kinder seien auf Karten vermerkt und verdeckt gemäß der Anzahl der zur Verfügung stehenden Plätze gezogen worden.
42Lässt sich danach aus § 46 Abs. 1 Satz 1 SchulG NRW kein Anordnungsanspruch des Antragstellers ableiten, folgt ein solcher auch nicht aus dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf Schulformwahlfreiheit.
43Die verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte des Kindes auf Erziehung und Bildung (vgl. Art. 8 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen (Verf. NRW), Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Grundgesetz (GG)) bzw. der Eltern, die Erziehung und Bildung ihres Kindes zu bestimmen (vgl. Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Verf. NRW, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG), schließen den Anspruch auf Zugang zum öffentlichen Bildungswesen unter zumutbaren Bedingungen ein und dabei insbesondere das Recht, zwischen den bestehenden Schulformen zu wählen.
44OVG NRW, Beschluss vom 1. Oktober 1997 – 19 A 6455/96 –, NRWE; VG Aachen, Urteil vom 18. Januar 2019 – 9 K 2380/18 –, juris, Rn. 56.
45Aus diesem Recht ergibt sich jedoch nur ausnahmsweise ein Anspruch auf Aufnahme in eine bestimmte Schule,
46s. dazu OVG NRW, Beschluss vom 3. August 2007 – 19 B 1201/07 –, juris, Rn. 9 m.w.N.,
47der überdies dort seine Grenze findet, wo die Aufnahme des betreffenden Kindes zu einer Gefährdung des Bildungs- und Erziehungsauftrages der annehmenden Schule führen würde, weil deren Kapazität erschöpft ist.
48OVG NRW, Beschluss vom 19. Oktober 2018 – 19 B 1353/18 –, juris, Rn. 21; Beschluss vom 1. Oktober 1997 – 19 A 6455/96 –, NRWE; vgl. VG Aachen, Urteil vom 18. Januar 2019 – 9 K 2380/18 –, juris, Rn. 58.
49Gemessen an diesen Grundsätzen liegt schon aufgrund der nach den obigen Ausführungen vollständig erschöpften Aufnahmekapazität der Gesamtschule keine Verletzung der Schulformwahlfreiheit des Antragstellers vor.
50Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG. Im Hinblick auf die Vorläufigkeit des Rechtsschutzes im Verfahren nach § 123 VwGO hat das Gericht trotz des auf Vorwegnahme der Hauptsache gerichteten Antrags im wohlverstandenen Kosteninteresse des Antragstellers den gesetzlichen Auffangwert um die Hälfte reduziert (Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013).
51Rechtsmittelbelehrung:
52(1) Gegen die Entscheidung über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet.
53Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingelegt werden.
54Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) eingeht.
55Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
56Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sind durch einen Prozessbevollmächtigten einzureichen. Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
57Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sollen möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
58(2) Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird.
59Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
60Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
61Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
62Die Beschwerdeschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
63War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.