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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Rückforderung überzahlter Versorgungsbezüge.
3Die am 00. N. 0000 geborene Klägerin, die als Polizeimeisterin (Besoldungsgruppe A 7 BBesO) im Dienst der Bundespolizei stand, wurde mit Bescheid vom 24. Oktober 2016 wegen (Polizei-)Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzt.
4Nach der Zurückweisung ihres hiergegen gerichteten Widerspruchs mit Widerspruchsbescheid vom 5. Januar 2017 erhob die Klägerin am 3. Februar 2017 gegen die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand Klage, die beim Verwaltungsgericht Düsseldorf unter dem Aktenzeichen 10 K 1660/17 anhängig war.
5Ab dem Monat April 2017 behielt die Beklagte gemäß § 47 Abs. 4 Satz 2 BBG die das Ruhegehalt übersteigende Besoldung der Klägerin ein. Hiergegen beantragte die Klägerin am 7. April 2017 beim Verwaltungsgericht Düsseldorf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 10. Juli 2017 (10 L 1636/17) lehnte das Gericht den Antrag ab.
6Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 17. März 2020 nahm die Klägerin ihre gegen die vorzeitige Zurruhesetzung gerichtete Klage zurück, woraufhin das Verwaltungsgericht das Klageverfahren mit Beschluss vom 26. März 2020 einstellte.
7Mit Bescheid vom 8. Mai 2020 setzte die Beklagte die Versorgungsbezüge rückwirkend zum 1. März 2017 fest. Zugleich forderte sie eine Überzahlung in Höhe von 1.740,51 Euro von der Klägerin zurück, die dadurch entstanden sei, dass die Zahlung der Versorgungsbezüge im Rahmen des Zurruhesetzungsverfahrens nicht fristgerecht habe durchgeführt werden können.
8Die Klägerin erhob gegen die Rückforderung Widerspruch, zu dessen Begründung sie mit Anwaltsschreiben vom 13. Juli 2020 ausführen ließ: Der Bescheid vom 8. Mai 2020 mit einem vermeintlich zurückzuzahlenden Betrag in Höhe von 1.740,51 Euro sei nicht nachvollziehbar. Die Beklagte müsse erklären, wie sich der Betrag zusammensetze; dem Bescheid sei das nicht zu entnehmen. Zudem genieße sie Vertrauensschutz. Welcher Betrag auch immer zurückzufordern wäre, auf jeden Fall habe sie diesen bereits ausgegeben im Vertrauen „auf die Rechtmäßigkeit der zugrunde liegenden Anspruchsgrundlage“.
9Mit Schreiben vom 14. August 2020 erläuterte die Beklagte im Einzelnen die aus ihrer Sicht bestehende Rechtslage. Nach erneuter Überprüfung habe sie festgestellt, dass die tatsächliche Überzahlung der Versorgungsbezüge nur 1.330,15 Euro betrage. Diese sei dadurch entstanden, dass die Klägerin für den Monat März 2017 noch die vollen, nicht abgesenkten Bezüge aus dem aktiven Dienstverhältnis erhalten habe. Bezüglich des geltend gemachten Vertrauensschutzes verwies die Beklagte darauf, dass der Klägerin im Zusammenhang mit der Zurruhesetzung ein Merkblatt übersandt worden sei, in dem darauf hingewiesen werde, dass über den Zeitpunkt des Beginns des Ruhestands hinaus gewährte Bezüge zu erstatten seien und dass dies rückwirkend auch für Bezüge gelte, die infolge eines erfolglos gegen die Zurruhesetzung eingelegten Rechtsmittels erbracht worden seien. Dadurch sei die Klägerin als Empfängerin der vollen Dienstbezüge bösgläubig gemacht worden. Da sie für den Monat März 2017 die vollen Bezüge aus dem aktiven Dienst erhalten habe, müsse ihr deutlich gewesen sein, dass es zu einer Überzahlung gekommen sei. Auch habe das Verwaltungsgericht den Antrag der Klägerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Absenkung der Bezüge ab April 2017 bereits mit Beschluss vom 10. Juli 2017 abgelehnt.
10Die Klägerin hielt an ihrem Widerspruch fest. Daher wies die Beklagte ihn mit Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 2021 zurück; zugleich berichtigte sie den Ausgangsbescheid dahingehend, dass überzahlte Versorgungsbezüge in Höhe von 1.330,15 Euro zurückgefordert werden; ferner setzte sie für die Rückzahlung acht Monatsraten in Höhe von je 150,00 Euro und eine Schlussrate in Höhe von 130,15 Euro fest. Wegen der Begründung des Widerspruchsbescheides wird auf die Seiten 71 bis 74 der Verwaltungsvorgänge (Beiakte Heft 1) Bezug genommen.
11Mit separatem Schreiben, datierend vom 2. Februar 2021, erklärte die Beklagte zudem die ratenweise Aufrechnung des Rückforderungsbetrags gegen die der Klägerin zustehenden Versorgungsbezüge.
12Die Klägerin hat am 18. Februar 2021 Klage gegen den Rückforderungsbescheid erhoben. Zur Begründung trägt sie vor: Sie müsse Vertrauensschutz erfahren. Die Beklagte habe keinen Anspruch auf Rückzahlung nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die ungerechtfertigte Bereicherung, da sie, die Klägerin, nicht mehr bereichert sei. Sie habe den streitigen Betrag in Höhe von 1.330,15 Euro in gutem Glauben ausgegeben. Eine verschärfte Haftung bestehe nicht. Zudem erhebe sie die Einrede der Verjährung.
13Die Klägerin beantragt sinngemäß,
14den Bescheid der Beklagten vom 8. Mai 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Februar 2021 insoweit aufzuheben, als damit überzahlte Versorgungsbezüge für den Monat März 2017 in Höhe von 1.330,15 Euro zurückgefordert werden.
15Die Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Zur Begründung wiederholt sie die Gründe des Widerspruchsbescheides. Ergänzend und vertiefend macht sie im Wesentlichen geltend: Der Rückforderungsanspruch sei nicht verjährt. Die Versorgungssachbearbeiterin habe erst durch Schreiben der Bundespolizeidirektion vom 22. April 2020 von der Bestandskraft des Zurruhesetzungsbescheides mit Wirkung zum 1. März 2017 und damit von einem möglichen Rückforderungsanspruch Kenntnis erlangt. Auch habe sie das Bestehen eines solchen Anspruchs nicht grob fahrlässig verkannt. Den Gläubiger treffe generell keine Obliegenheit, im Interesse des Schuldners an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Nachforschungen zu betreiben; vielmehr müsse das Unterlassen von Ermittlungen nach Lage des Falles als geradezu unverständlich erscheinen, um ein grob fahrlässiges Verschulden bejahen zu können. Dies sei hier nicht der Fall. Da für die Zurruhesetzung der Klägerin und die Festsetzung der Versorgungsbezüge verschiedene Behörden zuständig seien, nämlich die Bundespolizeidirektion T. B. als Personalstelle und die H. als Pensionsfestsetzungsbehörde, könne von den Bediensteten der Pensionsbehörde nicht erwartet werden, ein Rückforderungsverfahren in einem ihnen noch nicht bekanntgegebenen Zurruhesetzungsfall einzuleiten. Zudem sei zu beachten, dass die Klägerin durch die von ihr veranlassten Rechtsbehelfsverfahren selbst die Ursache dafür gesetzt habe, dass die rückwirkend zum 1. März 2017 eingetretene Bestandskraft der Zurruhesetzung erst im März 2020 festgestanden habe. Unabhängig davon sei die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB durch den Erlass des Rückforderungsbescheid vom 8. Mai 2020 gehemmt worden. Auf den Wegfall der Bereicherung könne sich die Klägerin nicht berufen, da sie verschärft hafte. Aufgrund der Hinweise im Zurruhesetzungsbescheid habe sie im Zeitpunkt der Überzahlung positive Kenntnis vom mangelnden Rechtsgrund gehabt. Abgesehen davon sei der Mangel so offensichtlich, dass die Klägerin ihn hätte erkennen müssen. Von einer langjährigen Beamtin des mittleren Dienstes könne erwartet werden, dass ihr bewusst sei, dass ihr nach der vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand nicht mehr die bisherigen Bezüge nach dem BBesG, sondern die in aller Regel niedrigeren Versorgungsbezüge nach dem BeamtVG zustünden. Den Erfordernissen der im Rahmen des Rückforderungsbescheides zu treffenden Billigkeitsentscheidung sei durch die Einräumung einer angemessenen Ratenzahlungsmöglichkeit Genüge getan.
18Am 5. März 2021 hat die Klägerin bei Gericht einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die von der Beklagten vorgenommene Aufrechnung gestellt. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 26. März 2021 (VG Düsseldorf, Az. 13 L 447/21) hat die Kammer den Antrag abgelehnt.
19Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
21Entscheidungsgründe:
22Im Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
23Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der angefochtene Rückforderungsbescheid der Beklagten vom 8. Mai 2020 in der Fassung, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 2021 gefunden hat, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
24Ermächtigungsgrundlage für die Rückforderung ist § 52 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG. Danach regelt sich die Rückforderung zuviel gezahlter Versorgungsbezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit - wie hier - gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes der Zahlung steht es gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass der Empfänger ihn hätte erkennen müssen (Satz 2 der Vorschrift). Von der Rückforderung kann aus Billigkeitsgründen mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle ganz oder teilweise abgesehen werden (Satz 3).
25Gemessen an diesen gesetzlichen Vorgaben ist die Rückforderung rechtlich nicht zu beanstanden.
261. Die Klägerin hat durch Leistung der Beklagten Bezüge in Höhe von 1.330,15 Euro ohne rechtlichen Grund erhalten. Dies folgt daraus, dass sie wegen der durch die Klagerücknahme rückwirkend bestandskräftig gewordenen Versetzung in den Ruhestand ab dem Monat März 2017 keinen Anspruch mehr auf Dienst-, sondern nur auf ‑ niedrigere - Versorgungsbezüge hatte. Im Vorgriff darauf war - ungeachtet der aufschiebenden Wirkung der gegen den Zurruhesetzungsbescheid erhobenen Klage ‑ die Besoldung einzubehalten, die das Ruhegehalt überstieg (§ 47 Abs. 4 Satz 2 BBG). Da dies jedoch erst ab April 2017 geschehen ist, hat die Klägerin für den Monat März 2017 Bezüge in einer Höhe erhalten, die ihr gesetzlich nicht zusteht. Nach der (im Widerspruchsverfahren berichtigten) Berechnung der Beklagten beläuft sich der rechtsgrundlos geleistete Differenzbetrag zwischen Dienst- und Versorgungsbezügen auf 1.330,15 Euro (was zwischen den Beteiligten unstreitig ist). Gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB ist die Klägerin der Beklagten zur Herausgabe dieses Betrages verpflichtet.
272. Gegenüber diesem dem Grunde nach bestehenden Rückforderungsanspruch kann sich die Klägerin nicht gemäß § 818 Abs. 3 BGB auf den Wegfall der Bereicherung berufen.
28a) Es lässt sich schon nicht feststellen, dass die Klägerin tatsächlich entreichert ist. Ihre pauschale Behauptung, den streitigen Betrag ausgegeben zu haben, kann eine solche Annahme nicht rechtfertigen.
29Gemäß § 818 Abs. 3 BGB ist der Bereicherungsanspruch ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist. Diese Vorschrift dient dem Schutz des gutgläubig Bereicherten, der das rechtsgrundlos Empfangene im Vertrauen auf den Bestand des Rechtsgrundes verbraucht hat und nicht über den Betrag der noch bestehenden Bereicherung hinaus zur Herausgabe oder zum Wertersatz verpflichtet werden soll.
30Der Empfänger einer Leistung ist nach § 818 Abs. 3 BGB nicht mehr bereichert, wenn das Erlangte ersatzlos weggefallen ist und kein Überschuss mehr zwischen dem vorhandenen Vermögen und demjenigen Vermögen besteht, das auch ohne die ursprüngliche Bereicherung vorhanden wäre. Der Wegfall der Bereicherung ist nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten durch einen saldenmäßigen Vergleich des Aktiv- und des Passivvermögens zu beurteilen. So kann sich der zur Herausgabe verpflichtete Empfänger einer Leistung dann nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen, wenn er mit dem Erlangten Anschaffungen getätigt oder den Betrag ganz oder teilweise zur Schuldentilgung verwendet hat.
31Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 1993 - 2 C 15.91 ‑, juris, Rz. 11 m.w.N.
32Auch bei einer Überzahlung von Bezügen kommt es demgemäß entscheidend darauf an, ob der Empfänger die Beträge restlos für seinen Lebensbedarf verbraucht hat oder sich in seinem Vermögen noch vorhandene Werte oder Vorteile - auch in Form anderweitiger Ersparnisse oder Tilgung eigener Schulden - befinden.
33Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5. Dezember 2019 - 4 B 14.17 ‑, juris, Rz. 22; ferner OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 6. Oktober 2020 - 1 L 23/20 ‑, juris, Rz. 32.
34Bei relativ geringen Beträgen monatlicher Überzahlungen über einen langen Zeitraum kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts allerdings ohne Weiteres angenommen werden, dass die zuviel gezahlten Bezüge im Rahmen der normalen Lebensführung verbraucht worden sind.
35Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2012 - 2 C 15.10 ‑, juris, Rz. 14.
36Um einen solchen Fall geht es hier nicht. Der Klägerin wurde ein weder für sich gesehen noch im Verhältnis zur Höhe der ihr zustehenden monatlichen Bezüge als gering zu erachtender Betrag von rund 1.330,00 Euro überzahlt, und dies auch nicht über einen langen Zeitraum hinweg, sondern nur einmal. Daher hätte sie eine Entreicherung substantiiert darlegen müssen. Es liegt auf der Hand, dass die pauschalen Behauptungen, „welcher Betrag auch immer zurückzufordern wäre, auf jeden Fall hätte unsere Mandantin diese Beträge bereits ausgegeben …“ (so die mit Anwaltsschreiben vom 13. Juli 2020 erfolgte Begründung des Widerspruchs) bzw. „die Klägerin hat in gutem Glauben den streitigen Betrag in Höhe von 1.330,15 € ausgegeben“ (so die Klagebegründung), hierfür nicht ausreichen.
37b) Unabhängig davon und selbstständig tragend scheidet der Einwand der Entreicherung auch deshalb aus, weil die Klägerin nach § 52 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG i.V.m. § 819 Abs. 1 BGB verschärft haftet.
38Gemäß § 819 Abs. 1 BGB kann sich derjenige nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen, der bei Empfang der Leistung den Mangel des rechtlichen Grundes kannte. Der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes der Zahlung steht es gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass der Empfänger ihn hätte erkennen müssen (§ 52 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG).
39Nach ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung ist ein Mangel des rechtlichen Grundes dann offensichtlich, wenn der Empfänger ihn nur deshalb nicht erkannt hat, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen hat oder - mit anderen Worten - er den Fehler etwa durch Nachdenken oder logische Schlussfolgerung hätte erkennen müssen. Letztlich ist das Fehlen des Rechtsgrundes für die Leistung dann offensichtlich, wenn es für ihren Empfänger ohne weiteres erkennbar ist.
40Vgl. BVerwG, Urteile vom 26. April 2012 - 2 C 15.10 ‑, juris, Rz. 16 und vom 9. Mai 2006 ‑ 2 C 12.05 ‑, juris; VG Köln, Urteil vom 3. Februar 2016 - 23 K 3330/14 ‑, juris, Rz. 20.
41Zu den Sorgfaltspflichten eines Beamten gehört es aufgrund seiner gegenüber dem Dienstherrn bestehenden Treuepflicht auch, die Bezügemitteilungen bei besoldungsrelevanten Änderungen im dienstlichen oder persönlichen Bereich auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und auf Überzahlungen zu achten. In diesem Zusammenhang ist dem Beamten aufgrund der beamtenrechtlichen Treuepflicht grundsätzlich zuzumuten, die Besoldungsunterlagen unter Hinzuziehung etwaiger ihm von seinem Dienstherrn an die Hand gegebener Merkblätter oder Erläuterungen sorgfältig zu lesen und - ggf. mittels Nachdenkens, logischer Schlussfolgerungen oder auf andere Weise - auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Insbesondere dann, wenn er ohne erkennbaren Grund höhere Leistungen erhält, darf er sich nicht ohne weiteres auf die Rechtmäßigkeit der Zahlung verlassen. Offensichtlichkeit im Sinne des § 52 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG liegt vor, wenn ihm aufgrund seiner Kenntnisse auffallen muss, dass die ausgewiesenen Beträge nicht stimmen können. Ihm muss sich aufdrängen, dass die Besoldungsmitteilungen fehlerhaft sind. Dagegen reicht es zur Begründung einer verschärften Haftung nicht aus, wenn Zweifel bestehen und es einer Nachfrage bedarf.
42Vgl. BVerwG, Urteile vom 26. April 2012 - 2 C 15.10 ‑, juris, Rz. 17 und - 2 C 4.11 -, juris, Rz. 11.
43Vorliegend ist davon auszugehen, dass die Überzahlung für die Klägerin offensichtlich war. Jedem Beamten muss klar sein, dass er bei Eintritt in den Ruhestand geringere Bezüge erhält als während seiner aktiven Dienstzeit. Dass die Höhe der für März 2017 geleisteten Bezüge tatsächlich nicht geringer, sondern unverändert war, ließ sich ohne Weiteres der Bezügemitteilung sowie dem auf das Konto überwiesenen Betrag entnehmen. Damit war der Fehler offenkundig. Selbst wenn die Klägerin - irrig - davon ausgegangen sein sollte, aufgrund der aufschiebenden Wirkung der Klage zunächst weiterhin die ungekürzten Bezüge zu erhalten und diese auch behalten zu dürfen, wäre ein solcher Irrtum grob fahrlässig. Denn die Klägerin ist auf die Pflicht zur Rückzahlung auch im Falle eines erfolglosen Rechtsmittels ausdrücklich hingewiesen worden. In dem als Anlage zum Zurruhesetzungsbescheid ausgehändigten „Merkblatt über die Folgen der vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit“ heißt es unter Ziffer 4.:
44„Über den Zeitpunkt des Beginns des Ruhestandes hinaus gewährte und von Ihnen empfangene Bezüge und Leistungen […] sind gemäß § 12 Abs. 2 BBesG der Bundesrepublik Deutschland zu erstatten. Dies gilt rückwirkend auch für Bezüge und Sachbezüge, die an Sie infolge eines erfolglos gegen die Versetzung in den Ruhestand bemühten Rechtsmittels erbracht werden.“
45Aufgrund dieser schriftlichen Belehrung, die die Klägerin zur Kenntnis genommen hat oder jedenfalls hätte nehmen müssen, musste es sich ihr aufdrängen, dass sie eine Überzahlung erhalten hatte, zu deren Erstattung sie bei Eintritt der Bestandskraft des Zurruhesetzungsbescheides verpflichtet sein würde. Dass in dem Merkblatt nur auf § 12 Abs. 2 BBesG Bezug genommen wird, ist unschädlich, denn die entsprechende Vorschrift für Versorgungsempfänger (§ 52 Abs. 2 BeamtVG) unterscheidet sich in ihrem Wortlaut nicht. Einem etwaigen Vertrauen der Klägerin darauf, die Überzahlung behalten zu dürfen, ist damit jede Grundlage genommen; ein solches Vertrauen wäre nicht schutzwürdig.
463. Auch die von der Klägerin erhobene Einrede der Verjährung greift nicht durch. Der Rückforderungsanspruch ist nicht verjährt.
47Für Rückforderungsansprüche des Dienstherrn gegen den aktiven Beamten oder den Versorgungsempfänger gilt die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB von drei Jahren. Nach § 199 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (Nr. 1) und der Dienstherr von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (Nr. 2). Bei Behörden oder öffentlich-rechtlichen Körperschaften ist hierzu auf die Kenntnis des zuständigen Bediensteten der verfügungsberechtigten Behörde abzustellen; verfügungsberechtigt in diesem Sinne ist dabei die Behörde, der die Entscheidungskompetenz für den Rückforderungsanspruch zukommt.
48Vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 26. April 2012 - 2 C 15.10 ‑, juris, Rz. 20 f. m.w.N.
49Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 VwVfG hemmt ein Verwaltungsakt, der - wie hier der streitgegenständliche Rückforderungsbescheid - zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassen wird, die Verjährung dieses Anspruchs. Die Hemmung endet (erst) mit Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes oder sechs Monate nach seiner anderweitigen Erledigung (Satz 2 der Vorschrift).
50Nach diesen gesetzlichen Maßgaben ist eine Verjährung der Rückforderung nicht eingetreten, weil die ‑ frühestens - mit dem Schluss des Jahres 2017 beginnende dreijährige Verjährungsfrist durch den Erlass des Rückforderungsbescheides vom 8. Mai 2020 gehemmt wurde; diese Hemmung dauert an, da der Bescheid noch nicht unanfechtbar ist.
514. Schließlich ist auch die auf § 52 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG beruhende Billigkeitsentscheidung nicht zu beanstanden. Dass die Beklagte überhaupt eine solche Entscheidung getroffen hat, ist der Begründung sowohl des Ausgangs- als auch des Widerspruchsbescheides zu entnehmen. Gesichtspunkte, dies es gebieten würden, im vorliegenden Fall von der Rückforderung ganz oder zum Teil abzusehen, sind weder von der Klägerin aufgezeigt worden noch sonst ersichtlich. Gegen ein Absehen von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen spricht, dass, wie oben dargelegt, schon nicht ersichtlich ist, dass die Klägerin, die sich aufgrund ihrer verschärften Haftung auf einen Wegfall der Bereicherung nicht berufen kann, gleichwohl entreichert ist. Lässt sich eine Entreicherung nicht feststellen, erscheint es wegen des dann als noch vorhanden anzunehmenden Vermögensüberschusses nach Treu und Glauben weder geboten noch gerechtfertigt, die Rückforderung zu ermäßigen, und zwar selbst dann nicht, wenn die Überzahlung im alleinigen oder überwiegenden Verantwortungsbereich der Behörde liegen sollte.
52Vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 6. Oktober 2020 - 1 L 23/20 ‑, juris, Rz. 46.
53Mit der Einräumung einer angemessenen Ratenzahlung hat die Beklagte den Erfordernissen der Billigkeit daher hinreichend Rechnung getragen.
54Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
55Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.
56Rechtsmittelbelehrung:
57Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
58Der Antrag kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingereicht werden.
59Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
60Die Berufung ist nur zuzulassen,
611. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
622. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
633. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
644. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
655. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
66Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen.
67Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen.
68Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
69Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst 2-fach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
70Beschluss:
71Der Streitwert wird auf 1.330,15 Euro festgesetzt.
72Gründe:
73Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG erfolgt.
74Rechtsmittelbelehrung:
75Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird.
76Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
77Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
78Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
79Die Beschwerdeschrift soll möglichst 2-fach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
80War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt unddie Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.