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1. Nach dem Informationsfreiheitsgesetz NRW ist Zugang zu den Berichten zweier Arbeitsgruppen für die 89. Justizministerkonferenz zu gewähren.
2. Eine Beeinträchtigung der Beziehungen zu anderen Bundesländern ist dadurch nicht zu erwarten.
Das beklagte Land wird unter Aufhebung des Bescheides des Ministeriums der Justiz des beklagten Landes vom 31. Januar 2019 verpflichtet, Zugang zu gewähren zum Bericht der Arbeitsgruppe Verwaltungsprozess („Regelungsvorschläge zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung“ nebst Gesetzentwurf) zu Beschluss TOP I.5 der 89. Justizministerkonferenz (Herbstkonferenz am 15. November 2018) sowie zum Abschlussbericht der Arbeitsgruppe des Strafrechtsausschusses „Digitale Agenda für das Strafprozessrecht“ zu Beschluss TOP II.4 der 89. Justizministerkonferenz (Herbstkonferenz am 15. November 2018).
Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Land darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
2Mit Schreiben vom 2. Januar 2019 an das Ministerium der Justiz des beklagten Landes beantragte der Kläger, ihm aus den Akten des Ministeriums zur 89. Justizministerkonferenz folgende Unterlagen zur Verfügung zu stellen:
3Bericht der Länderarbeitsgruppe „Digitaler Neustart“ – Big Data, Algorithmentransparenz, Schutz von Gesundheitsdaten (zu Beschluss TOP I.3)
Bericht der Arbeitsgruppe Verwaltungsprozess („Regelungsvorschläge zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung“ nebst Gesetzentwurf) (zu Beschluss TOP I.5)
Abschlussbericht der Arbeitsgruppe des Strafrechtsausschusses „Digitale Agenda für das Straf- und Strafprozessrecht“ (zu Beschluss TOP II.4).
Mit Zwischenbescheid vom 16. Januar 2019 teilte das beklagte Land mit, dass der Bericht der Länderarbeitsgruppe „Digitaler Neustart“ im Internet veröffentlicht sei.
8Mit Bescheid vom 31. Januar 2019 lehnte das Ministerium der Justiz des beklagten Landes den Antrag ab, soweit darin um Zugang zum Bericht der Arbeitsgruppe Verwaltungsprozess sowie zum Abschlussbericht der Arbeitsgruppe des Strafrechtsausschusses gebeten wird. Zur Begründung stützt sich das beklagte Land auf § 6 S. 1 Buchst. c des Gesetzes über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen (Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen – IFG NRW). Die beiden Arbeitsgruppenberichte seien im Auftrag der Justizministerkonferenz unter Beteiligung mehrerer Bundesländer erstellt worden. Die Berichte seien dergestalt gefasst, dass Beiträge einzelner Länder nicht herausfilterbar seien. Vor diesem Hintergrund bedürfe die Bekanntgabe der Berichte der Zustimmung aller beteiligten Bundesländer. Diese sei auf entsprechende Nachfrage nicht von allen beteiligten Ländern erteilt worden.
9Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 24. Februar 2019 Klage erhoben. Er macht geltend: Die Berichte enthielten keine „Angaben und Mitteilungen öffentlicher Stellen des Bundes oder anderer Länder“ im Sinne des § 6 S. 1 Buchst. c IFG NRW, die bei Informationszugang „ohne deren Zustimmung“ zu offenbaren wären. Es seien keine Tatsachenangaben, Bewertungen oder Einschätzungen enthalten, die einer bestimmten öffentlichen Stelle des Bundes oder eines anderen Landes zugeordnet werden könnten. Der Ausschlusstatbestand des § 6 S. 1 Buchst. b IFG NRW sei ebenfalls nicht erfüllt, da keine Informationen über den Verfahrensablauf des Entscheidungsverfahrens offenbart würden. Dem Landesrecht vorgehende Regelungen des Bundesrechts seien nicht ersichtlich. Das IFG NRW enthalte keine ausdrückliche Regelung für „gemischte“ Einrichtungen, Gremien oder Konferenzen und daher auch keine Bereichsausnahme für diese.
10Der Ausschlussgrund des § 6 S. 1 Buchst. a IFG NRW diene dem Schutz bestimmter hochrangiger öffentlicher Interessen. Allein der Umstand, dass ein Informationszugang die Beziehungen des Landes Nordrhein-Westfalen zu anderen Ländern zu berühren geeignet sei, bewirke oder indiziere keine Beeinträchtigung der Beziehungen. Das Schutzgut der Beziehung zu einem anderen Land umfasse dem Grunde nach auch die Funktionsfähigkeit der verschiedenen Formen und Foren der intraföderalen Zusammenarbeit. Aus dem Grundsatz der Bundestreue folge, dass Informationszugangsregelungen, die sich ein Land gebe, von den anderen Ländern grundsätzlich zu achten und zu respektieren seien. Daher sei den anderen Ländern eine negative Reaktion auf die Gewährung eines Informationszugangs zu den gemeinsamen Beratungsgrundlagen jedenfalls dann verwehrt, wenn nicht materielle Ausschlussgründe vorlägen. Zumindest sei eine nicht mit Gründen versehene Verweigerung der Zustimmung zur Informationsgewährung unbeachtlich.
11Die einzelnen Mitglieder der Länderarbeitsgruppen könnten für den fachlichen Austausch nicht auf Vertraulichkeit bauen. Traditionen oder Übungen, die sich im Interesse einer gedeihlichen Zusammenarbeit im Laufe der Zeit in der intraföderalen Zusammenarbeit ergeben haben mögen, seien rechtlich nicht gesicherte wechselseitige Verhaltenserwartungen, die nicht geeignet seien, landesgesetzlich geregelte Informationszugangsansprüche rechtlich zu begrenzen.
12Eine einfache Beeinträchtigung stehe auch nicht wegen der Gefahr zu besorgen, dass das beklagte Land vom intraföderalen Kommunikationszusammenhang ausgeschlossen werde. Das beklagte Land sei gehalten, die Gründe dafür, dass ein anderes Land die Freigabe versagt hat, zu ermitteln und in der Sache zu prüfen. Ergebe die Prüfung keine materiellen Zugangsversagungsgründe, sei die Zugangsgewährung durch das beklagte Land normativ von dem anderen Land hinzunehmen. Auch empirisch sei keine Beeinträchtigung der Beziehungen des beklagten Landes zu den anderen Ländern konkret zu erwarten. Aller Wahrscheinlichkeit nach werde keinerlei Veränderung im Kommunikationsfluss oder bei der intraföderalen Zusammenarbeit eintreten.
13Ebenso wenig lägen Ablehnungsgründe nach § 7 Abs. 1 oder 2 IFG NRW und § 9 Abs. 1 Buchst. a IFG NRW vor.
14Der Kläger beantragt,
15den Bescheid des Ministeriums der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 31. Januar 2019 aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, Zugang zu gewähren zum Bericht der Arbeitsgruppe Verwaltungsprozess („Regelungsvorschläge zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung“ nebst Gesetzentwurf) zu Beschluss TOP I.5 der 89. Justizministerkonferenz (Herbstkonferenz am 15. November 2018) sowie zum Abschlussbericht der Arbeitsgruppe des Strafrechtsausschusses „Digitale Agenda für das Straf- und Strafprozessrecht“ zu Beschluss TOP II.4 der 89. Justizministerkonferenz (Herbstkonferenz am 15. November 2018).
16Das beklagte Land beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Es trägt vor: Der Anspruch auf Zugang zu den begehrten Berichten sei nach § 6 S. 1 Buchst. a IFG NRW ausgeschlossen. Die Vorschrift schütze den ungehinderten Informationsfluss zwischen Behörden des Landes NRW einerseits und Behörden des Bundes bzw. anderer Länder andererseits. Insbesondere sollten jene Länder, die kein dem IFG NRW entsprechendes Gesetz erlassen hätten, durch das IFG NRW nicht an einer unbefangenen Kommunikation mit Behörden des Landes Nordrhein-Westfalen gehindert werden. Danach werde die Beeinträchtigung der Länderbeziehungen bereits durch die Möglichkeit eines in der Zukunft veränderten Informationsflusses indiziert. Der Auskunftsanspruch müsse jedenfalls dann ausgeschlossen sein, wenn ein betroffenes Land der Weitergabe seiner Informationen widersprochen habe. Eine Beeinträchtigung der wechselseitigen Beziehungen sei insbesondere zu besorgen, wenn die Weitergabe der nicht-öffentlichen Berichte, Stellungnahmen oder Beschlüsse von Arbeitsgruppen und anderen Untergremien der Ministerkonferenzen begehrt werde. Da es nicht möglich sei, den (Arbeits-)Beitrag einzelner Länder zu identifizieren, umfasse die Weigerung die Berichte in Gänze. Die in Rede stehenden Berichte der Arbeitsgruppen seien ein Produkt gemeinsamer Arbeit. Gegenstand der Berichte seien namentlich zwischen den Mitgliedern der Arbeitsgruppen konsentierte Aussagen und Empfehlungen, die als Aggregat der Meinungen aller Mitglieder anzusehen seien.
19Die Mehrheit der an den Arbeitsgruppen beteiligten Länder habe einer Offenlegung der Berichte ausdrücklich nicht zugestimmt. § 6 S. 1 Buchst. a IFG NRW sehe zwar kein Einwilligungserfordernis des betroffenen Landes vor. Der Widerspruch gegen eine Weitergabe der Informationen stelle aber einen wesentlichen Anhaltspunkt für eine konkret drohende Beeinträchtigung der interföderalen Beziehungen dar. Bei einer Offenlegung der streitgegenständlichen Arbeitsgruppenberichte würde sich das beklagte Land über den ausdrücklich erklärten entgegenstehenden Willen der beteiligten übrigen Bundesländer hinwegsetzen. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut sei dabei ohne Belang, aus welchen Erwägungen die einzelnen Bundesländer einer Offenlegung widersprochen hätten, insbesondere ob in der Sache materielle Zugangsversagungsgründe vorliegen. Auch dies sei vom beklagten Land keiner weiteren Prüfung zu unterziehen.
20Flankiert werde der sich aus § 6 S. 1 Buchst. a IFG NRW ergebende Ausschlussgrund durch § 6 S. 1 Buchst. c IFG NRW. Die Vorschrift sei Ausdruck der begrenzten Regelungskompetenz des Landesgesetzgebers. Namentlich dürfe eine nordrhein-westfälische Behörde nicht über Informationen verfügen, die von Behörden außerhalb des Geltungsbereichs des Gesetzes übermittelt worden seien. Das Begriffspaar „Angaben und Mitteilungen“ sei weit auszulegen.
21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
22Entscheidungsgründe:
23Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.
24Der angefochtene Bescheid des Ministeriums der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 31. Januar 2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat Anspruch auf Zugang zum Bericht der Arbeitsgruppe Verwaltungsprozess („Regelungsvorschläge zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung“ nebst Gesetzentwurf) zu Beschluss TOP I.5 der 89. Justizministerkonferenz sowie zum Abschlussbericht der Arbeitsgruppe des Strafrechtsausschusses „Digitale Agenda für das Straf- und Strafprozessrecht“ zu Beschluss TOP II.4 der 89. Justizministerkonferenz (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
25Anspruchsgrundlage ist § 4 Abs. 1 IFG NRW. Danach hat jede natürliche Person nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den nach § 2 genannten Stellen Anspruch auf Zugang zu den bei der Stelle vorhandenen amtlichen Informationen.
26Die Regelungen des Informationsfreiheitgesetzes sind auf den vorliegenden Fall anwendbar. Gemäß § 2 Abs. 1 IFG NRW gilt dieses Gesetz für die Verwaltungstätigkeit der Behörden, Einrichtungen und sonstigen öffentlichen Stellen des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts und deren Vereinigungen (öffentliche Stellen). Behörde ist jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.
27Der Begriff der Verwaltungstätigkeit ist weit auszulegen. Für die Annahme einer Verwaltungstätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 IFG NRW ist allein darauf abzustellen, dass die Tätigkeit sich als Wahrnehmung einer im öffentlichen Recht wurzelnden Verwaltungsaufgabe – im Gegensatz zur Rechtsprechung und Rechtssetzung – darstellt.
28Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Mai 2006 – 8 A 1642/05 -, juris, Rn. 34, m.w.N.
29Die Tätigkeit des nordrhein-westfälischen Ministeriums der Justiz, einer Behörde im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 2 IFG NRW, in der länderübergreifenden Arbeitsgruppe der Justizministerkonferenz stellt eine Verwaltungstätigkeit dar.
30Bei den Fachministerkonferenzen handelt es sich um ein Instrument intraföderaler Zusammenarbeit zur Koordinierung von Länderinteressen. Die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister dient der Koordination und Abstimmung der justiz- und rechtspolitischen Vorhaben der Länder. Sie ist eine ständige Einrichtung mit jährlich wechselndem Vorsitz. Rechtssetzungscharakter haben die in der Justizministerkonferenz gefassten Beschlüsse nicht.
31https://justiz.de/laender-bund-europa/justizministerkonferenz/index.php.
32Die Ausschüsse und Arbeitsgemeinschaften sind unterhalb der Ebene der Minister auf Ministeriumsebene angesiedelt. Sie entstehen formlos oder werden durch die Fachministerkonferenzen gebildet. In den Ausschüssen und Arbeitsgemeinschaften arbeiten die jeweiligen Fachspezialisten der Länder mit, wobei jedenfalls an den Arbeitsgemeinschaften nicht immer alle Länder beteiligt sind. In diesen Untergremien werden beispielsweise die Entwürfe für gleichlautende Landesgesetze erarbeitet, Rechtsverordnungen oder Verwaltungsvorschriften in den Ländern koordiniert und die Verwaltungsvorschriften des Bundes gemäß Art. 84 Abs. 2 und 85 Abs. 2 GG entworfen.
33Rudolf in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl. 2008, § 141 Rn. 43 f.
34Die Tätigkeit des nordrhein-westfälischen Ministeriums der Justiz in einem solchen intraföderalen Koordinationsgremium ist danach weder der Legislative noch der Judikative zuzurechnen, sondern erfolgt in Wahrnehmung einer im öffentlichen Recht wurzelnden Verwaltungsaufgabe, indem sie der Koordinierung von gemeinsam interessierenden Angelegenheiten der Länder im administrativen Bereich dient.
35Der Kläger ist eine natürliche Person. Die begehrten Informationen liegen dem Ministerium der Justiz vor (§ 4 Abs. 1 IFG NRW).
36Dem geltend gemachten Informationszugangsanspruch des Klägers steht auch keiner der in §§ 6 bis 9 IFG NRW vorgesehenen Ausschlussgründe entgegen.
37Bei den beiden streitgegenständlichen Berichten handelt es sich um das Ergebnis der Arbeit der Arbeitsgruppe Verwaltungsprozess sowie der Arbeitsgruppe des Strafrechtsausschusses, die entsprechende Arbeitsaufträge der Justizministerkonferenz erhalten hatten. Die Berichte sind dem beklagten Land zufolge das Produkt gemeinsamer Arbeit. Gegenstand der Berichte sind zwischen den Mitgliedern der Arbeitsgruppen konsentierte Aussagen und Empfehlungen.
38Aus dem Beschluss der 89. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister 2018 zu „TOP I.5 Reform des Verwaltungsprozessrechts“, der im Internet veröffentlicht ist, ergibt sich, dass die Justizministerinnen und Justizminister den Bericht der Arbeitsgruppe Verwaltungsprozess („Regelungsvorschläge zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung“ nebst Gesetzentwurf) zur Kenntnis genommen haben (Nr. 1 des Beschlusses). Gemäß Nr. 2 des Beschlusses sprechen sich die Justizministerinnen und Justizminister „auf der Basis des Berichts und des Gesetzentwurfs“ für nachfolgend im Einzelnen aufgeführte Änderungen der Verwaltungsgerichtsordnung aus: (…).
39Der Abschlussbericht der Arbeitsgruppe des Strafrechtsausschusses „Digitale Agenda für das Straf- und Strafprozessrecht“ wurde von den Justizministerinnen und Justizministern ebenfalls zur Kenntnis genommen (Nr. 1 des Beschlusses zu TOP II.4). Ferner baten sie den Vorsitzenden der Konferenz, den Abschlussbericht dem Vorsitzenden der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder zur Kenntnis zu bringen (Nr. 2 des Beschlusses). Die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz wurde gebeten, die in dem Bericht enthaltenen Empfehlungen der Arbeitsgruppe zu würdigen und die gegebenenfalls erforderlichen gesetzgeberischen Schritte zu unternehmen (Nr. 3 des Beschlusses).
40Es ergibt sich zunächst kein Zugangsausschlussgrund aus § 7 IFG NRW. Die Berichte der intraföderalen Arbeitsgruppen dürften vom Schutzbereich der Vorschrift bereits nicht erfasst sein.
41§ 7 IFG NRW dient nach seiner Überschrift dem Schutz des behördlichen Entscheidungsbildungsprozesses. Behörden sind solche des beklagten Landes (vgl. § 2 Abs. 1 IFG NRW), zu denen das Ministerium der Justiz NRW gehört. Geschützt ist danach dessen Entscheidungsfindung und Willensbildung. Das gilt auch, soweit es als Mitglied der jeweiligen Arbeitsgruppe sowie der Justizministerkonferenz an den Arbeitsprozessen, die zu den Berichten der Arbeitsgruppen sowie zu den anschließenden Beschlüssen der Justizministerkonferenz führen, beteiligt ist und seinen Anteil und seine Meinung beiträgt. Auf den Beitrag des beklagten Landes zur Vorbereitung der Berichte zielt der streitgegenständliche Informationszugangsanspruch jedoch nicht ab.
42Der Arbeitsbeitrag des nordrhein-westfälischen Ministeriums der Justiz kann aus den Berichten auch nicht herausgefiltert werden. Bei den Berichten handelt es sich nicht um eine Sammlung von Einzelbeiträgen. Sie sind vielmehr als Aggregat der Meinungen aller Mitglieder anzusehen. Der Prozess der Willensbildung und Entscheidungsfindung innerhalb des Ministeriums der Justiz NRW wird durch den Zugang zu den Arbeitsgruppenberichten danach nicht tangiert.
43Soweit durch die Freigabe der Berichte der intraföderale Entscheidungsfindungs- und Willensbildungsprozess der beiden Arbeitsgruppen selbst und/oder der Justizministerkonferenz als solcher berührt sein könnte, dürfte § 7 IFG NRW nicht anwendbar sein. Einmal unterstellt, es handele sich bei diesen Gremien um Behörden im Sinne des Gesetzes, sind es jedenfalls keine Behörden des Landes. Das Land Nordrhein-Westfalen ist weder der Rechtsträger der Justizministerkonferenz noch der ihrer Untergremien. Gemeinsame Behörden in dem Sinne, dass die Länder ihr gemeinsamer Träger sind, gibt es nicht.
44Vgl. Franßen/Seidel, Das Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen, § 2, Rn 85.
45Ungeachtet dessen sind auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 und 2 Buchst. a IFG NRW nicht gegeben.
46Nach § 7 Abs. 1 IFG NRW ist der Antrag auf Informationszugang abzulehnen für Entwürfe zu Entscheidungen, für Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung sowie für Protokolle vertraulicher Beratungen. Die hier allein in Betracht kommende zweite Alternative liegt nicht vor. Bei den Arbeitsgruppenberichten handelt es sich um keine „Arbeiten zur unmittelbaren Vorbereitung einer Entscheidung“ der Justizministerkonferenz. Die Arbeitsgruppenberichte sind – vergleichbar mit Rechtsgutachten oder Stellungnahmen von Fachbehörden – Unterlagen, die in tatsächlicher Hinsicht die Grundlage der von den Justizministern und Justizministerinnen in ihrer Konferenz zu treffenden Beschlüsse bilden und zu weiteren Diskussionen oder Arbeitsaufträgen führen können. Die Berichte mögen die Ministerkonferenz bei der Beschlussfindung unterstützen, sie bereiten den Abschluss eines Entscheidungsprozesses aber nicht unmittelbar vor. Als Adressatin der Berichte muss die Justizministerkonferenz diese bei ihrer Entscheidungsfindung nicht berücksichtigen. Dementsprechend heißt es im Protokoll auch nur, die Berichte seien von den Justizministerinnen und Justizministern in ihrer 89. Konferenz zur Kenntnis genommen worden.
47Zudem wäre der Entscheidungsprozess mit der Kenntnisnahme abgeschlossen. Der Informationszugang ist über den Verfahrensabschluss hinaus nicht gesperrt (§ 7 Abs. 3 S. 1 IFG NRW).
48Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Buchst. a IFG NRW sind ebenfalls nicht erfüllt. Danach soll der Antrag abgelehnt werden, wenn sich der Inhalt der Information auf den Prozess der Willensbildung innerhalb von oder zwischen zwei öffentlichen Stellen bezieht. Einmal unterstellt, dass es sich bei den öffentlichen Stellen auch um solche anderer Bundesländer handeln kann, bezieht sich der Inhalt der begehrten Arbeitsgruppenberichte nicht auf die Willensbildung zwischen den Mitgliedern der Arbeitsgruppe. Vielmehr ist die Willensbildung der an der Arbeitsgruppe beteiligten Länder mit der finalen, untereinander abgestimmten Berichtsfassung abgeschlossen.
49Die übrigen Tatbestände des § 7 IFG NRW sind ersichtlich nicht einschlägig. Anhaltspunkte dafür, dass durch das Bekanntwerden der Berichte personenbezogene Daten offenbart werden (§ 9 IFG NRW), sind nicht gegeben.
50Als Ausschlussgrund in Betracht kommt daher nur der Schutz öffentlicher Belange nach § 6 IFG NRW. Der Tatbestand des § 6 S. 1 Buchst. b IFG NRW scheidet aus, weil es an einem anhängigen Verwaltungsverfahren fehlt. Darüber hinaus liegen weder die Voraussetzungen des § 6 S. 1 Buchst. c IFG NRW vor, noch würde das Bekanntwerden der Arbeitsgruppenberichte die Beziehungen des beklagten Landes zu den anderen Bundesländern beeinträchtigen (§ 6 S. 1 Buchst. a IFG NRW).
51Nach § 6 S. 1 Buchst. c IFG NRW ist der Antrag auf Informationszugang abzulehnen, soweit und solange durch das Bekanntwerden der Information Angaben und Mitteilungen öffentlicher Stellen des Bundes oder anderer Länder ohne deren Zustimmung offenbart würden.
52Bei den Arbeitsgruppenberichten handelt es sich nicht um Angaben oder Mitteilungen öffentlicher Stellen anderer Länder. Die Berichte sind nicht aus Beiträgen der beteiligten Länder zusammengesetzt. Sie stellen vielmehr ein Gemeinschaftsprodukt der Arbeitsgruppe dar, in das nicht mehr differenzierbare Anteile der Arbeitsgruppenmitglieder einfließen. Dadurch fehlt es am erforderlichen Bezug zu einem oder mehreren bestimmten Ländern. Es genügt nicht, dass andere Länder Mitglieder der jeweiligen Arbeitsgruppe sind und an der Erstellung der Berichte beteiligt waren.
53Im Rahmen des § 6 S. 1 Buchst. c IFG NRW kommt es maßgeblich darauf an, dass die „Angaben und Mitteilungen“ einem oder mehreren bestimmten oder zumindest bestimmbaren Land oder dem Bund zuzuordnen sind. Das ergibt sich aus dem Wortlaut der Norm sowie der Gesetzessystematik.
54Der Gesetzgeber verwendet nicht den neutralen Begriff Information, sondern spricht von „Angaben und Mitteilungen“. Hätte der Gesetzgeber Informationen des Bundes oder anderer Länder dem Zustimmungsvorbehalt unterwerfen wollen, wäre entgegen der Auffassung des beklagten Landes eine andere Formulierung ohne Wortdopplung möglich gewesen (etwa: „…durch ihr Bekanntwerden Informationen öffentlicher Stellen (…) offenbart würden“).
55„Angaben und Mitteilungen“ sind von ihrer Wortbedeutung her zwar auch Informationen. Gleichwohl sind die beiden Begriffe enger zu verstehen. Angaben werden zu etwas oder über jemanden oder etwas gemacht. Eine Mitteilung ist etwas, was jemandem mitgeteilt wird, wovon jemandem Kenntnis gegeben wird.
56https://www.duden.de/rechtschreibung/Angabe#bedeutungen; https://www.duden.de/rechtschreibung/Mitteilung#bedeutung.
57Während der umfassende Begriff „Information“ alles umfasst, was, woher auch immer, im dienstlichen Zusammenhang erlangt wurde (vgl. § 3 S. 1 IFG NRW), ist den beiden Begriffen „Angaben und Mitteilungen“ gemeinsam, dass sie von jemandem stammen und an jemanden gerichtet sind. Dementsprechend wird im Gesetzestext ausdrücklich der Bezug zum Urheber hergestellt, indem von Angaben und Mitteilungen „des Bundes oder anderer Länder“ die Rede ist.
58Aus diesem Grund bedarf der Zugang zu solchen Informationen nach der Vorschrift auch der Zustimmung der betroffenen öffentlichen Stellen des Bundes oder anderer Länder. Angaben und Mitteilungen i.S.d. § 6 S. 1 Buchst. c IFG NRW sind besonders geschützt, weil die auskunftsverpflichtete Behörde sie im Rahmen des innerbehördlichen Informationsaustauschs von einer öffentlichen Stelle des Bundes oder anderer Länder erlangt hat. Diese sollen die Datenhoheit über ihre Informationen behalten und bleiben infolgedessen verfügungsberechtigt.
59Ebenso: VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 26.11.2009 – 17 K 3954/05 -, juris, Rn. 5; vgl. Franßen/Seidel, a.a.O., § 6 Rn. 687 unter Bezugnahme auf die Begründung des Änderungsantrags der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 6. November 2001, wonach das IFG NRW den Zugang zu solchen Informationen mangels Regelungskompetenz ohne die Zustimmung öffentlicher Stellen des Bundes oder anderer Länder nicht regeln könne.
60Die streitgegenständlichen Arbeitsgruppenberichte enthalten gerade keine Angaben anderer Länder. Vielmehr wird, wie das beklagte Land vorgetragen hat, jeder Satz nach Inhalt, Form und Formulierung von jedem Arbeitsgruppenmitglied getragen. Der Anteil eines einzelnen Arbeitsgruppenmitglieds am Entstehungsprozess des Berichts kann aus dem Endprodukt nicht mehr herausgefiltert werden. Dadurch verliert das einzelne Land die Datenhoheit über seinen Beitrag.
61Soweit der Bericht der aus ihren Mitgliedern bestehenden Arbeitsgruppe zugeordnet werden kann, handelt es sich dabei nicht um eine öffentliche Stelle der Länder. Wie bereits ausgeführt, gibt es weder eine gemeinsame Behörde der Länder, noch ist Rechtsträger der Arbeitsgruppe ein bestimmtes anderes Land.
62In Betracht kommt daher nur der Ausschlussgrund des § 6 S. 1 Buchst. a IFG NRW. Danach ist der Antrag auf Informationszugang u.a. abzulehnen, soweit und solange das Bekanntwerden der Information die Beziehungen zum Bund oder zu einem Land beeinträchtigen würde.
63Unter Beziehungen Nordrhein-Westfalens zum Bund oder zu einem Land im Sinne des § 6 S. 1 Buchst. a IFG NRW sind die vielfältigen dienstlichen Beziehungen zu Bund und Ländern zu verstehen.
64Franßen/Seidel, a.a.O., § 6, Rn. 708.
65Darunter fallen auch die verschiedenen Konferenzen, Ausschüsse und Arbeitsgruppen zur Selbstkoordinierung im eigenen Kompetenzbereich der Länder ebenso wie die Koordination der Länderinteressen gegenüber dem Bund.
66Schutzgut ist vorliegend demnach die intraföderale Zusammenarbeit des beklagten Landes mit den anderen Ländern und dem Bund. Die effektive Zusammenarbeit in Arbeitsgemeinschaften der Fachministerkonferenzen erfordert einen kontinuierlichen, ungestörten Informationsfluss der Länder untereinander sowie im Verhältnis zum Bund. Der Informationsfluss zwischen Nordrhein-Westfalen und den übrigen Ländern, die teilweise keine entsprechenden Informationszugangsrechte kennen, und dem Bund sollte nach dem Willen des Gesetzgebers durch die Verabschiedung eines nordrhein-westfälischen Informationszugangsgesetzes nicht beeinträchtigt werden.
67Amtliche Begründung zu § 6 des insoweit unverändert gebliebenen Gesetzentwurfs, LT-Drs. 13/1311, S. 12.
68Im Unterschied zu § 6 S. 1 Buchst. b IFG NRW setzt die Vorschrift des § 6 S. 1 Buchst. a IFG NRW keine erhebliche Beeinträchtigung voraus, sondern lässt eine einfache Beeinträchtigung genügen.
69Nach dem Willen des Gesetzgebers ist die Vorschrift eng auszulegen; insbesondere gilt der Schutz nur für eine bestimmte Zeit. Die entsprechenden Beeinträchtigungen müssen daher „konkret“ bestehen.
70Vgl. amtliche Begründung zu § 6 des insoweit unverändert gebliebenen Gesetzentwurfs, LT-Drs. 13/1311, S. 12.
71Es bedarf der konkreten Feststellung im Einzelfall, dass durch die Freigabe der Information tatsächlich eine Beeinträchtigung der Beziehungen erfolgen würde. Dabei sind die möglichen Auswirkungen einer Freigabe der Information umfassend in Betracht zu ziehen. Bei der Prüfung dieser Tatbestandsvoraussetzung kommt der öffentlichen Stelle weder ein Ermessens- noch ein Beurteilungsspielraum zu.
72Vgl. OVG NRW, Urteil vom 26. November 2013 – 8 A 809/12 –, juris, Rn. 49 zu § 6 S. 1 Buchst. b IFG NRW; Beschluss vom 6. Dezember 2019 – 15 A 3909/18 –, juris, Rn. 18.
73Die Darlegungslast für das Vorliegen des Ausschlussgrundes liegt bei der informationspflichtigen Behörde. Sie muss Tatsachen vorbringen, aus denen sich nachvollziehbar eine Beeinträchtigung des Schutzguts ergeben kann.
74OVG NRW, Urteil vom 6. Dezember 2019 – 15 A 3909/18 –, juris, Rn. 23 f. m.w.N.
75Ausgehend hiervon ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, dass durch die Zugangsgewährung zu den beiden Arbeitsgruppenberichten nachteilige Auswirkungen auf die Beziehungen zu anderen Bundesländern konkret zu erwarten sind.
76Dabei indiziert die Zustimmungsverweigerung der in den Arbeitsgruppen mitwirkenden Länder allein nicht die Gefahr einer Beeinträchtigung der Beziehungen zu anderen Ländern. Die anspruchsverpflichtete öffentliche Stelle hat vielmehr eine eigenverantwortliche Entscheidung über den Informationszugangsanspruch zu treffen.
77Vgl. Franßen/Seidel, a.a.O., § 6, Rn 715 m.w.N.
78Die Vorschrift des § 6 S. 1 Buchst. a IFG NRW stellt im Gegensatz zu § 6 S. 1 Buchst. c IFG NRW nicht das Erfordernis der Zustimmung der Länder oder des Bundes auf. Der Gesetzgeber geht vielmehr ersichtlich davon aus, dass das nordrhein-westfälische Informationsfreiheitsgesetz als solches nicht die Beziehungen zu den anderen Ländern und dem Bund gefährdet. Eine Bereichsausnahme für die Zusammenarbeit mit dem Bund und anderen Ländern sieht das IFG NRW nicht vor. Folgt man der Argumentation des beklagten Landes, wäre der Anspruch auf Informationszugang zur Disposition der anderen Länder gestellt. Sie wären in der Lage, selbst die tatbestandlich geforderte Beeinträchtigung der Beziehungen zu Nordrhein-Westfalen herbeizuführen, indem sie ihre Zustimmung zum Informationszugang verweigern. Dagegen spricht auch, dass der Antrag auf Informationszugang nur abzulehnen ist, „soweit und solange“ die Beziehungen zum Bund oder zu einem anderen Land durch das Bekanntwerden beeinträchtigt würden. Mit der Formulierung „solange“ macht das Gesetz deutlich, dass der Informationszugang grundsätzlich nur aufgeschoben ist. Die verweigerte Zustimmung einzelner Länder bildete jedoch eine unüberwindbare Schranke des Informationszugangs.
79Soweit die ausdrücklich versagte Zustimmung der anderen Bundesländer zur Freigabe der Berichte sowie die auf langjähriger Übung beruhende Vertraulichkeit der Arbeitsgruppenarbeit wesentliche Anhaltspunkte für eine drohende Schädigung der Beziehungen sein können,
80vgl. Franßen/Seidel, § 6, Rn. 715 m.w.N.,
81tragen beide Aspekte nicht die Prognose des beklagten Landes, durch den Informationszugang sei (künftig) eine Beeinträchtigung der Beziehungen zu anderen Ländern zu erwarten.
82Dabei ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass es sich vorliegend um abgeschlossene Vorgänge handelt. Gegenstand des Informationszugangsantrags des Klägers sind keine Entwürfe oder sonstigen Arbeiten und Beiträge aus einem laufenden Arbeitsprozess, sondern die Berichte der Arbeitsgruppe Verwaltungsprozess und der Arbeitsgruppe des Strafrechtsausschusses. Diese stellen das Ergebnis der Tätigkeit der Arbeitsgruppen dar und schließen die jeweils aus einem konkreten Arbeitsauftrag – „Regelungsvorschläge zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung“ sowie „Digitale Agenda für das Straf- und Strafprozessrecht“ – bestehende Arbeit der Arbeitsgruppen ab. Die Berichte haben ihren Adressaten, die 89. Justizministerkonferenz, erreicht und wurden dort zur Kenntnis genommen. Die Zusammenarbeit in den beiden Arbeitsgruppen bei der Erstellung der Berichte wird durch die Freigabe der Berichte damit nicht mehr berührt.
83Informationen aus abgeschlossenen Vorgängen sind grundsätzlich weniger schutzwürdig als solche aus einem laufenden Arbeitsprozess, in dem sich die Meinungen der beteiligten Akteure erst bilden. Wie die Regelung in § 7 IFG NRW zeigt, die den Entscheidungsbildungsprozess innerhalb einer Behörde oder zwischen Behörden schützt, wird nur der Prozess der Entscheidungsfindung, nicht aber das Ergebnis abgeschlossenen Verwaltungshandelns geschützt. § 7 Abs. 3 S. 1 IFG NRW stellt klar, dass die Geheimhaltung mit dem Ende des Verfahrens nicht mehr erforderlich ist und die nach § 7 Abs. 1 IFG NRW vorenthaltenen Informationen nach Abschluss des jeweiligen Verfahrens zugänglich zu machen sind.
84Dazu passt, dass der Informationszugang auch in dem Fall des § 6 S. 1 Buchst. a IFG NRW, in dem das Bekanntwerden der Information die Beziehungen zu einem Land beeinträchtigen würde, nur aufgeschoben ist. Der Gesetzgeber geht ersichtlich davon aus, dass es Fälle gibt, in denen die Freigabe von Informationen nach einer bestimmten Zeit die Beziehungen zwischen dem beklagten Land und dem Bund oder zu einem anderen Land nicht mehr beeinträchtigen kann.
85Aufgrund der zeitlichen Beschränkung des Zugangsausschlusses nach § 6 S. 1 Buchst. a IFG NRW kann statt auf die abgeschlossene Arbeit der konkreten Arbeitsgruppe auch nicht auf den fortlaufenden, nie abgeschlossenen Prozess der Zusammenarbeit der Länder im Rahmen der Justizministerkonferenz und ihrer Untergremien abgestellt werden. Eine solche Betrachtungsweise würde dazu führen, dass sämtliche Informationen aus der intraföderalen Zusammenarbeit dem Informationszugang dauerhaft entzogen blieben, sofern nicht alle Länder der Freigabe zustimmen. Eine Bereichsausnahme für die intraföderale Zusammenarbeit ist im IFG NRW jedoch, wie bereits ausgeführt, nicht vorgesehen.
86Bei abgeschlossenen Vorgängen muss die anspruchsverpflichtete Stelle nachvollziehbar und tatsachengestützt darlegen, aus welchem Grund die begehrten Berichte nach wie vor besonders sensibel sind und warum sie auch nach Abschluss des Vorgangs nicht herausgegeben werden können.
87Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. März 2017 – 7 C 19/15 - , juris, Rn. 13, zu § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG Bund, wonach es bei abgeschlossenen Vorgängen zu einer Umkehr der Argumentationslast komme.
88Dazu hat das beklagte Land nichts Konkretes vorgetragen. Auch den Stellungnahmen der beteiligten Länder sind keine Anhaltspunkte entnehmen.
89Letztlich stützt sich das beklagte Land - ebenso wie die in der E-Mail-Abfrage befragten Länder - darauf, dass die Arbeitsgruppenarbeit aufgrund langjähriger Übung vertraulich gehandhabt werde, und schließt auf eine Beeinträchtigung der Beziehungen, wenn diese Regel nicht respektiert wird. Damit kann es nicht durchdringen.
90Es ist bereits zweifelhaft, ob eine solche ungeschriebene Vertraulichkeitsvereinbarung zwischen den Ländern den gesetzlichen Auskunftsanspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW ausschließen könnte. Das IFG NRW sieht einen derartigen Ausschlusstatbestand nicht vor. Andernfalls hätten es die in § 2 IFG NRW genannten Stellen in der Hand, den gesetzlich vorgeschriebenen Auskunftsanspruch – über die Ausnahmetatbestände hinaus – willkürlich einzuschränken.
91Vgl. dazu VG Düsseldorf, Urteil vom 21. Oktober 2019 - 29 K 2845/18 -, juris, Rn. 54, m.w.N.
92Selbst wenn man eine Übereinkunft über die Vertraulichkeit für zulässig hielte, müsste darüber hinaus ein objektiv schutzwürdiges Interesse der Arbeitsgruppenmitglieder an der Vertraulichkeit gegeben sein. Daran fehlt es.
93§ 6 IFG NRW schützt ausweislich der amtlichen Überschrift öffentliche Belange. Die Ausschlusstatbestände in § 6 S. 1 Buchst. a bis c IFG NRW sind nach dem Willen des Gesetzgebers eng zu verstehen. Der Schutz der dort aufgeführten Schutzgüter gilt nur für eine bestimmte Zeit. Damit wäre nicht vereinbar, wenn bereits der Umstand, dass die intraföderale Zusammenarbeit in den Arbeitsgruppen traditionell nicht öffentlich stattfindet und ihre Inhalte vertraulich behandelt werden, für sich genommen ohne Hinzutreten eines objektiv anzuerkennenden Schutzbedürfnisses zum Ausschluss des Informationszugangs führte. Die an den Arbeitsgruppen beteiligten Länder hätten den Anspruch auf Informationszugang in der Hand. Eine etwaige Vertraulichkeit kann daher nur bei einem berechtigten Interesse geschützt sein.
94Ein berechtigtes Interesse der beteiligten Länder daran, die beiden streitgegenständlichen Berichte, mit der die Arbeit der Arbeitsgruppen abgeschlossen war, und die der Justizministerkonferenz bereits übergeben wurden, der Öffentlichkeit weiter vorzuenthalten, ist nicht erkennbar. Insbesondere erschließt sich nicht, warum dadurch künftig der Informationsfluss untereinander gehindert werden könnte. Die Berichte enthalten keine vertraulich erhobenen oder übermittelten Informationen, die einem oder mehreren bestimmten Ländern zugeordnet werden können. Diese wären im Übrigen nach § 6 S. 1 Buchst. c IFG NRW geschützt. Die Berichte lassen auch keine Rückschlüsse auf den Gang der Meinungsbildung der beteiligten Länder zu; die einzelnen Beiträge der Mitglieder sind nicht identifizierbar. Es besteht daher nicht die Gefahr, dass unterschiedliche Bewertungen oder Einschätzungen der mitwirkenden Länder nach außen dringen und den Erfolg der Arbeitsgruppe gefährden, der darin besteht, dass sich alle Mitglieder der Arbeitsgruppe auf einen Bericht verständigt haben. Gegen eine Beeinträchtigung des Informationsflusses in der Arbeitsgruppe spricht auch, dass es durchaus Berichte gibt, die veröffentlicht werden. Die Entscheidung darüber wird in der Regel nachträglich getroffen. Das Wissen um eine mögliche spätere Offenlegung der Berichte hindert den Informationsfluss in diesen Arbeitsgruppen jedoch offenbar nicht.
95Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO.
96Die Zulassung der Berufung ergibt sich aus § 124a Abs. 1 S. 1 VwGO. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
97Rechtsmittelbelehrung:
98Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
99Der Antrag kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingereicht werden.
100Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
101Die Berufung ist nur zuzulassen,
1021. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
1032. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
1043. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
1054. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
1065. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
107Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen.
108Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen.
109Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –).
110Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
111Beschluss:
112Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
113Gründe:
114Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz erfolgt.
115Rechtsmittelbelehrung:
116Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird.
117Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
118Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
119Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
120Die Beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
121War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.