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Der Beklagte wird aus dem Beamtenverhältnis entfernt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
2Der Beklagte wurde am 00.00.0000 in C. geboren. Er besuchte dort die Grundschule sowie später das Gymnasium, das er im Jahr 1984 mit dem Abitur abschloss. Hiernach durchlief er eine Ausbildung als Bankkaufmann bei der Sparkasse der Stadt C. X. , die er im Januar 1987 erfolgreich beendete. Zum Sommersemester 1987 nahm er das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität in C. auf. Die erste juristische Staatsprüfung bestand er im Februar 1992, die zweite juristische Staatsprüfung im Februar 1995 jeweils mit der Note „vollbefriedigend" vor dem Justizprüfungsamt C. . Der Beklagte wurde zum 2. Mai 1995 als Referent bei dem Bundesaufsichtsamt für das L. mit Sitz in C. eingestellt. Er wurde am 2. Oktober 1995 als Regierungsrat zur Anstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe berufen. Die Verleihung der Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit erfolgte am 2. Mai 1997. Am 4. Mai 1998 wurde der Beklagte zum Oberregierungsrat befördert.
3Mit der Verlagerung des Bundesaufsichtsamtes für das L. nach C1. wurde der Beklagte mit Wirkung vom 11. Dezember 2000 nach C1. umgesetzt. Zum 1. Mai 2002 wurde das Bundesaufsichtsamt für das L. mit den damaligen Bundesaufsichtsämtern für den X1. und das W. zur Bundesanstalt für G. (C2. ) verschmolzen.
4Der Beklagte wurde nach verschiedenen Verwendungen im Bundesaufsichtsamt für das L. ab dem 1. Mai 2002 in den Referaten X 00, X 00 und X 00 sowie seit April 2016 in der Abteilung X der C2 eingesetzt.
5Der Beklagte wurde zu folgenden Beurteilungsstichtagen wie folgt beurteilt:
615. Juni 1997 als Regierungsrat mit „tritt hervor"
15. Januar 1999 als Oberregierungsrat mit „tritt hervor"
31. März 2000 als Oberregierungsrat mit „tritt hervor"
15. Dezember 2001 als Oberregierungsrat mit „tritt hervor"
15. Februar 2004 als Oberregierungsrat mit „befriedigend"
Juni 2009 als Oberregierungsrat mit „entspricht voll den Anforderungen"
Die dienstlichen Beurteilungen zu den Stichtagen 1. Dezember 2010 und 1. Dezember 2013 wurden in verwaltungsgerichtlichen Verfahren aufgehoben (VG L1. 15 K 1701/14 und 15 K 4710/14).
Der Beklagte verzichtete am 5. März 2016 auf künftige dienstliche Beurteilungen (§ 9 Abs. 2 Nr. 5 der Dienstvereinbarung über die Beurteilung in der C2. ).
Der Beklagte ist ... verheiratet. Er hat vier Kinder: ...
16Der Beklagte ist straf- und disziplinarrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten.
17Die Klägerin leitete mit Verfügung vom 6. November 2015 ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein. Es bestehe der Verdacht der verspäteten Erledigung bzw. Nichterledigung von Arbeitsaufträgen, des verspäteten Dienstantritts in 253 Fällen in Höhe von 240 Stunden und 25 Minuten im Zeitraum vom 14. April 2014 bis zum 16. September 2015 sowie des unangemessenen Verhaltens des Beklagten gegenüber seiner damaligen direkten Vorgesetzten in Referat X, Frau Regierungsdirektorin B. H. .
18Die Ehefrau und Prozessbevollmächtigte des Beklagten erstattete mit Schreiben vom 4. Dezember 2015 Strafanzeige gegen Frau H. wegen des Verdachts einer falschen Verdächtigung zum Nachteil des Beklagten. Das Strafverfahren wurde am 13. Juni 2016 mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Es bestehe kein hinreichender Tatverdacht für ein strafrechtlich relevantes Verhalten der Beschuldigten. Es seien keine zureichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass Frau H. den Beklagten bewusst wahrheitswidrig dienstpflichtwidriger Handlungen beschuldigt haben könnte.
19Die Klägerin dehnte mit Verfügung vom 26. August 2016 das Disziplinarverfahren wegen des Verdachts des verspäteten Dienstantritts in 181 weiteren Fällen in Höhe von insgesamt ca. 381 Stunden im Zeitraum vom 17. September 2015 bis zum 10. August 2016 aus. Gleichzeitig wurde Frau Oberregierungsrätin Dr. N2. –T2. zur Ermittlungsführerin bestellt.
20Der Beklagte stellte mit Schreiben vom 7. September 2016 einen Befangenheitsantrag gegen die Ermittlungsführerin. Mit Schreiben vom 20. November 2016 legte er der Ermittlungsführerin nahe, sich selbst im laufenden Disziplinarverfahren für befangen zu erklären. Die Ermittlungsführerin unterrichtete die Beauftragte der C2. nach § 21 VwVfG über den Befangenheitsantrag. Eine Anordnung zur Mitwirkungsenthaltung der Beauftragten der C2. nach § 21 VwVfG erging nicht. Vielmehr teilte diese mit Schreiben vom 16. August 2018 mit, dass sie keinen Grund erkennen könne, der geeignet sei, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen.
21Die Klägerin dehnte mit Verfügung vom 30. November 2016 das Disziplinarverfahren wegen des Verdachts der pflichtwidrigen Nichtbeachtung der behördlichen Weisung zur amtsärztlichen Untersuchung erneut aus.
22Mit Verfügung vom 11. August 2017 wurden verschiedene Beweisanträge sowie weitere Anträge des Beklagten - unter anderem der Ausschluss von Frau H. als mögliche Zeugin in dem Disziplinarverfahren wegen Besorgnis der Befangenheit - abgelehnt.
23Mit Bescheid vom 2. Dezember 2016 wurde der Beklagte aus der Gleitzeit genommen. Zur Sicherstellung des ordnungsgemäßen Dienstbetriebes wurden ihm mit Wirkung vom 15. Dezember 2016 feste Arbeitszeiten im Rahmen der Regelarbeitszeit Montag bis Freitag 9.15 Uhr bis 17.57 Uhr befristet für zwölf Monate zugewiesen. Sein hiergegen gerichteter Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 6. April 2017 zurückgewiesen. Der Beklagte erhob am 5. Mai 2017 Klage gegen die Festsetzung der Regelarbeitszeit vor dem Verwaltungsgericht L1. (VG L1. 15 K 6498/17).
24Wegen andauernder Verstöße gegen die Kernarbeitszeit wurden dem Beklagten mit Bescheid vom 26. Juni 2018 mit Wirkung vom 1. Juli 2018 erneut feste Arbeitszeiten im Rahmen der Regelarbeitszeit Montag bis Freitag 9.15 Uhr bis 17.57 Uhr auferlegt. Hiergegen legte der Beklagte keinen Rechtsbehelf ein. Der Bescheid ist bestandskräftig.
25Der Beklagte stellte mit Schreiben vom 3. September 2017 weitere Befangenheitsanträge gegen die Referentin im Personalreferat X, Oberregierungsrätin N. –L2. , und den Referatsleiter des Personalreferates X, Regierungsdirektor N3. . Mit E-Mail vom 15. September 2017 wurde die Beauftragte der C2. nach § 21 VwVfG über die Befangenheitsanträge unterrichtet. Eine Anordnung zur Mitwirkungsenthaltung der Beauftragten der C2. nach § 21 VwVfG erging nicht. Vielmehr teilte die Beauftragte mit Schreiben vom 16. August 2018 mit, dass sie keinen Grund erkennen könne, der geeignet sei, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen.
26Die Klägerin dehnte mit Verfügung vom 22. Juni 2018 das Disziplinarverfahren wegen fortgesetzter Kernzeitverletzungen in Höhe von insgesamt rund 993 Stunden in 383 Fällen im Zeitraum vom 11. August 2016 bis zum 7. Mai 2018 erneut aus.
27Der Beklagte wurde im Zusammenhang mit der Einleitung des Disziplinarverfahrens mit Schreiben vom 6. November 2015 angehört. Zu den vorgeworfenen Kernzeitverstößen hatte ihm das für Gleitzeitfragen zuständige Referat X 0 bereits zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Der Beklagte wurde im Zusammenhang mit der Ausdehnung des Disziplinarverfahrens mit Verfügung vom 26. August 2016 und mit Verfügung vom 30. November 2016 angehört. Nach Beendigung der Ermittlungen wurde dem Beklagten mit Schreiben vom 13. April 2018 Gelegenheit gegeben, sich abschließend zu äußern. Im Zusammenhang mit der hiernach erfolgten weiteren Ausdehnung des Disziplinarverfahrens wurde dem Beklagten mit Verfügung vom 22. Juni 2018 erneut Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die abschließende Anhörung nach endgültiger Beendigung der Ermittlungen erfolgte mit Schreiben vom 27. August 2018 und Übersendung des aktualisierten Ermittlungsberichts vom 17. August 2018.
28Der Beklagte stellte am 3. Mai 2018 einen Antrag nach § 62 Abs. 1 BDG, der Klägerin eine Frist zum Abschluss des Disziplinarverfahrens zu setzen (38 K 3981/18.BDG). Die Disziplinarkammer lehnte den Antrag mit Beschluss vom 18. Juli 2018 ab. Der Beschluss ist seit dem 7. August 2018 rechtskräftig.
29Der Beklagte stellte am 12. August 2018 erneut einen Antrag nach § 62 Abs. 1 BDG, der Klägerin eine Frist zum Abschluss des Disziplinarverfahrens zu setzen (38 K 6767/18.BDG). Die Disziplinarkammer lehnte diesen Antrag mit Beschluss vom 14. September 2018 ab. Der Beschluss ist seit dem 23. Oktober 2018 rechtskräftig.
30Die Klägerin hat am 16. November 2018 die vorliegende Disziplinarklage erhoben. Sie wirft dem Beklagten vor, rechtswidrig und schuldhaft seine innerdienstlichen Pflichten verletzt und damit ein Dienstvergehen im Sinne des § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG begangen zu haben, indem er
311. in der Zeit vom 14. April 2014 bis zum 7. Mai 2018 an insgesamt 817 Tagen den Dienst trotz bestehender Kernzeitregelung (Dienstbeginn um spätestens 9.15 Uhr) und Dienstfähigkeit mit Verspätungen zwischen einer Stunde und drei Stunden (insgesamt 1614 Stunden Verspätung) angetreten und damit gegen seine Dienstleistungspflicht aus § 96 Abs. 1 BBG verstoßen habe,
322. ohne hinreichenden Grund der Weisung vom 4. Mai 2016 nicht Folge geleistet habe, sich amtsärztlich begutachten zu lassen und damit gegen die Untersuchungsverpflichtung aus § 44 Abs. 6 BBG verstoßen habe,
333. in der Zeit vom 12. Februar 2014 bis zum 26. Juni 2015, in der er mit der Bearbeitung von insgesamt 114 Beschwerden betraut war, diese Beschwerden entweder nicht oder - bis auf drei Ausnahmen - mit wesentlichen Fristüberschreitungen von durchschnittlich acht Wochen bearbeitet und damit gegen seine Pflicht zum vollen dienstlichen Einsatz und zur qualifizierten Arbeitsweise gemäß § 61 Abs. 1 S. 1 BBG verstoßen habe sowie
344. sich im Zusammenhang mit der Rückgabe zehn unerledigter Vorgänge am 25. März 2015 gegenüber seiner Fachvorgesetzten unangemessen und abwertend verhalten und damit gegen seine innerdienstliche Wohlverhaltensplicht aus § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG verstoßen zu haben.
35Daneben habe er vorsätzlich gegen die ihm obliegende Pflicht nach § 62 Abs. 1 Satz 2 BBG verstoßen, die dienstlichen Anordnungen auszuführen und die allgemeinen Richtlinien zu befolgen.
36Im Einzelnen:
37Zu 1.: Der Beklagte sei am 17. März 2015 von seiner damaligen nächsthöheren Vorgesetzten, Frau D. F. (heute Abteilungsleiterin X 0, vormals Abteilungsleiterin X 0), um 10.30 Uhr im Dienstgebäude am Zeiterfassungsterminal angetroffen worden, als er sich zum Dienstantritt eingebucht habe. Frau F. habe sich daraufhin an die Verwaltung gewandt und um Prüfung des Sachverhalts gebeten.
38Das für Gleitzeitfragen zuständige Referat X 0 (vormals Referat X 0) habe im Zuge der daraufhin durchgeführten Überprüfung festgestellt, dass der Beklagte regelmäßig morgens gegen die geltende Regelung zur Kernarbeitszeit (im Folgenden: Kernzeit) verstoße. Mit Schreiben vom 19. März 2015 hörte Referat X 0 den Beklagten zu den festgestellten Kernzeitverletzungen seit dem 14. April 2014 an.
39Der Beklagte habe den Leiter des für Gleitzeitfragen zuständigen Referats X 0 mit E-Mail vom 25. März 2015 gebeten, ihm eine „morgendliche Karenzzeit" einzuräumen. Er habe keine morgendlichen Termine und die Akten würden nichts „sagen", wenn er nach 9.15 Uhr komme. Mit E-Mail vom 27. Mai 2015 habe das Referat X 0 dem Beklagten mitgeteilt, dass eine Karenzzeit von Amts wegen nicht eingeräumt werden könne. Ein anderer Kernzeitbeginn sei nur im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung oder in begründeten Ausnahmefällen auf Antrag und mit Zustimmung des unmittelbaren Vorgesetzten möglich.
40Mit E-Mail vom 29. Mai 2015 habe der Beklagte daraufhin seine damalige direkte Vorgesetzte, Frau H. (heute Referat X 0, vormals bis 31. Dezember 2015 Referatsleiterin X 0), um Zustimmung für eine „Karenzzeit" gebeten. Über die Gründe habe er seine nächsthöhere Vorgesetzte, Frau F. , informiert. Seiner Referatsleiterin habe er die Gründe nicht benannt. Als Beweis für die Gründe habe er das Zeugnis seiner Ehefrau angeboten. Aufgrund der Unbestimmtheit des Antrags und der fehlenden Darlegung der Gründe habe die Referatsleiterin dem Beklagten mit E-Mail vom 1. Juni 2015 mitgeteilt, dass sie sein Anliegen nicht verstehe und ihm mit weiterer E-Mail vom 2. Juni 2015 anheim gestellt, einen mit Begründung versehenen Antrag über den Dienstweg zu stellen. Mit E-Mail vom 2. Juni 2015 habe der Beklagte seiner Referatsleiterin mitgeteilt, er habe seines Erachtens alle erforderlichen Erklärungen für eine Kernzeitverschiebung abgegeben. Sollte er sich irren, könne er weitere Erklärungen „im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht" abgeben. Bereits am Tag zuvor habe der Beklagte in einer E-Mail gegenüber seiner Referatsleiterin geäußert, der Ansicht zu sein, keine Genehmigung zu brauchen.
41Das für Gleitzeitfragen zuständige Referat X 0 habe mit Schreiben vom 4. August 2015 einen vorsätzlichen Verstoß gegen die Kernzeitregelungen festgestellt, die Einhaltung der regelmäßigen Kernzeiten (Dienstbeginn morgens bis 9.15 Uhr) gegenüber dem Beklagten eingefordert und das Verfahren an Referat X 0 (bis zum 31. Dezember 2015 Referat X 0) zur Prüfung weiterer disziplinarischer Schritte abgegeben. Mit Schreiben vom 24. August 2015 habe der Beklagte dem Vorwurf eines vorsätzlichen Verstoßes gegen die Kernzeitregelungen widersprochen und darauf hingewiesen, dass sein Gleitzeitkonto ein Guthaben aufweise. Mit Schreiben vom 11. September 2015 habe der Beklagte sein Vorbringen vertieft und mitgeteilt, er nehme abends um 21.00 Uhr ein pflanzliches Medikament mit den Inhaltsstoffen Baldrianwurzel, Melissenblätter, Lavendelblüten und Zitronengras ein. Um 24.00 Uhr schlafe er ein. Daher sei er morgens nach der Weckzeit um 7.00 Uhr noch für drei Stunden benommen und könne nicht am Straßenverkehr „usw." teilnehmen. Er habe die Auffassung geäußert, der „Vorschlag" seiner nächsthöheren Vorgesetzten, Frau F. , ein ärztliches Attest für diesen Sachverhalt beizubringen, sei nicht zielführend. Er habe stattdessen seine Ehefrau als Zeugin für den dargestellten Sachverhalt angeboten. Zudem habe er vorgeschlagen, die Betriebsärztin der C2. - nach Vorankündigung - zu einem Termin um 20.55 Uhr zu seiner Wohnungstür zu schicken, die dann beobachten könne, wie er die Tropfen einnehme.
42Mit Einleitung des Disziplinarverfahrens sei im Zeitraum vom 14. April 2014 bis zum 16. September 2015 in insgesamt 253 Fällen ein Dienstantritt nach Kernzeitbeginn festgestellt worden. In den ersten Monaten dieses Zeitraums, nämlich in den Monaten April, Mai, Juni und Juli 2014 habe der Beklagte dabei seinen Dienst nur an vereinzelten Tagen verspätet begonnen und sei im Übrigen rechtzeitig zum Dienst erschienen. Ab August 2014 habe der Beklagte - außer an den dienstfreien Tagen (Krankheit, Gleittage, Urlaub) - an jedem Tag morgens seinen Dienst nach Kernzeitbeginn begonnen. Teilweise sei er nur wenige Minuten verspätet erschienen, größtenteils habe er seinen Dienst mehr als 30 Minuten nach Beginn der Kernzeit begonnen. In 20 Fällen seien Verspätungen in Höhe von jeweils 100 Minuten und mehr zu verzeichnen. Abends habe der Beklagte seinen Dienst regelmäßig zwischen 19.00 Uhr und 20.30 Uhr beendet. Um Entschuldigung habe der Beklagte in keinem Fall gebeten.
43Der Beklagte habe im Rahmen der Anhörung des Disziplinarverfahrens mit Schreiben vom 13. Februar 2016 eine Arztrechnung der kardiologischen SchwerpunktPraxis aus C1. vom 28. Januar 2016 eingereicht, auf welcher als Diagnose „Essentielle Hypertonie" vermerkt sei. Die „Essentielle Hypertonie“ sei der Grund für die beschriebene Medikamenteneinnahme, deren Nebenwirkung eine Verschiebung der Kernzeit nach hinten erfordere.
44Mit Schreiben vom 22. Juni 2016 habe das für Gleitzeitfragen zuständige Referat X 0 das Referat X 0 darüber informiert, dass der Beklagte weiterhin morgens gegen die Kernzeitregelungen verstoße. In diesem Zusammenhang sei der Beklagte mit Schreiben vom 16. Juni 2016 erneut darauf hingewiesen worden, dass seine Kernzeit mangels Zustimmung der Vorgesetzten sowie mangels Vorlage eines ärztlichen Attestes über eine medizinisch indizierte Kernzeitverschiebung nicht verschoben worden sei und er daher die regelmäßigen Kernzeiten einzuhalten habe.
45Mit Schreiben vom 24. August 2016 habe der Beklagte eine ärztliche Bescheinigung von Frau Dr. med. L3. I. , Fachärztin für Innere Medizin, Rettungsmedizin, aus C. , eingereicht. Danach befinde sich der Beklagte dort in einer hausärztlich-internistischen Behandlung und sei aufgrund einer Erkrankung „morgens in Antrieb und Reaktionsschnelligkeit bis auf weiteres eingeschränkt". Unter Bezugnahme auf dieses Attest habe der Beklagte seine Auffassung wiederholt, dass es keines Antrags auf eine Verschiebung der Kernzeit nach hinten bedürfe. Die verschobene Kernzeit ergebe sich vielmehr aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn und sei von Amts wegen zu berücksichtigen.
46Mit Verfügung vom 26. August 2016 sei das Disziplinarverfahren auf weitere 181 verspätete Dienstantritte im Zeitraum vom 17. September 2015 bis zum 10. August 2016 in Höhe von insgesamt rund 381 Stunden ausgedehnt worden. Der früheste Dienstbeginn sei am 27. Oktober 2015 um 10.31 Uhr, der späteste Dienstbeginn am 12. Mai 2016 um 12.12 Uhr erfolgt. Abends habe der Beklagte seinen Dienst regelmäßig zwischen 20.00 und 21.00 Uhr beendet. Zeitweise habe der Beklagte die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit um mehr als die nach § 13 Abs. 2 Satz 1 DV Gleitzeit erlaubten 20 Stunden unterschritten (Zeitraum vom 10. Juni 2016 bis zum 28. November 2016.
47Mit Schreiben vom 23. September 2016 habe das für Gleitzeitfragen zuständige Referat X 0 den Beklagten erneut darauf hingewiesen, dass er weiterhin die Kernzeit verletze. Da kein begründeter Antrag auf Verlegung der Kernzeit vorliege, wurde die Einhaltung der regelmäßigen Kernzeiten weiterhin eingefordert. Der Beklagte sei im Übrigen darauf hingewiesen worden, dass dem mit Schreiben vom 24. August 2016 eingereichten ärztlichen Attest keine ausreichenden Informationen zu entnehmen seien, wie lange die morgendliche Einschränkung der Antriebs- und Reaktionsschnelligkeit jeweils anhalte. Das vorgelegte Attest reiche daher nicht aus, um einen möglichen späteren Beginn der Kernzeit festlegen zu können. Dem Beklagten sei anheim gestellt worden, das Attest konkretisieren zu lassen. Im weiteren Verlauf habe er kein weiteres (konkretisiertes) Attest vorgelegt.
48Der Beklagte sei regelmäßig von dem für Gleitzeitfragen zuständigen Referat X 0 darauf hingewiesen worden, dass sein Verhalten gegen die Regelungen der DV Gleitzeit verstoße. Die Schreiben hätten stets Ausdrucke von Buchungsjournalen des elektronischen Gleitzeitkontos des Beklagten enthalten.
49Aufgrund der anhaltenden verspäteten Dienstantritte sei mit Verfügung vom 22. Juni 2018 letztmalig das Disziplinarverfahren auf weitere 383 Kernzeitverletzungen im Zeitraum vom 11. August 2016 bis zum 7. Mai 2018 in Höhe von insgesamt rund 993 Stunden ausgedehnt worden.
50Der Beklagte habe sein dargestelltes Vorbringen im Rahmen der verschiedenen Anhörungen im Disziplinarverfahren wiederholt. Er habe zudem mit Schreiben vom 13. Mai 2018 eine „schriftliche Zeugenaussage" seiner Ehefrau übersandt, in der diese die abendliche Medikamenteneinnahme, die morgendliche Einschränkung des Sprachvermögens sowie die starke Verlangsamung von Reaktion und Bewegung und den Umstand bestätigt habe, dass sich der Beklagte nach Abklingen der Symptome morgens sofort auf den Weg in den Dienst mache. Zudem sei die Anordnung zur amtsärztlichen Untersuchung der Dienstfähigkeit vom 4. Mai 2016 wegen des laufenden Disziplinarverfahrens rechtswidrig, weil eine solche Anordnung im Bundesdisziplinargesetz nicht vorgesehen sei. Selbst wenn seine Rechtsauffassung nicht zutreffend sei, hätte er sich nur geirrt und infolgedessen schuldlos gehandelt. Im Übrigen werde die Frage, ob das Attest von Frau Dr. I. ausreichend sei, gerade vor dem Verwaltungsgericht in L1. (15 K 6498/17) verhandelt, weshalb er bis zur gegenteiligen Entscheidung davon ausgehen dürfe, dass das Attest ausreichend sei. Schließlich sei er zur regelmäßigen abendlichen Einnahme des beschriebenen Medikaments gegen seine Bluthochdruckerkrankung verpflichtet, um seine Dienstfähigkeit zu erhalten.
51Seit dem 1. Juli 2018 würden für den Beklagten aufgrund des bestandskräftigen Bescheides zur Festsetzung seiner Arbeitszeiten vom 26. Juni 2018 feste Arbeitszeiten im Rahmen der Regelarbeitszeit Montag bis Freitag 9.15 Uhr bis 17.57 Uhr gelten. Seither halte sich der Beamte an den vorgegebenen Arbeitszeitbeginn um 9.15 Uhr. Er trage vor, eine Neuerscheinung auf dem medizinischen Markt, d.h. eine geänderte Medikation, sei Grund dafür, dass er nunmehr die festen Arbeitszeiten einhalten könne.
52Zu 2: Das Referat für Personalwesen X 0 habe mit Schreiben vom 4. Mai 2016 das Gesundheitsamt der Stadt C1. beauftragt, den Beklagten auf seine Dienstfähigkeit nach § 48 BBG zu untersuchen. Anlass für den Untersuchungsauftrag seien telefonische sowie schriftlich getätigte Äußerungen des Beklagten zu seinem Gesundheitszustand im Zusammenhang mit einer geplanten Zuordnung eines anderen Dienstzimmers. Er habe in einem Telefonat im Hinblick auf die Lage des Büros (Erdgeschoss, Einsehbarkeit, viel Verkehr) und unter Hinweis auf sein Schlaganfall- und Herzinfarktrisiko um Zuteilung eines anderen Büros gebeten. Der Beklagte habe vorgetragen, unter hohem Blutdruck zu leiden und bereits bei verschiedenen Ärzten vorstellig geworden zu sein. Dort sei er auch auf ein erhöhtes Herzinfarktrisiko hingewiesen worden. Die Ursachen des Bluthochdruckes seien noch nicht geklärt. Die kardiologischen Untersuchungen seien noch nicht abgeschlossen. Die Standardmedikamente (Betablocker) seien in seinem Fall hoch riskant, weil die Auswirkung auf ihn nicht abzuschätzen sei. Deshalb nehme er ein Mittel auf pflanzlicher Basis, das wie ein Betäubungsmittel wirke. Je nach Bluthochdruck würde er es dosieren und sei deshalb morgens oft noch durch die Wirkung beeinträchtigt.
53Der Beklagte habe mit Schreiben vom 26. Juni 2016 erklärt, dass er die Untersuchungsanordnung für offensichtlich rechtswidrig und daher für bedeutungslos halte. Zur Begründung habe er angeführt, die Untersuchungsanordnung erwecke den Eindruck, ihn einschüchtern zu wollen „mit der versteckten Drohung, dass er in den Ruhestand versetzt würde, wenn er sich im Disziplinarverfahren mit den vorliegenden Beweisanträgen usw. verteidige“. Solange das Disziplinarverfahren anhängig sei, sei er nicht zur Mitwirkung verpflichtet.
54Dieses Schreiben sei als Widerspruch gewertet worden, welcher mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2016 zurückgewiesen worden sei. Die Bescheide seien bestandskräftig.
55Nachdem der Beklagte auch der zweiten und dritten Untersuchungsaufforderung vom 9. Juni 2016 bzw. vom 3. August 2016 nicht gefolgt sei, sei er mit Schreiben vom 19. September 2016 letztmalig aufgefordert worden, sich nach Weisung des Dienstherrn amtsärztlich untersuchen zu lassen. Dem Beklagten seien bei Nichtbefolgung der Weisung disziplinarische Konsequenzen angedroht worden. Er sei der Weisung gleichwohl nicht nachgekommen.
56Zu 3.: In der Zeit vom 12. Februar 2014 bis zum 26. Juni 2015 sei der Beklagte mit der Bearbeitung von insgesamt 114 Beschwerden betraut worden. Das Referat X 0 (Referatsleiterin: Frau H. ) bearbeite jährlich zwischen 6000 und 7000 Beschwerden. Der durchschnittliche Zeitaufwand für die Bearbeitung einer Beschwerde belaufe sich nach Einschätzung des Referates X 0 auf 286 Minuten, also rund 4,7 Stunden. Das seien - gerechnet mit einer 41-Stundenwoche - acht Beschwerden pro Woche, also durchschnittlich rund 32 Beschwerden im Monat. Hinzu komme die Qualitätssicherung durch Beschäftigte des höheren Dienstes (Erfüllungsaufwandsmessung der Beschwerdereferate X 00 und X 00 im Rahmen einer Anfrage des Statistischen Bundesamtes). Vergleichbare Zeitaufwände gebe es im Schwesterreferat X 0, das durchschnittlich 350 Minuten, also 5,8 Stunden, für die Beschwerdebearbeitung aufwende. Hinzu komme ein Bearbeitungsaufwand durch Beschäftigte des höheren Dienstes von ca. 30 Minuten (Erfüllungsaufwandsmessung der Beschwerdereferate X 0 und X 0) im Rahmen einer Anfrage des Statistischen Bundesamtes).
57Die Zuweisung der Beschwerdevorgänge an den Beklagten sei ausschließlich durch die Referatsleiterin, Frau H. , oder - während ihrer Urlaubsabwesenheit - durch ihren Vertreter, Herrn Dr. U. , erfolgt. Die Qualitätssicherung und Wahrung des Vier-Augen-Prinzips habe die Referatsleiterin übernommen. Dem Beklagten seien ausschließlich solche Vorgänge übertragen worden, in denen eine Stellungnahme des betroffenen Instituts bereits vorgelegen habe. Die Fälle seien von durchschnittlicher Schwierigkeit gewesen und hätten der Bandbreite der in den Beschwerdeverfahren auftretenden Schwierigkeitsskala entsprochen.
58Von den 114 Beschwerden habe der Beklagte drei Beschwerden innerhalb der vorgegebenen Zwei-Wochen-Frist erledigt und 93 Beschwerden habe er mit wesentlichen Fristüberschreitungen von durchschnittlich acht Wochen bearbeitet. Fünf vorgelegte Beschwerdebearbeitungen seien unbrauchbar gewesen und seien einem anderen Bearbeiter übertragen worden. 13 weitere Beschwerden habe er nach mehreren Monaten unerledigt an seine Referatsleiterin zurückgegeben.
59Im Einzelnen:
60Zeitraum: 12. Februar 2014 bis zum 18. Januar 2015
61Im Zeitraum vom 12. Februar 2014 bis zum 18. Januar 2015 seien dem Beklagten 57 Beschwerden zur Bearbeitung übertragen worden. Der Beklagte habe über diesen Zeitraum verteilt jeweils zwischen ca. zehn und 20 Beschwerden erhalten, welche er innerhalb der nächsten zwei Wochen bearbeiten sollte. Da der Beklagte bereits im August 2014 enorme Bearbeitungsrückstände gehabt habe, sei ab September 2014 eine weitere Zuteilung unterblieben, um dem Beklagten in der Folgezeit Gelegenheit zu geben, die Rückstände abzubauen. Wegen der überlangen Bearbeitungsdauer sei es außerdem ab der zweiten Jahreshälfte verstärkt zu Folgebeschwerden der Beschwerdeführer gekommen. Von den 57 Beschwerden habe der Beklagte im Februar drei Beschwerden fristgemäß erledigt. Weitere 39 Bearbeitungen habe er verspätet abgegeben, wobei sich die Verspätungen zwischen einer Woche und 21 Wochen bewegt hätten. In fünf Fällen seien die Bearbeitungen gänzlich unbrauchbar gewesen, weshalb sie einem anderen Bearbeiter übertragen worden seien. In zehn Fällen habe der Beklagte die Beschwerden nach sieben Monaten unerledigt zurückgegeben. Damit habe der Beklagte von den 57 übertragenen Beschwerden 42 Stück in verwertbarer Weise über einen Zeitraum von rund elf Monaten bearbeitet, d.h. er habe rund vier Beschwerden pro Monat erledigt. Neben den zugewiesenen Beschwerdevorgängen habe der Beklagte (weisungswidrig) noch acht Vorgänge aus der Zeit vor dem 12. Februar 2014 bearbeitet. Die Bearbeitung sei erfolgt, obwohl die Referatsleiterin, Frau H. , den Beklagten am 12. Februar 2014 angewiesen hatte, keine Altvorgänge mehr zu bearbeiten, sondern diese unbearbeitet an sie zurückzugeben, was der Beklagte in Bezug auf 34 Altfälle auch getan habe.
62Zeitraum: 19. Januar 2015 bis zum 26. Juni 2015
63In einem Gespräch am 19. Januar 2015 habe die Referatsleiterin, Frau H. , mit dem Beklagten eine zeitlich engere Zuweisung und Bearbeitungskontrolle von Beschwerdevorgängen vereinbart. Der Beklagte habe montags maximal vier neue Vorgänge zur Bearbeitung zugewiesen bekommen, die er mit Frist jeweils bis Freitag der Folgewoche bearbeitet oder unbearbeitet an die Referatsleiterin zurückgeben sollte. Damit habe sich der Beklagte ausdrücklich einverstanden erklärt, da er die Bearbeitung von vier Vorgängen innerhalb von zwei Wochen für machbar gehalten habe.
64Im Zeitraum vom 19. Januar 2015 bis zum 26. Juni 2015 seien dem Beklagten auf diese Weise (wiederum) 57 Vorgänge zur Bearbeitung zugewiesen worden. Davon habe er 54 Bearbeitungen verspätet abgegeben, wobei sich die Verspätungen zwischen einer Woche und 35 Wochen bewegten. Drei Vorgänge habe der Beklagte am 27. Juli 2015 nach drei Monaten unbearbeitet zurückgegeben. Von den 57 Beschwerden habe der Beklagte mithin 54 Beschwerden in einem Zeitraum von achteinhalb Monaten bearbeitet, d.h. rund sechs Beschwerden pro Monat.
65Der Beklagte habe sich zu den vorgeworfenen Fristüberschreitungen bzw. unerledigten Rückgaben im Rahmen der Anhörungen wie folgt geäußert: Er halte die Beschwerdebearbeitung grundsätzlich für sinnlos, da insbesondere nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Prüfung und Durchsetzung individueller Ansprüche nicht in den Aufgabenbereich der C2. falle. Es reiche daher aus, wenn die C2. lediglich auf die gesetzlichen Zuständigkeiten und die Schlichtungsstellen der Kreditwirtschaft hinweise. Die Beschwerdebearbeitung solle sich darauf beschränken, den Beschwerdeführern ein „Merkblatt über die tatsächlichen Zuständigkeiten (Amtsgerichte für Beratungshilfegesetz, Schuldnerberatungsstellen, Verbraucherschutzzentralen, Schlichtungsstellen) und ggf. eine Stellungnahme der Banken mit einem Textbausteinhinweis auf die Zuständigkeiten" zu übersenden. Würde man die Beschwerdebearbeitung so organisieren, würden auch keine Bearbeitungsfristen laufen. Es entstehe den hilfesuchenden Verbrauchern kein Schaden, wenn er die „zeitliche Wunschvorstellung" der Referatsleiterin, Frau H. , nicht einhalte. Im Übrigen seien die Verbraucher mit ihren privaten Bankproblemen bei den Verbraucherschutzzentralen ohnehin besser aufgehoben.
66Der Beklagte rechtfertige seine Fristüberschreitungen - im Wesentlichen pauschal - mit der vermeintlich hohen Qualität seiner Arbeiten sowie damit, dass die Arbeitsanweisungen und vermeintlich unrichtigen Korrekturen der Referatsleiterin ihn zeitlich ausgebremst hätten. Zudem habe die Referatsleiterin, Frau H. , ihm gegenüber eine „individuelle Bearbeitung aller Vorgänge" angeordnet. Darüber hinaus habe er im Verhältnis zu den übrigen Kollegen im Referat die schwierigsten Fälle übertragen bekommen. Insgesamt habe er sich aufgrund seiner vorgetragenen persönlichen Spezialisierung im Bereich des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie „der zivilrechtlichen Relationstechnik", u.a. über die Vorschriften zur Anlageberatung zeitaufwändig informieren müssen.
67Der Beklagte bestreite zudem vorsorglich, die aufgeführten Fälle überhaupt zugeteilt bekommen zu haben. Daneben behaupte er, er habe Fälle bearbeitet, die in den Listen nicht aufgeführt seien. Um welche Fälle es sich dabei handeln soll, trage der Beklagte nicht vor.
68Der Beklagte weise auch darauf hin, dass im Zusammenhang mit seiner Erkrankung (Bluthochdruck) möglicherweise eine Leistungsminderung hinsichtlich der Stückzahlen eingetreten sein könnte. Es könne sein, dass er über einen gewissen Zeitraum nicht herausragende Leistungen, sondern nur sehr gute Leistungen erbracht habe. Da disziplinarrechtlich nur von dem Leistungsvermögen eines durchschnittlichen Beamten und nicht von seinem individuellen Leistungsvermögen auszugehen wäre, könne man ihm daher auch keinen Vorwurf machen. Zumindest habe er wegen der möglicherweise gesundheitlich begründeten Leistungsminderung nicht schuldhaft gegen seine Dienstpflichten verstoßen. Nicht zuletzt seien zeitliche Beanstandungen bei der Beschwerdebearbeitung im Rahmen der dienstlichen Beurteilung und nicht in einem Disziplinarverfahren zu bewerten.
69Zu 4.: Die (damalige) Referatsleiterin, Frau H. , habe dem Beklagten mit wiederholter Weisung vom 6. März 2015 aufgetragen, die ihm bereits im August 2014 zugewiesenen zehn Beschwerdevorgänge zu bearbeiten. Soweit dies nicht möglich sein sollte, habe sie um Rückgabe der Vorgänge unter Angabe der Bearbeitungshinderungsgründe gebeten. Im Zusammenhang mit der Rückgabe der unerledigten Beschwerdevorgänge an die Referatsleiterin Frau H. am 25. März 2015 habe der Beklagte geschrieben:
70„Sehr geehrte Frau H. , bitte versuchen Sie doch wenigstens einmal, die beigefügten Vorgänge als meine Vertreterin eigenständig - d. h., auch ohne ständig bei anderen Beschäftigten des Ref. X 00 nachzufragen - zu bearbeiten. Ich stehe dann nach meinem Urlaub gerne als Mitzeichnungspartner zur Verfügung und kann. Ihnen dann auch gerne erläutern, was Sie falsch gemacht haben. Mit freundlichen Grüßen / N. / 00/0".
71Darüber hinaus hätten alle zurückgegebenen unbearbeiteten Beschwerdevorgänge die Verfügung „m.d.B.u. eigenständige Übernahme" enthalten.
72Der Beklagte habe sich zum vorgeworfenen unangemessenen Verhalten im Rahmen der Anhörungen wie folgt geäußert: Die schriftliche Äußerung im Zusammenhang mit der Rückgabe der im August/September 2014 zur Bearbeitung übertragenen Beschwerdevorgänge am 25. März 2015 sei angemessen gewesen, weil es der Sinn einer Urlaubsvertretung sei, dass diese einen Teil der Arbeit des Vertretenen übernehme. Zudem würden sich in den Sommermonaten die Büroräume auf über 35 Grad erwärmen, weshalb es „völlig richtig" gewesen sei, die Fälle an die Referatsleiterin, Frau H. , zur eigenen Bearbeitung „weiterzuleiten". Schließlich würde das Beamtenrecht keine Zensur von Meinungsäußerungen von Beamten im innerdienstlichen Verhältnis kennen. Sollte sich die Referatsleiterin durch derartige Äußerungen herabgesetzt fühlen, dürfte dies wohl an ihrer „mangelnden Souveränität“ liegen.
73Es werde mit der Disziplinarklage die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis angestrebt. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme werde zunächst die Schwere des Dienstvergehens berücksichtigt.
74Es sei dem Beklagten die enorme Anzahl an erheblichen und vorsätzlichen Kernzeitverletzungen - es seien insgesamt 817 verspätete Dienstantritte in Höhe von insgesamt rund 1614 Stunden innerhalb eines Zeitraums von rund 49 Monaten festgestellt worden - besonders vorzuwerfen. Das vorsätzliche unerlaubte Fernbleiben vom Dienst des Beklagten durch die morgendlichen Kernzeitverletzungen erstrecke sich über einen Zeitraum von 49 Monaten. Dabei sei zu seinen Lasten zu gewichten, dass er die Kernzeitverletzungen über mehrere Jahre hinweg in erheblichem zeitlichen Umfang begangen habe und er sich trotz vielfacher Schreiben und Hinweise des für Gleitzeitfragen zuständigen Referates X 0 sowie des eingeleiteten Disziplinarverfahrens mit dessen mehrfachen Ausdehnungsverfügungen und Wertungen des morgendlichen Fernbleibens als Dienstvergehen nicht davon habe abhalten lassen, weiterhin gegen die Kernzeitbestimmungen zu verstoßen.
75Die außergewöhnlich langen Bearbeitungszeiten hätten zu einem höheren Arbeitsaufwand im Referat geführt. Trotz wiederholter Gespräche mit seiner Vorgesetzten habe sich der Beklagte nicht bemüht, sein dienstliches Verhalten entsprechend zu ändern. Vielmehr habe er versucht, sein quantitatives Leistungsdefizit unter anderem mit der - seiner Ansicht nach - Sinnlosigkeit der Fallbearbeitung zu rechtfertigen. Die damit zum Ausdruck gebrachte Gleichgültigkeit gegenüber seiner dienstlichen Verantwortung kommt im Hinblick auf den Vorwurf erschwerend hinzu. Durch die bewusst verspätete Erledigung bzw. Nichterledigung der zur Bearbeitung übertragenen Beschwerdevorgänge in einer Vielzahl von Fällen über einen Zeitraum von knapp eineinhalb Jahren habe der Beklagte daher nicht „nur" beamtenrechtliche Nebenpflichten verletzt, sondern habe im Kernbereich der ihm obliegenden Dienstpflichten versagt.
76Es könne nicht zu Gunsten des Beklagten berücksichtigt werden, dass durch das Fehlverhalten des Beklagten kein Schaden entstanden sei, weil er die Kernzeitversäumnisse hereingearbeitet habe. Denn der Dienstherr müsse sich darauf verlassen können, dass während der Kernzeit alle Beamten verfügbar seien. Andernfalls würde er keine Kernzeit festlegen.
77Die besondere Schwere des Dienstvergehens ergebe sich zudem aus der qualitativ vielseitigen Gesamtheit aller Vorwürfe. Es handele sich vorliegend um Einzelsachverhalte aus verschiedenen dienstlichen Bereichen, wobei diese nicht nur das Weisungsverhältnis zwischen dem Beklagten und seiner ehemaligen Referatsleiterin, Frau H. , beträfen. Auch gegenüber der inneren Verwaltung (insbesondere Gleitzeitstelle, Personalreferat) hätten die voneinander unabhängigen Verstöße wiederholt stattgefunden. In allen Fällen sei der Beklagte uneinsichtig und stelle seine persönliche Meinung sowie Rechtsansichten über die von allen Beschäftigten der C2. zu beachtenden Regelungen.
78Es sei auch das Persönlichkeitsbild angemessen zu berücksichtigen. Der Beklagte habe seit dem Behördenumzug von C. nach C1. und dem damit verbundenen Dienstortwechsel einen deutlichen Motivations- und Leistungsabfall gezeigt. Nach der Umsetzung vom Rechtsreferat (X 0) in das Beschwerdereferat (Referat X 0) bzw. X 0 (Nachfolgereferat von X 0) ab dem 1. Oktober 2009 habe der Beklagte Probleme gehabt, seine Aufgaben anzuerkennen. Aus Gründen der Deeskalation und zum Schutz der Referatsleiterin, Frau H. , sei er ab dem 21. April 2016 in die Abteilung X als juristischer Referent umgesetzt worden, wo er zunächst direkt der Exekutivdirektorin der X3. , Frau S. , und später nach Besetzung des Abteilungsleiterpostens dem Abteilungsleiter X, Herrn C3. , unterstellt war.
79Der Beklagte sei ein erfahrener Beamter des höheren Dienstes. Er lehne die C2. nicht nur allgemein als Behörde, sondern auch als Dienstherr ab. Die Einstellung zu seiner Tätigkeit bzw. zu den Aufgaben der C2. insgesamt sowie seine Respektlosigkeit gegenüber seiner ehemaligen Vorgesetzten und den Weisungen seiner Dienstvorgesetzten spiegelten sich in den diversen Schreiben seiner Bevollmächtigten wider, deren Inhalte dem Beklagten im Hinblick auf die Beurteilung seiner Persönlichkeit zuzurechnen seien. Das dienstliche Verhalten des Beklagten habe bereits in der Vergangenheit vielfach Anlass für Mitarbeitergespräche zwischen ihm und seiner ehemaligen Vorgesetzten gegeben. Auch seitens der Gleitzeitstelle sei der Beklagte viele Male schriftlich aufgrund der zahlreichen Kernzeitverletzungen ermahnend darüber informiert worden, dass solche Verstöße disziplinarrechtliche Folgen haben können. Dies und auch schließlich die Einleitung und mehrfache Ausdehnung des Disziplinarverfahrens hätten ihn über lange Zeit hinweg völlig unbeeindruckt gelassen. Erst nach der wiederholten Drohung einer Feststellung des Verlusts von Bezügen und nach Zustellung der erneuten Ausdehnungsverfügung im Disziplinarverfahren habe der Beklagte in ausschließlich eigenem Interesse entschieden, die vorgegebenen Arbeitszeiten nunmehr einzuhalten.
80Der Beklagte werde seit der Umsetzung aus Gründen der Deeskalation ausschließlich mit einfachen bzw. mittelschweren Fallbearbeitungen und Fragestellungen (aus allen Aufsichtsbereichen der C2. ) befasst. Diese Aufgaben erledige der Beklagte nach Einschätzung der beiden Vorgesetzten innerhalb der großzügig gesetzten Fristen noch entsprechend den Anforderungen, wobei er trotz des niedrigen Levels (vergleichbar mit Aufgaben im Rahmen der Referendarausbildung) weitgehend mit seinen Ergebnissen an der Oberfläche bleibe. Des Weiteren seien seine Ergebnisse nur sehr selten direkt und umfänglich verwertbar. Über sein dienstliches Verhalten gegenüber den Vorgesetzten seit seiner Umsetzung in die Abteilung X könne derzeit keine Aussage getroffen werden, welche sich im Hinblick auf eine Disziplinarmaßnahme mildernd auswirken könnte. Mit dem Beklagten werde in seiner jetzigen Position lediglich per E-Mail und ausschließlich im Zusammenhang mit der Aufgabenerledigung kommuniziert. Bisher sei dies ohne weitere Probleme erfolgt. Hierbei sei jedoch zu berücksichtigen, dass seine derzeitige Position kein Konfliktpotenzial biete und es deshalb dem Beklagten nicht mildernd zuzurechnen sei, dass es zu keinen weiteren Problemen zwischen ihm und seinen Vorgesetzten gekommen sei. Es seien insofern individualisierte Rahmen- und Arbeitsbedingungen geschaffen worden. Ein solcher Arbeitsplatz sei nicht vergleichbar mit den Anforderungen, die an alle anderen Beamten der C2. gestellt werden.
81Es könne keine Prognose abgegeben werden, der Beklagte werde künftig zuverlässig seinen Dienst pünktlich antreten. Denn an der Uneinsichtigkeit des Beklagten gegenüber den Regeln des Dienstherrn habe sich nichts geändert. Er habe seine Pünktlichkeit mit der Wirkung eines - angeblich - neuen Medikaments erklärt. Eine Akzeptanz der behördlichen Regeln sowie der Nachweis- und Mitwirkungspflichten, komme darin nicht zum Ausdruck, geschweige denn eine Bekundung von Reue oder Einsicht. Insofern komme dem Umstand, dass der Beklagte sich aktuell an die Arbeitszeitvorgaben halte, keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu.
82Im Hinblick auf ein funktionierendes Vertrauensverhältnis müsse sich der Dienstherr darauf verlassen können, dass seine Beamtinnen und Beamten im Rahmen der beamtenrechtlichen Kernpflichten ihre Dienstleistungen ordnungsgemäß erbringen und Weisungen befolgen. Vorliegend sei bereits aufgrund der Schwere des Dienstvergehens, welches sich aus zahlreichen einzelnen Verstößen zusammensetze, eine negative Prognose dahingehend zu stellen, dass keine Disziplinarmaßnahme mehr in Betracht komme, welche geeignet sei, das dienstliche Verhalten des Beklagten zu ändern. Der Beklagte zeige kein Einsehen oder verspreche Besserung. Dies zeige sich am besten im Zusammenhang mit der fehlenden Bereitschaft, ein ausreichendes Attest für die von ihm gewünschte Verschiebung der Kernzeit beizubringen. Er ist der Auffassung, selbst die Anforderungen an die Beschaffenheit des Attestes stellen zu können. Dieser Konflikt mache nachhaltig deutlich, dass der Beklagte keinerlei Interesse habe, an einer Lösung des Problems mitzuwirken. Er stelle vielmehr seine eigenen Maßstäbe über die Wertungen und Weisungen seiner Vorgesetzten bzw. die allgemeingültigen Vorgaben und sei dahingehend unbelehrbar. Durch das regelmäßige Infragestellen der Aufgaben der C2. - damit beabsichtige der Beklagte insbesondere seine quantitativ schlechte Arbeitsleistung zu rechtfertigen - bringe er zum Ausdruck, dass er die C2. insgesamt als Behörde und somit als Dienstherr ablehne. Der Beklagte habe auch keinerlei Scheu, diese Ablehnung sowohl in Personalgesprächen als auch durch seine Bevollmächtigte wiederholt deutlich zu machen. Der Beklagte zeige kein Interesse daran, eine positive Änderung im Hinblick auf das Dienstverhältnis herbeizuführen.
83Die Disziplinarkammer hat der Klägerin mit Beschluss vom 17. April 2019 zur Einreichung einer inhaltlich hinreichend bestimmten Klageschrift eine Frist bis zum 30. April 2019 gesetzt. Die Klägerin hat innerhalb der Frist eine neugefasste Disziplinarklageschrift vom 29. April 2019 samt Anlagen eingereicht. Die Anlagen 1 bis 3 enthalten die Buchungsjournale für den Zeitraum vom 14. April 2014 bis zum 16. September 2015 (Anlage 1), für den Zeitraum vom 17. September 2015 bis zum 10. August 2016 (Anlage 2) sowie für den Zeitraum vom 11. August 2016 bis zum 7. Mai 2018 (Anlage 3). Die Anlage 4 enthält eine (großformatige) Übersicht über die Beschwerdebearbeitung des Beklagten. Die neugefasste Disziplinarklageschrift samt Anlagen wurde der Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 2. Mai 2019 per Post übersandt.
84Die Klägerin beantragt,
85den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
86Der Beklagte beantragt,
87die Klage abzuweisen.
88Er ist der Klage umfangreich entgegen getreten. Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem Disziplinarverfahren und den vorangegangenen gerichtlichen Verfahren und macht auf die Sache bezogen über seine Prozessbevollmächtigte schriftlich im Wesentlichen geltend:
89Zu 1.: Er habe nicht gegen die Kernzeitregelung verstoßen. Er habe Anspruch auf eine Ausnahme. Er habe Frau F. über die Gründe informiert. Er sei morgens dienstunfähig. Dies ergebe sich aus Bescheinigungen der Schwerpunktpraxis C1. vom 28. Januar 2016 und von Frau Dr. I. vom 16. August 2016. Er habe alle erforderlichen Erklärungen abgegeben. Im Übrigen brauche er keine Genehmigung. Ärztliche Atteste seien nicht zielführend. Nicht zuletzt halte er aufgrund eines neuen Medikaments seit dem 1. Juli 2018 die Kernzeit ein.
90Zu 2.: Die Untersuchungsanordnung sei offensichtlich rechtswidrig und daher bedeutungslos. Während der Dauer des Disziplinarverfahrens sei er nicht zur Mitwirkung verpflichtet. Zudem sei die Maßnahme nach § 81a StPO unzulässig.
91Zu 3.: Er halte die Beschwerdebearbeitung für sinnlos. Die Beschwerdebearbeitung solle sich darauf beschränken, den Beschwerdeführern ein „Merkblatt über die tatsächlichen Zuständigkeiten und ggf. eine Stellungnahme der Banken mit einem Textbausteinhinweis auf die Zuständigkeiten zu übersenden. Würde man die Beschwerdebearbeitung so organisieren, würden auch keine Bearbeitungsfristen laufen. Es entstehe den hilfesuchenden Verbrauchern kein Schaden, wenn er die „zeitliche Wunschvorstellung" der Referatsleiterin, Frau H. , nicht einhalte. Im Übrigen seien die Verbraucher mit ihren privaten Bankproblemen bei den Verbraucherschutzzentralen ohnehin besser aufgehoben.
92Die Fristüberschreitungen seien der hohen Qualität seiner Arbeiten geschuldet. Zudem hätten ihn die Arbeitsanweisungen der Referatsleiterin zeitlich ausgebremst. Zudem habe die Referatsleiterin ihm gegenüber eine „individuelle Bearbeitung aller Vorgänge" angeordnet. Darüber hinaus habe er im Verhältnis zu den übrigen Kollegen im Referat die schwierigsten Fälle übertragen bekommen. Insgesamt habe er sich aufgrund seiner persönlichen Spezialisierung zeitaufwändig informieren müssen.
93Nicht zuletzt könne im Zusammenhang mit dem Bluthochdruck möglicherweise eine Leistungsminderung eingetreten sein. Es könne sein, dass er über einen gewissen Zeitraum nicht herausragende Leistungen, sondern nur sehr gute Leistungen erbracht habe.
94Zu 4.: Seine schriftliche Äußerung sei nett gemeint und als Hilfsangebot zu verstehen gewesen.
95Darüber hinaus macht der Beklagte insbesondere in der mündlichen Verhandlung geltend:
96Er mache sich den Vortrag aus dem Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 22. April 2019, Blatt 9, 3. Absatz nicht zu Eigen. Im Übrigen müsse er zunächst in Ruhe prüfen, welche Teile des schriftlichen Vortrags seiner Prozessbevollmächtigten er sich zu Eigen mache und welche Teile nicht.
97Er begehre eine förmliche Zustellung der neu gefassten Disziplinarklageschrift samt Anlagen durch Postzustellungsurkunde. Die Übergabe einer vollständigen Kopie samt Anlagen durch den Vorsitzenden der Disziplinarkammer verweigere er.
98Selbstverständlich müssten gesetzliche Aufgaben erledigt werden. Er habe im Rahmen der Organisationsuntersuchung Verbesserungsvorschläge gemacht zu einer effektiveren Erledigung einer gesetzlichen Aufgabe. Selbstverständlich führe er sämtliche Weisungen aus und selbstverständlich erledige er jede gesetzliche Aufgabe und selbstverständlich halte er sich dabei an das Beamtenrecht.
99Zudem trägt er zu seiner aktuellen Situation in der Bundesanstalt für G. vor.
100Die Beteiligten sind in der mündlichen Verhandlung ausführlich angehört worden. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
101Der Beklagte hat bereits am 27. Februar 2019 einen Antrag auf Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von Bezügen nach § 63 BDG gestellt. Dieser war indes gegen die Anhörung vom 19. Februar 2019 zu einer beabsichtigten vorläufigen Dienstenthebung und Einbehaltung von Bezügen gerichtet. Nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen hat das Gericht das Verfahren mit Beschluss vom 2. Mai 2019 eingestellt (38 L 682/19.BDG).
102Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte, der Gerichtsakten 38 K 3981/18.BDG, 38 K 6767/18.BDG und 38 L 682/19.BDG sowie der beigezogenen Personal- und Disziplinarakten ergänzend Bezug genommen.
103Entscheidungsgründe:
104Das Gericht entscheidet über die Klage, denn es konnte die Terminsverlegungsanträge des Beklagten ablehnen. Nach § 3 Abs. 1 BDG i.V.m. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Termin aus „erheblichen Gründen“ verlegt werden. Solche Gründe lagen für eine Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung nicht vor:
105(1) Terminsverlegungsantrag vom 7. Mai 2019
106Die Disziplinarkammer konnte diesen Terminsverlegungsantrag durch Beschluss vom 10. Mai 2019 ablehnen. Erhebliche Gründe waren nicht daraus herzuleiten, dass der Beklagte und seine Prozessbevollmächtigte die neu gefasste Disziplinarklageschrift vom 29. April 2019 samt Anlagen mit der ursprünglichen Disziplinarklageschrift vom 9. November 2018 vergleichen wollten. Hierfür stand ein ausreichender Zeitraum zur Verfügung. Dabei gingen der Beklagte und seine Prozessbevollmächtigte selbst davon aus, dass die neu gefasste Disziplinarklageschrift vom 29. April 2019 samt Anlagen am selben Tag (7. Mai 2019) oder am Folgetag (8. Mai 2019) durch die Post übermittelt werden würde. Der Beklagte und seine Prozessbevollmächtigte haben trotz entsprechender Absprache und trotz telefonischer Nachfrage der Geschäftsstelle der Kammer am 9. Mai 2019 nicht mitgeteilt, dass sie die neu gefasste Disziplinarklageschrift vom 29. April 2019 samt Anlagen nicht erhalten hätten. Die Disziplinarkammer durfte deshalb davon ausgehen, dass die neu gefasste Disziplinarklageschrift vom 29. April 2019 samt Anlagen mittlerweile dort vorliegt. Der Beklagte und seine Prozessbevollmächtigte hatten mithin ausreichend Zeit, den gewünschten Vergleich durchzuführen, da die Änderungen nach Kenntnis der beschließenden Disziplinarkammer nur geringfügig sind. Sie beziehen sich ausschließlich auf die von der Klägerin nachträglich vorgelegten Anlagen zur Disziplinarklageschrift. Diese Anlagen - betreffend die Buchungsjournale und die Übersicht über die Beschwerdebearbeitung – haben der Beklagte und seine Prozessbevollmächtigte aber bereits im behördlichen Disziplinarverfahren vollständig erhalten, so dass der Inhalt als bekannt vorausgesetzt werden konnte. Im Einzelnen: Die Einleitungsverfügung vom 6. November 2015 enthielt als Anlagen eine Übersicht über nicht fristgemäß bearbeitete Vorgänge (81 Fälle), eine Übersicht über unbearbeitet zurückgegebene Vorgänge (13 Fälle), eine Übersicht über noch offene Vorgänge bis zum 30. September 2015 (4 Fälle), handschriftliche Äußerungen vom 25. März 2015 (in Kopie) sowie insbesondere ein Buchungsjournal für den Zeitraum vom 14. April 2014 bis zum 16. September 2015 (in Kopie). Dies ergibt sich – unwidersprochen – aus dem Disziplinarheft (Beiakte Heft 1, Blatt 156). Die Ausdehnungsverfügung vom 26. August 2016 enthielt als Anlagen fünf Buchungsjournale betreffend den Zeitraum vom 1. August 2015 bis zum 10. August 2016. Dies ergibt sich – unwidersprochen – aus dem Disziplinarheft (Beiakte Heft 3, Blatt 380). Die Ausdehnungsverfügung vom 22. Juni 2018 enthielt als Anlagen insgesamt 19 Buchungsjournale betreffend den Zeitraum vom 11. August 2016 bis zum 7. Mai 2018. Dies ergibt sich – unwidersprochen – aus dem Disziplinarheft (Beiakte Heft 4, Blatt 766).
107Unabhängig davon haben der Beklagte und seine Prozessbevollmächtigte das im Rahmen der auf der Geschäftsstelle der Disziplinarkammer getätigten Akteneinsicht geäußerte Angebot des Vorsitzenden der Disziplinarkammer vom 7. Mai 2019, vorsorglich eine vollständige Kopie der neu gefassten Disziplinarklageschrift vom 29. April 2019 samt Anlagen unmittelbar in Empfang und zur Prüfung mit nach Hause zu nehmen, ausdrücklich abgelehnt.
108(2) Terminsverlegungsantrag in der mündlichen Verhandlung vom 13. Mai 2019 (vormittags)
109Die Disziplinarkammer konnte diesen Terminsverlegungsantrag ablehnen. Er wurde damit begründet, die neu gefasste Disziplinarklageschrift samt Anlagen sei bislang noch nicht zugestellt worden. Es ist indes rechtsmissbräuchlich, sich darauf zurückzuziehen, dass die neugefasste Disziplinarklageschrift samt Anlagen durch Postzustellungsurkunde zugestellt werden müsse, gleichzeitig aber das (wiederholte) Angebot der persönlichen Übergabe einer vollständigen Kopie der neugefassten Disziplinarklageschrift samt Anlagen aus der Gerichtsakte aus der Hand des Vorsitzenden der Disziplinarkammer abzulehnen. Die Änderungen in der neugefassten Disziplinarklageschrift sind nach Kenntnis der Disziplinarkammer nur geringfügig. Dies wurde dem Beklagten und seiner Prozessbevollmächtigten deutlich mitgeteilt. Die Änderungen beziehen sich ausschließlich auf die von der Klägerin nachträglich vorgelegten Anlagen zur Disziplinarklageschrift. Diese Anlagen – betreffend die Buchungsjournale und die Übersicht über die Beschwerdebearbeitung – haben der Beklagte und seine Prozessbevollmächtigte – wie bereits ausgeführt – im behördlichen Disziplinarverfahren bereits vollständig erhalten, sodass der Inhalt als bekannt vorausgesetzt werden konnte.
110(3) Terminsverlegungsantrag in der mündlichen Verhandlung vom 13. Mai 2019 (nachmittags)
111Die Disziplinarkammer konnte diesen Terminsverlegungsantrag ablehnen. Der Vortrag, die Vertagung auf den nächsten Tag komme überraschend, stellt keinen erheblichen Grund für eine Terminsverlegung dar.
112A) Die Disziplinarklage ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt, nachdem die Klägerin die gegen den Beklagten erhobenen Vorwürfe entsprechend dem Beschluss vom 17. April 2019 fristgerecht durch die neugefasste Disziplinarklageschrift vom 29. April 2019 konkretisiert hat.
113Gemäß § 52 Abs. 1 Satz 2 BDG muss die Klageschrift den persönlichen und beruflichen Werdegang des Beamten, den bisherigen Gang des Disziplinarverfahrens, die Tatsachen, in denen ein Dienstvergehen gesehen wird, und die anderen Tatsachen und Beweismittel, die für die Entscheidung bedeutsam sind, geordnet darstellen. Die Sachverhalte, aus denen das Dienstvergehen hergeleitet wird, müssen aus sich heraus verständlich geschildert werden. Ort und Zeit der einzelnen Handlungen müssen möglichst genau angegeben und die Geschehensabläufe nachvollziehbar beschrieben werden. Dadurch soll sichergestellt werden, dass sich der Beamte gegen die disziplinarischen Vorwürfe sachgerecht verteidigen kann. Auch tragen die gesetzlichen Anforderungen an die Klageschrift dem Umstand Rechnung, dass diese Umfang und Grenzen der gerichtlichen Disziplinarbefugnis festlegt. Denn gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 BDG dürfen nur Handlungen zum Gegenstand der Urteilsfindung gemacht werden, die dem Beamten in der Klage oder Nachtragsklage als Dienstvergehen zur Last gelegt worden sind. Aus der Klageschrift muss bei verständiger Lektüre deshalb eindeutig hervorgehen, welche konkreten Handlungen dem Beamten als Dienstvergehen zur Last gelegt werden.
114Vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Juni 2018 – 2 B 31/18 -, juris, Rn. 9 m.w.N.; Beschluss vom 20. Dezember 2011 – 2 B 59/11 -, juris, Rn. 5; Urteil vom 25. Januar 2007 – 2 A 3/05 -, juris, Rn. 27 f.; OVG NRW, Urteil vom 6. Dezember 2017 – 3d A 592/15.BDG -, juris, Rn. 60.
115Die neugefasste Disziplinarklageschrift vom 29. April 2019 entspricht diesen Vorgaben: Sie verweist hinsichtlich der vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen unter III.1. nicht mehr lediglich auf die Buchungsjournale im Disziplinarheft und unter III.3. auf die Übersicht über die Beschwerdebearbeitung im Disziplinarheft, sondern nimmt in zulässiger Weise auf Anlagen zur Disziplinarklageschrift Bezug. Es kann in einem Disziplinarverfahren, in dem einem Beamten - wie hier - eine Vielzahl gleichförmiger Taten zur Last gelegt werden, die durch eine gleichartige Begehungsweise gekennzeichnet sind, hinsichtlich der näheren individualisierenden tatsächlichen Umstände der Einzeltaten auf eine tabellarische Aufstellung verwiesen werden. Diese Aufstellung muss indes Teil der Klageschrift sein, weil nur so der Sachverhalt, aus dem das Dienstvergehen hergeleitet wird, in dieser hinreichend bestimmt dargestellt ist.
116Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2013 – 2 B 27/12 –, juris, Rn. 16/17.
117Diese Voraussetzungen liegen nunmehr vor. Die Buchungsjournale und die Übersicht über die Beschwerdebearbeitung wurden als Anlagen zur Disziplinarklageschrift gereicht.
118Ein Mangel liegt entgegen der Ansicht des Beklagten auch nicht darin begründet, dass die neugefasste Disziplinarklageschrift vom 29. April 2019 samt Anlagen nicht (förmlich) zugestellt wurde, sondern mit einfacher Post übermittelt wurde. Denn eine (förmliche) Zustellung sieht das Gesetz in § 54 BDG aufgrund der Fristen in § 55 Abs. 1 BDG sowie in § 58 Abs. 2 BDG nur für die (erstmalige) Erhebung der Disziplinarklage und für die Nachtragsdisziplinarklage vor.
119Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe die neu gefasste Disziplinarklageschrift samt Anlagen nicht erhalten. Er hat lediglich vorgetragen, er habe sie nicht – wie von ihm gewünscht – per Postzustellungsurkunde zugestellt bekommen. Den tatsächlichen Erhalt per einfacher Post hat er hingegen nicht mehr bestritten. Selbst wenn indes der Beklagte die neu gefasste Disziplinarklageschrift samt Anlagen nicht erhalten haben sollte, wäre es aus Sicht der Disziplinarkammer rechtsmissbräuchlich, sich darauf zurückzuziehen, gleichzeitig aber das (wiederholte) Angebot der persönlichen Übergabe einer vollständigen Kopie der neugefassten Disziplinarklageschrift samt Anlagen aus der Gerichtsakte aus der Hand des Vorsitzenden der Disziplinarkammer sechs Tage vor dem Termin und im Termin abzulehnen. Die Änderungen in der neugefassten Disziplinarklageschrift sind nach Kenntnis der Disziplinarkammer nur geringfügig. Dies wurde dem Beklagten und seiner Prozessbevollmächtigten mehrfach deutlich mitgeteilt. Die Änderungen beziehen sich ausschließlich auf die von der Klägerin nachträglich vorgelegten Anlagen zur Disziplinarklageschrift.
120B) Das behördliche Disziplinarverfahren weist keine die gerichtliche Entscheidung hindernden wesentlichen Mängel auf.
121I) Das Disziplinarverfahren ist insbesondere wirksam eingeleitet worden. Liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vor, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen, hat der Dienstvorgesetzte gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BDG ein Disziplinarverfahren einzuleiten.
122Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2017 – 2 C 12/17 -, juris, Rn. 14.
123Vorliegend hat der (zuständige) Dienstvorgesetzte das Disziplinarverfahren eingeleitet. Zuständig für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens ist bei der Bundesanstalt für G. die zuständige Exekutivdirektorin bzw. der zuständige Exekutivdirektor. Dies war zum Zeitpunkt der Einleitung des Disziplinarverfahrens am 6. November 2015 die Exekutivdirektorin …, Frau G1. . Diese wurde nach allgemeinen Regeln in zulässiger Weise vertreten durch ihren allgemeinen Vertreter, Herrn S1. . Die Vertretung wurde wie üblich durch den Zusatz „i.V.“ kenntlich gemacht. Soweit der Beklagte annimmt, das im Verwaltungsvorgang befindliche Unterrichtungsschreiben an ihn sei nicht unterschrieben, verkennt er die Verfügungstechnik. Die Zeichnung umfasst die Einleitung des Disziplinarverfahrens und die Unterrichtung des Beklagten (Beiakte Heft 1, Blatt 148).
124Das Gericht konnte den in diesem Zusammenhang vom Beklagten gestellten Beweisantrag, „Beweis zu erheben zum Beweis der Tatsache, dass sich zwischenzeitlich herausgestellt habe, dass der Präsident der Klägerin als gesetzlicher Disziplinarvorgesetzter seine gesetzlichen Disziplinarbefugnisse, die er damals allgemein an Exekutivdirektorin I1. a.D. delegiert hatte, später gar nicht auf die neue Exekutivdirektorin Frau G2. übertragen hat. Dies bedeutet, dass abgesehen davon, dass das Disziplinarverfahren insgesamt nicht wirksam eingeleitet worden war, der von Frau G2. geleitete Bereich Personal und Innere Angelegenheiten nicht dafür zuständig war, das weitere Verfahren zu bestimmen. Wenn der Präsident der Klägerin damals rechtzeitig und zutreffend informiert worden wäre, hätte er das Verfahren sofort eingestellt, durch Zeugnis des Präsidenten der C2. , Herrn I2. , zu laden über die C2. “, ablehnen.
125Es ist für das vorliegende Verfahren unerheblich, ob der Präsident der C2. als gesetzlicher Disziplinarvorgesetzter seine gesetzlichen Disziplinarbefugnisse, die damals allgemein auf Frau Exekutivdirektorin I1. delegiert waren, später nicht auf die neue Exekutivdirektorin, Frau G2. , übertragen hat. Darüber hinaus ist es als rechtliche Würdigung dem Tatsachenbeweis nicht zugänglich, ob das Disziplinarverfahren insgesamt wirksam eingeleitet worden ist und ob der von Frau G2. geleistete Bereich Personal und Innere Angelegenheiten dafür zuständig war, das weitere Verfahren zu bestimmen. Schließlich ist es zum einen dem Tatsachenbeweis nicht zugänglich, zum anderen unabhängig davon und selbstständig tragend unerheblich, ob der Präsident der Klägerin das Verfahren sofort eingestellt hätte, wenn er damals rechtzeitig und zutreffend informiert worden wäre.
126Das Gericht konnte auch den vom Beklagten gestellten Beweisantrag, „Beweis zu erheben zum Beweis der Tatsachen, dass wenn Frau I1. , die die ausschließliche Zuständigkeit für die Bestimmung des Verfahrensablaufs hatte, über die Vorermittlungen gegen den Beklagten informiert worden wäre, Frau I1. sich - wie geboten - persönlich mit dem Beklagten in Verbindung gesetzt hätte und die erforderlichen Vorermittlungen bezüglich der von Frau H. aufgestellten Behauptungen (Listen usw.) und die Einschaltung eines funktionsfähigen Betriebsärztlichen Dienstes veranlasst hätte durch Zeugnis der Exekutivdirektorin a.D. I1. , bereits benannt, sowie zum Beweis der Tatsachen, dass für die später - ohne Wissen der Frau I1. - erfolgte Einleitung eines Disziplinarverfahrens die Zuständigkeit nicht eingehalten wurden, durch Zeugnis der Exekutivdirektorin a.D. I1. , bereits benannt“, ablehnen. Die genannten Umstände sind aus denselben Gründen nicht entscheidungserheblich.
127II) Soweit der Beklagte moniert, er sei vor Einleitung des Disziplinarverfahrens nicht angehört worden, dringt er damit nicht durch. Das Gesetz sieht keine Anhörung vor Einleitung eines Disziplinarverfahrens vor. Im Gegenteil: Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BDG ist der Beamte über die Einleitung des Disziplinarverfahrens unverzüglich [und damit: nachträglich] zu unterrichten, sobald dies ohne Gefährdung der Aufklärung des Sachverhalts möglich ist.
128III) Der Beklagte dringt auch mit seinem Vorbringen, das Gericht hätte die Akte der Staatsanwaltschaft C1. über das Ermittlungsverfahren gegen Frau Regierungsdirektorin H. (000 Xx 000/00) beiziehen und ihm Akteneinsicht gewähren müssen, nicht durch.
1291) Die Disziplinarkammer konnte den Antrag des Beklagten auf Beiziehung der Akte der Staatsanwaltschaft C1. ablehnen, denn nach dem Vortrag des Beklagten besteht kein Anspruch auf Beiziehung dieser Akte.
130Vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. April 2011 – 9 A 8/10 –, juris, Rn. 2; Hessischer VGH, Urteil vom 13. Juni 2007 – 11 A 2061/06 –, juris, Rn. 46.
131Es ist vom Beklagten weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Inhalt dieser Akte, deren wesentliche Teile sich in Beiakte 7 (Teilakte MiStra) befinden, weitere entscheidungserhebliche Erkenntnisse für das gerichtliche Disziplinarverfahren liefern könnte.
1322) Das Recht auf Akteneinsicht erstreckt sich nur auf die gerichtseigenen Akten sowie auf die dem Gericht im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit vorgelegten Akten, also auf den bei Gericht vorhandenen Aktenbestand. Ein Anspruch auf Beiziehung von Akten ergibt sich aus § 100 Abs. 1 VwGO nicht.
133Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. März 2004 – 6 B 71/03 –, juris, Rn. 10; OVG NRW, Beschluss vom 19. Februar 2018 – 4 A 547/16.A –, juris, Rn. 4.
134Es wurde dem Beklagten und seiner Prozessbevollmächtigten gemäß deren Antrag am 7. Mai 2019 vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung vollständige Akteneinsicht gewährt. Lediglich der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Prozessbevollmächtigte des Beklagten bereits im Verfahren 38 K 3981/18.BDG am 12. Juli 2018 Akteneinsicht genommen hat.
135IV) Das Gericht war auch nicht verpflichtet, dem Beklagten gemäß dessen Antrag vom 9. Dezember 2018 (Blatt 64 der Gerichtsakte) „vollständige Kopien des „Disziplinarheftes“ (sämtliche Bände, einschließlich Aktendeckel) sowie vollständige Kopien der „Teilakte MiStra zur Personalakte X 0 – Pers X 000“ (einschließlich Aktendeckel) […] sowie des vollständigen Beurteilungshefts“ sowie „eine Kopie des Originals der Klageschrift“, um die Übereinstimmungen mit der zugestellten einfachen – unbeglaubigten – Kopie und die Unterschrift prüfen zu können, zukommen zu lassen.
136Nach § 100 Abs. 2 Satz 1 VwGO können sich zwar die Beteiligten durch die Geschäftsstelle auf ihre Kosten Ausfertigungen, Auszüge, Ausdrucke und Abschriften erteilen lassen. Dieses Recht besteht grundsätzlich auch unabhängig davon, ob für die Erteilung derartiger schriftlicher Unterlagen ein besonderes rechtliches Interesse dargetan ist. Der Anspruch findet seine Grenze aber dort, wo er rechtsmissbräuchlich ausgeübt wird.
137Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 1987 – 9 C 235/86 –, juris, Rn. 12 m.w.N.
138Das ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn ein Beteiligter ohne jede Konkretisierung die Erteilung von Ablichtungen oder Abschriften durch die Geschäftsstelle der vollständigen Akte oder eines - in sich abgeschlossenen - kompletten Aktenteiles (hier: unter anderem des gesamten Disziplinarheftes in sechs Beiakten mit annähernd 1000 Seiten) verlangt, ohne sich zuvor unter Inanspruchnahme seines Rechtes auf Akteneinsicht (§ 100 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zumindest einen groben Überblick über den Inhalt der dem Gericht vorliegenden Akten verschafft und dadurch sich in die Lage versetzt zu haben, die Aktenteile (mit Blattzahl) zu benennen, von denen er die in § 100 Abs. 1 Satz 2 VwGO benannten schriftlichen Unterlagen von der Geschäftsstelle begehrt. Ein derartiges Ausfertigungs- bzw. Ablichtungsbegehren - gleichsam „ins Blaue“ bzw. „auf Verdacht“ -, bei dessen Geltendmachung der Beteiligte selbst noch nicht weiß, ob er die von der Geschäftsstelle gewünschten Unterlagen auch nach seiner Einschätzung für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung tatsächlich benötigen wird, geht über § 100 Abs. 1 Satz 2 VwGO hinaus, dessen Zweck darin besteht - und hierauf beschränkt ist - den Beteiligten die - nach ihrer Auffassung - für ihre Rechtsverfolgung notwendigen Unterlagen zu sichern.
139Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 1987 – 9 C 235/86 –, juris, Rn. 12 ff.; OVG Hamburg, Beschluss vom 25. September 1995 – Bf IV 8/94 –, juris, Rn. 2 ff.
140Diese rechtliche Bewertung erhält zusätzliches Gewicht durch die Tatsache, dass dem Beklagten und seiner Bevollmächtigten alle relevanten Unterlagen während des behördlichen Disziplinarverfahrens vollständig übersandt wurden und mithin dort vorliegen. Weitere umfangreiche Teile des Verwaltungsvorgangs betreffen umfangreiche Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten des Beklagten selbst. Der Beklagte hätte vor diesem Hintergrund sein Begehren darauf beschränken müssen, einzelne Seiten, die ihm – aus welchen Gründen auch immer – nicht vorliegen, zum Zwecke der Vervollständigung in Kopie zu erhalten.
141C) Die Disziplinarklage ist begründet.
142Der Beklagte hat ein Dienstvergehen begangen, das unter Berücksichtigung der Schwere der Pflichtverletzungen, des Umfangs, in dem er das Vertrauen seines Dienstherrn und der Allgemeinheit beeinträchtigt hat sowie seines Persönlichkeitsbildes (§ 13 Abs. 1 Satz 2 BDG) mit der ausgesprochenen Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (§§ 5 Abs. 1 Nr. 5, 10 BDG) zu ahnden ist.
143I) Die Disziplinarkammer geht im Hinblick auf die erhobenen Vorwürfe gegen den Beklagten von folgenden tatsächlichen Feststellungen aus:
1441) Der Beklagte trat im Zeitraum vom 14. April 2014 bis zum 7. Mai 2018 an insgesamt 817 Tagen bei bestehender Dienstfähigkeit den Dienst nach 9.15 Uhr an. Der Umfang der Verspätung summiert sich auf 1.614 Stunden. Dies ergibt sich aus den Buchungsjournalen (Anlagen 1 bis 3 zur Disziplinarklageschrift).
145Im Einzelnen:
146Anlage 1 umfasst den Zeitraum vom 14. April 2014 bis zum 15. (nicht: 16.) September 2015. In der Spalte „Kommen Zeit“ ist der jeweilige Arbeitszeitbeginn vermerkt. Es kam in diesem Zeitraum zu 253 (handschriftlich gezählten) Kernzeitverletzungen: Es ist bei der Zählung zu berücksichtigen, dass die Nr. 155 zwischen dem 18. März und dem 19. März 2015 fehlt. Allerdings wurde der 7. April 2015 nicht mitgezählt. Die Nr. 170 wurde am 21. April und am 22. April 2015 (doppelt) vergeben.
147Anlage 2 umfasst den Zeitraum vom 16. (nicht: 15.) September 2015 bis zum 10. August 2016. Es ist der 16. September 2015 ohne laufende Nummer vergeben. Die laufende Nummer 1 ist für den 17. September 2015 vergeben. Es kam in diesem Zeitraum zu 181 (handschriftlich gezählten) Kernzeitverletzungen.
148Anlage 3 umfasst den Zeitraum vom 11. August 2016 bis zum 7. Mai 2018. Es kam in diesem Zeitraum zu 383 (handschriftlich gezählten) Kernzeitverletzungen. Es ist bei der Zählung zu berücksichtigen, dass im Anschluss an die Nr. 23 am 21. September 2016 die Zählung mit Nr. 34 am 22. September 2016 fortfährt. Die fehlenden Nummern 24 bis 33 finden sich auf der Folgeseite für den Zeitraum 6. Oktober bis 19. Oktober 2016. Es kam insoweit lediglich zu einer Vertauschung der Reihenfolge, die aber die Anzahl unberührt lässt. Indes wurden am 21. Februar 2017 und am 7. Juni 2017 die Kernzeitverstöße nicht gezählt.
149Insgesamt kommt man damit auf eine Zahl von 819 Fällen des Dienstantritts nach 9.15 Uhr, wovon aber nur 817 in das Disziplinarverfahren einbezogen wurden und von der Disziplinarklageschrift erfasst sind. Damit hat es sein Bewenden.
150Das Gericht hat keine Zweifel an der Richtigkeit der Buchungsjournale. Soweit der Beklagte die Buchungsjournale pauschal bestreitet und geltend macht, die Buchungsjournale könnten manipuliert sein, reicht dies nicht aus, um Zweifel an der Richtigkeit der Buchungsjournale zu begründen. Es ist insbesondere nicht im Ansatz etwas dafür ersichtlich oder vorgetragen, dass diese in irgendeiner Art und Weise tatsächlich manipuliert worden sein könnten.
151Das Gericht konnte die Beweisanträge, „Beweis zu erheben zum Nachweis der Tatsachen, dass das „Arbeitszeitkonto des Beklagten“ keine unveränderlichen technischen Aufzeichnungen vornahm, also auch Daten aus Terminalbuchungen jederzeit manuell von Beschäftigten der Klägerin geändert werden konnte, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dem damaligen Softwareprogramm und zu den damaligen Buchungsterminals des damaligen Zeiterfassungssystems der Klägerin“, und „Beweis zu erheben zum Beweis der Tatsache, dass in den streitgegenständlichen Zeiträumen niemand von außen erkennen konnte, wann sich ein Beschäftigter mit seinem Computerchip in das Zeiterfassungssystem der Klägerin einbucht, weil 1. die Sicht des Terminals [gemeint ist das Terminal im Eingangsbereich der Liegenschaft E.-------------weg 00 - 00] während der Einbuchung versperrt war und 2. die Uhrzeit gar nicht gelesen werden konnte, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens“, ablehnen. Die genannten Umstände sind nicht entscheidungserheblich. Der Beklagte macht damit nicht geltend, dass sein Arbeitszeitkonto in irgendeiner Art und Weise manipuliert worden ist.
1522) Die Klägerin beauftragte mit Schreiben vom 4. Mai 2016 das Gesundheitsamt der Stadt C1. , den Beklagten auf seine Dienstfähigkeit zu untersuchen. Zur Begründung führte sie aus: Anlass für den Untersuchungsauftrag seien telefonische Angaben (Telefonat am 22. April 2016) sowie schriftliche Äußerungen (Email vom 22. April 2016) des Beklagten zu seinem Gesundheitszustand im Zusammenhang mit einer geplanten Zuordnung eines anderen Dienstzimmers. Er habe unter Hinweis auf sein Schlaganfall- und Herzinfarktrisiko um Zuteilung eines anderen Büros gebeten. Er habe vorgetragen, unter hohem Blutdruck zu leiden und bereits bei verschiedenen Ärzten vorstellig geworden zu sein. Dort sei er auch auf ein erhöhtes Herzinfarktrisiko hingewiesen worden. Die Ursachen des Bluthochdruckes seien noch nicht geklärt. Die kardiologischen Untersuchungen seien noch nicht abgeschlossen. Die Standardmedikamente (Betablocker) seien in seinem Fall hoch riskant, weil die Auswirkung auf ihn nicht abzuschätzen sei. Deshalb nehme er ein Mittel auf pflanzlicher Basis, das wie ein Betäubungsmittel wirke. Je nach Bluthochdruck würde er es dosieren und sei deshalb morgens oft noch durch die Wirkung beeinträchtigt.
153Das Gesundheitsamt der Stadt C1. bat den Beklagten für den 3. Juni 2016 zur amtsärztlichen Untersuchung, die der Beklagte krankheitsbedingt nicht wahrnahm.
154Die Klägerin beauftragte das Gesundheitsamt der Stadt C1. unter Hinweis auf den Auftrag vom 4. Mai 2016 am 9. Juni 2016 erneut mit einer amtsärztlichen Untersuchung des Beklagten und setzte diesen hierüber in Kenntnis. Den Termin am 13. Juli 2016 nahm der Beklagte nicht wahr.
155Der Beklagte erklärte mit Schreiben vom 26. Juni 2016, dass er die Untersuchungsanordnung für offensichtlich rechtswidrig und daher für bedeutungslos halte. Die Untersuchungsanordnung erwecke den Eindruck, ihn einschüchtern zu wollen mit der versteckten Drohung, dass er in den Ruhestand versetzt würde, wenn er sich im Disziplinarverfahren verteidige. Solange das Disziplinarverfahren anhängig sei, sei er nicht zur Mitwirkung verpflichtet. Die Klägerin wertete dieses Schreiben als Widerspruch, den sie mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2016 zurückwies.
156Die Klägerin beauftragte das Gesundheitsamt der Stadt C1. am 3. August 2016 erneut mit einer amtsärztlichen Untersuchung des Beklagten und setzte diesen hierüber in Kenntnis. Den Termin am 29. August 2016 nahm der Beklagte nicht wahr.
157Die Klägerin beauftragte das Gesundheitsamt der Stadt C1. letztmalig am 19. September 2016 mit einer amtsärztlichen Untersuchung des Beklagten und setzte diesen hierüber in Kenntnis. Dem Beklagten wurden bei Nichtbefolgung der Weisung disziplinarische Konsequenzen angedroht. Den Termin am 7. Oktober 2016 nahm der Beklagte wiederum nicht wahr.
158Diese Feststellungen beruhen auf den entsprechenden schriftlichen Unterlagen, die sich in den vorliegenden Verwaltungsvorgängen befinden. Der Beklagte ist diesen Feststellungen nicht entgegen getreten.
1593) Soweit es den Vorwurf zu 3. betrifft, geht das Gericht von folgendem Sachverhalt aus: Der Beklagte wurde im Zeitraum vom 12. Februar 2014 bis zum 26. Juni 2015 (unter anderem) mit der Bearbeitung von 114 Beschwerden betraut. Die Zuweisung gliedert sich in zwei Zeitabschnitte:
160a) Zeitraum vom 12. Februar 2014 bis zum 18. Januar 2015
161In diesem ersten Zeitraum wurden dem Beklagten 57 Beschwerden zur Bearbeitung übertragen. Diese sind in Anlage 4 der Disziplinarklageschrift mit den laufenden Nummern 1 bis 57 aufgeführt. Der Beklagte bearbeitete drei Beschwerden nach Darstellung der Klägerin fristgerecht (Nr. 1, 3 und 7). Die Disziplinarkammer kann hingegen nicht feststellen, ob und welche weiteren 39 Beschwerden der Beklagte verspätet abgab. Diese Beschwerden sind in der Disziplinarklageschrift nicht konkretisiert. Unabhängig davon hat die Klägerin nicht dargelegt, dass in jedem einzelnen Fall eine (verbindliche) Frist zur Bearbeitung dergestalt festgelegt worden wäre, dass aus Sicht eines verständigen Empfängers hierin eine Weisung zu sehen gewesen wäre. Die Disziplinarkammer kann darüber hinaus auch nicht feststellen, dass fünf Beschwerdebearbeitungen (laufende Nummern 10, 11, 29, 41, 54) unbrauchbar gewesen waren. Hierfür fehlt jede überprüfbare Darlegung. Die Disziplinarkammer kann schließlich auch hinsichtlich der weiteren zehn Beschwerden nicht feststellen, dass der Beklagte diese verspätet abgegeben hat. Es ist auch hier nicht dargelegt, dass in jedem einzelnen Fall eine (verbindliche) Frist zur Bearbeitung dergestalt festgelegt worden wäre, dass aus Sicht eines verständigen Empfängers hierin eine Weisung zu sehen gewesen wäre. Gegen eine verbindliche Fristsetzung im Sinne einer Weisung spricht in Bezug auf die oben genannten 39 Bearbeitungen wie auch in Bezug auf die 10 Bearbeitungen Folgendes: Der Referatsleiter des Personalreferates X 0, Herr N3. , fragte die zuständige Referatsleiterin X 0, Frau H., ob dem Beklagten für die Erledigung der Vorgänge (auch erneut angesammelte Rückstände) im Zeitraum vom 12. Februar 2014 bis Ende Januar 2015 Fristen gesetzt worden seien. Sie antwortete mit Email vom 30. März 2015, dass es nicht dem üblichen Vorgehen in Referat X 0 entspreche, den einzelnen Bearbeitern Fristen zu setzen. Dies sei bei 6.000 bis 7.000 Eingaben pro Jahr nicht möglich. Eine Fristsetzung für Einzelsachen sei nicht sachdienlich, weil der einzelne Bearbeiter erst während der Bearbeitung zu überblicken vermöge, ob etwa weitere Rückfragen beim Kreditinstitut erforderlich seien. Gleichwohl habe sie in Fortsetzung einer nur dem Beklagten gegenüber vorgefundenen Praxis zunächst Fristen von zwei Wochen auf dem Vorgang vermerkt, dies jedoch auf Bitten des Beklagten wieder unterlassen. Sie habe seiner Bitte seinerzeit entsprochen, weil es zu Beginn der Zusammenarbeit sinnvoll erschienen sei. Seit dem Januar 2015 setze sie wieder Fristen (Beiakte 1, Blatt 26). Nach diesen Angaben geht die Disziplinarkammer im Umkehrschluss davon aus, dass dem Beklagten im Zeitraum vom 12. Februar 2014 bis Ende Januar 2015 keine Bearbeitungsfristen im Sinne einer Weisung gesetzt wurden. Schließlich kann die Disziplinarkammer auch nicht feststellen, dass der Beklagte in quantitativer Hinsicht pflichtwidrig zu wenige Beschwerden bearbeitet hat. Die Klägerin hat zwar unter Hinweis auf statistische Werte dargelegt, dass der Beklagte nur vier Beschwerden pro Monat bearbeitete, wohingegen andere Beschäftigte des höheren Dienstes mit durchschnittlich 32 Beschwerden pro Monat ein Vielfaches erledigten. Dieser Vortrag reicht aber unter Berücksichtigung des umfangreichen Vortrags des Beklagten für die konkrete Feststellung eines pflichtwidrigen Verhaltens nicht aus.
162Vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 6. September 2017 – 2 B 2/17 –, juris, Rn. 10; Beschluss vom 19. Januar 2016 – 2 B 44/14 –, juris, Rn. 11.
163Das Gericht konnte den Beweisantrag „Verlesen und Inaugenscheinnahme der Verfügungen des Beklagten, Verlesen der Aktenzeichen der von Frau H. erstellten Listen sowie Abgleich und Inaugenscheinnahme und Verlesen der Einleitungsverfügung zum Disziplinarverfahren“ ablehnen. Soweit der Beweisantrag die Behauptung enthält, Frau H. habe die Liste manipuliert, sind die Beweismittel untauglich. Des Weiteren sind die Beweismittel untauglich, eine Mehr- oder Minderleistung des Beklagten zu belegen. Unabhängig von diesen Begründungen ist all dies auch nicht entscheidungserheblich. Die Email der Frau H. an Herrn N3. vom 30. März 2015 (Beiakte Heft 1, Bl. 26) ist im Übrigen gerichtsbekannt.
164Das Gericht konnte den Beweisantrag „Verlesen und Inaugenscheinnahme des zusammenfassenden Ausdruckblattes der C2. – OU – Phase 2 vom 7. November 2014“ ebenfalls ablehnen, weil es sich um ein untaugliches Beweismittel handelt und als Teil der Gerichtsakte gerichtsbekannt ist und der Würdigung der Disziplinarkammer unterliegt.
165Das Gericht konnte den Beweisantrag, Beweis zu erheben „über die Tatsachen, dass die allgemeine Organisationsuntersuchung der C2. in den streitgegenständlichen Zeiträumen mit zusätzlichen Arbeitsbelastungen für den Beklagten verbunden war und es durften nach den Anweisungen des Direktoriums sogar ausdrücklich Vorschläge gemacht werden, die auch Gesetzesänderungen umfassen. Es ging dem Direktorium der Klägerin darum, Ideen zu sammeln und diese zu bewerten. Diese Aufgabe hat der Beklagte in den streitgegenständlichen Zeiträumen und auch sonst vorbildlich erfüllt. Diese Beweise sollen erhoben werden durch Zeugnis der Frau Exekutivdirektorin I1. a.D., zu laden über das Bundesministerium der G3. sowie durch Verlesen und Inaugenscheinnahme des Schreibens des Direktoriums der Klägerin an alle Beschäftigte der Klägerin „Organisationsuntersuchung (OU) C2. 2“ vom 8. Januar 2015“, ablehnen. Die Disziplinarkammer unterstellt als wahr, dass die allgemeine Organisationsuntersuchung der C2. für den Beklagten in den streitgegenständlichen Zeiträumen mit zusätzlichen Arbeitsbelastungen verbunden war, dass nach den Anweisungen des Direktoriums sogar ausdrücklich Vorschläge gemacht werden durften, die auch Gesetzesänderungen umfassten, und dass es im Direktorium der C2. n darum ging, Ideen zu sammeln und zu bewerten. Unabhängig davon sind sämtliche genannten Umstände indes nicht entscheidungserheblich. Sie könnten allenfalls im Zusammenhang mit dem den Zeitraum vom 12. Februar 2014 bis zum 18. Januar 2015 betreffenden Vorwurf von Bedeutung sein. Hierzu ist aber bereits ausgeführt worden, dass für diesen Zeitraum ein pflichtwidriges Verhalten des Beklagten nicht festgestellt werden kann.
166Die Disziplinarkammer hat vor diesem Hintergrund in der mündlichen Verhandlung den rechtlichen Hinweis erteilt, dass sie die unter Ziffer 3 der Disziplinarklageschrift erhobenen Vorwürfe betreffend den Zeitraum vom 12. Februar 2014 bis zum 18. Januar 2015 als nicht erwiesen ansieht. Hierbei bleibt es.
167b) Zeitraum vom 19. Januar 2015 bis zum 26. Juni 2015
168In diesem zweiten Zeitraum wurden dem Beklagten ebenfalls 57 Beschwerden zur Bearbeitung übertragen. Diese sind in Anlage 4 der Disziplinarklageschrift mit den laufenden Nummern 58 bis 114 aufgeführt. Die Disziplinarkammer konnte aufgrund der vorliegenden Unterlagen die Überzeugung gewinnen, dass der Beklagte (jedenfalls) 54 Beschwerden unter Verstoß gegen die ihm gesetzte Frist und damit verspätet abgab. Es steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Referatsleiterin in einem Gespräch mit dem Beklagten am 19. Januar 2015 eine zeitlich engere Zuweisung und eine Bearbeitungskontrolle von Beschwerdevorgängen vereinbarte. Nach dieser Vereinbarung bekam der Beklagte montags maximal vier neue Vorgänge zur Bearbeitung zugewiesen, die er mit Frist jeweils bis Freitag der Folgewoche bearbeitet oder unbearbeitet an die Referatsleiterin zurückgeben sollte. Damit erklärte sich der Beklagte ausdrücklich einverstanden, da er die Bearbeitung von vier Vorgängen innerhalb von zwei Wochen für machbar hielt. Die klare Fristsetzung wird auch belegt durch die Ausführungen der Referatsleiterin in ihrer bereits zitierten Email vom 30. März 2015. Sie wird auch deutlich durch die Markierung auf der Anlage 4 ab der laufenden Nummer 58 mit einem Pfeil und der Bemerkung „2 Wo-Frist“. Die entsprechenden Vorgänge sind in der großformatigen Anlage genau gekennzeichnet. Nicht verspätet waren lediglich die dem Beklagten am 19. Januar 2015 übertragenen Beschwerden mit den laufenden Nummern 58 und 60.
169Der Beklagte ist diesen Feststellungen nicht durchgreifend entgegen getreten. Zwar hat er vorgetragen, er könne sich nicht daran erinnern, wann er welche Beschwerdevorgänge erhalten habe. Er hat jedoch das im Januar 2015 eingeführte System der Zuweisung von vier Beschwerden pro Woche mit der konkreten Pflicht zur Rückgabe am Freitag der Folgewoche weder im behördlichen noch im gerichtlichen Verfahren durchgreifend in Abrede gestellt. Ebenso wenig ist er der detaillierten Übersicht über die von der Referatsleiterin mit ihm geführten Gespräche, die zu diesem System führten (Beiakte Heft 1, Blatt 17) entgegen getreten. Soweit er mehrfach pauschal geltend macht, die von der Referatsleiterin geführten Listen seien manipuliert, fehlt hierfür jeder Anhaltspunkt.
170Das Gericht konnte den Beweisantrag, Beweis zu erheben „zum Beweis der Tatsache, dass sich das interne dienstliche Postfach des Beklagten in einem getrennten Raum mit einer sich selbst schließenden Tür befand, sodass niemand beobachten konnte, wann der Beklagte tatsächlich welche Akten erhalten hat, durch Inaugenscheinnahme der Örtlichkeit in der 2. Etage der Liegenschaft der Klägerin E.-------------weg 00 – 00“, ablehnen. Die genannten Umstände sind nach den erfolgten Darlegungen nicht entscheidungserheblich.
1714) Hinsichtlich des Vorwurfs zu 4. legt das Gericht folgende Feststellungen zu Grunde: Der Beklagte schrieb im Zusammenhang mit der Rückgabe unerledigter Beschwerdevorgänge an seine Referatsleiterin am 25. März 2015:
172„Sehr geehrte Frau H. , bitte versuchen Sie doch wenigstens einmal, die beigefügten Vorgänge als meine Vertreterin eigenständig - d. h., auch ohne ständig bei anderen Beschäftigten des Ref. X 0 nachzufragen - zu bearbeiten. Ich stehe dann nach meinem Urlaub gerne als Mitzeichnungspartner zur Verfügung und kann. Ihnen dann auch gerne erläutern, was Sie falsch gemacht haben. Mit freundlichen Grüßen / N. / 00/0".
173Dieser Sachverhalt ist unstreitig und ist im Disziplinarheft dokumentiert (Beiakte Heft 1, Blatt 31). Das Gericht konnte den hierauf bezogenen Beweisantrag ablehnen. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Kopie mit dem Original nicht vollständig übereinstimmt. Es ist auch nichts dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass sich daraus ein Zusammenhang zu den Akten ergibt.
1745) Weiterer Beweisantrag
175Der weitere Beweisantrag, den der Beklagte und seine Prozessbevollmächtigte selbst keinem bestimmten Themenkomplex zuordnen konnte, konnte in der mündlichen Verhandlung abgelehnt werden:
176Beweiserhebung zum Beweis der Tatsachen, dass nach dem Gesamtbild der Kontakte mit der damaligen Betriebsärztin der Technischen Universität C. der Beklagte davon ausgehen durfte, dass diese 1. unabhängig ist, 2. einen eigenen, ständig verfügbaren angemessenen Dienstraum hatte, 3. unabhängig vom Willen von (anderen) Beschäftigten der Technischen Universität C. sowohl persönlich als auch telefonisch erreichbar war und 4. für Untersuchungen der Beschäftigten der TU, der Diensträume und des Arbeitsumfeldes tatsächlich und regelmäßig in jeder Arbeitswoche zur Verfügung stand, durch Inaugenscheinnahme der Personalakte bei der TU C. und durch Zeugnis der damaligen Betriebsärztin TU C. , zu laden über die Technische Universität C. . Dies beweist, dass der Beklagte unter anderem in dem mit Frau H. am 12. Februar 2014 geführten Gespräch nach seinem Vorstellungsbild davon ausgehen konnte, dass eine Betriebsärztin bei Gesundheitsfragen zwischen dem Dienstherrn und dem Beamten vermittelnd tätig sein darf.
Die genannten Umstände sind nicht entscheidungserheblich. Unabhängig davon sind die Beweismittel untauglich.
179II) Auf der Grundlage der festgestellten Sachverhalte hat sich der Beklagte eines – einheitlichen – sehr schweren innerdienstlichen Dienstvergehens schuldig gemacht (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BBG). Nach dieser Vorschrift begeht ein Beamter ein Dienstvergehen, wenn er schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt. Durch das festgestellte Verhalten hat der Beklagte mehrere Dienstpflichten verletzt:
1801) Der Beklagte verstieß durch die fortgesetzten Kernzeitverletzungen zum einen gegen § 62 Abs. 1 Satz 2 BBG (Gehorsamspflicht) und zum anderen gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 BBG (unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst). Im Einzelnen:
181a) Nach § 62 Abs. 1 Satz 2 BBG sind Beamte verpflichtet, die dienstlichen Anordnungen ihrer Vorgesetzten auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen.
182Eine solche dienstliche Anordnung stellt die Kernzeitregelung dar. Die Kernzeitregelung ergibt sich aus § 5 Abs. 1 Sätze und 2 sowie Abs. 3 Satz 1 der Dienstvereinbarung über die Gleitende Arbeitszeit in der Bundesanstalt für G. , die am 1. April 2012 in Kraft trat (DV Gleitzeit). Nach diesen Vorschriften nehmen die Angehörigen der C2. und damit auch der Beklagte als Beamter (§ 1) an der gleitenden Arbeitszeit teil. Die Angehörigen der C2. können damit ohne vorherige Ankündigung innerhalb der Rahmenarbeitszeit ihren Dienst beginnen und beenden, müssen jedoch innerhalb der Kernarbeitszeit anwesend sein. Die Kernarbeitszeit ist wie folgt festgelegt:
183Montag bis Donnerstag: 09:15 Uhr bis 15:00 Uhr
184Freitag: 09:15 Uhr bis 13:15 Uhr
185Soweit der Beklagte darauf verweist, er habe abends länger gearbeitet und damit die „Kernzeitversäumnisse hereingearbeitet“, folgt das Gericht dem nicht. Sinn und Zweck der Kernzeit ist, dass alle Beamten zu diesen Zeiten gleichzeitig Dienst leisten und für den Dienstherrn, ggf. auch für Publikumskontakt, zur Verfügung stehen. Durch Hereinarbeiten kann – anders als bei der Gleitzeit – ein Fernbleiben während der Kernzeit nicht ausgeglichen werden.
186Bayerischer VGH, Urteil vom 22. September 2010 – 16b D 09.2133 –, juris, Rn. 45.
187Der Beklagte hat im Zeitraum vom 14. April 2014 bis zum 7. Mai 2018 an insgesamt 817 Tagen gegen die geltende Kernzeitregelung verstoßen, indem er den Dienst nach 9.15 Uhr antrat. Eine Genehmigung für einen Dienstantritt nach 9.15 Uhr besaß der Beklagte nicht.
188Eine von ihm begehrte „Karenzzeit von Amts wegen“ ist nach der die Klägerin bindenden „Dienstvereinbarung Gleitzeit“ nicht möglich. Für eventuelle Härtefälle wurde die für alle Beschäftigten der C2. gleichermaßen geltende und mit dem Personalrat abgestimmte Sonderregelung des § 6 Abs. 2 Satz 1 DV Gleitzeit geschaffen, wonach in begründeten Ausnahmefällen das für Gleitzeitfragen zuständige Referat auf Antrag mit Zustimmung der/des unmittelbaren Vorgesetzten vorübergehend eine Änderung zulassen kann. Im Rahmen der beamtenrechtlichen Mitwirkungspflicht oblag es dem Beklagten, sich an diese Regelung zu halten und in Abstimmung mit seiner Vorgesetzten einen ausreichend begründeten Antrag zu stellen.
189Einen bewilligungsfähigen Antrag hat der Beklagte indes nicht gestellt. Zwar dürfte seine Email vom 29. Mai 2015 auf Einräumung einer morgendlichen „Karenzzeit“ als Antrag auf Erteilung einer Ausnahme von der Kernarbeitszeit zu verstehen sein. Die einschlägige Vorschrift in § 6 Abs. 2 Satz 1 DV Gleitzeit knüpft diese Bewilligung indes an das Vorliegen eines begründeten Ausnahmefalles und die Zustimmung des oder der unmittelbaren Dienstvorgesetzten.
190Der Beklagte hat einen begründeten Ausnahmefall nicht dargelegt. Er legte - trotz entsprechender Aufforderung des für Gleitzeitfragen zuständigen Referates X 0 - kein ärztliches Attest vor, das eine Kernzeitverschiebung nach hinten gerechtfertigt hätte. Der Beklagte war darauf hingewiesen worden, dass das vorgelegte Attest in Bezug auf eine morgendliche Einschränkung der Antriebs- und Reaktionsschnelligkeit zu unbestimmt war, um die Notwendigkeit einer befristeten morgendlichen Kernzeitverschiebung überhaupt erkennen zu lassen.
191Der Beklagte handelte vorsätzlich und schuldhaft. Die Pflicht der Beschäftigten der C2. zum Dienstantritt bis 9.15 Uhr ergibt sich aus der dem Beklagten bekannten Dienstvereinbarung zur gleitenden Arbeitszeit in der C2. . Sie wurde dem Beklagten darüber hinaus in regelmäßigen Schreiben von dem für Gleitzeitfragen zuständigen Referat X 0 mitgeteilt. Darüber hinaus ergibt sich diese Kenntnis auch aus der schriftlichen Äußerung des Beklagten, „die Akten sagen nichts, wenn ich nach 9.15 Uhr komme“ (Beiakte Heft 1, Bl. 75).
192Der Beklagte kannte mithin die Arbeitszeitvorgaben der C2. und wusste, dass er dagegen verstößt, wenn er ohne Genehmigung und ohne vom Dienstherrn anerkanntes ärztliches Attest nach 9.15 Uhr zum Dienst erscheint. Der Beklagte hat daher in Kenntnis der Umstände zumindest billigend in Kauf genommen, durch seinen Dienstantritt nach 9.15 Uhr gegen die Kernzeitregelung zu verstoßen. Er hat persönlich vorgetragen, er glaube nicht, dass er sich hier irre, könnte ja aber etwa weiter erforderliche Erklärungen noch im Termin zur mündlichen Verhandlung abgeben (Beiakte Heft 1, Bl. 73).
193Der Beklagte dringt auch mit seinem Vortrag nicht durch, ihm fehle der Vorsatz, weil seine Pflicht morgens pünktlich zum Dienst erscheinen zu müssen, gerichtlich noch nicht festgestellt sei bzw. er sich hierüber in einem Irrtum befunden habe. Ein etwaiger Irrtum des Beklagten wäre nach den Grundsätzen des Verbotsirrtums (§ 17 StGB) zu behandeln, der den Vorsatz unberührt lässt und der vorliegend nicht unvermeidbar war. Die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums bestimmt sich nach der von dem Beamten gemäß seiner Amtsstellung (Status, Dienstposten) und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten (Vorbildung, dienstlicher Werdegang) zu fordernden Sorgfalt unter Berücksichtigung ihm zugänglicher Informationsmöglichkeiten. Das Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit setzt in der Regel keine juristisch genaue Kenntnis der verletzten Rechtsvorschriften und Verwaltungsanordnungen voraus. Es genügt, wenn der Beamte Umfang und Inhalt seiner auf diesen Regelungen beruhenden Dienstpflichten im weitesten Sinne erfasst. Davon ist im Regelfall auf Grund der Ausbildung der Beamten und der Praxis dienstzeitbegleitender Belehrungen über Rechte und Pflichten im Dienstverhältnis auszugehen.
194Vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Februar 2012 – 2 WD 1/11 –, juris, Rn. 56; Beschluss vom 21. Februar 2008 – 2 B 1/08 –, juris, Rn. 6; OVG NRW, Beschluss vom 7. Juli 2016 ‑ 3d A 1203/16.O –, juris, Rn. 6.
195Nach diesen Maßgaben wäre ein – unterstellter – Verbotsirrtum vermeidbar gewesen, weil der Beklagte als Oberregierungsrat mit langjähriger Diensterfahrung bei gehöriger Anspannung seiner intellektuellen Fähigkeiten die Pflichtwidrigkeit seines Handelns ohne Weiteres hätte erkennen können und müssen.
196Ab dem 25. Juli 2014 bis zum 7. Mai 2018 verstieß der Beklagte an jedem einzelnen Arbeitstag gegen die Kernzeitregelung. Die Verstöße waren in Dauer und Umfang erheblich. Der Beklagte verstieß damit in 817 Fällen gegen die Gehorsamspflicht.
197b) Der Beklagte ist darüber hinaus unerlaubt dem Dienst ferngeblieben. Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 BBG dürfen Beamte dem Dienst nicht ohne Genehmigung ihrer Dienstvorgesetzten fernbleiben. Der Begriff des nicht genehmigten Fernbleibens vom Dienst knüpft an die formale Dienstleistungspflicht des Beamten an. Diese beamtenrechtliche Grundpflicht fordert vom Beamten in erster Linie, sich während der vorgeschriebenen Zeit an dem vorgeschriebenen Ort aufzuhalten und dort die ihm übertragenen dienstlichen Aufgaben wahrzunehmen.
198BVerwG, Beschluss vom 21. Juni 2017 – 2 B 71/16 –, juris, Rn. 7 m.w.N.
199Die Bestimmung von Zeit und Ort der Dienstleistung ist Sache des Dienstherrn. Sie kann sich aus normativen Vorgaben, aus allgemeinen Anordnungen oder aus konkreten, individuellen Weisungen durch den Dienstvorgesetzten ergeben.
200BVerwG, Beschluss vom 21. Juni 2017 – 2 B 71/16 –, juris, Rn. 8.
201Der Tatbestand des Fernbleibens vom Dienst ist auch erfüllt, wenn der Beamte nur während eines Teils der für ihn geltenden täglichen Arbeitszeit nicht am Arbeitsplatz anwesend ist. Dies folgt aus § 9 Satz 2 BBesG, der den Verlust der Dienstbezüge auch bei einem schuldhaften unerlaubten Fernbleiben vom Dienst für Teile eines Tages vorsieht. Zeitliche Untergrenze ist die volle Arbeitsstunde, weil es sich dabei um eine erhebliche und fassbare Zeiteinheit handelt, die die Feststellung des Verlusts der Dienstbezüge und deren Berechnung praktikabel macht.
202Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2011 – 2 A 5/09 –, juris, Rn. 19 m.w.N.
203Der Beklagte ist im Zeitraum vom 14. April 2014 bis zum 7. Mai 2018 an insgesamt 682 Tagen erst nach 10.15 Uhr und damit – wie von der höchstrichterlichen Rechtsprechung gefordert – mehr als eine Stunde zu spät zum Dienst erschienen. Seine Verspätungen beliefen sich auf insgesamt rund 1.397 Stunden. Dies entspricht – eine 41-Stunden-Woche für Bundesbeamte zu Grunde gelegt – einem Zeitraum von etwa 34 Wochen oder rund 7,8 Monaten.
204Der Beklagte war auch dienstfähig, insbesondere nicht am Morgen „dienstunfähig“. Solange ein Beamter dienstunfähig ist, ist er entsprechend von der Dienstleistungspflicht befreit. Von einer morgendlichen Dienstunfähigkeit, also einer insoweit eingeschränkten Dienstfähigkeit und damit einem im Sinne von § 96 BBG berechtigten Fernbleiben vom Dienst, kann indes nicht ausgegangen werden.
205Die Beweislast für die Dienstfähigkeit, also das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 96 BBG, liegt zwar grundsätzlich bei den Disziplinarorganen. Bei der Sachverhaltsaufklärung hat der einem unberechtigten Fernbleiben vom Dienst beschuldigte Beamte aber aus der allgemeinen Treue- und Unterstützungspflicht eine Darlegungslast, wonach er die Gründe für das Fernbleiben vom Dienst in einer Form angeben muss, die den Dienstvorgesetzten in die Lage versetzt, deren Stichhaltigkeit zu überprüfen. Im Falle eines vorgetragenen krankheitsbedingten Fernbleibens vom Dienst sieht § 96 Abs. 1 Satz 2 BBG vor, dass die Dienstunfähigkeit auf Verlangen nachzuweisen ist. Den geforderten Nachweis hat der Beklagte nicht erbracht.
206Die vorgelegten Rechnungen der „SchwerpunktPraxis und Hypertoniezentrum, Kardiologie, Angiologie, Prävention" aus C1. vom 28. Januar 2016, in der als Diagnose „Essentielle Hypertonie" mitgeteilt wurde, und der Fachärztin für Innere Medizin/Rettungsmedizin, Dr. I. , aus C. vom 24. Juli 2016 über die ärztliche Behandlung im Mai 2016 (17. Mai 2016, 20. Mai 2016 und 30. Mai 2016), in der (unter anderem) eine „arterielle essentielle Hypertonie" als Diagnose benannt wurde, sind zum Nachweis einer (morgens) eingeschränkten Dienstfähigkeit nicht ausreichend, da Rechnungen keine Aussagen zur Dienst(un)fähigkeit treffen. Unabhängig davon lassen die auf der Rechnung befindlichen Diagnosen einer „essentielle Hypertonie" bzw. einer „arterielle essentielle Hypertonie" keinen Schluss auf eine morgendliche Dienstunfähigkeit zu.
207Die vorgelegte ärztliche Bescheinigung von Frau Dr. I. vom 16. August 2016 über eine morgendliche Einschränkung der Antriebs- und Reaktionsschnelligkeit ist ebenfalls nicht geeignet, eine über den Kernzeitbeginn hinausgehende Dienst(un)fähigkeit nachzuweisen. Dafür ist sie zu unbestimmt, insbesondere was die Dauer der morgendlichen Einschränkung und ihre konkrete Auswirkung auf die Dienstfähigkeit betrifft. Der Beklagte hat schließlich auch im disziplinargerichtlichen Verfahren eine morgendliche Dienstunfähigkeit nicht ansatzweise dargelegt. Selbst wenn der Beklagte – wie vorgetragen – abends ein pflanzliches Medikament mit den Inhaltsstoffen Baldrianwurzel, Melissenblätter, Lavendelblüten und Zitronengras zu sich genommen hat und diese - unterstellte - Medikamenteneinnahme eine derart langfristige Auswirkung gehabt hätte, ist nicht dargelegt, warum ihm eine zeitlich frühere Medikamenteneinnahme nicht möglich war, um damit den rechtzeitigen Dienstantritt steuern zu können. Im Übrigen hätte der Beklagte öffentliche Verkehrsmittel oder ein Taxi benutzen können, um pünktlich zum Dienst zu erscheinen.
208Das ärztliche Attest des Dr. med. S2. aus C1. vom 20. September 2013 betreffend „chronische Wirbelsäulenbeschwerden“ mit einem handschriftlichen Kenntnisnahmevermerk (wohl) von Frau H. (Gerichtsakte Bl. 71) ist ebenfalls nicht geeignet, eine morgens bestehende Dienstunfähigkeit des Beklagten zu belegen.
209Das angebotene Zeugnis der Ehefrau des Beklagten zu den Hintergründen der behaupteten morgendlichen Dienstunfähigkeit und den Beobachtungen am Morgen kann weder ein ärztliches Attest über eine vorhandene Erkrankung, noch die ärztliche Einschätzung zu den Auswirkungen eines (angeblich eingenommenen) Medikaments ersetzen. Die Frage, ob, und wenn ja, welche Medikamente zur Behandlung einer bestimmten Krankheit geeignet sind, wie diese einzunehmen sind (ob beispielsweise zur Sicherstellung eines zeitigen Dienstantritts ggf. auch eine in zeitlicher Hinsicht alternative Darreichung in Betracht kommt) oder welche Auswirkungen diese Medikamente auf die Dienstfähigkeit haben, kann allein durch einen Arzt festgestellt werden.
210Das Gericht konnte den Beweisantrag, Beweis zu erheben durch „Einholung eines allgemeinen medizinischen Sachverständigengutachtens zum Zusammenhang zwischen der Luftqualität und der Schlafqualität bei Menschen und zur Notwendigkeit kleiner Lüftungsschächte in der Wohnung des Beklagten zum Beweis der Haupttatsache, dass der Beklagte in den streitgegenständlichen Zeiträumen über Schlafstörungen litt und die genannten Umstände mit verursachend dafür waren“, ablehnen. Die genannten Umstände sind aus den dargelegten Gründen nicht entscheidungserheblich.
211Da der Beklagte kein ausreichendes ärztliches Attest über die behauptete morgendliche Dienstunfähigkeit vorgelegt hat, ist eine morgens vorliegende Dienstunfähigkeit nicht nachgewiesen. Vorsatz und Schuld liegen – wie oben ausgeführt – vor.
2122) Der Beklagte verstieß mit seiner Weigerung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, gegen die Gehorsamspflicht aus § 62 Abs. 1 Satz 2 BBG, soweit es die Termine am 13. Juli 2016, am 29. August 2016 und am 7. Oktober 2016 betrifft. Zu dem ersten Termin am 3. Juni 2016 war er krank, so dass insoweit eine schuldhafte Pflichtverletzung ausscheidet.
213Gemäß § 44 Abs. 6 BBG besteht die Verpflichtung des Beamten, sich bei Zweifeln über die Dienst(un)fähigkeit nach Weisung der Behörde amtsärztlich untersuchen und - soweit dies aus amtsärztlicher Sicht für erforderlich gehalten wird - auch beobachten zu lassen.
214Nach höchstrichterlicher und obergerichtlicher Rechtsprechung besteht diese Mitwirkungspflicht zwar nicht, wenn die Maßnahme ausschließlich oder doch überwiegend mit dem Ziel durchgeführt wird, die Feststellung eines Dienstvergehens zu ermöglichen.
215Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.12.1980 - 1 D 129/79 -, juris, Rn. 17; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Mai 2013 – 3 A 10001/13 –, juris, Rn. 50.
216Das ist hier jedoch nicht der Fall. Bei der mit Untersuchungsanordnung vom 4. Mai 2016 angeordneten Begutachtung handelte es sich um eine amtsärztliche Untersuchung, die der Feststellung dienen sollte, ob der Beklagte im Hinblick auf seine dramatischen Äußerungen über seinen allgemeinen Gesundheitszustand (hohes Schlaganfall- und Herzinfarktrisiko) im Zusammenhang mit einer beabsichtigten neuen Bürozuteilung Ende April 2016 überhaupt dienstfähig ist. Die Untersuchungsanordnung verfolgte weder ausschließlich noch überwiegend das Ziel, dem Beklagten die Verletzung seiner Dienstpflichten in der Vergangenheit nachzuweisen bzw. den insoweit gehegten Verdacht auszuräumen.
217Es ist rechtlich auch nicht zu beanstanden, dass die Begutachtung während des laufenden Disziplinarverfahrens angeordnet wurde. Grund dafür war nicht die beabsichtigte Aufdeckung der im Disziplinarverfahren vorgeworfenen Pflichtverletzung des (morgendlichen) unerlaubten Fernbleibens vom Dienst, sondern die Feststellung der vollen oder teilweisen Dienst(un)fähigkeit nach beamtenrechtlichen Vorgaben aus Fürsorgegründen. Aufgrund der ausführlichen Schilderung des Beklagten war der Dienstherr gehalten, die Untersuchungsanordnung zu erlassen. Anderenfalls hätte er sich – worauf die Klägerin zutreffend hinweist – dem Vorwurf ausgesetzt, eine behauptete Lebensgefahr des Beklagten nicht ernst genommen zu haben.
218Kommt der Beamte einer Untersuchungsanordnung nicht nach, verletzt er seine Dienstpflicht aus § 44 Abs. 6 BBG. Nach der gesetzlichen Konzeption des Bundesbeamtengesetzes steht es dem Beamten nicht frei, einer Untersuchungsaufforderung nachzukommen oder nicht (und im Falle der Weigerung „lediglich“ Beweisnachteile im Zurruhesetzungsverfahren in Kauf zu nehmen). Auch die Rechtswidrigkeit der Anordnung lässt die Folgepflicht nicht grundsätzlich entfallen, so dass sie die disziplinarrechtliche Ahndung nicht von vornherein ausschließt, sondern sich im Rahmen der Bemessungsentscheidung nach § 13 BDG maßnahmeausschließend oder -mildernd auswirkt.
219Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. März 2019 – 2 VR 5/18 –, juris, Rn. 26 m.w.N.
220Indem der Beklagte der Untersuchungsanordnung vom 4. Mai 2016, die mit Verfügungen vom 9. Juni 2016, vom 3. August 2016 und vom 19. September 2016 wiederholt wurde, an den oben genannten Terminen nicht nachgekommen ist, hat er in Kenntnis seiner Mitwirkungspflicht entweder bewusst gegen seine Untersuchungsverpflichtung verstoßen oder zumindest den Verstoß gegen seine Mitwirkungspflicht billigend in Kauf genommen. Denn der Beklagte hätte die von ihm vorgetragenen Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Untersuchungsanordnung nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens, in dem bereits eine Auseinandersetzung mit seinen rechtlichen Bedenken erfolgt war, einer (weiteren) verwaltungsgerichtlichen Klärung zuführen können, um abschließende Klarheit hinsichtlich seiner Bedenken und seiner Mitwirkungspflicht zu erlangen. Dies hat er indes versäumt.
221Er hat auch nicht die (nach seinerzeit einschlägiger obergerichtlicher Rechtsprechung) bestehende Möglichkeit verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gesucht.
222Vgl. ausführlich OVG NRW, Beschluss vom 12. Dezember 2017 – 1 B 1470/17 –, juris.
223Unabhängig davon wäre der Beklagte auch nach der jüngsten höchstrichterlichen Rechtsprechung verpflichtet gewesen, sich zur Prüfung seiner Dienstfähigkeit amtsärztlich untersuchen zu lassen. Hiernach wäre ein Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gemäß § 44a VwGO unzulässig. Nach der gesetzlichen Konzeption des Bundesbeamtengesetzes steht es dem Beamten nämlich nicht frei, einer Untersuchungsaufforderung nachzukommen oder nicht (und im Falle der Weigerung „lediglich" Beweisnachteile im Zurruhesetzungsverfahren in Kauf zu nehmen). Auch die Rechtswidrigkeit der Anordnung lässt die Folgepflicht nicht grundsätzlich entfallen, so dass sie die disziplinarrechtliche Ahndung nicht von vornherein ausschließt, sondern sich im Rahmen der Bemessungsentscheidung nach § 13 BDG maßnahmeausschließend oder -mildernd auswirkt.
224BVerwG, Beschluss vom 14. März 2019 – 2 VR 5/18 –, juris, Rn. 26 m.w.N.
225Dementsprechend ist die Frage der Rechtmäßigkeit der Untersuchungsanordnung in einem Disziplinarverfahren im Rahmen der Maßnahmebemessung nach § 13 BDG zu prüfen und würde die Rechtswidrigkeit der Untersuchungsanordnung regelmäßig die Sanktionslosigkeit ihrer Nichtbefolgung zur Folge haben.
226BVerwG, Beschluss vom 14. März 2019 – 2 VR 5/18 –, juris, Rn. 29.
227Nach diesen Maßgaben ist die Untersuchungsanordnung nach Überzeugung der Disziplinarkammer indes rechtmäßig. Einer Untersuchungsanordnung müssen - erstens - tatsächliche Feststellungen zugrunde liegen, die die Dienstunfähigkeit des Beamten als nahe liegend erscheinen lassen. Die Behörde muss diese tatsächlichen Umstände in der Untersuchungsaufforderung angeben. Die Untersuchungsanordnung muss - zweitens - Angaben zu Art und Umfang der ärztlichen Untersuchung enthalten.
228Vgl. ausführlich BVerwG, Beschluss vom 14. März 2019 – 2 VR 5/18 –, juris, Rn. 40 ff.
229Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin hat die tatsächlichen Feststellungen in der Untersuchungsanordnung genannt, nämlich die vom Beklagten selbst vorgetragene Bluthochdruckerkrankung mit erhöhtem Herzinfarkt- bzw. Schlaganfallrisiko mit Einfluss auf die Dienstfähigkeit. Die Untersuchungsanordnung enthielt auch die notwendigen Angaben zu Art und Umfang der ärztlichen Untersuchung. Sie ergeben sich aus Anlage 1b des Begutachtungsauftrags (Beiakte Heft 8, Blatt 63 ff.). Sie enthält – im Hinblick auf die Sorge des Beklagten – keinen Auftrag zur Blutabnahme (in der Terminologie des Beklagten: „Abstechen“). Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass § 81a StPO nicht einschlägig ist.
230Das Gericht konnte den Beweisantrag, Beweis zu erheben „zum Beweis der Tatsachen, dass nach den Beschreibungen in der amtsärztlichen Untersuchungsanordnung der Klägerin vom 4. Mai 2016 (ZI 2-Pers. M75 (GA)) und zwar insbesondere auch wonach unter anderem zu prüfen ist, ob - nachdem laut einer ärztlichen Rechnung vom 28. Januar 2016 - eine „essentielle Hypertonie“ diagnostiziert wurde – „bei Herrn Dr. N. die konkrete Gefahr eines Schlaganfalles oder eines Herzinfarktes besteht“, lag es aus der Sicht eines verständigen Arztes oder einer verständigen Ärztin mindestens medizinisch nahe zu versuchen, der zu untersuchenden Person (Dr. N. ) - damals 50 Jahre alt - für die in der Anordnung beschriebenen Untersuchungsziele Blut abzunehmen, durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens allein auf der Grundlage der amtsärztlichen Untersuchungsanordnung nebst Anlage (Vordrucke) unter Angabe des damaligen Alters der zu untersuchenden Person (50 Jahre)“, ablehnen. Die genannten Umstände sind – wie dargelegt – nicht entscheidungserheblich.
231Der Beklagte ist daher in vorsätzlicher und schuldhafter Weise seiner Untersuchungsverpflichtung nicht nachgekommen und hat damit gegen die Gehorsamspflicht aus § 62 Abs. 1 Satz 2 BBG i.V.m. § 44 Abs. 6 BBG verstoßen.
2323) Arbeitsweise
233a) Zeitraum vom 12. Februar 2014 bis zum 18. Januar 2015
234Die Disziplinarkammer sieht die in diesem Zeitraum gegen den Beklagten erhobenen Vorwürfe einer Dienstpflichtverletzung durch verspätete Erledigung bzw. Nichterledigung von 57 übertragenen Beschwerdevorgängen ebenso wie die unzureichende Beschwerdebearbeitung in fünf Fällen als nicht erwiesen an. Es fehlt damit am Nachweis einer Dienstpflichtverletzung wegen Verstoßes gegen die Pflicht zum vollen dienstlichen Einsatz und zur qualifizierten Arbeitsweise gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 BBG sowie - als formaler Ungehorsam - gegen die Gehorsams- und Unterstützungspflicht aus § 62 Abs. 1 Satz 2 BBG.
235b) Zeitraum vom 19. Januar 2015 bis zum 26. Juni 2015
236Die Disziplinarkammer konnte hingegen – wie dargelegt – die Überzeugung gewinnen, dass der Beklagte in diesem Zeitraum (jedenfalls) 54 Beschwerden unter Verstoß gegen die ihm gesetzte Frist und damit verspätet abgab. Darin liegt jeweils ein Verstoß gegen die Gehorsamspflicht aus § 62 Abs. 1 Satz 2 BBG. Die Klägerin wirft dem Beklagten in diesem Zusammenhang nichts anderes vor.
237Der Hinweis des Beklagten auf die individuelle Bearbeitungsweise sowie weitere dienstliche Aufgaben verfängt insoweit nicht. Nach den oben wiedergegebenen gerichtlichen Feststellungen bekam der Beklagte nach der Vereinbarung vom 19. Januar 2015 montags maximal vier neue Vorgänge zur Bearbeitung zugewiesen, die er mit Frist jeweils bis Freitag der Folgewoche bearbeitet oder unbearbeitet an die Referatsleiterin zurückgeben sollte. Es stand ihm – mit anderen Worten – frei, im Falle zeitintensiver anderer dienstlicher Aufgaben die ihm übertragenen Beschwerdevorgänge unbearbeitet an seine Vorgesetzte zurückzugeben. Selbst dies hat er in den festgestellten Fällen aber nicht getan.
238Die (in vielen Fällen deutlich) verspätete Rückgabe der Beschwerdevorgänge im genannten Zeitraum erfolgte ohne ersichtlichen Grund und damit - in Kenntnis bestehender Fristvorgaben - vorsätzlich und schuldhaft.
2394) Soweit es das Schreiben des Beklagten vom 25. März 2015 an seine Referatsleiterin betrifft, liegt ein Verstoß gegen die innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht vor. Nach § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG muss das Verhalten von Beamtinnen und Beamten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordert. Diese Pflicht beinhaltet auch die Pflicht zur Achtung und Höflichkeit gegenüber Vorgesetzten.
240Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 22. März 2018 – 35 K 9371/16.O –, juris , Rn. 106 ff.
241Die handschriftlichen Äußerungen vom 25. März 2015, die der Beklagte mit der Rückgabe von zehn unbearbeiteten Fällen an die Referatsleiterin, Frau H. , übermittelte, widersprechen einem achtungsvollen und höflichen Verhalten. Der Ton ist erkennbar herablassend und als beleidigend zu bewerten. Einen anderen Interpretationsspielraum lassen diese Aussagen nicht zu.
242Es ist aus Sicht der Disziplinarkammer unter keinem Gesichtspunkt erkennbar, dass die Äußerung als „nett“ und als „Hilfsangebot“ zu verstehen sein könnte.
243Der Beklagte hat in Kenntnis der Unangemessenheit seines Verhaltens gegen die Pflicht, sich achtungs- und vertrauensvoll zu verhalten, verstoßen. Er handelte vorsätzlich und schuldhaft.
244III) Nach einer Gesamtwürdigung sämtlicher zu berücksichtigender Umstände hat der Beklagte durch das Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren (§ 13 Abs. 2 Satz 1 BDG). Er ist aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
245Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG ist ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Dies ist anzunehmen, wenn aufgrund der prognostischen Gesamtwürdigung auf der Grundlage aller im Einzelfall bedeutsamen belastenden und entlastenden Gesichtspunkte der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen oder die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums sei bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wieder gutzumachen.
246Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 C 3/12 -, juris, Rn. 25; BVerfG, Beschluss vom 19. Februar 2003 - 2 BvR 1413/01 -, juris, Rn. 29.
247Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt voraus, dass die sich aus § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG ergebenden Bemessungskriterien mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht ermittelt (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 2 BDG) und in die Entscheidung eingestellt werden. Dieses Erfordernis beruht letztlich auf dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Danach muss die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme unter Berücksichtigung aller belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen.
248Vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2004 - 2 BvR 52/02 -, juris, Rn. 44; BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 63/11 -, juris, Rn. 13.
249Für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist die Schwere des Dienstvergehens richtungweisend. Die Schwere beurteilt sich nach objektiven Handlungsmerkmalen wie Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzungen, den besonderen Umständen der Tatbegehung sowie Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens, nach subjektiven Handlungsmerkmalen wie Form und Gewicht des Verschuldens des Beamten, den Beweggründen für sein Verhalten sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte. Das Dienstvergehen ist nach der festgestellten Schwere einer der im Katalog des § 5 BDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen. Davon ausgehend kommt es darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme geboten ist.
250Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 2013 – 2 B 63/12 -, juris, Rn. 7; Urteil vom 23. Februar 2012 – 2 C 38/10 -, juris, Rn. 12 m.w.N.; Urteil vom 28. Juli 2011 – 2 C 16/10 -, juris, Rn. 29; OVG NRW, Urteil vom 31. August 2016 – 3d A 910/14.O -, Seite 19 des Urteilsabdrucks.
251Setzt sich – wie hier – das Dienstvergehen aus mehreren Dienstpflichtverletzungen zusammen, so bestimmt sich die zu verhängende Disziplinarmaßnahme in erster Linie nach der schwersten Verfehlung.
252Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2005 – 1 D 1/04 -, juris, Rn. 113, OVG NRW, Urteil vom 21. März 2018 – 3d A 1043/14.O -, juris, Rn. 70.
253Dies sind vorliegend die in Dauer und Umfang erheblichen Verletzungen der Kernzeit. Jeder Beamte weiß, dass er – solange er nicht beurlaubt oder krankgeschrieben ist – seiner Dienstleistungspflicht nachzukommen hat. Ihre Befolgung ist von existentieller Bedeutung für die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung. Ohne die zuverlässige Dienstleistung ihrer Mitarbeiter ist diese nicht im Stande, die ihr gegenüber der Allgemeinheit obliegenden Aufgaben zu erfüllen. Deshalb kann einem Beamten, der ohne rechtlich erheblichen Grund nicht zum vorgeschriebenen Dienst erscheint, regelmäßig nicht mehr das Vertrauen entgegengebracht werden, das für eine gedeihliche Zusammenarbeit unerlässlich ist.
254Vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Mai 2003 ‑ 1 D 26/02 –, juris, Rn. 54.
255Die Beurteilung der Schwere der nachgewiesenen Dienstpflichtverletzungen des Beklagten hat sich an den Maßstäben zu orientieren, die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die disziplinarrechtliche Ahndung des unerlaubten Fernbleibens vom Dienst und des häufigen verspäteten Dienstantritts über einen längeren Zeitraum entwickelt worden sind: Vorsätzliches unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst führt regelmäßig zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, wenn es über Monate andauert oder in der Summe einen vergleichbaren Gesamtzeitraum erreicht.
256Vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Januar 2011 – 2 A 5/09 –, juris, Rn. 35, vom 25. Januar 2007 – 2 A 3/05 -, juris, Rn. 42, und vom 22. April 1991 – 1 D 62/90 –, juris, Rn. 99 m.w.N.
257Diese Voraussetzungen liegen vor: Der Beklagte ist nach den gerichtlichen Feststellungen insgesamt 1.614 Stunden bzw. umgerechnet rund 9 Monate unerlaubt dem Dienst ferngeblieben.
258Selbst wenn die höchstrichterliche Rechtsprechung zu Gunsten des Beklagten dahingehend zu verstehen sein sollte, dass zeitliche Untergrenze für ein unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst die volle Arbeitsstunde ist,
259- BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2011 – 2 A 5/09 -, juris, Rn. 19, -
260ergäbe sich nichts anderes. Rechnet man die Kernzeitverletzungen von unter einer vollen Arbeitsstunde (Dienstbeginn mithin zwischen 9.15 Uhr und 10.15 Uhr) heraus, verblieben dennoch insgesamt rund 1.397 Stunden bzw. umgerechnet 7,8 Monate unerlaubten Fernbleibens vom Dienst.
261Diese erhebliche Dauer des unerlaubten Fernbleibens vom Dienst rechtfertigt für sich allein bereits die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Das unerlaubte Fernbleiben vom Dienst geht – wie oben bereits dargelegt – einher mit 817 Fällen des Verstoßes gegen die Gehorsamspflicht wegen Nichteinhaltung der Kernzeitregelung.
262Es kommt erschwerend hinzu der Verstoß gegen die Gehorsamspflicht aus § 62 Abs. 1 Satz 2 BBG i.V.m. § 44 Abs. 6 BBG wegen des Verstoßes gegen die (rechtmäßige) Anordnung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen.
263Es kommt weiter hinzu der Verstoß gegen die Gehorsamspflicht aus § 62 Abs. 1 Satz 2 BBG in 54 Fällen wegen verspäteter Rückgabe der Beschwerdevorgänge im Zeitraum vom 19. Januar 2015 bis zum 26. Juni 2015.
264Schließlich ist zu Lasten des Beklagten der Verstoß gegen die innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht nach § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG wegen der handschriftlichen Äußerungen vom 25. März 2015 im Hinblick auf seine (damalige) Referatsleiterin zu berücksichtigen.
265Ausgehend hiervon hat der Beklagte sich mit seinem hier zu beurteilenden Verhalten eines so schweren Dienstvergehens schuldig gemacht, dass es bei einer Gesamtwürdigung aller für und gegen ihn sprechenden Umstände, seines Persönlichkeitsbildes und des Umfangs der eingetretenen Vertrauensbeeinträchtigung unumgänglich ist, ihn aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
266Das Bemessungskriterium „Persönlichkeitsbild des Beamten" gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 BDG erfasst dessen persönliche Verhältnisse und sein sonstiges dienstliches Verhalten vor, bei und nach Tatbegehung. Es erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des Beamten übereinstimmt oder ob es etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder psychischen Ausnahmesituation davon abweicht.
267Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2013 – 2 B 35/13 –, juris, Rn. 6; OVG NRW, Urteil vom 10. Oktober 2018 – 3d A 2120/17.O –, juris, Rn. 105.
268Es liegt kein in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts „anerkannter" Milderungsgrund vor, der das Verhalten des Beklagten in milderem Licht erscheinen ließe.
269Das Verhalten des Beklagten stellt sich nicht als einmalige persönlichkeitsfremde Augenblickstat im Zuge einer plötzlich entstandenen Versuchungssituation dar. Dies würde voraussetzen, dass die Dienstpflichtverletzungen eine Kurzschlusshandlung darstellten, die durch eine spezifische Versuchungssituation hervorgerufen wurde, und, dass sich eine Wiederholung in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten ausschließen lässt. Das wiederum hängt davon ab, ob sich der Beamte zuvor dienstlich wie außerdienstlich tadellos verhalten hat, wobei Verfehlungen auf einem völlig anderen Gebiet außer Betracht bleiben. Es kommt darauf an, ob das Fehlverhalten nach dem Gesamtbild der Persönlichkeit des Beamten eine einmalige Entgleisung darstellt.
270Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 2014 – 2 B 60/14 –, juris, Rn. 29, m.w.N.; OVG NRW, Urteil vom 10. Oktober 2018 – 3d A 2120/17.O –, juris, Rn. 110.
271Es handelt sich hiernach hinsichtlich aller Vorwürfe nicht um eine einmalige persönlichkeitsfremde Augenblickstat. Dies gilt für die Dienstpflichtverletzungen zu 1. bis 3. bereits deshalb, weil sich dieses Verhalten über einen langen Zeitraum erstreckte, so dass eine einmalige persönlichkeitsfremde Augenblickstat im Sinne einer „plötzlichen“ Situation ausgeschlossen ist. Dies gilt aber auch für die Dienstpflichtverletzung zu 4. Das handschriftliche Schreiben des Beklagten an seine Vorgesetzte stellt in Anbetracht der aufgetretenen Konflikte ersichtlich ebenfalls keine einmalige persönlichkeitsfremde Augenblickstat dar.
272Eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 StGB) des Beklagten lag zum Zeitpunkt der vorgeworfenen Handlungen nicht vor. Konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Eingangsmerkmals des § 20 StGB sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
273Der Milderungsgrund der „Entgleisung während einer inzwischen überwundenen negativen Lebensphase" im Tatzeitraum kann dem Beklagten nicht zu Gute gehalten werden. Eine so genannte negative Lebensphase während des Tatzeitraums kann je nach den Umständen des Einzelfalles mildernd berücksichtigt werden. Dies gilt allerdings nur für außergewöhnliche Verhältnisse, die den Beamten zeitweilig aus der Bahn geworfen haben. Hinzukommen muss, dass er die negative Lebensphase in der Folgezeit überwunden hat. Die Berücksichtigung einer schwierigen, inzwischen überwundenen Lebensphase liegt dabei vor allem dann nahe, wenn sich der Pflichtenverstoß als Folge der Lebensumstände darstellt.
274Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. März 2016 – 2 B 43/15 –, juris, Rn. 11; OVG NRW, Urteil vom 10. Oktober 2018 – 3d A 2120/17.O –, juris, Rn. 147.
275Es muss sich um eine persönlich besonders belastende Situation gehandelt haben, die so gravierend ist, dass die Pflichtverletzung des Beamten in einem milderen Licht erscheint, weil ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten vom Beamten nicht mehr erwartet und damit nicht mehr vorausgesetzt werden kann.
276Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Juni 2016 – 2 B 49/15 –, juris, Rn. 11.
277Dies ist hier nicht der Fall. Eine „Entgleisung“ während einer negativen Lebensphase ist bereits nicht dargelegt. Sie ergibt sich insbesondere nicht aus der Diagnose einer „essentiellen Hypertonie“.
278Stehen dem Beklagten keine in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts „anerkannten“ Milderungsgründe zur Seite, bedeutet dies nicht, dass die entlastenden Aspekte seines Persönlichkeitsbildes bei der Maßnahmebemessung unberücksichtigt bleiben dürften. Sie sind vielmehr auch dann, wenn sie keinen der anerkannten Milderungsgründe verwirklichen, insgesamt mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Bewertung einzubeziehen. Dabei bieten die Milderungsgründe Vergleichsmaßstäbe für die Bewertung, welches Gewicht entlastenden Gesichtspunkten in der Summe zukommen muss, um eine Fortsetzung des Beamtenverhältnisses in Betracht ziehen zu können. Generell gilt, dass deren Gewicht umso größer sein muss, je schwerer das Dienstvergehen im Einzelfall wiegt.
279Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 – 2 C 63/11 -, juris, Rn. 25; OVG NRW, Urteil vom 20. März 2019 – 3d A 4888/18.O -, Seiten 33 f. des Urteilsabdrucks.
280Ausgehend von diesen Maßstäben kommt den in den Blick zu nehmenden entlastenden Gesichtspunkten weder isoliert betrachtet noch in ihrer Gesamtheit ein solches Gewicht zu, dass sie eine Maßnahmemilderung für das dem Beklagten zur Last fallende Dienstvergehen rechtfertigten.
281Zu Gunsten des Beklagten sprechen seine fehlende strafrechtliche und disziplinare Vorbelastung, seine langjährige Dienstausübung und seine anfangs positiven Leistungsbeurteilungen. Hierbei handelt es sich indes um Umstände, die bei der Mehrzahl der Beamten anzutreffen sind und den Beklagten nicht besonders hervorheben. Dass ein Beamter nicht straffällig oder disziplinar auffällig wird und im Dienst ordentliche Leistungen erbringt, dürfen sowohl der Dienstherr als auch die Allgemeinheit als selbstverständliches Bemühen erwarten. Dies ist daher nicht geeignet, die durch ein erhebliches Dienstvergehen verursachte Vertrauensbeeinträchtigung auch nur annähernd auszugleichen.
282OVG NRW, Urteil vom 26. April 2016 – 3d A 1785/14.O –, juris, Rn. 126.
283Die (hauptsächlich auf den fortgesetzten Dienstpflichtverletzungen und umfangreichen Eingaben des Beklagten beruhende) lange Dauer des behördlichen und gerichtlichen Disziplinarverfahrens kann nicht mildernd berücksichtigt werden, da die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis die gebotene Disziplinarmaßnahme ist.
284Zur Frage der Bedeutung einer unangemessen langen Dauer des Disziplinarverfahrens für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 26. März 2014 folgendes ausgeführt:
285„Für die innerstaatlichen Rechtsfolgen einer unangemessen langen Verfahrensdauer im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK ist zu beachten, dass diese Bestimmung Verfahrensrechte einräumt. Diese dienen der Durchsetzung und Sicherung des materiellen Rechts; sie sind nicht darauf gerichtet, das materielle Recht zu ändern. Daher kann eine unangemessen lange Verfahrensdauer nicht dazu führen, dass den Verfahrensbeteiligten eine Rechtsstellung zuwächst, die ihnen nach dem innerstaatlichen materiellen Recht nicht zusteht. Vielmehr kann sie für die Sachentscheidung in dem zu lange dauernden Verfahren nur berücksichtigt werden, wenn das materielle Recht dies vorschreibt oder zulässt. Ob diese Möglichkeit besteht, ist durch die Auslegung der entscheidungserheblichen materiellrechtlichen Normen und Rechtsgrundsätze zu ermitteln. Bei dieser Auslegung ist das Gebot der konventionskonformen Auslegung im Rahmen des methodisch Vertretbaren zu berücksichtigen […].
286Dementsprechend hat der Gesetzgeber davon abgesehen, einen inhaltlichen Bezug zwischen der überlangen Dauer eines Verfahrens und den geltend gemachten materiellrechtlichen Positionen herzustellen. Er hat die Verfahrensbeteiligten auf Entschädigungsansprüche nach Maßgabe der §§ 198 ff. GVG (in der Fassung des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 <BGBl I S. 2302>) verwiesen. Diese Vorschriften finden nach § 173 Satz 2 VwGO, § 3 LDG NRW auch für Disziplinarverfahren Anwendung […].
287Ergibt die für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme erforderliche Gesamtwürdigung, hier nach § 13 Abs. 2 Satz 1 bis 3 LDG NRW, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist, kann davon nicht abgesehen werden, weil das Disziplinarverfahren unangemessen lange gedauert hat. Ein Verbleib im Beamtenverhältnis ausschließlich aufgrund einer unangemessen langen Verfahrensdauer lässt sich nicht mit dem Zweck der Disziplinarbefugnis, nämlich dem Schutz der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung und der Integrität des Berufsbeamtentums, vereinbaren. Diese Schutzgüter und der Grundsatz der Gleichbehandlung schließen aus, dass ein Beamter weiterhin Dienst leisten und als Repräsentant des Dienstherrn auftreten kann, obwohl er durch gravierendes Fehlverhalten untragbar geworden ist. Die Dauer des Disziplinarverfahrens ist nicht geeignet, das von dem Beamten zerstörte Vertrauensverhältnis wiederherzustellen […].“
288BVerwG, Beschluss vom 26. März 2014 – 2 B 100/13 -, juris, Rn. 13 bis 15, unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 – 2 C 3/12 -, juris, Rn. 44 ff.; Beschluss vom 22. Dezember 2017 – 2 B 24/17 –, juris, Rn. 40.
289Dem hat sich die erkennende Disziplinarkammer in mehreren Entscheidungen angeschlossen.
290Vgl. Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteile vom 7. Mai 2018 – 35 K 2791/14.O -, vom 18. April 2016 – 38 K 4832/10.BDG – und vom 7. März 2016 – 38 K 2000/14.BDG –.
291Bei einer abschließenden Gesamtabwägung des Gewichts des dem Beklagten zur Last fallenden Dienstvergehens, der den Beklagten entlastenden Umstände seines Persönlichkeitsbildes sowie des Ausmaßes der vom Beklagten zu verantwortenden Vertrauensbeeinträchtigung gelangt das Gericht zu der Bewertung, dass es keine durchgreifenden Gründe gibt, von der durch die Deliktsschwere indizierten Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abzusehen. Der Beklagte hat das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit unwiderruflich zerstört. Die von ihm zu verantwortende Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums ist bei einem Fortbestehen des Beamtenverhältnisses nicht wieder gutzumachen. Er ist aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
292Dies ergibt sich hinsichtlich der Kernzeitverletzungen bereits aus der hohen Zahl der Fälle über einen ganz erheblichen Zeitraum. Es kommen die weiteren erheblichen Dienstpflichtverletzungen hinzu. Insgesamt spiegeln alle Dienstpflichtverletzungen die Einstellung des Beklagten wider, Anordnungen und Weisungen des Dienstherrn nicht nachzukommen. Es zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Disziplinarverfahren, dass der Beklagte seinen eigenen Vorstellungen und Wünschen grundsätzlich Vorrang einräumt gegenüber dienstlichen Anordnungen und Weisungen. Nur beispielhaft sei darauf hingewiesen, dass der Beklagte nach Einleitung des Disziplinarverfahrens am 6. November 2015 an jedem einzelnen Tag gegen die vorgeschriebene Kernzeit verstieß, sich also mit anderen Worten durch das Disziplinarverfahren nicht beeindrucken ließ. Vor diesem Hintergrund kann es auch nicht durchgreifend zu seinen Gunsten gewertet werden, dass er seit dem 1. Juli 2018 seinen Dienst wieder innerhalb der geltenden Kernzeit antritt. Er hat in der mündlichen Verhandlung persönlich erklärt, dass diese Verhaltensänderung auf einer geänderten Medikation und eines veränderten gesundheitlichen Zustandes beruht. Eine Einsicht in ein Fehlverhalten ist damit nicht verbunden. Es kann deshalb dahinstehen, ob der Hinweis darauf, dass gemäß § 9 BBesG bei einem schuldhaften Fernbleiben vom Dienst ohne Genehmigung der Beklagte für die Zeit des Fernbleibens seine Bezüge teilweise verliert, mit ausschlaggebend für die eingetretene Verhaltensänderung war.
293Die Verhängung der Höchstmaßnahme verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot). Hat ein Beamter – wie hier – durch das Gewicht des von ihm begangenen Dienstvergehens und mangels durchgreifender Milderungsgründe die Vertrauensgrundlage des Dienstverhältnisses zerstört, dann ist seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden. Die darin liegende Härte für den Beklagten ist nicht unverhältnismäßig, denn sie beruht auf den schuldhaften schwerwiegenden Pflichtverletzungen des Beklagten und ist ihm als für alle öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Rechtsfolge bei derartigen Rechtsverletzungen zuzurechnen.
294Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2003 - 1 D 2/03 -, juris, Rn. 49
295Die Kostenentscheidung folgt aus § 77 Abs. 1 BDG, § 154 Abs. 1 VwGO.
296Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 3 Abs. 1 BDG, § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.
297Rechtsmittelbelehrung:
298Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu.
299Die Berufung ist bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich einzulegen und zu begründen.
300Die Berufung kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingelegt und begründet werden.
301Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) enthalten. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Berufung unzulässig. Im Berufungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –).
302Die Berufungsschrift und die Berufungsbegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.