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1. Zurückweisung des Eilantrages einer Partei gegen die durch Ordnungsverfügung auferlegte Verpflichtung, im Stadtgebiet aufgehängte Wahlwerbeplakate abzuhängen oder unkenntlich zu machen.
2. Der Wahlslogan "Stoppt die Invasion: Migration tötet!" auf einem Wahlwerbeplakat erfüllt den Straftatbestand der Volksverhetzung i.S.v. § 130 StGB und gefährdet deshalb die öffentliche Sicherheit und Ordnung.
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,- € festgesetzt.
Gründe:
2Der am 17. Mai 2019 bei dem Verwaltungsgericht eingegangene Antrag der Antragstellerin, der darauf gerichtet ist,
3die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage 20 K 3926/19 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 16. Mai 2019 hinsichtlich Ziffer 1. wiederherzustellen und hinsichtlich Ziffer 2. anzuordnen,
4hat keinen Erfolg. Er ist zulässig, aber nicht begründet.
5Mit Ziffer 1. der im Hauptsacheverfahren angegriffenen Ordnungsverfügung vom 16. Mai 2019 hat der Antragsgegner der Antragstellerin aufgegeben, alle Wahlwerbeplakate der Partei mit dem Wahlwerbeslogan „Stoppt die Invasion: Migration tötet!“ in N. bis zum 17. Mai 2019 12:00 Uhr zu entfernen oder unkenntlich zu machen. Der Antragsgegner hat zugleich in Ziffer 3. der Ordnungsverfügung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung von Ziffer 1. angeordnet. Damit entfällt diesbezüglich die aufschiebende Wirkung der im Hauptsacheverfahren erhobenen Anfechtungsklage. Mit Ziffer 2. der angegriffenen Ordnungsverfügung hat der Antragsgegner die Durchführung von Ziffer 1. im Wege der Ersatzvornahme angedroht. Diesbezüglich entfaltet die im Hauptsacheverfahren erhobene Anfechtungsklage gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 112 JustG NRW keine aufschiebende Wirkung. Auf Antrag der Antragstellerin kann das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO bezüglich Ziffer 1. der Ordnungsverfügung wiederherstellen sowie hinsichtlich Ziffer 2. anordnen. Die Voraussetzungen dafür liegen aber nicht vor.
6Bei der im Rahmen des Aussetzungsverfahrens nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes und dem Individualinteresse der Antragstellerin an einem einstweiligen Aufschub der Vollziehung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache das maßgebliche Kriterium. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt bei der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, überwiegt das Aussetzungsinteresse das Vollzugsinteresse. Stellt sich der Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig dar, überwiegt in der Regel das Vollzugsinteresse. Ist weder eine offensichtliche Rechtmäßigkeit, noch eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der angefochtenen Maßnahme feststellbar, kommt es entscheidend auf eine Abwägung zwischen den für eine sofortige Vollziehung sprechenden Interessen einerseits und dem Interesse des Betroffenen an einer Aussetzung der Vollziehung andererseits an.
7Gemessen an diesen Grundsätzen fällt die vorzunehmende Interessenabwägung zu Gunsten des Antragsgegners aus.
8I.
9Eine den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügende Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung durch den Antragsgegner liegt vor.
10II.
11Ziffer 1. der angegriffenen Ordnungsverfügung vom 16. Mai 2019 erweist sich bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig.
12Der Einwand der Antragstellerin, sie sei zu der Maßnahme des Antragsgegners vorher nicht angehört worden, führt im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht zum Erfolg. Es greift eine Ausnahme vom Anhörungserfordernis.
13Von der Anhörung eines Beteiligten kann gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, weil eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Gefahr im Verzug in diesem Sinne ist anzunehmen, wenn durch eine vorherige Anhörung auch bei Gewährung kürzester Anhörungsfristen ein Zeitverlust einträte, der mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Folge hätte, dass die behördliche Maßnahme zu spät käme, um ihren Zweck noch zu erreichen,
14vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 22. März 2012 – 3 C 16/11 -, zitiert nach juris.
15Eine Anhörung der Antragstellerin vor Erlass der Ordnungsverfügung war entbehrlich, weil sie durch die von ihr aufgehängten Wahlplakate mit dem Slogan „Stoppt die Invasion: Migration tötet!“ fortlaufend den Straftatbestand der Volksverhetzung gemäß § 130 StGB (s.u.) verwirklicht. Um die Begehung dieser sich ständig wiederholenden Straftat zügig zu unterbinden, durfte der Antragsgegner vor dem Erlass der Ordnungsverfügung von einer vorherigen Beteiligung der Antragstellerin absehen. Der mit einer Anhörung der Antragstellerin verbundene Zeitverlust war in dieser Situation nicht hinnehmbar. Wie der Ablauf des Verwaltungsverfahrens belegt, hat der Antragsgegner nach der Feststellung des gesetzwidrigen Zustandes auch keine unnötige Zeit verloren, um gegen die Antragstellerin vorzugehen. Sein Handeln war stringent auf eine möglichst schnelle Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes gerichtet.
16Ein möglicher Anhörungsfehler könnte außerdem gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG NRW bis zum Abschluss der ersten Instanz des gerichtlichen Hauptsacheverfahrens nachgeholt werden. Auch wenn man davon ausgeht, dass für eine Heilung in diesem Sinne der Austausch von Schriftsätzen zwischen den Parteien im gerichtlichen Verfahren nicht ausreicht,
17vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18. April 2017 – 9 B 54/16 -; zitiert nach juris,
18ist derzeit nicht feststellbar, dass dem Antragsgegner bis zum Abschluss des Klageverfahrens die Heilung eines Anhörungsfehlers nicht gelingen könnte. Dies schließt die erfolgreiche Geltendmachung eines Anhörungsfehlers, von welchem die Kammer nicht ausgeht, im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes aus.
19In der Sache hat der Antragsgegner die angegriffene Ordnungsverfügung vom 16. Mai 2019 mangels spezialgesetzlicher Ermächtigungsgrundlagen auf die Vorschrift des § 14 Abs. 1 OBG NRW gestützt. Die Voraussetzungen für ein ordnungsbehördliches Einschreiten liegen vor.
20Nach § 14 Abs. 1 OBG NRW können die Ordnungsbehörden die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im Einzelfall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Eine konkrete Gefahr liegt vor, wenn bei ungehindertem Geschehensablauf in überschaubarer Zukunft mit einem Schaden für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden kann. Das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit umfasst die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung, die subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen sowie die Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates,
21vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. August 2015 – 5 B 908/15 -, zitiert nach juris.
22Mit der Aufhängung ihrer Wahlplakate im Stadtgebiet von N. , welche die Aufschrift „Stoppt die Invasion: Migration tötet!“ enthalten, gefährdet die Antragstellerin als Zustandsstörerin fortgesetzt die öffentliche Sicherheit. Wie einem Schreiben des Kreisvorsitzenden der Antragstellerin an den Antragsgegner vom 19. Mai 2019 zu entnehmen ist, ist ein Teil der Plakate zwar inzwischen abgehängt worden, ein anderer Teil aber nicht. Die Störung dauert also nach wie vor an.
23Der Inhalt des fraglichen Wahlwerbeplakates der Antragstellerin verwirklicht den Straftatbestand der Volksverhetzung im Sinne von § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Dies rechtfertigt ein ordnungsbehördliches Einschreiten ohne weiteres. Eines evidenten und ins Gewicht fallenden Verstoßes, wie ihn die Rechtsprechung verlangt hat, um einen Anspruch der Partei auf Ausstrahlung von Wahlwerbespots im Rundfunk zu versagen,
24vgl. Bundesverfassungsgericht, Einstweilige Anordnung vom 15. Mai 2019 – 1 BvQ 43/19 -, zitiert nach juris,
25bedarf es im Gefahrenabwehrrecht grundsätzlich nicht. Selbst wenn man einen solchen evidenten, gewichtigen Verstoß aufgrund der zeitlichen Nähe des ordnungsbehördlichen Eingreifens des Antragsgegners zur Europawahl fordern würde, läge ein solcher nach Ansicht der Kammer im gegebenen Fall vor.
26Objektiv begeht Volksverhetzung im Sinne von § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB, wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet.
27Die gewählte Darstellung der Antragstellerin mit dem Wortlaut „Stoppt die Invasion: Migration tötet!“ bedeutet Volksverhetzung in diesem Sinne, weil sie in ihrem Gesamtzusammenhang die in Deutschland lebenden Ausländer in einer Weise böswillig verächtlich macht, die ihre Menschenwürde angreift und geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.
28Betroffen hiervon ist ein Teil der Bevölkerung. Damit sind sich aufgrund bestimmter objektiver und subjektiver Merkmale von der übrigen Bevölkerung unterscheidende Personenmehrheiten gemeint, die zahlenmäßig von einiger Erheblichkeit, d.h. individuell nicht mehr überschaubar sind,
29vgl. Schönke/Schröder, StGB, 30. Auflage 2019, § 130 Rdn. 3.
30Einen solchen Teil stellen die in Deutschland lebenden Migranten, also aus dem Ausland nach Deutschland eingereiste Menschen, von denen die im Plakat bezeichnete „Migration“ ausgeht (s.u.), dar.
31Ein böswilliges Verächtlichmachen liegt vor, wenn die Betroffenen aus verwerflichen Beweggründen durch Äußerungen als der Achtung der Staatsbürger unwert oder unwürdig dargestellt werden,
32vgl. Schönke/Schröder, StGB, 30. Auflage 2019, § 130 Rdn. 5d.
33Diese Kriterien werden durch das Wahlplakat der Antragstellerin in Bezug auf die in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Migranten erfüllt. Ein böswilliges Verächtlichmachen der nach Deutschland zugezogenen Migranten liegt schon darin, dass die Einwanderung dieser Personen in dem Wahlplakat als „Invasion“ bezeichnet wird, die es zu stoppen gilt. Unter Invasion ist ein feindlicher Einfall, ein widerrechtlicher Einbruch in fremdes Staatsgebiet, bzw. eine gewaltsame Inbesitznahme zu verstehen,
34vgl. Wahrig, Deutsches Wörterbuch.
35Die Bezeichnung der Zuwanderung als „Invasion“ impliziert damit, dass es sich dabei um einen kriegerischen Akt handelt, dem ebenso gewaltsam, wie er begangen wird, begegnet werden darf. Dem entspricht es, dass die Antragstellerin auf ihrem Wahlplakat zugleich zum Widerstand aufruft, indem es ausdrücklich heißt: “ Widerstand – Jetzt –“. Liest man die Ausdrücke „Stoppt die Invasion“ und „Widerstand – Jetzt –“ im Zusammenhang, so kann dies als Aufruf an die deutsche Bevölkerung verstanden werden, der Zuwanderung mit geeigneten Maßnahmen entgegenzutreten. Dadurch aber werden sämtliche Zuwanderer unterschiedslos als widerrechtliche Eindringlinge kriminalisiert und böswillig verächtlich gemacht. Dies ist geeignet, die Menschenwürde der Migranten zu verletzen.
36Verstärkt wird die verächtlich machende Wirkung des Wahlplakates durch die in großen Lettern hervorgehobene Aussage „Migration tötet!“. Migranten werden mit der Formulierung „Migration tötet!“ generell als gefährlich gebrandmarkt und pauschal mit der Gefahr von Tötungsdelikten verknüpft. Die gewählte Formulierung „Migration tötet!“ macht dabei - anders als es die Antragstellerin vorträgt - keinen wesentlichen Unterschied zu der Formulierung „Migranten töten“, da beim angesprochenen Publikum die gleiche Aussage assoziiert wird, wonach in das Bundesgebiet eingereiste Ausländer in ihrer Gesamtheit eine direkte erhebliche Gefahr für Deutsche sein sollen. Der Einwand der Antragstellerin, man wolle mit dem Begriff „Migration“ die Einwanderungspolitik der Bundesregierung kritisieren, nicht die Migranten als Personen, geht fehl. Ein solches Verständnis lässt sich aus dem Plakat gerade nicht ableiten. Der Begriff „Migration“ bezeichnet die Abwanderung in ein anderes Land, in eine andere Gegend, an einen anderen Ort,
37vgl. https://duden.de/rechtschreibung/Migration,
38und damit die auf einem Willensentschluss der migrierenden Personen beruhende Handlung, nicht eine hierauf lediglich reagierende Einwanderungspolitik der Zielländer der Migration. So werden die Bundesregierung und ihre Einwanderungspolitik in dem Plakat auch schlicht nicht thematisiert. Stattdessen werden durch die Aufzählung zahlreicher Städtenamen nebst davorgesetztem Kreuz im Hintergrund des Plakats Straftaten von Migranten, also von Personen, in den Fokus gesetzt.
39Die Aufzählung von Städtenamen erweckt darüber hinaus den Eindruck, dass Migranten in Deutschland für eine unüberschaubare Zahl von Todesfällen verantwortlich sind. Die Gestaltung ist so gewählt, dass der Betrachter des Wahlplakates die Schlussfolgerung ziehen muss, die Aufzählung von Städtenamen ließe sich endlos fortführen, es handele sich nur um einen kleinen Ausschnitt der Wirklichkeit. Durch diesen Effekt wird die verächtlich machende Wirkung des Wahlplakates weiter verschärft.
40Das Wahlplakat ist auch geeignet, den öffentlichen Frieden zu gefährden, wie dies § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB voraussetzt. Der öffentliche Friede wird gefährdet, wenn berechtigte Gründe für die Befürchtung vorliegen, dass das Vertrauen in die öffentliche Rechtssicherheit erschüttert wird, sei es auch nur bei der Bevölkerungsgruppe, gegen die sich die böswillige Verächtlichmachung gerichtet,
41vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. August 2006 – 5 StR 405/05 – , zitiert nach juris.
42Durch das Wahlplakat werden Ängste gegen Migranten geschürt, in dem sie pauschal als Schwerststraftäter dargestellt werden, vor denen sich Deutsche schützen müssen. Indem zum Widerstand gegen die „Invasion“ der Migranten aufgerufen wird, wird suggeriert, dass der Staat selbst nicht willens oder in der Lage ist, Deutsche vor gewalttätigen Angriffen der Migranten zu schützen. Das Gewaltmonopol des Staates wird damit infrage gestellt. Solche Äußerungen sind geeignet, das Vertrauen in die Rechtssicherheit zu erschüttern, eine latent vorhandene Gewaltbereitschaft eines bestimmten Personenkreises gegenüber Ausländern zu stärken, Abneigungen gegen Migranten hervorzurufen und die Gewaltschwelle herabzusetzen. Dies stört den öffentlichen Frieden.
43Die Rechtsprechung hat deshalb einen Wahlwerbespot der Antragstellerin mit der Formulierung „Migration tötet“ als Volksverhetzung und damit unzulässig eingestuft,
44vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. April 2019 – 5 B 543/19 -; Bundesverfassungsgericht, Ablehnung einstweilige Anordnung vom 27. April 2019 – 1 BvQ 36/19 -; vorgehend: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. April 2019 – 2 B 10639/19 -; diesem vorgehend: Verwaltungsgericht Mainz, Beschluss vom 26. April 2019 – 4 L 437/19.MZ -; zitiert nach juris.
45Erst nachdem die Antragstellerin die Formulierung „Migration tötet“ aus ihrem Wahlwerbespot getilgt hatte, wurde ihr ein Anspruch auf Ausstrahlung zugesprochen,
46vgl. Bundesverfassungsgericht, Einstweilige Anordnung vom 15. Mai 2019 – 1 BvQ 43/19 -; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 8. Mai 2019 – 8 B 961/19 -; Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 15. Mai 2019 – 5 B 140/19 -; Verwaltungsgericht Hamburg, Beschluss vom 9. Mai 2019 – 17 E 2213/19 -.
47Daraus ist zu schließen, dass die Formulierung „Migration tötet“ zentrale Grundlage für die Einordnung des Wahlwerbespots als Volksverhetzung gewesen ist. Da das streitige Wahlplakat weitere Elemente aufweist, welche die verächtlich machende Wirkung der Formulierung „Migration tötet“ verschärfen, und ihm im Gegenzug Passagen fehlen, die nach den vorzitierten Entscheidungen zumindest den Vorwurf der evidenten, gewichtigen Volksverhetzung entfallen lassen (Fokussierung auf Deutsche als vermeintliche Opfer), folgt daraus erst recht die Einordnung des Wahlwerbeplakates als Volksverhetzung.
48An der Erfüllung auch des subjektiven Tatbestandes des § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB bestehen schließlich keine Zweifel.
49Neben der öffentlichen Sicherheit gefährdet das Wahlplakat außerdem die öffentliche Ordnung im Sinne von § 14 Abs. 1 OBG NRW.
50Der Begriff der öffentlichen Ordnung umfasst die Gesamtheit jener ungeschriebenen Regeln für das Verhalten des Einzelnen in der Öffentlichkeit, deren Beobachtung nach den jeweils herrschenden Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten Zusammenlebens betrachtet wird. Die insoweit herrschenden Anschauungen werden auch geprägt durch die Wertmaßstäbe des Grundgesetzes. Im vorliegenden Zusammenhang sind dies die Menschenwürde und das staatliche Gewaltmonopol. Menschenwürde und grundrechtliche Freiheiten sind konstituierende Bestandteile der öffentlichen Ordnung,
51vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27. September 2000 – 5 A 4916/98 -, zitiert nach juris.
52Die pauschale Verunglimpfung aller Migranten als Täter von Tötungsdelikten sowie der Aufruf zum Widerstand dagegen verstößt gegen die so verstandene öffentliche Ordnung, weil sie die Menschenwürde der Zuwanderer gefährdet und das Gewaltmonopol des Staates infrage stellt, wie oben bereits ausgeführt wurde.
53Die Voraussetzungen für ein ordnungsbehördliches Einschreiten liegen damit vor. Die von dem Antragsgegner getroffene Störerauswahl ist nicht zu beanstanden. Selbst wenn es zutreffen sollte, dass die Wahlwerbeplakate, wie einem Schreiben des Kreisvorsitzenden der Antragstellerin an den Antragsgegner vom 19. Mai 2019 zu entnehmen ist, nicht im Eigentum des Kreisverbandes stehen, sondern im Eigentum der Bundespartei, ist der Kreisverband der Antragstellerin für den Zustand der Wahlwerbeplakate verantwortlich, weil er im Sinne von § 18 Abs. 2 S. 1 OBG NRW als Inhaber der tatsächlichen Gewalt über die Wahlwerbeplakate anzusehen ist. Der Antragsgegner hat die Ordnungsverfügung zutreffend an den Kreisverband der Partei und nicht an die Bundespartei gerichtet, weil eine Inanspruchnahme des Kreisverbandes der Partei eine schnellere Beseitigung der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung verspricht, als eine Inanspruchnahme der in Berlin ansässigen Bundespartei.
54Der Antragsgegner hat von der Ermächtigung in § 14 Abs. 1 OBG NRW auch in verhältnismäßiger Weise Gebrauch gemacht. Die von ihm ausgesprochene Handlungsanweisung an die Antragstellerin, die streitigen Wahlplakate zu entfernen, ist geeignet und erforderlich, um die fortlaufende Volksverhetzung zu beenden und einen ordnungsgemäßen Zustand wieder herzustellen.
55Zugleich ist es der Antragstellerin erlaubt worden, anstelle der Beseitigung der Wahlplakate diese unkenntlich zu machen. Die Antragstellerin kann deshalb nicht mit dem Einwand gehört werden, der Antragsgegner habe ihr als milderes Mittel erlauben müssen, die strittigen Teile des Wahlplakates zu überkleben. Genau dies ist ihr gestattet.
56Ist die Ordnungsverfügung nach alledem offensichtlich rechtmäßig, geht die Interessenabwägung zulasten der Antragstellerin aus.
57Zwar kann sich die Antragstellerin als nicht verbotene Partei auf die durch Art. 5 Abs. 1 GG verbürgte Meinungsfreiheit berufen. Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG garantiert ihr die Mitwirkung bei der politischen Willensbildung des Volkes. Dazu gehört gemäß § 1 Abs. 2 ParteiG auch die Beteiligung an Wahlen durch die Aufstellung von Bewerbern und im Zusammenhang damit die Durchführung von Wahlwerbemaßnahmen zur öffentlichen Verbreitung ihrer politischen Ziele. Im Wahlkampf einer Partei sind durchaus auch zugespitzte Formulierungen zulässig, um die öffentliche Meinung im Sinne der Partei zu beeinflussen.
58Die besondere Bedeutung für die politische Willensbildung, die Parteien im Wahlkampf für sich in Anspruch nehmen können, rechtfertigt jedoch nicht die Kundgabe strafrechtlich relevanter Meinungsäußerungen. Zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sind solche Äußerungen nicht zulässig, die sich in solcher Weise gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe als ganze richten.
59III.
60Die von dem Antragsgegner außerdem angedrohte Vollstreckung der Ordnungsverfügung im Wege der Ersatzvornahme beruht auf §§ 55, 57, 58, 59 VwVG NRW und erweist sich bei summarischer Prüfung ebenfalls als offensichtlich rechtmäßig.
61IV.
62Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG. Wegen der Vorläufigkeit des Verfahrens war der Auffangstreitwert i.H.v. 5.000,- € zu halbieren.
63Rechtsmittelbelehrung:
64(1) Gegen die Entscheidung über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet.
65Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingelegt werden.
66Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) eingeht.
67Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
68Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sind durch einen Prozessbevollmächtigten einzureichen. Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –).
69Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sollen möglichst vierfach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
70(2) Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird.
71Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
72Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
73Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
74Die Beschwerdeschrift soll möglichst vierfach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
75War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.