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Die Erteilung einer Ausbildungsduldung ist wegen des Bevorstehens konkreter Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung ausgeschlossen in einem Fall, in dem bei Vorliegen gültiger Reisedokumente eine Abschiebungsankündigung gemäß § 60a Abs 5 Satz 4 AufenthG unter Nennung eines Termins ergeht, ab dem die Abschiebung zu erwarten ist.
Der Eilantrag und der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe werden abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.250,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
2Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren erster Instanz ist abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung nicht die gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Zur Begründung wird insoweit auf die nachfolgenden Ausführungen Bezug genommen.
3Der am 21. Dezember 2017 gestellte Antrag,
4dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, der Antragstellerin eine Ausbildungsduldung gemäß § 60 Abs. 2 S. 3 ff. Aufenthaltsgesetz zu erteilen,
5hat keinen Erfolg. Er ist zulässig, aber unbegründet.
6Der Einzelrichter sieht von einer näheren Auslegung des Begehrens im Hinblick darauf ab, dass nach den folgenden Ausführungen ein Anordnungsanspruch nicht gegeben ist.
7Nach § 123 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Dies setzt gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO voraus, dass das Bestehen eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird (Anordnungsanspruch), und die besondere Eilbedürftigkeit im Sinne einer Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Anordnungsgrund), glaubhaft gemacht werden. Im Unterschied zum Beweis verlangt die Glaubhaftmachung keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Die tatsächlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs müssen aber mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben sein und bei der dann vorzunehmenden vollen Rechtsprüfung auf den Anspruch führen.
8Vorliegend fehlt es an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs. Denn die Antragstellerin hat das Vorliegen eines Duldungsgrundes nach § 60a AufenthG nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere steht ihr kein Anspruch auf Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG zur Aufnahme der Ausbildung zur Verkäuferin bei der S. -Supermarkt I. oHG in L. zu.
9Gemäß § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG ist eine Duldung wegen dringender persönlicher Gründe im Sinne von Satz 3 zu erteilen, wenn der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnimmt oder aufgenommen hat, die Voraussetzungen nach § 60a Abs. 6 AufenthG nicht vorliegen und konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
10Bei der von der Antragstellerin angestrebten Ausbildung zur Verkäuferin handelt es sich um eine qualifizierte Ausbildung im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG, weil die hierfür vorgesehene Ausbildungszeit im Grundsatz zwei Jahre beträgt, wie auch die Bestätigung der Industrie- und Handelskammer Mittlerer Niederrhein vom 19. September 2017 über die Eintragung des Berufsausbildungsvertrages der Antragstellerin mit der Ausbildungszeit vom 15. September 2017 bis 14. September 2019 bestätigt. Warum der von der Antragstellerin vorgelegte Berufsausbildungsvertrag zwar eine Ausbildungszeit von 24 Monaten ausweist, jedoch mit einem Beginn der Ausbildung am 15. September 2017 und deren Ende am 31. Juli 2019 eine kürzere Zeit umfasst, kann hier offenbleiben.
11Zum Zeitpunkt des Antrages auf Erteilung einer Ausbildungsduldung, welchen frühere Bevollmächtigte der Antragstellerin am 18. Oktober 2017 beim Antragsgegner unter Vorlage des Ausbildungsvertrages, der Eintragungsbestätigung der IHK und einer Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender (BÜMA) der Antragstellerin und ihres Ehemannes gestellt haben, lagen die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung einer Ausbildungsduldung nicht vor.
12Hier steht diesem Anspruch zunächst schon das Hindernis gemäß § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG i. V. m. Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG entgegen, weil nach aktuellem Erkenntnisstand des Gerichts die Antragstellerin Staatsangehörige eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a AsylG ist und ihr nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt wurde.
13Als Staatsangehörige von Albanien stammt die Antragstellerin aus einem sicheren Herkunftsstaat, weil Albanien in Anlage II zu § 29a Aufenthaltsgesetz aufgeführt ist. Es ist zugleich in diesem Eilverfahren bei summarischer Prüfung nicht feststellbar, dass ihr mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 22. August 2016 als offensichtlich unbegründet abgelehnter Asylantrag (gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihrer Tochter) bis zum 31. August 2015 gestellt worden ist. Bei abgelehnten Asylanträgen nach dem genannten Stichtags-Datum von Staatsangehörigen der sicheren Herkunftsländer ist eine Ausbildungsduldung schon deshalb ausgeschlossen.
14Auf die von den Beteiligten in den Mittelpunkt dieses Eilverfahrens gestellte – auch in der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortete – Streitfrage, ob es auf den Zeitpunkt des förmlichen Asylantrages beim Bundesamt gemäß § 14 Abs. 1 AsylG oder auf den Zeitpunkt des materiellen Schutzgesuchs (materieller Asylantrag, § 13 AsylG) ankommt, welcher auch durch eine sog. BÜMA festgestellt werden kann, kommt es hier nicht an.
15Denn sowohl der Zeitpunkt des förmlichen Asylantrages beim Bundesamt (hier der 10. August 2016) als auch die früheste von der Antragstellerin hier vorgelegte oder sonst ersichtliche BÜMA datiert nach dem 31. August 2015. Auch ansonsten ist ein Schutzgesuch bis zum 31. August 2015 nicht glaubhaft gemacht.
16Mit dem Antrag auf Erteilung einer Ausbildungsduldung hat die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin die für sich und ihren Ehemann unter dem 18. September 2015 von der Zentralen Ausländerbehörde C. – Notunterkunft NRW – ausgestellte BÜMA vorgelegt (Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin, Beiakte 1, Bl. 62). Den von der Antragstellerin vorgetragenen Sachverhalt – Einreise mit ihrer Familie am 19. Juli 2015 und zu diesem Zeitpunkt Äußerung eines Schutzgesuchs und Ausstellung einer BÜMA – hat sie nicht glaubhaft gemacht und dieser ist für den Einzelrichter auch nicht anderweitig ersichtlich oder wahrscheinlich. Eine frühere BÜMA ist weder der Ausländerakte noch der vom Einzelrichter beigezogenen elektronischen Verwaltungsakte des Bundesamtes zu entnehmen. Es liegen auch überhaupt keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Antragstellerin und ihre Familie schon Mitte Juli 2015 in das Bundesgebiet eingereist ist und ein Schutzgesuch gestellt hat. In der elektronischen Akte des Bundesamtes finden sich hierfür keine Anhaltspunkte, außer den diesbezüglichen Angaben der Antragstellerin und ihres Ehemannes. Die Ausländerakte des Antragsgegners beginnt mit der Weiterleitung der Antragstellerin und ihres Ehemannes nach L. . Diese ist der sog. „Weiterleitungsliste“ der Bezirksregierung Arnsberg vom 16. Oktober 2015 zu entnehmen, die den 21. Oktober 2015 als Weiterleitungsdatum ausweist (Beiakte 1, Bl. 2). Zu diesem Zeitpunkt befand die Antragstellerin sich in der Unterbringungseinrichtung „F. NU P. “. Als „Ankunftsdatum“ weist diese Weiterleitungsliste sowohl für die Antragstellerin als auch für ihren Ehemann den 24. September 2015 aus, für die Antragstellerin in der Zuständigkeit der „ZAB Unna“, für ihren Ehemann in der Zuständigkeit der ZAB C. . Dieses Ankunftsdatum spricht (als mögliches Ankunftsdatum im Bundesgebiet) dafür, dass die Antragstellerin und ihre Familie nicht bereits Mitte Juli 2015 in das Bundesgebiet eingereist sind und ein Schutzgesuch gestellt haben. Sowohl der Ausländerakte der Antragsgegnerin als auch der Verwaltungsakte des Bundesamtes lassen sich keine konkreten Hinweise auf eine Einreise in das Bundesgebiet und die Äußerung eines Schutzgesuchs bis zum 31. August 2015 entnehmen.
17Unabhängig hiervon hält der Einzelrichter – selbständig tragend – einen Anordnungsanspruch auf Erteilung der begehrten Ausbildungsduldung auch deshalb ausgeschlossen, weil zum Zeitpunkt des Antrags unter dem 18. Oktober 2017 bereits konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung bevorstanden, vgl. § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG am Ende. Von dem Bevorstehen aufenthaltsbeendender Maßnahmen ist auszugehen, wenn die Abschiebung durch die Ausländerbehörde oder eine andere für die Aufenthaltsbeendigung zuständige Behörde vorbereitet wird und für diese absehbar durchgeführt werden soll. Gemeint sind daher solche Maßnahmen, die nach typisierender Betrachtung prognostisch bereits in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Abschiebung selbst stehen. Dies können etwa die Kontaktaufnahme mit der deutschen Auslandsvertretung im Abschiebezielstaat zur Vorbereitung der Abschiebung, die Beantragung eines Pass(ersatz)papiers zum Zwecke der Abschiebung, die Erstellung eines Rückübernahmeersuchens, das Abschiebungsersuchen der Ausländerbehörde gegenüber der für die Durchführung der Abschiebung zuständigen Behörde, die Bestimmung eines Abschiebetermins, die Veranlassung einer erforderlichen ärztlichen Untersuchung zur Feststellung der Reisefähigkeit oder die Beantragung von Abschiebungshaft sein.
18Vgl. VGH BW, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 11 S 1991/16 -, juris, Rdn. 21; OVG Nds., Beschluss vom 9. Dezember 2016 - 8 ME 184/16 -, juris, Rdn. 8; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 5. Januar 2017 - 7 B 11589/16, 7 D 11595/16 -, juris, Rdn. 7; siehe insbesondere auch die Aufzählung in der Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) zum Entwurf eines Integrationsgesetzes, BT-Drucks. 18/9090, S. 25 f.
19Ausgehend von diesen Maßstäben hat der Antragsgegner bereits vor der Beantragung der Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen die Antragstellerin eingeleitet.
20Der Antragsgegner hat der Antragstellerin und ihrem Ehemann bei der Vorsprache am 7. August 2017 ein Schreiben ausgehändigt, in dem diesen im Hinblick auf die seit 18. Oktober 2016 erteilten Duldungen gemäß § 60a Abs. 5 Satz 4 AufenthG die Abschiebung ab dem 6. Oktober 2017 angekündigt wurde. Eine solche auch mit einem Datum versehene Abschiebungsankündigung stellt – ungeachtet ihrer rechtlichen Erforderlichkeit – hier eine Maßnahme dar, die i. S. v. § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG die Erteilung einer Ausbildungsduldung ausschließt, weil die Antragstellerin über einen albanischen Nationalpass verfügte (Beiakte 1, Bl. 51, gültig bis 3. Oktober 2021) und damit vor Rückführungsmaßnahmen nicht noch ein PEP-Verfahren vorzuschalten war. Dementsprechend hat die Antragsgegnerin nach dem in der Abschiebungsankündigung genannten Datum (Anfang Oktober 2017) die Antragstellerin und ihre Familie am 14. November 2017 bei der ZFA (Zentralstelle für Flugabschiebungen in NRW bei der ZAB C. ) für einen Sammelcharter nach Albanien im Januar 2018 angemeldet und dies am 15. Dezember 2017 aus terminlichen Gründen „umgebucht“ auf einen Sammelcharter Mitte März 2018. Die ZFA bestätigte hierzu eine Buchung für einen Charterflug am 14. März 2018 (Beiakte 1, Bl. 64 ff.). Dies ist anscheinend im Hinblick auf die Anhängigkeit des vorliegenden Verfahrens nicht durchgeführt worden. Nicht zu entscheiden ist, wie eine „standardmäßige“ Abschiebungsankündigung gemäß § 60a Abs. 5 Satz 4 AufenthG ohne konkrete Rückführungsvorbereitungen, insbesondere ohne Terminsnennung und/oder bei einer Abschiebung entgegenstehenden fehlenden Reisedokumenten insofern einzuordnen wäre.
21Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
22Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG. Das Gericht bewertet das Interesse der Antragstellerin an der vorläufigen Erteilung der Ausbildungsduldung unter Berücksichtigung der Ordnungsziffern 1.5 und 8.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 mit einem Viertel des gesetzlichen Auffangwertes nach § 52 Abs. 2 GKG in Höhe von 5.000,00 Euro pro Person (1.250,00 Euro).