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1. Bei der Beurteilung der Häufigkeit einer dienstlichen Inanspruchnahme während eines Rufbereitschaftdienstes sind maßgeblich die individuell vom Beamten geleisteten Rufbereitschaftszeiten und die tatsächlich erfolgten Alarmierungen in den Blick zu nehmen und nicht generell die durchschnittliche Alarmierungsanzahl hinsichtlich aller Beamter, die an der betreffenden Bereitschaft in der jeweiligen Organisationseinheit teilnehmen.
2. Bei der Beurteilung der Häufigkeit der dienstlichen Inanspruchnahme ist eine wertende Gesamtschau über einen repräsentativen Zeitraum, wie ihn ein Kalenderjahr darstellt, vorzunehmen und die Anzahl der geleisteten Rufbereitschaftsdienste der Anzahl der dienstlichen Inanspruchnahmen gegenüber zu stellen; anhand der so herausgebildeten Proportion kann alsdann eine Bewertung des Gepräges der Bereitschaft erfolgen. Davon ausgehend ist bei Bereitschaften typischerweise mit nennenswerten Einsätzen zu rechnen, die ihnen das Gepräge eines Bereithaltens für einen jederzeit möglichen Einsatz geben, wenn eine dienstliche Inanspruchnahme im Jahresmittel zumindest bei der Hälfte der geleisteten Dienste erfolgt ist.
3. Die Reaktionszeit eines Beamten zwischen Alarmierung und Arbeitsaufnahme bestimmt sich nach dem Wesen und dem Zweck des jeweils in Rede stehenden Rufbereitschaftsdienstes. Der Beamte muss derart rechtzeitig den Dienst aufnehmen, dass der Zweck der Rufbereitschaft nicht gefährdet wird und die von ihm im Einsatzfall wahrzunehmenden Aufgaben nicht beeinträchtigt werden.
4. Zur Anerkennung von Rufbereitschaftszeiten eines im Kriminaldienst eingesetzten Polizeivollzugsbeamten als Arbeitszeit (hier verneint).
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 vom Hundert der aufgrund des Urteils vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert der jeweils vollstreckbaren Kosten leistet.
Tatbestand:
2Der im Jahr 0000 geborene Kläger steht als Kriminalhauptkommissar im Polizeivollzugsdienst des beklagten Landes. Er versieht seinen Dienst im Kriminalkommissariat (KK) 00 im Polizeipräsidium N. (nachfolgend: Polizeipräsidium). Die Dienstanweisung Nr. 4.10 zur polizeilichen Kriminalitätsbearbeitung außerhalb der Regelarbeitszeit vom 8. Oktober 2010 (nachfolgend: Dienstanweisung) sieht in Ziffer 5 die Einrichtung eines Rufbereitschaftsdienstes außerhalb der Regelarbeitszeit durch einen Beamten des KK 00 für die Bearbeitung polizeilich relevanter Leichensachen vor. Die Rufbereitschaft erfolgt im täglichen Wechsel von 7:30 Uhr bis 7:30 Uhr, an den Wochenenden wird der Bereitschaftsdienst durchgängig von freitags 7:30 Uhr bis montags 7:30 Uhr geleistet. Eine Präsenzpflicht des betreffenden Beamten in der Dienststelle besteht nicht. Ihm wird ein Dienstfahrzeug zur Verfügung gestellt, zudem erhält er ein dienstliches Mobiltelefon, um Alarmierungen entgegen zu nehmen. Regelungen, innerhalb welcher Zeit sich der Rufbereitschaftsdienst versehende Beamte im Fall einer Alarmierung zum Tat- bzw. Einsatzort zu begeben hat, enthält die Dienstanweisung nicht. Die Zeiten des Rufbereitschaftsdienstes werden nach § 4 Satz 3 der Verordnung über die Arbeitszeit der Polizeivollzugsbeamten des Landes Nordrhein-Westfalen (AZVOPol) zu einem Achtel durch Dienstbefreiung zu anderer Zeit ausgeglichen. Wird der Beamte während der Bereitschaft dienstlich tätig, wird die Zeit der dienstlichen Tätigkeit nach § 4 Satz 4 i.V.m. § 3 Abs. 4 AZVOPol in vollem Umfang auf die Arbeitszeit angerechnet.
3Unter dem 23. Dezember 2013 beantragte der Kläger, die von ihm geleisteten Rufbereitschaftszeiten für die Jahre 2010 bis 2013 als Arbeitszeit anzuerkennen. Zur Begründung verwies er auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 26. Juni 2013 – 4 S 94/12 –, wonach der von Feuerwehrbeamten geleistete Bereitschaftsdienst als sog. Einsatzleiter vom Dienst in voller Höhe als Arbeitszeit anzuerkennen sei. Mit diesem Bereitschaftsdienst sei die von ihm zu leistende Bereitschaft vergleichbar.
4Mit Bescheid vom 17. Juni 2014 lehnte das Polizeipräsidium den Antrag des Klägers ab und führte zur Begründung aus: Keine der in der Entscheidung des VGH Baden-Württemberg herausgestellten Voraussetzungen für die Anerkennung von Rufbereitschaftszeiten als Arbeitszeit seien erfüllt. Bei der vom Kläger zu leistenden Bereitschaft werde sein Aufenthaltsort nicht durch den Dienstherrn bestimmt. Ein Dienstfahrzeug werde allein deswegen zur Verfügung gestellt, um die Anfahrtszeit zum Ereignisort zu reduzieren, es bestehe aber keine Pflicht des Klägers, sich permanent in unmittelbarer Nähe zum Fahrzeug aufzuhalten. Ferner führe die zeitliche Ausgestaltung der Rufbereitschaft nicht zu einer starken Beschränkung der Bestimmung des Aufenthaltsortes des Klägers. Die im Rahmen der Bereitschaft auftretenden Einsätze wiesen keine ganz besondere zeitliche Dringlichkeit auf, sondern es stehe dabei die zeitnahe, aber nicht extrem dringliche Einleitung der besonders qualifizierten Aufgabenwahrnehmung durch einen Spezialisten im Vordergrund. Schließlich fehle es auch an der erforderlichen Häufigkeit der dienstlichen Inanspruchnahme während der Bereitschaftszeiten. Im KK 00 seien im Jahr 2013 durchschnittlich 183 Einsätze pro Jahr zu verzeichnen gewesen. Die Häufigkeit der Inanspruchnahme sei somit nicht so ausgeprägt gewesen, dass der Kläger nicht hinreichend Ruhe und Erholung habe finden können. Bei einer Gesamtbetrachtung seien die Bereitschaftszeiten des Klägers als Rufbereitschaft im Sinne von § 4 AZVOPol einzuordnen, die nur mit einem Achtel als Arbeitszeit auszugleichen seien.
5Der Kläger hat am 17. Juli 2014 Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus: Nach den vom VGH Baden-Württemberg in seinen Entscheidungen vom 26. Juni 2013 – 4 S 94/12 – und vom 17. Juni 2014 – 4 S 169/13 – aufgestellten Maßgaben sei die von ihm geleistete Bereitschaft als Arbeitszeit anzuerkennen und in vollem Umfang als Dienstzeit zu verbuchen. Ihm werde regelmäßig ein Dienstfahrzeug zur Verfügung gestellt, um im Fall der Alarmierung ohne zeitliche Verzögerung den Dienst aufzunehmen und sich an den Einsatzort begeben zu können. Zwar habe er sich während der Bereitschaft nicht in der Dienststelle aufzuhalten, sondern könne die entsprechende Zeit in seiner Wohnung verbringen. Hierbei sei er aber erheblichen Einschränkungen ausgesetzt. Er dürfe private Aktivitäten nur eingeschränkt oder gar nicht wahrnehmen und hierbei nichts unternehmen, was seine kurzfristige Einsatzfähigkeit einschränken würde, wie z. B. der mäßige Genuss alkoholischer Getränke. Dies reiche aus, um das Kriterium der Bestimmung des Aufenthaltsortes durch den Dienstherrn zu bejahen. Er, der Kläger, müsse bei einer Alarmierung den Dienst zwar nicht sofort aufnehmen, gleichwohl habe er sich ohne Verzögerung zum Einsatzort zu begeben. Auch dies spreche bei dem gebotenen weiten Verständnis der Anforderungen an die zeitlichen Vorgaben im Fall einer Alarmierung für die Qualifizierung der Bereitschaft als Arbeitszeit. Der Bereitschaftsdienst sei ferner angesichts der vom Polizeipräsidium mitgeteilten Alarmierungshäufigkeit von durchschnittlich 183 Benachrichtigungen pro Jahr von konkreten Einsätzen tatsächlich geprägt und eine Alarmierung sei nicht lediglich sporadisch aufgetreten. Nach Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2003/88/EG und unter Berücksichtigung seiner Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof sei sämtliche Zeit als Arbeitszeit anzusehen, während derer der Arbeitnehmer bzw. Beamte zur Dienstleistung zur Verfügung stehe, ohne dass es darauf ankomme, ob er tatsächlich in dieser Zeit Leistungen erbringe. Demnach handele es sich bei der streitbefangenen Bereitschaft um vollständig anzuerkennende Arbeitszeit. Die vom Polizeipräsidium ermittelte Anzahl der dienstlichen Inanspruchnahmen während der von ihm – dem Kläger – geleisteten Bereitschaften entspräche nicht den Tatsachen, weil dienstliches Tätigwerden in Form von Telefonaten ebenso wenig als Inanspruchnahme berücksichtigt worden sei wie eine kurz vor Beginn oder kurz vor Ende des regulären Dienstes auftretende Alarmierung.
6Der Kläger beantragt,
7das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides des Polizeipräsidiums N. vom 17. Juni 2014 zu verpflichten, auf seinen Antrag vom 23. Dezember 2013 die von ihm als Rufbereitschaft geleisteten Zeiten rückwirkend für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2013 in vollem Umfang als Arbeitszeit anzuerkennen.
8Das beklagte Land beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Zur Begründung führt es in Ergänzung und Vertiefung der Gründe des Ablehnungsbescheids aus: Die der vom Kläger angeführten Rechtsprechung zugrunde liegenden Sachverhalte unterschieden sich in entscheidenden Punkten von dem Fall des Klägers. Er habe grundsätzlich seinen Aufenthaltsort im privaten Bereich frei bestimmen können. Die für den Kläger bestehenden Einschränkungen bei der Gestaltung der Bereitschaftszeit seien nicht derart signifikant, dass sie im Rahmen einer Abwägung zu einer Anerkennung der Dienste als Arbeitszeit führten. Im Hinblick auf die zeitliche Ausgestaltung des Rufbereitschaftsdienstes im KK 00 sei es selbstverständlich, dass bei einer Alarmierung der Einsatzort zeitnah aufzusuchen sei. Eine mit der Bereitschaft des Einsatzleiters vom Dienst der Feuerwehr, die Gegenstand der Entscheidung des VGH Baden-Württemberg vom 26. Juni 2013 – 4 S 94/12 – gewesen sei, vergleichbare zeitliche Dringlichkeit liege nicht vor. Es fehle zudem auch an der nötigen Häufigkeit einer Alarmierung. Im Jahr 2010 habe der Kläger an 40 Tagen Bereitschaftdienste versehen und sei zwölfmal alarmiert worden. In 2011 seien an den 28 Bereitschaftsdiensten nur drei Alarmierungen erfolgt. In 2012 hätten während 39 Bereitschaftsdiensttagen zehn Alarmierungen stattgefunden. Im Jahr 2013 sei der Kläger an 42 Bereitschaftsdiensttagen neunmal alarmiert worden. Bezogen auf alle Beamte des KK 00 sei es während des jeweils ganzjährigen Bereitschaftsdienstes in 2010 zu 122, in 2011 zu 125, in 2012 zu 137 und in 2013 zu 161 Alarmierungen gekommen. Das beigebrachte Zahlenmaterial zur Anzahl der Alarmierungen während der Bereitschaften des Klägers sei zutreffend. Insbesondere stelle eine kurz vor Ende der regulären Dienstzeit auftretende Alarmierung keinen Fall einer dienstlichen Inanspruchnahme während der Rufbereitschaft dar, da die Inanspruchnahme gerade innerhalb der Regeldienstzeit erfolge und die daran anknüpfende, etwa über die reguläre Dienstzeit hinausgehende Tätigkeit als Arbeitszeit verbucht bzw. als Mehr- oder Zuvielarbeit abgegolten werde.
11Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen.
12Entscheidungsgründe:
13Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Ablehnungsbescheid des Polizeipräsidiums vom 17. Juni 2014 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf vollumfängliche Anerkennung der von ihm in den Jahren 2010 bis 2013 geleisteten Rufbereitschaftsdienste als Arbeitszeit (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
14Nach Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 299 vom 18. November 2003, S. 9), der Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 307 vom 13. Dezember 1993, S. 18) ersetzt und im Lichte dessen das für Polizeivollzugsbeamte des Landes Nordrhein-Westfalen geltende Landesbeamtenrecht anzuwenden und auszulegen ist, ist unter Arbeitszeit jede Zeitspanne zu verstehen, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zufolge fallen dabei Zeiten, die von Bediensteten im Rahmen von Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst in Form persönlicher Anwesenheit am Arbeitsort abgeleistet werden, unabhängig davon unter den Begriff der Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie, welche Arbeitsleistungen während dieses Dienstes tatsächlich erbracht werden.
15Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. August 2015 – 1 A 421/14 –, juris, Rn. 72 m. w. N.; zur Anwendbarkeit der Richtlinie 2003/88/EG auf Polizeibeamte vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. April 2013 – 2 B 93.12 –, juris, Rn. 8.
16Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zählen die Zeiten eines Bereitschaftsdienstes – einschließlich der „inaktiven Zeiten" – ohne Abstriche als Arbeitszeit.
17Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 – 2 C 32.10 –, juris, Rn. 12 m. w. N.
18Von dem sonach vollumfänglich als Arbeitszeit anzurechnenden Bereitschaftsdienst zu unterscheiden ist der grundsätzlich nicht (vollständig) als Arbeitszeit anzuerkennende Rufbereitschaftsdienst. Rufbereitschaft leisten nach der Definition in § 4 Satz 1 AZVOPol Polizeivollzugsbeamte, die sich im Interesse des Dienstes außerhalb der Dienststunden in ihrer Wohnung oder sonst jederzeit erreichbar bereithalten müssen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt Bereitschaftsdienst in Abgrenzung von Rufbereitschaft dann vor, wenn der Beamte den Dienst an einem vom Dienstherrn bestimmten Ort außerhalb des Privatbereichs leistet und sich zu einem jederzeitigen unverzüglichen Einsatz bereithält, und wenn erfahrungsgemäß mit einer dienstlichen Inanspruchnahme zu rechnen ist,
19vgl. BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 – 2 C 32.10 –, juris, Rn. 12 und vom 22. Januar 2009 – 2 C 91.07 –, juris, Rn. 14, jeweils m. w. N.; OVG NRW, Urteil vom 24. August 2015 – 1 A 421/14 –, juris, Rn. 74,
20wobei es beim letztgenannten Merkmal maßgeblich auf die im Regelfall zu erwartende Häufigkeit der dienstlichen Inanspruchnahme während der Bereitschaft und das dadurch dem Dienst verliehene Gepräge ankommt.
21Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 2009 – 2 C 91.07 –, juris, Rn. 17.
22Dies zugrunde legend sind die vom Kläger geleisteten Rufbereitschaftszeiten nicht als Bereitschaftsdienstzeiten zu qualifizieren und somit nicht vollumfänglich als Arbeitszeit anzuerkennen. Es handelt sich um Rufbereitschaften im Sinne des § 4 Satz 1 AZVOPol, die gemäß Satz 3 der Vorschrift mit einem Achtel arbeitszeitmäßig auszugleichen sind. Keine der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für eine Einordnung als Bereitschaftsdienst erforderlichen, kumulativ zu verstehenden Voraussetzungen liegt vor: Der Kläger hat die Bereitschaften nicht an einem vom Dienstherrn bestimmten Ort außerhalb des Privatbereichs geleistet (I.). Zudem hielt er sich während der Bereitschaften nicht zu einem jederzeitigen unverzüglichen Einsatz bereit (II.) und es war erfahrungsgemäß mit einer dienstlichen Inanspruchnahme nicht zu rechnen, da eine Alarmierung des Klägers nicht den Regelfall darstellte (III.). Auch eine Gesamtschau der Einschränkungen, denen der Kläger während einer Bereitschaft insbesondere unter Berücksichtigung deren zeitlicher Ausgestaltung ausgesetzt war, führt nicht zu einer Einordnung als Arbeitszeit (IV.). Die Qualifizierung der Bereitschaftszeiten des Klägers als bloße Rufbereitschaft steht schließlich im Einklang mit unionsrechtlichen Vorgaben (V.).
23I. Der Kläger hatte sich während der Rufbereitschaft nicht an einem vom Dienstherrn bestimmten Ort außerhalb des Privatbereichs bereitzuhalten. Eine Bestimmung des Aufenthaltsorts des Klägers während einer Rufbereitschaft ergibt sich weder aus der Dienstanweisung noch aus einer sonstigen Anordnung des Polizeipräsidiums. Der Kläger konnte sich vielmehr innerhalb des Privatbereichs, insbesondere in seiner Wohnung, aufhalten und seinen Aufenthaltsort grundsätzlich frei bestimmen. Es bestand auch keine Pflicht, dem Dienstherrn anzuzeigen, wo er sich aufhält, wenn er z. B. seine Wohnung verlässt und den Aufenthaltsort wechselt. Durch die Zurverfügungstellung eines dienstlichen Mobiltelefons war gewährleistet, dass der Kläger unabhängig von seinem Aufenthaltsort erreichbar war und keine Bindung beispielsweise an das häusliche Festnetztelefon bestand.
24II. Weder aufgrund von Vorgaben des Dienstherrn noch aufgrund von der Rufbereitschaft innewohnender Sachzwänge kann – auch nach Würdigung seines ergänzenden Vortrags im Termin zur mündlichen Verhandlung – angenommen werden, dass sich der Kläger im Hinblick auf die zeitliche Ausgestaltung der Dienste zu einem „jederzeitigen unverzüglichen Einsatz“ bereitgehalten hat. Die Dienstanweisung bestimmt keine Zeitvorgabe, innerhalb derer sich der Kläger nach einer Alarmierung an den Tat- bzw. Einsatzort zu begeben hatte. Die Vorgaben zur Reaktionszeit eines Beamten zwischen Alarmierung und Arbeitsaufnahme bemessen sich nach dem Wesen und dem Zweck des jeweils in Rede stehenden Rufbereitschaftsdienstes. Der Beamte muss derart rechtzeitig den Dienst aufnehmen, dass der Zweck der Rufbereitschaft nicht gefährdet wird und die von ihm im Einsatzfall wahrzunehmenden Aufgaben nicht beeinträchtigt werden. Die hier streitige Bereitschaft dient dem Zweck, „rund um die Uhr“ die Bearbeitung von Tötungsdelikten durch auf solche Fälle spezialisierte Beamte des zuständigen Fachkommissariats sicherzustellen und somit eine größtmögliche Qualität der kriminalpolizeilichen Ermittlungen durch die Hinzuziehung besonders sachkundiger Beamter zu gewährleisten. Zu diesem Zweck befinden sich Beamte des für Tötungsdelikte zuständigen KK 00 auch außerhalb der regulären Dienstzeit in Rufbereitschaft. Dadurch wird verhindert, dass im Fall von außerhalb der Regeldienstzeiten notwendig werdenden Todesfallermittlungen mit der Hinzuziehung des speziell qualifizierten Beamten gewartet werden muss, bis dieser erst am folgenden (Werk-) Tag seinen regulären Dienst beginnt. Dabei sind die vom Rufbereitschaft leistenden Beamten der Mordkommission wahrzunehmenden Aufgaben wesentlich dadurch geprägt, als Spezialist zu den Ermittlungen hinzugezogen zu werden, um seine fachspezifischen Kenntnisse und Erfahrungen in die Ermittlungen einzubringen, so insbesondere hinsichtlich der Aufgaben der Mordkommission wie die Tatortaufnahme, Spurensicherung am Tatort, Täter und Opfer, Vernehmungen, Ermittlung von Zeugen oder Umfeldermittlungen zu Opfer oder Täter. Demgegenüber handelt es sich bei den Rufbereitschaft leistenden Beamten des KK 00 nicht um diejenigen Einsatzkräfte – wie die der Schutzpolizei oder die Angehörigen des Kriminaldauerdienstes (Kriminalwache/KK 00) –, die als erste am Tatort eintreffen und im Rahmen des sog. Ersten Angriffs alle unaufschiebbaren Sofortmaßnahmen durchführen, zu denen beispielsweise das Errichten von Absperrungen, das Leisten erster Hilfe bzw. die Alarmierung des Rettungsdienstes, Identitätsfeststellungen, die Tatortsicherung, der Zugriff auf bewaffnete und gewaltbereite Personen oder die Festsetzung verdächtiger oder flüchtiger Personen gehören und die dementsprechend durch eine besondere Dringlichkeit gekennzeichnet sind. Vielmehr veranlassen die als erste am Einsatzort eintreffenden Beamten erst die Benachrichtigung des in Bereitschaft befindlichen Kriminalbeamten als für Todesfallermittlungen zuständigen Spezialisten. Dessen Einsatz ist dann nicht durch eine qualifizierte Dringlichkeit geprägt in dem Sinne, dass er „alles stehen und liegen lassen“ muss, um sich sofort zum Tatort zu begeben. Von ihm ist lediglich zu erwarten, den Einsatzort zeitnah aufzusuchen, um mit der qualifizierten Aufgabenwahrnehmung zu beginnen.
25Hierdurch unterscheidet sich der Rufbereitschaftsdienst des Klägers seiner Natur nach wesentlich von dem Bereitschaftsdienst des Einsatzleiters vom Dienst der Feuerwehr, der Gegenstand des Urteils des VGH Baden-Württemberg vom 26. Juni 2013 – 4 S 94/12 – (juris) war. Der Einsatzleiter vom Dienst bei der Feuerwehr hat die Aufgabe, den betreffenden Feuerwehreinsatz zu leiten. Dies impliziert, dass er sofort, d. h. innerhalb weniger Minuten,
26vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Juni 2013 – 4 S 94/12 –, juris, Rn. 22,
27den Dienst aufzunehmen hat, kann er doch ansonsten den Einsatz nicht leiten. Seine Aufgabe besteht auch darin, Sofortmaßnahmen wie beispielsweise die Löschung eines Brandes, lebensrettende Maßnahmen oder Evakuierungen einzuleiten bzw. zu koordinieren, weswegen sein Einsatz durch eine besondere Dringlichkeit gekennzeichnet ist. Bei ihm handelt es sich hingegen nicht um einen Beamten, der erst mit einem gewissen zeitlichen Nachlauf wegen seiner qualifizierten fachlichen Expertise zu einem Einsatz hinzugezogen wird.
28Der Umstand, dass dem Kläger – wie dem Einsatzleiter vom Dienst der Feuerwehr – ein dienstliches Mobiltelefon und ein Dienstwagen zur Verfügung gestellt wurden, gibt keinen Anlass für eine andere Beurteilung. Das dienstliche Mobiltelefon diente lediglich der Erreichbarkeit des Klägers und sagt nichts zur Ausgestaltung der Reaktionszeit im Alarmierungsfall aus. Der Dienstwagen wurde zur Verfügung gestellt, um zu verhindern, dass der Kläger zunächst von seinem Aufenthaltsort zur Dienststelle fahren muss, um den Dienstwagen an sich zu nehmen und sodann von dort zum Tatort zu fahren. Die Zurverfügungstellung des Dienstwagens diente damit zwar der Zeitersparnis, mit ihr waren aber keine weitergehenden Vorgaben hinsichtlich der Zeitspanne zwischen Alarmierung und Erscheinen am Tatort verbunden.
29III. Während der von ihm geleisteten Rufbereitschaftsdienste hatte der Kläger erfahrungsgemäß mit einer dienstlichen Inanspruchnahme nicht zu rechnen. Insoweit kommt es maßgeblich auf die im Regelfall zu erwartende Häufigkeit der dienstlichen Inanspruchnahme während der Bereitschaftszeiten an. Danach entscheidet sich, ob während dieser Zeiten typischerweise mit nennenswerten Einsätzen zu rechnen ist, die der Bereitschaft das Gepräge eines Bereithaltens für einen jederzeit möglichen Einsatz geben, oder ob sich diese Zeiten bei wertender Betrachtung als Freizeit oder eine Form der Rufbereitschaft darstellen, die allenfalls sporadisch von Einsätzen unterbrochen wird.
30Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 2009 – 2 C 91.07 –, juris, Rn. 17.
31Dabei ist zu beurteilen, ob der Beamte während der Bereitschaft in nennenswertem Umfang mit dienstlichen Einsätzen rechnen muss. Wie bei jedem Bereitschaftsdienst kommt es für die rechtliche Wertung nicht darauf an, ob es in jeder einzelnen Bereitschaft, für die Ansprüche geltend gemacht werden, zu tatsächlichen Einsätzen gekommen ist, sondern darauf, ob nach den üblichen Umständen mit solchen Einsätzen erfahrungsgemäß zu rechnen ist. Es reicht deshalb aus, die anzustellenden tatsächlichen Ermittlungen auf einen überschaubaren, repräsentativen Zeitraum zu beschränken, der eine typisierende Gesamtbetrachtung ermöglicht. Sollte sich herausstellen, dass im Regelfall ein Rückgriff auf den Bereitschaft leistenden Beamten erforderlich ist, sind diese Zeiten als Bereitschaftsdienst zu werten.
32Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 2009 – 2 C 91.07 –, juris, Rn. 20.
33Gemessen daran kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger während der streitigen Rufbereitschaftszeiten im Regelfall mit einer dienstlichen Inanspruchnahme zu rechnen hatte, wodurch seinen Bereitschaften das Gepräge eines Bereithaltens für einen jederzeit möglichen Einsatz verliehen wurde. Nach Auffassung der Kammer sind bei der Beurteilung der Häufigkeit einer dienstlichen Inanspruchnahme maßgeblich die individuell vom Kläger über einen repräsentativen Zeitraum geleisteten Rufbereitschaftszeiten und die tatsächlich erfolgten Alarmierungen in den Blick zu nehmen und nicht generell die durchschnittliche Alarmierungsanzahl hinsichtlich aller Beamter, die an der betreffenden Bereitschaft in der jeweiligen Organisationseinheit teilnehmen. Hierfür spricht bereits, dass es sich bei Arbeitszeit um eine individuelle Größe handelt, die grundsätzlich personenbezogen zu bewerten ist. Darüber hinaus lässt sich nur bei einer wertenden personenbezogenen Betrachtung der individuellen Situation des Klägers beurteilen, wie häufig er aus seiner Sicht mit einer Alarmierung zu rechnen hatte und wie stark die subjektive Belastung für ihn durch Alarmierungen während der Rufbereitschaft war. Ergeben sich danach gegenüber der durchschnittlichen Alarmierungsanzahl bezogen auf alle den fraglichen Rufbereitschaftsdienst versehenden Beamten in den betroffenen Organisationseinheiten Abweichungen, wäre es unbillig, den Kläger an einer etwaigen höheren Belastung anderer Beamter durch häufigere Alarmierungen teilhaben zu lassen, obwohl bei ihm selbst nur eine geringere Beeinträchtigung durch weniger häufige Einsätze vorliegt und demnach die von ihm geleisteten Rufbereitschaften ein anderes Gepräge aufweisen. Umgekehrt wäre es ebenfalls unbillig, den Kläger auf im Durschnitt niedrigere Alarmierungszahlen zu verweisen und das Gepräge der von ihm geleisteten Rufbereitschaftszeiten an diesen Zahlen zu messen, obwohl er selbst eventuell (deutlich) häufiger dienstlich in Anspruch genommen wurde. Unabhängig davon dürfte unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität die Ermittlung korrekter Durchschnittswerte bezogen auf alle an der jeweiligen Bereitschaft teilnehmenden Beamten den Dienstherrn vor nicht unerhebliche Schwierigkeiten stellen. Der Arbeitsaufwand für die Feststellung von Alarmierungen eines jeden Beamten ist jedenfalls bei größeren Organisationseinheiten immens. Kann der Dienstherr es vor diesem Hintergrund nur bei einer Schätzung belassen, birgt eine solche Vorgehensweise das Risiko, dass die dienstlichen Inanspruchnahmen nicht zutreffend wiedergegeben werden und das in den Blick zu nehmende Verhältnis zwischen Alarmierungsanzahl und Anzahl der Bereitschaftsdienste verfälscht wird. Demgegenüber erscheint es möglich und mit vertretbarem Aufwand verbunden, die dienstlichen Inanspruchnahmen (nur) des jeweiligen Klägers für einen repräsentativen Zeitraum zu ermitteln. Dies kann – wie im vorliegenden Fall – insbesondere durch Auswertung der Protokolle der elektronischen Arbeitszeiterfassung geschehen.
34Bei der Beurteilung der Häufigkeit der dienstlichen Inanspruchnahme des Klägers muss nicht jeder einzelne geleistete Dienst zugrunde gelegt werden. Vielmehr ist eine wertende Gesamtschau über einen repräsentativen Zeitraum, wie ihn ein Kalenderjahr darstellt, vorzunehmen und die Anzahl der geleisteten Rufbereitschaftsdienste der Anzahl der dienstlichen Inanspruchnahmen gegenüber zu stellen; anhand der so herausgebildeten Proportion kann alsdann eine Bewertung des Gepräges der Bereitschaft erfolgen. Davon ausgehend ist nach Ansicht der Kammer bei Bereitschaften typischerweise mit nennenswerten Einsätzen zu rechnen, die ihnen das Gepräge eines Bereithaltens für einen jederzeit möglichen Einsatz geben, wenn eine dienstliche Inanspruchnahme im Jahresmittel zumindest bei der Hälfte der geleisteten Dienste erfolgt ist.
35Dieser Wert wurde im streitigen Zeitraum vom Kläger nicht ansatzweise erreicht. Nach den vom Polizeipräsidium ermittelten Zahlen versah der Kläger im Jahr 2010 an 40 Tagen Rufbereitschaftsdienst, bei denen zwölfmal eine Alarmierung erfolgte. Im Jahr 2011 waren es 28 Tage Bereitschaft bei drei Alarmierungen, im Jahr 2012 39 Tage bei zehn Alarmierungen und im Jahr 2013 42 Tage bei neun Alarmierungen. Angesichts dessen sind die Alarmierungen lediglich als Ausnahme aufgetreten.
36Bei dieser Einschätzung verbleibt es auch dann, wenn man, wie der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung ohne weitere Substantiierung insbesondere zu Häufigkeit und Dauer geltend gemacht hat, auf Telefongespräche beschränktes dienstliches Tätigwerden ohne Aufsuchen des Einsatzortes als dienstliche Inanspruchnahme werten wollte. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass sich hierdurch das Gepräge der Dienste entscheidend veränderte. Ein solches telefonisches Tätigwerden dürfte sich nach seiner Wertigkeit und nach seiner Wirkung als Unterbrechung einer inaktiven Rufbereitschaftszeit deutlich von einem Einsatz in Form eines tatsächlichen Aufsuchens des Einsatzortes unterscheiden. Unabhängig davon war es dem Kläger unbenommen, etwaige dienstliche Telefonate gegenüber seinem Dienstherrn als dienstliche Inanspruchnahme anzugeben, um insoweit einen vollen arbeitszeitlichen Ausgleich zu erlangen.
37Ohne Erfolg wendet der Kläger ein, die vom Polizeipräsidium mitgeteilten Alarmierungszahlen entsprächen nicht den Tatsachen, weil etwaige kurz vor Beginn und kurz vor Ende der Regeldienstzeiten aufgetretene Alarmierungen nicht von der vom Polizeipräsidium vorgenommenen Arbeitszeitauswertung erfasst seien. Dieser erstmals im Termin zur mündlichen Verhandlung erfolgte Vortrag ist zunächst ohne Substantiierung zu Häufigkeit und Umfang solcher Alarmierungen geblieben und vermag schon aus diesem Grund das vom Polizeipräsidium vorgelegte Zahlenmaterial nicht durchgreifend in Frage zu stellen. Darüber hinaus hat der Vertreter des beklagten Landes im Termin zur mündlichen Verhandlung zutreffend darauf hingewiesen, dass eine kurz vor Ende der regulären Dienstzeit auftretende Alarmierung keinen Fall einer dienstlichen Inanspruchnahme während der Rufbereitschaft darstellt, da die Inanspruchnahme gerade innerhalb der Regeldienstzeit erfolgt und die daran anknüpfende, etwa über die reguläre Dienstzeit hinausgehende Tätigkeit als Arbeitszeit verbucht bzw. als Mehr- oder Zuvielarbeit abgegolten wird. Es bestehen schließlich auch keine greifbaren Anhaltspunkte, dass kurz vor Beginn der Regeldienstzeiten erfolgte Alarmierungen – die somit wie alle anderen unstreitig erfassten Alarmierungen während eines Rufbereitschaftdienstes außerhalb der Regeldienstzeiten aufgetreten sind – zu Lasten des Klägers unberücksichtigt geblieben wären und sich dadurch das Gepräge der vom Kläger geleisteten Rufbereitschaftsdienste bei der gebotenen typisierenden Gesamtbetrachtung wesentlich anders darstellte.
38An der Bewertung der Häufigkeit der dienstlichen Inanspruchnahme als Ausnahme würde sich im Übrigen auch bei Zugrundelegung der durchschnittlichen generellen Alarmierungsanzahl während der Rufbereitschaft in den teilnehmenden Organisationseinheiten nichts ändern. Nach den zuletzt mitgeteilten Angaben des Polizeipräsidiums, die vom Kläger nicht bezweifelt wurden, erfolgten im KK 00 im Jahr 2010 122, im Jahr 2011 125, im Jahr 2012 137 und im Jahr 2013 161 Alarmierungen. Auch danach stellten Alarmierungen die Ausnahme dar und der von der Kammer angenommene Richtwert für die Häufigkeit dienstlicher Inanspruchnahmen in Höhe von im Jahresdurchschnitt zumindest während der Hälfte der geleisteten Dienste erfolgten Alarmierungen bleibt deutlich unterschritten.
39Im Zusammenhang mit der Häufigkeit der dienstlichen Inanspruchnahme wird erneut der Unterschied zum Bereitschaftsdienst des Einsatzleiters der Feuerwehr deutlich, der Gegenstand des Urteils des VGH Baden-Württemberg vom 26. Juni 2013 war. Dort erfolgte eine dienstliche Inanspruchnahme des Feuerwehrbeamten wochenends ein bis zwei Mal pro Tag und werktags sechs bis acht Mal bezogen auf zehn Bereitschaftsdiensttage
40vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Juni 2013 – 4 S 94/12 –, juris, Rn. 23
41und somit erheblich häufiger als beim Kläger.
42IV. Schließlich führt auch eine Gesamtschau der Einschränkungen, denen der Kläger während seiner Rufbereitschaftsdienste ausgesetzt war und worauf die von ihm in Bezug genommene Entscheidung des VGH Baden-Württemberg vom 26. Juni 2013 – 4 S 94/12 – (juris, Rn. 20) maßgeblich abstellt, nicht zu einer Einordnung als vollständig anzurechnende Arbeitszeit. Zwar war der Kläger bestimmten Restriktionen dadurch ausgesetzt, dass er sich im Fall einer Alarmierung rechtzeitig (vgl. dazu oben II.) zum Tatort begeben musste. Damit verboten sich Fahrten zu Orten in größerer Entfernung zum örtlichen Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums oder das Aufsuchen von Örtlichkeiten bzw. der Besuch von Veranstaltungen, bei denen der Kläger über das dienstliche Mobiltelefon nicht erreichbar gewesen wäre oder von wo aus er im Fall einer Alarmierung nicht rechtzeitig zum Tatort hätte gelangen können. Ansonsten vermochte der Kläger allerdings seine Rufbereitschaftszeit beliebig zu gestalten: Er konnte sich beispielsweise zu Hause aufhalten und Müßiggang betreiben, Zeit mit Familienangehörigen oder Freunden verbringen und mithin sein familiäres und soziales Leben pflegen, freizeitlichen Aktivitäten nachgehen oder Besorgungen erledigen. Die Ausgestaltung der Rufbereitschaft in zeitlicher Hinsicht bedeutete für den Kläger keine Einengung seines Aktionsradius oder Reduzierung seiner Gestaltungsmöglichkeiten in dem Maße, dass der Ruhe- und Erholungsfaktor in den Hintergrund gedrängt worden und ein Zustand von Anspannung und Wachsamkeit als Folge eines Bereithaltens für eine jederzeit drohende sofortige Arbeitsaufnahme zum bestimmenden Charakter der Bereitschaft geworden wäre. Den zuvor genannten Restriktionen wird zudem dadurch Rechnung getragen, dass die Rufbereitschaftszeiten nach § 4 Satz 3 AZVOPol zu einem Achtel durch Dienstbefreiung zu anderer Zeit ausgeglichen werden. Sie führen indes nicht dazu, dass sämtliche Rufbereitschaftszeiten – dies stellte die einzige Alternative dar – in vollem Umfang als Arbeitszeit anzuerkennen sind, obwohl sich der Kläger in seinem Privatbereich aufhalten konnte, dort keinen Dienstgeschäften nachging und nur ausnahmsweise alarmiert wurde, wobei in diesem Fall die dann geleistete Dienstzeit gemäß § 4 Satz 4 i.V.m. § 3 Abs. 4 AZVOPol vollständig als Arbeitszeit angerechnet wurde.
43Auch in diesem Zusammenhang ist der hier streitige Rufbereitschaftsdienst von dem Bereitschaftsdienst des Einsatzleiters der Feuerwehr im Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 26. Juni 2013 abzugrenzen. Die dortige Ausgestaltung der Bereitschaft in zeitlicher Hinsicht und die Häufigkeit der dienstlichen Inanspruchnahme und danach gegebenen faktischen Zwänge rechtfertigten nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs die Annahme, dass sich der Einsatzleiter vom Dienst der Feuerwehr an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufzuhalten und zu dessen Verfügung zu halten hatte. Dieser Bewertung lagen Feststellungen zugrunde, wonach der betreffende Feuerwehrbeamte einen Umkreis von maximal 15 bis 20 Kilometern um die Feuerwache nicht verlassen durfte sowie stets das ihm überlassene Dienstfahrzeug mitzuführen und sich in dessen Nähe aufzuhalten hatte.
44VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Juni 2013 – 4 S 94/12 –, juris, Rn. 19.
45Derartige Sachzwänge lassen sich bei der Rufbereitschaft des Klägers – wie oben unter II. und III. ausgeführt – weder aus den Zeitvorgaben zur Aufnahme des Dienstes im Fall einer Alarmierung noch aus der Häufigkeit einer dienstlichen Inanspruchnahme herleiten.
46V. Schließlich gebietet das Unionsrecht keine Qualifizierung der vom Kläger geleisteten Rufbereitschaftszeiten als Arbeitszeit. Der Kläger weist zunächst zutreffend darauf hin, dass Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2003/88/EG Arbeitszeit definiert als jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeiten ausübt oder andere Aufgaben wahrnimmt, und Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie als Ruhezeit jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit beschreibt. Auch ist nicht in Abrede zu stellen, dass Arbeits- und Ruhezeit einander ausschließen. Weiterhin hat der Europäische Gerichtshof, wie der Kläger vorträgt, zu den inhaltsgleichen Regelungen in Art. 2 der (Vorgänger-) Richtlinie 93/104/EG ausgeführt, dass Bereitschaftsdienst in Form persönlicher Anwesenheit am Arbeitsplatz unter den Begriff der Arbeitszeit falle, ohne dass es darauf ankomme, ob der Arbeitnehmer tatsächlich Arbeitsleistungen erbringe. Allerdings hat der Gerichtshof darüber hinaus entschieden – worauf der Kläger nicht eingeht –, dass etwas anders gelte, wenn Bereitschaftsdienst in der Weise geleistet werde, dass die betreffende Person ständig erreichbar sei, ohne jedoch zur Anwesenheit in der Einrichtung des Arbeitgebers verpflichtet zu sein („Rufbereitschaft“); selbst wenn der jeweilige Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber nämlich in dem Sinne zur Verfügung stehe, dass er erreichbar sein müsse, könne er in dieser Situation doch freier über seine Zeit verfügen und eigenen Interessen nachgehen, so dass nur die Zeit, die für die tatsächliche Erbringung von Leistungen aufgewandt werde, als Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie anzusehen sei.
47Vgl. EuGH, Urteile vom 9. September 2003 – C-151/02 – Jaeger, juris, Rn. 51 und vom 3. Oktober 2000 – C-303/98 – SIMAP, juris, Rn. 50.
48Mit diesen Maßgaben, von denen der Europäische Gerichtshof – soweit ersichtlich – nicht abgerückt ist, lässt sich die Einordnung der Dienste des Klägers als bloße Rufbereitschaft, die nicht vollumfänglich als Arbeitszeit anerkannt werden muss, ohne Weiteres vereinbaren. Wenn der VGH Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 26. Juni 2013 – 4 S 94/12 – (juris, Rn. 21) darauf hinweist, dass nach der Entscheidung des EuGH vom 4. März 2011 – C-258/10 – Grigore, Slg. 2011, I-20, bei der Einordnung als Bereitschaftsdienst nicht nur explizit auf die Arbeitszeit bezogene Regelungen zu berücksichtigen sind, sondern auch solche, die sonst praktische Auswirkungen auf die Arbeitszeitgestaltung haben – einschließlich ihrer faktischen Umsetzung – sowie die dazugehörigen Begleitumstände, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Denn auch die faktische Ausgestaltung der Rufbereitschaft des Klägers führt im Gegensatz zu jener in der Entscheidung des VGH Baden-Württemberg nicht zur Qualifizierung als arbeitszeitmäßig vollständig anzuerkennender Bereitschaftsdienst, wie oben unter II. und III. gezeigt wurde.
49Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.