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Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die für erstattungsfähig erklärt werden.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000,00 Eurofestgesetzt.
Gründe:
2Das bei Gericht am 16. Dezember 2015 eingegangene vorläufige Rechtsschutzgesuch mit dem Antrag,
3die sofortige Vollziehung der mit Bescheid der Bezirksregierung E. vom 9. Dezember 2015 für den 13. und 20. Dezember 2015 bewilligten Sonntagsarbeit anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5Das Antragsbegehren ist schon unzulässig, soweit es die Bewilligung von Sonntagsarbeit für den 13. Dezember 2015 in Bezug nimmt, nachdem dieser Bewilligungszeitpunkt bereits verstrichen und im vorläufigen Rechtsschutzverfahren für eine gerichtliche Überprüfung erledigter behördlicher Maßnahmen rechtlich kein Raum ist.
6Im Übrigen ist das Rechtsschutzgesuch der Antragstellerin allerdings zulässig.
7Namentlich ist der Rechtsschutzantrag insoweit gemäß den §§ 123 Abs. 5, 80 a Abs. 3 VwGO statthaft. Nach § 80 a Abs. 3 S. 1 i. V. m. Abs. 1 Nr. 1 VwGO kann das Gericht in Anwendung des § 80 Abs. 5 bis Abs. 8 VwGO auf Antrag des Begünstigten die sofortige Vollziehung einer behördlichen Entscheidung anordnen, wenn ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt einlegt. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, nachdem die Bezirksregierung E. in Gestalt eines begünstigenden Verwaltungsaktes (§ 35 S. 1 VwVfG NRW) der Antragstellerin in Anwendung des Arbeitszeitgesetzes mit dem Bescheid vom 9. Dezember 2015 die Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern (auch) am Sonntag, den 20. Dezember 2015, an ihrem Standort bewilligt und die Beigeladene gegen diese Entscheidung vor dem beschließenden Gericht am 14. Dezember 2015 Klage (15 K 8347/15) erhoben hat.
8Der Klage der Beigeladenen gegen die nicht mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung versehene Entscheidung der Bezirksregierung E. vom 9. Dezember 2015 kommt auch gemäß § 80 Abs. 1 S. 2 VwGO aufschiebende Wirkung zu. Die Klage ist nicht offensichtlich unzulässig. Entgegen der von der Antragstellerin vertretenen Rechtsauffassung dürfte es der Beigeladenen als Gewerkschaft insbesondere nicht an der nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderlichen Befugnis fehlen, Klage gegen die behördliche Bewilligung von Sonntagsarbeit zu erheben. Es spricht vielmehr alles dafür, dass auch § 13 Abs. 3 Nr. 2 b ArbZG, auf den die Bezirksregierung E. hier die Bewilligung der Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern an den Sonntagen gestützt hat, ebenso wie dies für § 13 Abs. 3 Nr. 2 a ArbZG obergerichtlich anerkannt ist,
9vgl. hierzu etwa Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26. November 2014, 6 CN 1/13, juris Rdnr. 14,
10mit Blick auf die in Art. 9 GG und Art. 140 GG i. V. m. Art. 139 WRV verbürgten Verfassungswerte und die an freien Sonntagen erleichterten Rahmenbedingungen zur Wahrnehmung von Vereinsbetätigungen ebenfalls dazu bestimmt ist, gewerkschaftliche Rechte zu schützen.
11Ebenso: Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 11. Dezember 2015, 3 B 369/15.
12Die Antragstellerin war auch prozessual nicht verpflichtet, vor der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes ihrerseits bei der Bezirksregierung E. die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides vom 9. Dezember 2015 (erfolglos) zu beantragen. Zwar sind gemäß § 80 a Abs. 3 S. 2 VwGO die nach § 80 Abs. 5 bis 8 VwGO geltenden Regelungen auf den Antrag gemäß § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO entsprechend anzuwenden. Bei der damit auch erfolgten Bezugnahme auf die Vorschrift des § 80 Abs. 6 VwGO, der seinerseits in Satz 1 bestimmt, dass in den Fällen des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nur zulässig ist, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder teilweise abgelehnt hat, handelt es sich indes lediglich um eine Rechtsgrund‑, nicht aber um eine Rechtsfolgenverweisung.
13Vgl. dazu etwa Kopp / Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 21. Auflage 2015, zu § 80 a Rdnr. 21.
14In Reichweite seiner danach gegebenen Zulässigkeit ist das vorläufige Rechtsschutzgesuch nicht begründet.
15Gemäß § 80 a Abs. 3 S. 1 i. V. m. Abs. 1 Nr. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache in Anwendung des § 80 Abs. 5 VwGO als Ergebnis einer Interessenabwägung auf Antrag des Begünstigten die sofortige Vollziehung einer behördlichen Entscheidung anordnen. Dabei überwiegt das Anordnungsinteresse des durch die behördliche Entscheidung Begünstigten das Interesse des Drittbetroffenen daran, dass seinem Rechtsbehelf Suspensiveffekt zukommt, jedenfalls dann nicht, wenn sich die angegriffene Behördenentscheidung bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als rechtswidrig erweist. Denn an der sofortigen Vollziehung einer rechtswidrigen behördlichen Entscheidung besteht kein rechtlich schutzwürdiges Interesse. Nach Lage der Akten spricht aber alles dafür, dass die Bezirksregierung E. der Antragstellerin die Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern am Sonntag, den 20. Dezember 2015, zu Unrecht bewilligt hat.
16Nach § 13 Abs. 3 Nr. 2 b ArbZG kann die Aufsichtsbehörde abweichend von § 9 ArbZG bewilligen, an bis zu fünf Sonn‑ und Feiertagen im Jahr Arbeitnehmer zu beschäftigen, wenn besondere Verhältnisse dies zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens erfordern. Dass der Antragstellerin danach der geltend gemachte Anspruch zusteht, ist nicht ersichtlich.
17Aus welchen Gründen die Bezirksregierung E. die danach maßgeblichen Voraussetzungen für die Bewilligung der Sonntagsarbeit nach der benannten Vorschrift als gegeben angesehen hat, ist ihrem Bescheid vom 9. Dezember 2015 nicht zu entnehmen. Die dortige Begründung der Entscheidung erschöpft sich in der Wiedergabe des Gesetzestextes und dem Hinweis, dass im Rahmen des eingeräumten Ermessens die beantragte Bewilligung zu erteilen sei. Derartige allgemeingehaltene Ausführungen genügen mangels eines nachvollziehbaren und substantiiert aufgezeigten Bezuges zu dem Sachverhalt, der der behördlichen Entscheidung zugrunde gelegt ist, hier schon in formeller Hinsicht nicht dem Begründungserfordernis des § 39 Abs. 1 S. 1 VwVfG NRW. Zwar bedarf es nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW einer solchen Begründung nicht, wenn eine Behörde einem Antrag entspricht. Indes ist diese Ausnahmevorschrift dann nicht anwendbar, wenn ‑ wie hier ‑ die antragsgemäß ergehende Entscheidung geeignet ist, Rechte Dritter zu berühren.
18Vgl. dazu etwa Kopp / Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 16. Auflage 2015, zu § 39 Rdnr. 38.
19Das Fehlen der danach der Bewilligungsentscheidung der Bezirksregierung beizufügenden Begründung, die auch der diesbezüglich nur auf Behauptungen beschränkt gebliebenen Antragserwiderung nicht zu entnehmen ist, führt indes nicht nur zur formellen Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 9. Dezember 2015, sondern zieht auch dessen materielle Rechtswidrigkeit nach sich. Dem Bescheid lässt sich mangels dort diesbezüglich dargelegter Erwägungen nämlich nicht entnehmen, ob das Ermessen dem Zweck der Ermächtigung des § 13 Abs. 3 Nr. 2 b ArbZG entsprechend ausgeübt ist.
20Darüber hinaus ergibt sich das Vorliegen der Bewilligungsvoraussetzungen nach § 13 Abs. 3 Nr. 2 b ArbZG aus dem Vortrag der Antragstellerin zu der Begründung ihres Rechtsschutzgesuchs oder den Unterlagen, die sie ihrem an die Bezirksregierung E. gerichteten Bewilligungsantrag beigefügt hatte, nicht.
21Während "besondere Verhältnisse" nach § 13 Abs. 3 Nr. 2 b ArbZG gegeben sind, wenn ein vorübergehendes Ereignis, das nicht notwendig unvorhergesehen sein muss, zu einer betrieblichen Situation führt, die vom üblichen Betriebsverlauf oder Arbeitsverlauf abweicht,
22vgl. etwa Baeck / Deutsch, Arbeitszeitgesetz, Kommentar, 2. Auflage 2004, (Baeck / Deutsch),zu § 13 ArbZG Rdnr. 40; Schliemann, Arbeitszeitgesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 2009, (Schliemann), zu § 13 ArbZG Rdnr. 46; Wank in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Auflage 2015, (Erfurter Kommentar) zu § 13 ArbZG Rdnr. 6,
23ist ein Schaden gemäß der genannten Bestimmung als unverhältnismäßig anzusehen, wenn der Nachteil, den der Arbeitgeber infolge der besonderen Verhältnisse erleiden würde, in seinen wirtschaftlichen Auswirkungen unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Betriebes und des Gewichts, das dem Verbot der Sonntagsarbeit zukommt, in seinem Ausmaß unzumutbar ist und auch nicht anders als durch die Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern an Sonntagen abgewendet werden kann.
24Vgl. hierzu Baeck / Deutsch, a. a. O., Rdnr. 41; Schliemann, a. a. O., Rdnr. 48 ff.; Wank in: Erfurter Kommentar, a. a. O., Rdnr. 7.
25Gemessen daran lässt sich zwar das in der Vorweihnachtszeit erhöhte Bestellaufkommen in dem von der Antragstellerin betriebenen Versandhandel rechtlich wohl als eine Situation qualifizieren, die besondere Verhältnisse im Sinne der Anspruchsnorm begründen. Nicht substantiiert dargetan hat die Antragstellerin indes, dass ihr ohne Bewilligung der Sonntagsarbeit ein Schaden im Sinne der Anspruchsnorm entsteht. Ihre Ausführungen hierzu beschränken sich darauf anzuführen, welche Beteiligten (Kunden, Lieferanten, Spediteure, Logistikpartner, Dienstleistungspartner) bei Lieferverzögerungen Regressansprüche geltend machen könnten.
26Unabhängig davon ist auch die Unverhältnismäßigkeit eines etwaigen Schadens nicht dargetan. Diesbezüglich fehlt es bereits am Vortrag belastbarer Tatsachen, die den Schluss zuließen, dass das in den Wochen vor Weihnachten wohl üblicherweise (auch) im Versandhandel deutlich zunehmende Arbeitsaufkommen generell und / oder im laufenden Weihnachtsgeschäft nicht anders zu bewältigen ist als durch die Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern an dem hier noch in Rede stehenden Sonntag.
27Das Antragsvorbringen erlaubt mangels eines insoweit substantiierten Vortrages zu den wirtschaftlichen Gesamtverhältnissen der Antragstellerin auch keinen Rückschluss darauf, wie sich diese zu einem durch das Verbot der Sonntagsarbeit bedingten wirtschaftlichen Nachteil verhalten. Dabei müsste ein solcher Schaden, um hier zu Gunsten der Antragstellerin Berücksichtigung zu finden, in seiner Größenordnung und wirtschaftlichen Bedeutung für die Antragstellerin von einem Ausmaß sein, das die Bedeutung der durch das Verbot der Sonntagsarbeit geschützten Rechtsgüter überwiegt. In die danach erforderliche Abwägung einzubeziehen ist dabei nicht nur, dass der unwiederbringliche Verlust der mit Verfassungsrang versehenen Sonntagsruhe,
28vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009, 1 BvR 2857/07 und 1 BvR 2858/07, juris,
29der durch die Kompensationsmaßnahmen nach § 11 ArbZG nicht vollständig auszugleichen ist, schon für sich genommen einen erheblichen Nachteil für das rechtlich schutzwürdige Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (der Antragstellerin) an dem Erhalt der ihrer Erholung und damit ihrer Gesundheit dienenden Sonntage als arbeitsfreie Tage bedeutet. Zu berücksichtigen ist vielmehr auch, dass dieses Interesse hier besonders schwer wiegt. Denn mangels tatsächlicher Anhaltspunkte für eine gegenteilige Annahme ist davon auszugehen ist, dass der von der Antragstellerin für die Zeit vor Weihnachten geltend gemachte deutliche Anstieg des Arbeitsaufkommens im Betrieb einhergeht mit einer in der Vorweihnachtszeit über Wochen andauernden erhöhten Arbeitsbelastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ihrerseits deren gesteigertes rechtlich schutzwürdiges Interesse an einem arbeitsfreien Sonntag begründet. Schließlich kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die von der Antragstellerin befürchteten Nachteile nicht nur auf einem vor Weihnachten allgemein erhöhten Bestellaufkommen beruhen, sondern auch darauf, dass sie selbst den Kunden einen (kostenpflichtigen) Premium Versand anbietet und im Übrigen mit einer Zustellung innerhalb von ein bis zwei Tagen wirbt.
30Nach allem kann offen bleiben, ob sich die Rechtswidrigkeit des Bescheides der Bezirksregierung E. vom 9. Dezember 2015 auch damit begründen lässt, dass die Bewilligung der Sonntagsarbeit angesichts des zwischen der Beigeladenen und der Antragstellerin zur Zeit geführten Arbeitskampfes als Eingriff in die Tarifautonomie darstellt und deshalb als rechtswidrig anzusehen ist.
31Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Dabei entspricht es der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da sie einen Sachantrag gestellt und sich damit dem prozessualen Risiko ausgesetzt hat, im Fall ihres Unterliegens mit Kosten belastet zu werden.
32Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Der danach in einem Hauptsacheverfahren angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung des Streits auf 10.000,00 EUR festzusetzende Streitwert war hier angesichts der Tragweite der begehrten gerichtlichen Entscheidung, die wegen der zeitlichen Beschränkung der Erlaubnis an die Bedeutung einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren heranreicht, nicht zu mindern.
33Vgl. zur Bemessung des Streitwertes: Beschluss der Kammer vom 9. Juli 2015, 15 L 2301/15, und bestätigend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10. Juli 2015, 4 B 791/15, beide www.nrwe.de und juris.