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Der Bescheid des Beklagten vom 26. Oktober 2010 wird aufgehoben, soweit die festgesetzte Gebühr 21,50 Euro übersteigt.
Im Übrigen wird die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Hinterlegung oder Leistung einer Si-cherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
2Die Klägerin ist Halterin eines Kraftrades (Motorrades) der Marke "Honda" mit dem amtlichen Kennzeichen XXX-XX 00. Am 30. April 2010 wurde das Fahrzeug von einer fest installierten Verkehrsüberwachungseinrichtung auf der B 495 im Landkreis T mit einer Geschwindigkeit von 81 km/h gemessen (nach Toleranzabzug). Die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit betrug 50 km/h. Auf dem Radarfoto ist ein Motorradfahrer mit einer hellen Jacke und einem dunklen Helm von hinten zu sehen.
3Unter dem 10. Mai 2010 versandte der Landrat des Landkreises T ein Anhörungs-schreiben mit dem Lichtbild an die Klägerin. Er bat um ausgefüllte Rücksendung des bei-gefügten Fragebogens innerhalb einer Woche. Dies geschah nicht. Am 1. Juni 2010 und am 18. Juni 2010 übersandte der Landrat des Landkreises T den Fragebogen erneut. Die Wiedergabe der vorbenannten Schreiben ist in der Verwaltungsakte enthalten. Keines der Schreiben gelangte in den Postrücklauf. Die Klägerin bestreitet, diese Schreiben erhalten zu haben.
4Unter dem 8. Juli 2010 ersuchte der Landrat des Landkreises T die Kreispolizeibehörde W um Fahrerermittlung. Laut Aktenvermerk des Polizeioberkommissars (POK) T1 vom 3. August 2010 habe die Klägerin nach mehreren Versuchen erreicht werden können. Sie habe keine Angaben zum Fahrzeugführer gemacht, Nachfragen in der Nachbarschaft seien ergebnislos verlaufen. Es seien keine Hinweise auf den Fahrzeugführer zu erlangen gewesen. Auf gerichtliche Nachfrage teilte POK T1 am 1. Mai 2012 mit, dass er keine weitergehenden Erinnerungen an den Vorgang habe.
5Mit Schreiben vom 9. August 2010 teilte der Landrat des Landkreises T der Klägerin mit, dass das gegen sie geführte Bußgeldverfahren eingestellt worden sei, da diejenige Person, die die Ordnungswidrigkeit begangen hat, nicht festgestellt habe werden können.
6Unter dem 2. September 2010 hörte der Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Anordnung einer Fahrtenbuchauflage an. Die Klägerin trug vor, der angebliche Verkehrsverstoß sei ihr zu keinem Zeitpunkt angezeigt worden. Zwar habe sie das Schreiben des Landkreises T vom 9. August 2010 erhalten, aber erst durch die Anhörung im Rahmen der Fahrtenbuchauflage unter dem 2. September erfahren, welcher Verstoß ihr zur Last gelegt würde. Sie könne heute nicht mehr nachvollziehen, wer am 30. April 2010 das Fahrzeug benutzt habe; dies sei auch nach viereinhalb Monaten nicht mehr zu erwarten. Theoretisch kämen mehrere Familienmitglieder mit entsprechender Fahrerlaubnis in Betracht. Hätte sie ein entsprechendes Schreiben des Landkreises T erhalten, wäre sie bereit und in der Lage gewesen, den Fahrzeugführer am fraglichen Tage zu benennen. Der Vorwurf, sie habe an der Aufklärung der Ordnungswidrigkeit nicht mitgewirkt, sei nicht zu halten und die Fahrtenbuchauflage daher unverhältnismäßig.
7Am 26. Oktober 2010 erließ der Beklagte eine Fahrtenbuchauflage gegen die Klägerin, die ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 2. November 2010 zugestellt wurde. Der Beklagte gab ihr auf, das Fahrtenbuch für die Dauer von zwölf Monaten zu führen und erstreckte es auf ein evtl. Ersatzfahrzeug. Gleichzeitig setzte er Kosten in Höhe von 93,00 Euro fest.
8Am 2. Dezember 2010 hat die Klägerin hiergegen Klage erhoben.
9Ergänzend zum Vortrag im Verwaltungsverfahren trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, sie sei nicht verpflichtet gewesen, an der von der Beklagten verlangten Aufklärung mitzuwirken. Eine Fahrtenbuchauflage solle erfolgen, wenn dem Halter eine mangelnde Kooperationsbereitschaft zu unterstellen sei. Zum Zeitpunkt des Zugangs des Schreibens vom 2. September 2010 sei die angebliche Tat jedoch längst verjährt. Fehlende Mitwirkung an der Aufklärung einer verjährten Ordnungswidrigkeit stelle keine Behinderung der eigentlichen Sachaufklärung dar. Der Polizeibeamte T1 sei im August 2010 kurz bei der Kläge¬rin gewesen und habe gefragt, wer im April 2010 das Motorrad gefahren habe. Wegen des Zeitablaufs habe sie sich nicht daran erinnern können. Den konkreten Tatvorwurf habe sie jedoch erst mit dem Anhörungsschreiben zur Fahrtenbuchauflage erfahren. Wenige Tage später hat die Klägerin den Vortrag dahingehend geändert, dass POK T1 zu keinem Zeitpunkt bei ihr persönlich oder ihrem Ehemann vorgesprochen habe. In der mündlichen Verhandlung ließ sie durch ihren Prozessbevollmächtigten erklären, der Besuch des POK T1 habe doch im August 2010 stattgefunden.
10Die Klägerin beantragt,
11den Bescheid des Beklagten vom 26. Oktober 2010 aufzuheben.
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Er verweist zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid und trägt ergänzend vor, dass die ausgebliebene Reaktion auf die drei versandten Schreiben des Landkreises T als fehlende Mitwirkungsbereitschaft gewertet werden dürfte. Maßgeblich sei die Einschätzung der Behörde, welche Maßnahmen erfahrungsgemäß hinreichenden Aufklärungserfolg versprächen. Eine Fahrtenbuchauflage setze nicht den Zugang des Anhörungsbogens voraus. Ausreichend sei die Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers. Nach der Lebenserfahrung sei unwahrscheinlich, dass die Klägerin lediglich die Einstellungsnachricht erhalten hätte und anlässlich dieser dann nicht beim Landkreis T angefragt habe, welcher Art der angebliche Verstoß gewesen sei. Der klägerische Vortrag sei insoweit unglaubhaft – ebenso wie der widersprüchliche Vortrag zum Besuch des POK T1.
15Entscheidungsgründe:
16Die Klage hat nur teilweise Erfolg.
17Die zulässige Klage ist nur teilweise, nämlich in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet, weil der angegriffene Bescheid mit Ausnahme der Gebührenfestsetzung rechtmäßig ist und die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
18Gemäß § 31 a Abs. 1 Satz 1 StVZO kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahr-zeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.
19Das Klagevorbringen begründet keine Zweifel daran, dass mit dem Motorrad der Klägerin mit dem Kennzeichen XXX-XX 00 am 30. April 2010 in einer geschlossenen Ortschaft im Landkreis T die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h – nach Abzug der Messtoleranz – um 31 km/h überschritten wurde. Anhaltspunkte dafür, die Richtigkeit des Messergebnisses in Frage zu stellen, sind nicht ersichtlich. Messergebnisse, die mit amt-lich zugelassenen Geräten in standardisierten Verfahren gewonnen werden, können nach Abzug der Messtoleranz von Behörden und Gerichten im Regelfall ohne Weiteres zu Grunde gelegt werden; Fehlerquellen brauchen nur erörtert zu werden, soweit der Einzel-fall dazu konkrete Veranlassung gibt.
20Vgl. OVG NRW, Urteil vom 31. März 1995 - 25 A 2798/93 -, NWVBl. 1995, 388, im Anschluss an BGH, Beschluss vom 19. August 1993 - 4 StR 627/92 -, NJW 1993, 3081; OVG NRW, Beschlüsse vom 8. Mai 2002 - 8 A 957/00 -, vom 27. Juli 2006 - 8 A 810/06 - und vom 16. Juli 2008 - 8 A 82/08 -; vgl. auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 11. Mai 1999 - 12 L 2087/99 -, DAR 1999, 424.
21Wenn ein Halter, der ein Fahrtenbuch führen soll, den begangenen Verkehrsverstoß als solchen bestreitet, muss er nach Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens im Verwaltungs- und verwaltungsgerichtlichen Verfahren substantiierte Angaben machen, die seine Schilderung plausibel erscheinen lassen.
22Vgl. OVG NRW, Urteil vom 31. März 1995 - 25 A 2798/93 -, NWVBl. 1995, 388, und Beschluss vom 9. Mai 2006 - 8 A 3429/04 -; OVG Lüneburg, Beschluss vom 14. Juni 1999 - 12 M 2491/99 -, NZV 1999, 486.
23Daran fehlt es hier. Die Klägerin äußert lediglich Zweifel, ob ein Verstoß stattgefunden hat, ohne diese Zweifel durch tatsächliche Anhaltspunkte einer evtl. Fehlerhaftigkeit der Messung zu untermauern.
24Die Feststellung des Fahrzeugführers ist im Sinne des § 31 a Abs. 1 Satz 1 StVZO un-möglich, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalls nicht in der Lage war, den Täter einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat.
25Zu den angemessenen Ermittlungsmaßnahmen gehört grundsätzlich, dass der Halter möglichst umgehend - im Regelfall innerhalb von zwei Wochen - von dem mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoß benachrichtigt wird, damit er die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten kann und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann. Ungeachtet dessen bleibt es jedoch Sache des Fahrzeughalters, Angaben zu der Person zu machen, die im fraglichen Zeitpunkt sein Fahr-zeug geführt hat. Dabei obliegt es dem Halter insbesondere, dass er den bekannten oder auf einem vorgelegten Radarfoto erkannten Fahrer benennt oder zumindest den mögli-chen Täterkreis eingrenzt und die Täterfeststellung durch Nachfragen im Kreise der Nutzungsberechtigten fördert.
26Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. April 2011 – 8 B 306/11 –, juris m. w. N.
27Umstritten ist, ob die erforderliche Ermittlungsmaßnahme im bloßen Absenden des Anhörungsschreibens mit einfacher Post bestehen kann. Wenn das zutrifft, kommt es auf den Zugang des Anhörungsschreibens und damit auf das Bestreiten desselben durch den Halter nicht an.
28Bejahend: VGH Hessen, Urteil vom 22. März 2005 – 2 UE 582/04, juris Rdn. 27; OVG Nds., Beschluss vom 10. März 2006 – 12 ME 48/06 –, juris Rdn. 14; VG Augsburg, Beschluss vom 16. Februar 2006 – Au 3 S 06.132 –, juris Rdn. 20.
29Nach der Gegenauffassung muss das Anhörungsschreiben tatsächlich zugehen, um als Ermittlungsmaßnahme zu genügen. Bestreitet der Halter den Zugang des Anhörungsschreibens, muss die darlegungs- und beweispflichtige Behörde beweisen, dass der Zu-gang doch erfolgt ist. Die Beweispflicht soll im Regelfall durch schlichtes Bestreiten aus-gelöst werden, weil es sich beim unterbliebenen Zugang um eine negative Tatsache handele.
30Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 22. März 2011 – 8 B 192/11 – und vom 1. Dezember 2011
31– 8 B 1271/11 –; in diese Richtung bereits Beschluss vom 4. Mai 2005 – 8 B 3450/04 –; BayVGH, Beschlüsse vom 30. September 2008 – 11 CS 08.1953 –, juris Rdn. 5, vom 10. Oktober 2006
32– 11 CS 06.607 – juris, Rdn. 19, und vom 7. April 2006 – 11 CS 05.1964 –, juris Rdn. 18.
33Davon zu unterscheiden ist allerdings die im Rahmen der Beweiswürdigung zu prüfende Frage, ob das Bestreiten des Zugangs unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände des Einzelfalls glaubhaft ist.
34Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 22 März 2011 – 8 B 192/11 – und vom 1. Dezember 2011
35– 8 B 1271/11 –; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. (2008), § 41 Rdn. 128 f.
36Ist – wie hier – schon das Bestreiten des Zugangs nicht glaubhaft, kann die aufgeworfene Streitfrage unentschieden bleiben.
37Die Behörde kann ihrer Beweispflicht im Streitfall auch nach den Grundsätzen über den Beweis des ersten Anscheins genügen, wenn sie Tatsachen vorträgt, aus denen nach all-gemeiner Lebenserfahrung geschlossen werden kann, dass der Empfänger das Schreiben tatsächlich erhalten haben muss.
38Vgl. BayVGH, Beschluss vom 6. Juli 2007 – 7 CE 07.1151 –, NVwZ-RR 2008, 252 m. w. N.
39Ein solcher Schluss kann jedenfalls bei einer ungewöhnlichen Häufung angeblich abhanden gekommener Briefe gezogen werden.
40Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 31. Oktober 2011 – 8 E 387/11 –.
41Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Klägerin mindestens eines der drei Anhörungs-schreiben vom 10. Mai 2010, 1. Juni 2010 und 18. Juni 2010 erhalten hat, deren Wieder-gaben sich in der Verwaltungsakte befinden. Die Schreiben sind an die zutreffende Anschrift der Klägerin versandt worden sind. Keiner der Briefe ist als unzustellbar zur OWi-Behörde zurückgelangt. Schon angesichts der Vielzahl der Schreiben erscheint es lebensfremd, dass sämtliche Sendungen im Postbetrieb verlorengegangen sein könnten.
42Die Funktionsfähigkeit des Postbetriebs im Wohnbereich der Klägerin wird dadurch bestätigt, dass sie zwar die (belastenden) Anhörungsschreiben nicht erhalten haben will, die (begünstigende) Nachricht von der Einstellung des Bußgeldverfahrens aber schon. Letztere ist allerdings in derselben Weise und an dieselbe Adresse versandt worden wie die vorhergehenden Anhörungsschreiben.
43An der Glaubhaftigkeit des klägerischen Vortrags zum Nichterhalt der Anhörungsschreiben hegt das Gericht weitere Zweifel, weil die Klägerin wenig glaubwürdig ist. Das folgt u. a. aus ihrem wechselnden Vortrag zu dem Besuch des Polizeibeamten, ohne dass dafür nachvollziehbare Gründe ersichtlich wären (dazu sogleich).
44Ist die Klägerin demnach zu dem Verkehrsverstoß ordnungsgemäß angehört worden, musste die OWi-Behörde auf das Schweigen der Klägerin hin keine weiteren Ermittlungen anstellen. Die OWi-Behörde durfte vielmehr davon ausgehen, dass die Klägerin nicht bereit war, ihrer Mitwirkungspflicht als Halterin zu genügen.
45Das gilt auch, wenn man zugunsten der Klägerin zugrunde legt, dass erst das letzte der drei Anhörungsschreiben die Klägerin erreicht hat und damit die zweiwöchige Regelfrist, innerhalb derer die Anhörung zu erfolgen hat, versäumt worden ist.
46Verzögerungen bei der Anhörung des Fahrzeughalters stehen der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage dann nicht entgegen, wenn sie für die Erfolglosigkeit der Ermittlung des Fahrers nicht ursächlich geworden sind.
47Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. April 2011 – 8 B 306/11 –, juris m. w. N.
48Das gilt namentlich für Fälle, in denen erkennbar ist, dass auch eine frühere Unterrichtung nicht zu einem Ermittlungserfolg geführt hätte, weil der Halter ohnehin nicht bereit war, an der erforderlichen Aufklärung mitzuwirken. Lehnt dieser die ihm mögliche und zumutbare Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben.
49Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1982 - 7 C 3.80 -, BayVBl. 1983, 310, Beschlüsse vom 21. Oktober 1987 - 7 B 162.87 -, NJW 1988, 1104, und vom 9. Dezember 1993 - 11 B 113.93 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 29. April 1999 - 8 A 699/97 -.
50So liegen die Dinge hier. Die unterstellte Fristversäumnis ist nicht kausal für die Unaufklärbarkeit geworden, weil die Klägerin sich im OWi-Verfahren nicht auf ein wegen Zeitablauf mangelndes Erinnerungsvermögen berufen, sondern durch Schweigen ihre Mitwirkungsverweigerung dokumentiert hat. Soweit die Klägerin sich im hiesigen Fahrten-buchverfahren auf eine Erinnerungslücke beruft, entlastet sie dieses nicht, weil der Ein-wand erst nach Ablauf der Verfolgungsverjährung der Ordnungswidrigkeit und damit verspätet erhoben worden ist. Zudem wurde der Einwand nicht an die OWi-Behörde, sondern die insoweit unzuständige Fahrtenbuchbehörde gerichtet. Aus Sicht der OWi-Behörde schwieg die Klägerin weiterhin.
51Unabhängig von der schriftlichen Anhörung hat die OWi-Behörde die Klägerin am 3. August 2010 im ordnungswidrigkeitenrechtlichen Sinne angehört.
52Die nach § 55 Abs. 1 OWiG erforderliche Anhörung bedeutet, dass dem Betroffenen Gelegenheit zur Äußerung gegeben wird. Die Anhörung ist formfrei, kann also mündlich erfolgen, und muss nicht von der OWi-Behörde selbst vorgenommen werden. Amtshilfe
53– wie hier – ist zulässig.
54Vgl. Göhler/Gürtler, in: Ordnungswidrigkeitengesetz, 15. Aufl. (2009), § 55 Rdn. 2-5; Rdn. 17 vor § 59.
55Diesen Anforderungen hat der Landkreis T als OWi-Behörde genügt. Aus dem Ermittlungsbericht des in Amtshilfe in Anspruch genommenen Polizeioberkommissars T1 von der Polizeibehörde des Beklagten ergibt sich, dass der ermittelnde Beamte die Klägerin nach verschiedenen Versuchen am 3. August 2010 erreicht hat, sie aber keine Angaben zum Fahrzeugführer gemacht hat. Dies hat die Klägerin auch nach zwischenzeitlichem Bestreiten zuletzt eingeräumt. Sogar die weitergehenden Ermittlungen in der Nach-barschaft haben zu keinem Ergebnis geführt.
56Die Gelegenheit zur Stellungnahme am 3. August 2010 kann der Klägerin entgegen gehalten werden, weil sie nicht erst nach Ablauf der Verfolgungsverjährung gegeben worden ist. Die Verfolgungsverjährung von Verkehrsordnungswidrigkeiten beträgt nach § 26 Abs. 3, 1. Alt. StVG drei Monate. Sie begann am Tattag, dem 30. April 2010, zu laufen. Das reguläre Ende fiele damit auf den Ablauf des 30. Juli 2010, so dass die Anhörung am 3. August 2010 verspätet gewesen wäre.
57Allerdings hat die Absendung des Anhörungsbogens an die Klägerin als Täterin (und nicht als Zeugin) die Verjährung nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG unterbrochen. In ihr liegt nämlich die Anordnung der Bekanntgabe, dass das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist. Die Verjährungsunterbrechung wird schon durch die verwaltungsinterne Anordnung unterbrochen. Auf den Zugang des angeordneten Anschreibens beim Betroffenen kommt es nicht an.
58Vgl. Göhler/Gürtler, in: Ordnungswidrigkeitengesetz, 15. Aufl. (2009), § 33 Rdn. 11, 6b.
59Nach § 33 Abs. 3 Satz 1 OWiG beginnt die Verjährung mit jeder Unterbrechung von Neuem. Geht man zugunsten der Klägerin (diesmal) davon aus, dass sie der erste Anhörungsbogen vom 10. Mai 2010 erreicht hat, endete die Verfolgungverjährung erst am 10. August 2010 und damit nach der Anhörung durch den Polizeibeamten T1.
60Für die Versäumung der zweiwöchigen Anhörungsfrist zum Zeitpunkt der polizeilichen Anhörung gilt das Vorgesagte entsprechend. Sie ist ebenfalls nicht kausal für die Unaufklärbarkeit geworden, weil die Klägerin auch gegenüber dem Polizeibeamten geschwiegen hat.
61Die Ordnungsverfügung ist in den von § 114 VwGO gezogenen Grenzen nicht wegen eines Ermessensfehlers zu beanstanden. Insbesondere liegt die Dauer von einem Jahr bei einem Verkehrsverstoß, der mit drei Punkten zu bewerten ist, ohne Weiteres innerhalb der ermessensfehlerfrei wählbaren zeitlichen Länge.
62Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. März 2007 – 8 B 2746/06 –, juris, Rdn. 22 (12 Monate bei 3 Punkten).
63Die Bestimmung eines Ersatzfahrzeugs, für das die Fahrtenbuchauflage gelten soll, beruht auf § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO. Die weiteren Einzelheiten der Verfügung ergeben sich aus § 31 a Abs. 2 und 3 StVZO.
64Die Gebührenfestsetzung – nach § 22 VwKostG ebenfalls Klagegegenstand – ist lediglich in Höhe der Mindestgebühr von 21,50 Euro rechtmäßig. Grundlage der Gebührenfestsetzung ist § 6 a Abs. 2 und 3 Straßenverkehrsgesetz, § 1 Abs. 1 Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt). Der Gebührenrahmen für die Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuches (Gebührennummer 252 des Gebührentarifs für Maßnahmen im Straßenverkehr <GebTSt>, Anlage zu § 1 GebOSt) beträgt 21,50 bis 93,10 Euro. Nach § 6 GebOSt in Verbindung mit § 3 Verwaltungskostengesetz (VwKostG) sind die Gebührensätze so zu bemessen, dass zwischen der den Verwaltungsaufwand berücksichtigenden Höhe der Gebühr einerseits und der Bedeutung, dem wirtschaftlichen Wert oder dem sonstigen Nutzen der Amtshandlung andererseits ein angemessenes Verhältnis besteht. Hiernach ist Ausgangspunkt der Gebührenbemessung der mit der Amtshandlung verbundene Verwaltungsaufwand, der allerdings im Einzelfall nicht genau ermittelt, sondern nur berücksichtigt werden muss und deshalb auch einer Schätzung durch die Behörde zugänglich ist.
65So: OVG NRW, Urteil vom 28. November 2000 – 5 A 2625/00 -, juris, zu der vergleichbaren Regelung in § 9 GebG NRW.
66Aus dem angegriffenen Bescheid ergibt sich nicht, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind. Er enthält vielmehr gar keine Ausführungen zum Verwaltungsaufwand. Solche sind auch im gerichtlichen Verfahren nicht nachgeholt worden. Ein erhöhter Verwaltungsauf-wand lässt sich unabhängig davon auch der Verwaltungsakte nicht entnehmen. Zwar haben die Ermittlungen des Polizeibeamten, der dem Beklagten angehört, erheblichen Verwaltungsaufwand verursacht. Dieser Verwaltungsaufwand ist aber als Amtshilfe im Ordnungswidrigkeitenverfahren angefallen, das der Landkreis T geführt hat. Er ist nicht im Verwaltungsverfahren auf Anordnung einer Fahrtenbuchauflage angefallen. Daher ist die Gebührenfestsetzung ermessensfehlerhaft, soweit sie die Mindestgebühr von 21,50 Euro überschreitet.
67Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Das teilweise Obsiegen der Klägerin hinsichtlich der Gebührenfestsetzung ändert wegen Geringfügigkeit nichts an seiner Kostentragungslast. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
68Rechtsmittelbelehrung:
69Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
70Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
71Die Berufung ist nur zuzulassen,
721. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
732. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
743. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
754. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfas¬sungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
765. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
77Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder in elektronischer Form nach Maßgabe der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Verwaltungsgerichten und den Finanzgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (Elektronische Rechtsverkehrsverordnung Verwaltungs- und Finanzgerichte – ERVVO VG/FG) vom 1. Dezember 2010 (GV. NRW S. 647) einzureichen.
78Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen.
79Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Als Bevollmächtigte sind nur die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen sowie diesen gleichgestellte Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe von § 67 Abs. 4 Satz 3 und 7 VwGO zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren eingeleitet wird.
80Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst einfach eingereicht werden.
81Dr. Stuttmann Dr. Langenbach Lepszy
82Beschluss
83Der Streitwert wird auf 2.493,- Euro festgesetzt.
84Rechtsmittelbelehrung:
85Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäfts-stelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird.
86Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
87Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
88Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht über-steigt.
89Die Beschwerdeschrift soll möglichst einfach eingereicht werden.
90War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
91Dr. Stuttmann Dr. Langenbach Lepszy